Geheimnisse und ein Versprechen
Entsprechend des Wunsches ihres neuen Herrn hatte sie statt ihres schwarzen Trauerkleides ein blassrosa Kleid mit kleinen Rüschen an, welches ihr die Hausdame Mrs. Higgins zur Verfügung gestellt hatte. Lediglich eine schwarze Schleife an ihrem Kragen erinnerte daran, dass sie noch in Trauer war. Pünktlich betrat sie das Frühstückszimmer. Ihr erster Blick fiel auf ein rotgelocktes Mädchen, welches aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Guten Morgen, Miss Linnard. Kommen sie, ich möchte ihnen als erstes jemanden vorstellen." Mr. Glendish hatte bereits seine kleine Tochter an die Hand genommen und stellte sich vor Selina hin. „Eliza, das ist deine neue Erzieherin, Miss Linnard. Sagst du ihr guten Tag." Das Mädchen sah sie etwas etwas schüchtern an. Selina ging in die Knie, lächelte das kleine Mädchen freundlich an und reichte ihr die Hand: „Guten Tag, Eliza, ich bin Selina." Ein Lächeln huschte über das Gesicht der Kleinen während sie ihre kleine Hand die ihre legte. „Gut, dann können wir jetzt frühstücken. Ich habe Hunger und möchte ungern mit leerem Magen meinen Arbeitstag beginnen." Mr. Glendish nahm seine Tochter und setzte sie auf ihren Platz bevor er selbst Platz nahm. Auch Selina setzte sich an den ihr zugewiesenen Platz.
Nachdem Frühstück verließ Mr. Glendish das Haus. Selina verbrachte den Vormittag mit der kleinen Eliza in deren Kinderzimmer, damit sie sich besser kennen lernen konnten. Der Kleinen schien es an nichts zu fehlen. Ein enges Band der Liebe verband Vater und Tochter, doch wenn man sie nach ihrer Mutter fragte, antworte die Kleine nur: „Die ist im Himmel bei den Engeln." Auch sonst erfuhr Selina nichts über Eliza's Mutter. Ein Bann des Schweigens umgab diese Person, als habe sie es nie gegeben. Auch die Hausangestellten wichen ihren Fragen aus oder schwiegen. Man legte ihr deutlich ans Herz, keine weiteren Fragen zu stellen. In dem ansonsten freundlichen Haus schien es ein dunkles Kapitel zu geben, über das hier keiner reden wollte. Doch Selina hatte auch keine Zeit, sich weiter damit zu beschäftigen, da die kleine Eliza in den kommenden Tagen ihre volle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
Als Mr. Glendish ein paar Tage später an einem Nachmittag das Kinderzimmer betrat, fand er Selina und Eliza auf dem Fußboden sitzend vor. Sie waren beide so emsig damit beschäftigt, Murmel nach Farben zu sortieren, dass sie sein Eintreten zunächst nicht bemerkt hatten. Doch als Eliza ihren Vater erblickt hatte, sprang sie freudig auf und rannte freudestrahlend zu ihm in die Arme. „Papa, schau mal, wir haben zusammen Murmel sortiert und Selina hat mir erklärt, wie die ganzen verschiedenen Farben heissen.", erklärte Eliza aufgeregt und deutete auf die verschiedenen Murmelhaufen. Selina war ebenfalls aufgestanden und strich eilig ihre Röcke glatt. Ihr war es etwas unangenehm, dass Mr. Glendish sie auf dem Boden sitzend vorgefunden hatte. Sie fürchtete, er könne es als unprofessional betrachten. Doch seine Reaktion zerstreute ihr Bedenken. Er stellte Eliza wieder auf den Boden und nickte Selina freundlich zu: „Dann möchte ich den Unterricht auch nicht weiter stören. Wir sehen uns dann heute Abend beim Essen." Mr. Glendish verließ das Kinderzimmer und schloß die Tür. Selina spürte die Enttäuschung des kleinen Mädchens, daher nahm sie Eliza liebevoll an der Hand. Eliza drückte sich an sie und fragte leise: „Aber du gehst nicht wieder weg?" Sie spürte, dass das Kind darunter litt, dass sie viel allein und von ihrem geliebten Vater getrennt war und daher konnte sie gut verstehen, dass er beschlossen hatte, sein Kind mit auf Reisen zu nehmen. „Nein Eliza, wenn dein Vater und du es möchten, bleibe ich ganz lange bei euch." Eliza strahlte und schlang ihre Ärmchen um Selina's Hals:„Versprochen?" „Versprochen! So und nun lass uns mal schauen von welcher Farbe wir die meisten Murmeln gesammelt haben.", munterte Selina sie auf und löste sich aus der Umarmung.
Nach dem Abendessen wurde Selina von Mr. Glendish in sein Büro gebeten. "Ich hoffe, sie haben sich schon ein wenig bei uns eingelebt?" "Ja danke, Sir. Ich hoffe, sie sind mit meiner Arbeit bisher zufrieden.", antwortete Selina leicht nervös. Er überging ihre Frage und fuhr fort: "Morgen starten die Vorbereitungen für meine nächste Geschäftsreise auf die ich meine Tochter und sie mitnehmen möchte. Daher erstellen sie bitte mit Mrs. Higgins eine Liste aller Sachen, die sie für für notwendig erachten damit meine Tochter und auch sie es so bequem wie eben möglich haben. Dazu gehört natürlich Spiel- und Lernmaterial. Was fehlt lassen sie besorgen. Außerdem möchte ich sie bitte, sich morgen um 9 Uhr bereit zu halten. Ich nehme sie mit zum Hafen, damit sie an Bord die Räumlichkeiten für meine Tochter in Augenschein nehmen können, ob diese aus ihrer Sicht für meine Tochter und sie eeignet erscheinen. Falls es nötig ist, könnten noch kleinere Umbauten vorgenommen werden." Er sah sie prüfend an: "Fühlen sie sich den Aufgaben immernoch gewachsen?" Eine leichte Röte huschte über ihr Gesicht. Zweifelte er etwa an ihren Fähigkeiten? "Gewiss, Sir. Ich werde alles notwendig veranlassen. Wann soll das Schiff auslaufen?" "In 3 Wochen. Danke, sie können gehen.", antworte er kurz und hatte sich bereits wieder seinen Papieren zu gewandt. Etwas verwirrt aber auch aufgeregt, dass es jetzt bald losgehen sollte verließ sie das Büro. Sie freute sich auf morgen. Endlich würde sie die Schiffe, den Hafen und das Meer aus der Nähe sehen können.
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