-3- Zusammenbruch
PoV Tim:
"Ha, wenn ich jetzt eine Sechs würfle, habe ich gewonnen!"
Schnell griff meine Mutter nach dem Würfel und grinste mich triumphierend an. Mit einem gekonnten Wurf ließ sie ihn auf den marmorierten Küchentisch fallen und wartete gespannt auf das Ergebnis.
Eine Sechs. Wie konnte es auch anders sein? Bei "Mensch ärgere dich nicht" hatte sie mich schließlich schon immer geschlagen.
"Eiiins, zweeeii, dreeii, viiieer, füüüüünf und sechs, ha! Ich bin im Ziel!", rückte sie gespielt provozierend mit ihrer letzten gelben Figur in die Reihe, wo schon die anderen 3 platziert waren.
Als meine Mutter schon aufsprang um ihren gewöhnlich, peinlichen Siegestanz aufzuführen, wurde sie von einem energischen Hupen unterbrochen.
Ich fuhr augenblicklich hoch und hastete mit schnellen Schritten aus der Küche.
Es war Rewi.
Schnell suchte ich mein Handy und ein wenig Kleingeld zusammen, doch bei einem letzten Blick in den Spiegel, hielt ich kurz inne.
Würde ich das wirklich schaffen? Ich könnte doch einfach runter gehen und sagen, dass ich mich über Tag erkältet hatte. Ein paar Huster und ein Schniefen sollten reichen. Dann wäre die Sache vom Tisch, bevor sie erst richtig angefangen hatte.
Doch das erneute Hupen nahm mir die Entscheidung ab...
XXX
"Da bist du ja endlich, ich dachte schon du kommst nicht mehr! Na los, steig ein!", begrüßte mich Rewi, als ich aus unserer Haustür hetzte.
Noch völlig außer Atem, riss ich die Autotür auf und ließ mich auf die Rückbank sinken.
"Yo Tim, was geht?", hörte ich nun eine vertraute Stimme vom Vordersitz rufen. Erleichtert stellte ich fest, dass die Stimme zu Lukas, alias AviveHD gehörte.
Mit 2 vertrauten Personen an meiner Seite, fühlte ich mich gleich etwas sicherer.
Erst jetzt fiel mir auf wer neben mir, in der Mitte der Rückbank, saß. Es war Tobi, Rewis Cutter.
Seine dunkelbraunen, fast schon schwarzen Haare waren anscheinend mit viel Haarspray bearbeitet worden und der beißende Geruch eines Deos stieg mir in die Nase.
Als ich den Typen neben Tobi sah, musste ich kurz schlucken.
Er war kräftig gebaut, hatte kurze, schwarze Stoppeln auf dem Kopf und steckte in einem grauen Adidas-Trainingsanzug.
Ich nickte ihm nur kurz zu und tat dann so, als wäre vor dem Fenster etwas unfassbar Interessantes, wovon ich unmöglich den Blick abwenden konnte.
Nach einer ca. 15 minütigen Autofahrt hielt Rewi vor einer ziemlich unscheinbaren, verhältnismäßig eher kleinen, windschiefen Holzhütte, die so aus einem Märchen hätte stammen können: winzige, quadratische Fenster, ein schräges Dach und alles aus dem selben dunklen Holz gefertigt.
Das Ganze wirkte mehr wie eine gemütliche Fischerhütte, irgendwo am Rande eines Sees, als ein Club, der hier neu eröffnet hatte.
Das einzige, was einem direkt ins Auge stach, war das bunt leuchtende LED-Schild, welches direkt über dem Vorhang hing, der wohl der Eingang war.
"Hacke Peter" blendete mir der auffällige Schriftzug entgegen.
Besonders nüchtern hörte sich das ja nicht an. Dabei hatte ich mir doch vorgenommen, heute noch langsam zu machen und mich mit dem Alkohol zurückzuhalten.
Ich war nie der gewesen, der sich bis zum geht-nicht-mehr betrunken hatte, aber ich hatte auch schon länger nicht mehr als mal ein Mischgetränk getrunken und wollte meinem Körper erstmal genügend Zeit geben, sich wieder an den Alkohol zu gewöhnen.
Rewi begutachtete die schräge Hütte mit einem ehrfürchtigen Blick.
"Das wird ein geiler Abend, Jungs, ich kann den Vibe schon spüren!"
Zielsicher steuerte er auf den winzigen Eingang des Pubs zu und wir anderen folgten ihm.
Der Eingangsbereich rückte immer näher und näher.
Langsam, aber sicher kroch die Angst in mir hoch und breitete sich rasend schnell in mir aus.
Dass mich darauf eingelassen hatte mitzukommen war die eine Sache, aber dass ich wirklich hier stand, geradewegs auf den "Hacke Peter" zuschritt und wusste, dass ich ihn gleich auch noch betreten würde, war etwas ganz Anderes.
Alles in mir schrie danach, mich einfach umzudrehen und wegzurennen.
Egal wohin. Einfach nur ganz weit weg von dem, was hier gerade geschah.
Aber ich konnte nicht.
Es war unmöglich stehenzubleiben.
Meine Beine gehorchten mir nicht mehr, sie liefen einfach weiter.
In diesem Moment hätte ich mir nichts sehnlicher gewünscht als einfach nur im Boden zu versinken. Nicht vor Scham, sondern aus purer Angst.
Doch irgendwann waren wir am samtigen Vorhang angekommen, der das wilde Partyleben im Inneren, von den Büschen und Sträuchern außerhalb der Hütte trennte und es gab kein Zurück mehr.
Schon von außen dröhnte uns die Musik einer bekannten Schlagergruppe entgegen.
Ein Klassiker, den ich quasi auswendig mitsingen konnte, da er auf so ziemlich jeder Party gespielt wurde.
"Let's go, alter!" trieb Rewi die Gruppe an. Mit schnellen Schritten verschwanden er, Tobi und Rewis Kollege hinter dem feinen, roten Samtvorhang.
"Dann mal rein, in die gute Stube! Kommst du?" Lukas blickte mich mit einem auffordernden Blick an, sodass ich nicht anders konnte, als ihm zu folgen.
Wenn auch mit einem sehr unguten Gefühl in der Magengrube...
XXX
Es war, als hätte ich eine andere Welt betreten.
Laute Musik tönte aus großen Boxen, die im ganzen Raum verteilt waren. Nebelmaschinen tauchten die Bar in dichte Dampfschwaden und es war überraschend voll.
Überall tummelten sich mehr oder weniger große Gruppen aus feier-lustigen, teilweise schon ziemlich angetrunkenen Besuchern.
In der Mitte des engen Raumes gab es ein schmales Tanzparkett, auf dem sich schon ausgelassen bewegt wurde.
In der linken Ecke stand eine winzige Bar, die mit Palmenblättern und Surfbrettern verziert war.
Der Barkeeper, ein muskulöser Kerl mit schwarzem Vollbart, gab die Drinks raus, die zugegebenermaßen verdammt cool aussahen. Einige waren neonfarben, andere sprudelten heftig und wieder andere stießen einen leichten Dampfschwall aus.
Alles hier erinnerte an eine Strandbar auf Hawaii und ich fühlte mich augenblicklich ein bisschen besser.
Wir kämpften uns durch die tanzende Menge vor zur Bar und Rewi bestellte jedem von uns einen giftgrünen Drink. Mit den Getränken in der Hand steuerten wir einen freien Stehtisch an.
"Auf diesen geilen Abend!", verkündete Tobi feierlich und wir stießen unsere Gläser mit einem lauten Klirren aneinander.
Irgendwie war der Abend ja doch ganz schön. Es hätte auf jeden Fall schlimmer kommen können.
Nach und nach entspannte ich mich immer mehr, bis ich schließlich komplett sorgenfrei mit den anderen die Tanzfläche unsicher machte. Meine Sorgen waren vollkommen unbegründet gewesen.
Es war einfach nur unbeschreiblich befreiend mal wieder richtig die Sau rauszulassen.
Als wir grade das 4. mal anstießen und ich dachte es könnte nicht mehr besser kommen, legte der DJ den Partysong überhaupt auf.
Der Club explodierte praktisch, als "Macarena" aus sämtlichen Lautsprecherboxen dudelte.
Alle tanzten mit und die Stimmung der feiernden Meute hatte ihren Höhepunkt erreicht.
Doch da entdeckte ich plötzlich etwas, jemanden.
Das Girl was schräg vor mir die Hüften schwang kam mir irgendwie bekannt vor, obwohl ich es nur von hinten sah.
Ich überlegte fieberhaft, woher ich sie kennen könnte, als es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel.
Diese Schuhe, dieser Pulli, diese Haare:
Es war meine Ex. Zweifellos, die pur-pur roten Treter hatte ich schon zu Liebzeiten gehasst, auch wenn ich ihr das nie so offen gesagt hatte.
Augenblicklich wurde mir schlecht und ich merkte, wie es mir langsam die Kehle zuschnürte.
Das war bestimmt nur ein Missverständnis! Ein riesiges Missverständnis, nichts weiter!
Aber ich war mir ganz sicher, sie war es, verdammt nochmal, sie war es!
Mir wurde schwindelig und meine Beine fingen an, immer stärker zu zittern. Sie konnten mich kaum noch tragen und verzweifelt versuchte ich mich an irgendetwas festzuhalten.
Das erste was ich zu fassen bekam, war die Schulter von Lukas.
"Ähm ok... Du wirst ja kuschlig, wenn du besoffen bist. Sicher dass du-" Sein Blick fiel auf mein Gesicht, dass wohl alles andere als gut aussah. "Tim? Alles ok bei dir? Du bist so blass"
Ich hatte keine Zeit zu antworten.
Meine Beine sackten in sich zusammen und ich rutschte langsam an seinem Arm hinunter. Krampfhaft versuchte ich meine Finger in seinen Oberarm zu bohren, aber mittlerweile zitterte mein ganzer Körper so heftig, dass ich einfach keine Kraft mehr hatte mich festzuhalten.
"Scheiße Tim?!", schrie mich Lukas regelrecht an, doch es war unmöglich auch nur einen Ton hervorzubringen.
Kurz bevor ich endgültig auf dem Boden aufschlug, wurde ich von 2 kräftigen Händen aufgefangen. Sie zogen mich wieder nach oben und legten mich behutsam auf den Boden.
Mein Kopf schwirrte und ich hatte das furchtbare Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen. Alles vor meinen Augen war verschwommen und ich konnte sie kaum noch offenhalten.
Irgendwo, von fern draußen nahm ich eine Stimme wahr.
"Tim? Alter, was ist los? Tim? Hörst du mich? Scheiße, scheiße, scheiße... Ruft verdammt nochmal den Krankenwagen!"
Ich schnappte panisch nach Luft, aber es wollte einfach nicht mehr Sauerstoff in meinen Körper gelangen. Mein Kopf wurde angehoben und ich spürte etwas Weiches unter meinem Hinterkopf. Mit letzter Kraft drehte ich mich auf die Seite und begann mich auf den kalten Boden neben mir zu übergeben. Der Gestank dessen, was ich da grade ausgespuckt hatte stieg mir beißend in die Nase, aber ich hatte keine Kraft mich darum zu kümmern.
Ich war schweißgebadet und zitterte immer noch am ganzen Leib. Mir war kalt. Ganz schrecklich kalt. Und gleichzeitig so heiß, dass ich das Gefühl hatte, mein gesammter Körper stände in Flammen. Alles fühlte sich so gedämpft und surreal an.
Und mit einem Mal überrannten mich die schlimmsten Kopfschmerzen, die je in meinem Leben gehabt hatte. Sie kamen plötzlich und fühlten sich an, als würde mich jemand bei vollem Bewusstsein am Hirn operieren. Der stechende Schmerz ließ mich aufschreien und ich presste verzweifelt meine Hände auf die Stirn.
Aufhören! Das sollte aufhören!
Ich schrie immer lauter, spürte wie mir der Schmerz Tränen über die Wange sickern ließ. Von weit entfernt drangen panische Stimmen zu mir durch, die aufgeregt durcheinanderriefen.
"Tim?! Verdammt nochmal, Tim?!"
"Der Junge braucht Hilfe und zwar sofort!"
"Wann kommen die endlich?!"
"Was ist überhaupt passiert?"
"Er ist plötzlich zusammengebrochen und hat dann angefangen zu zittern und..."
Mit einem mal verstummten die Rufe und alle Lichter in meinem Kopf erloschen schlagartig. Ein Fluchen war das Letzte, was ich noch wahrnahm bevor ich endgültig in die Bewusstlosigkeit abdriftete.
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Heeyy, erstmal sorry, dass dieses Kapitel so lange auf sich warten lassen hat. Dafür endet es mit einem richtigen Knaller ;)
Ich hatte selbst noch nie eine Panikattacke und hab's einfach so geschrieben wie ich es mir vorstelle.
Wie immer würde ich mich über Lob, Kritik und Verbesserungsvorschläge freuen. Natürlich auch über Votes und Kommentare! :)
Das ist jetzt vielleicht ne komische Frage, aber was heißt eigentlich "Tian"? Ich hab das jetzt schon bei so vielen FF's im Titel gesehen und frage mich die ganze Zeit, was das heißen soll. (Nachtrag: Oh Gott hilfe, da schreib ich ne Gewitter im Kopf Ff und kenne nicht mal den Shippingnamen der beiden xD)
Vielen Dank fürs Lesen und noch einen schönen Abend, Morgen, oder wann du das hier halt grade liest! :D
Nachtrag: "wAs hEißt eIgEnTlIcH tIaN?" Ganz großes uff...
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