10. | Ida
Ich sah die Mamsell ungläubig an. Ausgerechnet ich sollte ein Stubenmädchen werden? War Frieda nicht besser geeignet? „Ich freue mich sehr, dass Sie mir die Stelle zutrauen", begann ich, „aber ich bin erst wenige Wochen hier. Ich denke, Frieda wäre eine bessere Wahl."
„Ich denke dasselbe", erwiderte die Mamsell. „Jedoch war es die Entscheidung des Herzogs." Plötzlich runzelte sie die Stirn. „Hast du etwa den Herzog verführt?"
Ich schnappte nach Luft. „Um Gottes Willen, nein!", antwortete ich schnell. „Ich kenne ihn nicht!"
Die Mamsell sah mir prüfend in die Augen. „Wirklich nicht?"
„Nein!", betonte ich.
„Schön. Du erhältst eine neue Schürze und ein Häubchen. Es ist wichtig, dass du stets gepflegt bist. Du könntest dem Herzog oder seiner Mutter häufig begegnen. Wie du dich zu verhalten hast, muss ich dir wohl hoffentlich nicht erläutern. Du bist gemeinsam mit Martha und Dorothea für die Ordnung und Sauberkeit in den privaten Gemächern des Herzogs und seiner Mutter zuständig. Bei einem Fehltritt - egal ob schwerwiegend oder nicht - wirst du sofort entlassen. Verstanden?"
Ich nickte und sie fuhr fort. „Du wirst dir fortan eine Kammer mit Martha teilen. Die Kammer ist etwas größer als deine jetzige. Über deinen Lohn sprechen wir in zwei Wochen." Mit diesen Worten entließ sie mich. Martha kam auf mich zu und hielt eine weiße Schürze und ein schwarzes Kleid in der Hand. „Wie schön, dass du uns helfen wirst", sagte sie fröhlich und übergab mir die Kleidung. „Soll ich dir zuerst die Kammer zeigen oder die privaten Gemächer?"
Ich entschied mich für die privaten Gemächer des Herzogs und seiner Mutter. Nachdem ich das neue Kleid, die Schürze und ein weißes Häubchen angezogen hatte, folgte ich Martha in den Salon. Sie erzählte mir, dass sich die Herzogsmutter hier mit ihren Freundinnen traf, um über Kunst und Literatur zu sprechen. „Der Salon wird jeden zweiten Tag gesäubert", erklärte sie.
Anschließend gingen wir in das Ankleidezimmer und das Schlafzimmer der Herzogin. Beide Zimmer waren riesig, an der Decke hingen auffällig große Kronleuchter. Mehrere Möbel und auch die Wände waren mit goldenen Ornamenten verziert. Sowohl das Ankleidezimmer als auch das Schlafzimmer waren komplett das Gegenteil von der Kammer, die ich mir mit Frieda geteilt hatte. Während die Kammer dunkel, staubig und eng war, strahlten diese Räume Reichtum und Luxus aus.
„Die privaten Räumlichkeiten werden jeden Tag gereinigt", fuhr Martha fort. „Eigentlich jeden zweiten oder dritten Tag, aber die Herzogin besteht darauf, dass ihre Gemächer jeden Tag sauber und ordentlich sind." Sie führte mich weiter zu den anderen Räumen der Herzogsmutter. Anschließend standen wir vor einer dunklen, schweren Holztür.
„Das ist das Arbeitszimmer des Herzogs", sagte Martha und senkte ihre Stimme. „Wir sollen das Arbeitszimmer nur betreten, wenn der Herzog nicht da ist. Wenn du in das Zimmer gehst und der Herzog sich dort aufhält, könnte es Konsequenzen geben." Sie lauschte. Anscheinend war der Herzog nicht da, denn sie öffnete die Tür und betrat das Arbeitszimmer.
Genau wie die Räume der Herzogsmutter war auch dieses Zimmer riesig, allerdings ohne goldenen Ornamenten an der Wand und an den Möbeln. Auf dem Sekretärtisch stapelten sich einzelne Blätter und Bücher. „Wie oft soll das Arbeitszimmer geputzt werden?", fragte ich. „Zweimal in der Woche", erwiderte Martha. „Pass wirklich auf, dass der Herzog nicht da ist, ja? Und wenn du merkst, dass er zurückkommt, solltest du so schnell wie möglich verschwinden. Dasselbe gilt für die Herzogsmutter. Bei allen anderen Räumlichkeiten ist es dem Herzog egal. Außer bei dem Arbeitszimmer."
Ich nickte schnell und folgte Martha in das Schlafzimmer des Herzogs, das genauso groß war wie das Schlafzimmer seiner Mutter, allerdings weniger prunkvoll. „Ich habe gehört, dass sich der Herzog verloben soll", wisperte Martha. „Wenn die Gerüchte stimmen, bräuchten wir ein neues Schlafzimmer, einen Salon und ein Ankleidezimmer."
Der Herzog würde heiraten? „Hat er eine Partnerin?", fragte ich. Martha legte ihre Zeigefinger auf ihre Lippen und lotste mich rasch auf den Flur, als sie Stimmen hörte. Erst als wir uns wieder im Bereich der Bediensteten befanden, atmete sie tief durch. „Dorothea sagt, die Ehe sei durch seine Mutter arrangiert", erzählte sie. „Aber das ist ja normal. Jedenfalls bei Adelsfamilien."
„Das ist schade", antwortete ich. „Ich könnte mir das niemals vorstellen." Martha zuckte mit den Schultern. „So ist das eben." Sie lief weiter und öffnete eine Tür am Ende des Flurs. Die Kammer war etwas größer, so wie es die Mamsell versprochen hatte. An der Wand standen zwei Betten, daneben zwei Kommoden aus Holz. Ein winziger Holztisch, auf dem Martha Kleidung gelagert hatte, stand neben der Tür. Durch das kleine Fenster schien Sonnenlicht, zwar etwas wenig, aber wenigstens gab es ein Fenster.
„Also gut, jetzt müssen wir anfangen", sagte Martha und öffnete eine weitere Tür, hinter der sich ein Abstellraum befand. „Hier lagern wir alle Dinge, die wir zum Putzen benötigen. Also beispielsweise Tücher." Sie gab mir zwei rote Tücher und nahm einen Eimer Wasser in die Hand. „Zuerst müssen wir den Speisesaal putzen. Der wird alle zwei Wochen gründlich gesäubert."
Doch als wir vor der Tür des Speisesaals standen, hörte ich die Stimme des Herzogs und eine weibliche Stimme, die ich nicht kannte. Ich sah Martha fragend an. „Seine Schwester Florentine von Haberland." Sie seufzte. „Dann müssen wir wohl als erstes das Schlafzimmer der Herzogin putzen."
Martha erzählte mir, dass sie mir die ersten paar Stunden helfen würde. Wir verstanden uns gut, trotzdem dachte ich an Frieda, die jetzt die Aufgaben in der Küche allein erledigen musste. Beim Abendessen sahen wir uns wieder. Auch Dorothea, das dritte Stubenmädchen, war dort. „Ich freue mich sehr, dass wir Unterstützung bekommen", sagte sie zur Begrüßung. „Zu zweit war es kaum möglich. Selbst zu dritt manchmal nicht."
„Ja, es ist sehr anstrengend", bestätigte Martha Dorotheas Aussage. „Aber wir können nichts daran ändern." „Das stimmt", Dorotheas Stimme bekam einen traurigen Klang. Unser Gespräch wurde von der Mamsell unterbrochen, die uns das Essen reichte. Trockenes Brot und dazu Milch.
„Vorerst das Tischgebet", begann der Hausdiener Fasting. Er war der älteste Angestellte, wie mir Dorothea erklärt hatte. Nachdem er das Tischgebet beendet hatte, erlaubte uns die Mamsell zu essen. Es war nicht viel und ich wurde wie jeden Tag nicht satt. Ich vermisste das Essen im 21. Jahrhundert. Nach dem Abendessen war unsere Arbeit jedoch noch nicht erledigt, denn die Mamsell schickte uns in den Speisesaal. „Der Herzog und seine Mutter haben bereits zu Abend gegessen", sagte sie. „Aber passt auf, dass ihr leise seid."
Nachdem wir den Speisesaal geputzt hatten, waren wir fertig. Martha klagte über Kopfschmerzen und mein Rücken schmerzte. Bereits die Arbeit in der Küche war anstrengend gewesen, aber das Putzen war ebenfalls anstrengend.
Müde gingen wir in unsere Kammer. Martha schlief sofort ein.
Ich konnte allerdings nicht schlafen. Wieso hatte der Herzog mich gewählt und nicht Frieda? War es eine Art Prüfung, um zu sehen, ob ich Fehler machte oder nicht?
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