Kapitel Zweiundzwanzig - Perfekte Dunkelheit
Kapitel Zweiundzwanzig - Perfekte Dunkelheit
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Viel zu laut tickt die Uhr in meinen Ohren. Jede Sekunde, in der sich der Sekundenzeiger bewegte, wurde alles verwirrender und komischer. Jede Minute wurden die Tränen immer mehr, desto näher der Uhrzeiger auf die fünf zu ging. Fünf Minuten nach Mitternacht, machte ich den Deal. Fünf Minuten nach Mitternacht lief mein Leben immer mehr ab.
Jede Stunde wurde ich komischer, paranoider und schaute mich immer wieder um, nach denjenigen, der mich holen kommt. Ich war extra weggefahren, damit keiner meiner Liebsten etwas mitbekam. Ich saß in meinem Zimmer irgendwo in Lawrence und zitterte am ganzen Körper. Bald ist es vorbei, bald ist dieses Ungewissen vorbei und dieses Leiden. Diese widerliche Panik und diese noch widerlichere Angst. Ich will das es schnell umgeht. Ich litt jetzt schon und wollte, wenn es passiert kein bisschen leiden. Hoffentlich ging es schnell und schmerzlos vorbei. Und hoffentlich wurde das keine riesige Sauerei.
Wieder schaute ich auf die Uhr. Mir blieben lediglich nur noch fünf Minuten.
Die letzten Tage hatte ich alles erledigt. Ich schrieb Briefe, ich unternahm viel mit Leah, meiner Mom, meiner Schwester und meinen Neffen, telefonierte zur Abwechslung mal viel mit Dean. Ich machte das Grab meines Vaters schön, sogar das von Mary. Ich stellte sogar noch eine zweite Kerze an Marys Grab hin- für John. Ich war bei einem Notar, wie er mein kleines Erbe regelt, an wem er irgendwann meine Versicherung auszahlt.
Ich hatte mich schon daran gewöhnt, dass ich bald gehen werde. Ich fand so gesehen den inneren Frieden mit mir selbst, kam mit mir ins Reihe, um wirklich zu sagen, dass ich soweit bin. Das ich endlich gehen kann. Muss. Sogar will.
Ich habe alles dafür getan, dass Leah lebt. Das war es mir wert. Mir war es so was von wert, dass Leben meiner kleinen Tochter zu retten, auch wenn ich meines geben musste. Auch wenn ich vermutlich gehasst werde, auch wenn Unverständnis bei den anderen aufkommt. Bei meiner Mom, meiner Schwester, Dean, wenn nicht sogar Leah. Aber ich erklärte mich doch in dem Brief, der im Schließfach in der Bank lag. Der einzige Brief, für denen ich ein Schließfach anmietete. Der einzige Brief in dem stand, was ich für Leah getan habe und wieso ich gehen musste, obwohl Sam und Dean früher oder später sicherlich von alleine darauf kommen werden.
Zwei Minuten nach Mitternacht, mir blieben nur noch drei Minuten. Oder auch nicht. Vielleicht hatte er erbarmen mit mir und kommt später. Oder früher. Ich war gewappnet zu gehen. Grauenvoll, qualvoll und blutig. Aber wie gesagt, dass war es mir einfach wert. Ich wollte das und so soll es auch sein. Hauptsache Leah konnte mich die letzten Tage, mit ihrem Lachen erwärmen, mit ihrer Art. Ich umarmte fester Leahs Lieblingskuscheltier. Dieses Einhorn. Ich hatte es mir einfach genommen und eingepackt. Es roch nach Leah's Lieblingskinderparfüm, was mich schon wieder völlig sentimental machte. Wieder schossen mir Tränen in die Augen.
Und im selben Moment, wo ich meinen Tränen wieder freien Lauf ließ, passierte es. Die Lichter im Zimmer fingen an zu flackern, dass Radio fing an zu Zischen und der Fernseher, wo gerade noch das Gesicht von Shemar Moore war, fing an zu flackern, ehe das Gesicht des Schauspielers von einer wilden Horde weißer, schwarzer und grauer Würmer heimgesucht wurde.
Das Fernsehsignal war weg. Ich hatte das Einhorn so fest in meinen Armen umklammert, dass ich fürchterlich zusammen zuckte, als es wild gegen die Zimmertür hämmerte.
Ich schrie auf, als dazu auch noch ein widerliches Bellen zu hören war.
Sie waren da. Es war soweit. Jetzt kommen sie mich holen.
Als ich vorsichtig zu Tür ging, um diese zu öffnen und ich gerade meine Hand auf dem Türknauf legte, hörte die Tür auf zu beben und das Bellen verschwand. Jedoch blieben die Störungen beim Fernseher und Radio und die Lichter flackerten immer noch. Gerade als ich die Tür öffnen wollte, durchzog mich eine eisige Kälte, ein widerlicher kalt und heißer Windstoß, der nicht aufhörte. Meine Haare flogen mir vor das Gesicht und ich hatte meine Mühe, die auch im Zaum zu halten. Als ich mich in Gegenrichtung des Windes stellte, sah ich endlich wieder und wurde von einer dunklen Gestalt begrüßt, die plötzlich in meinem Zimmer stand. Die Lichter flackerten immer noch, der Wind wehte weiter, als die schwarze Gestalt langsam ihre eigentliche Form annahm.
Der etwas ältere Mann, mit dem schütternden Haar und dem ergrauten Bart, trug einen schwarzen Mantel und ein höhnisches Lächeln auf den Lippen.
"Du bist mir viel zu Schade, um dich von den Höllenhunden zerfleischen zu lassen. Deshalb lass ich es mir nicht nehmen. Die erste, die ihren Deal auch wirklich eingehen will und nicht flüchtet. Ich bin beeindruckt." Ich sagte nichts, sondern starrte den Typen einfach nur an. "Wir haben keine Zeit für Formalitäten", redete er weiter. "Ich habe noch andere Menschen zu holen, oder Leute dort hinzuschicken. Also, noch die klassischen letzten Worte, die du los werden willst?"
Ich schüttelte nur meinen Kopf und starrte den Typen an. Immer wieder bekam ich widerliche Gänsehautschübe. Es lag an dem durchgängigen mal kalten und mal warmen Durchzug, der die Stellen meiner nackten Haut liebkoste. Der unbekannte Typ kam in langsamen Schritten auf mich zu, sein schwarzer Mantel wehte ebenfalls im Wind, genau wie das wenige Haar auf seinem Kopf. "Ich denke, du hast oft von Dean Winchester gehört, wie wunderschön du bist, was?"
Bring es doch einfach hinter dir, lass mich hier doch nicht leiden. "Hat dir wohl die Sprache verschlagen", murmelte er und legte seine heiß und kalte Hand auf die Wange. Dann starrte er mir in die Augen, als ob er irgendwelche Gedanken von mir abzapfen würde. "Ich würde das gleiche für meine Tochter tun. Du bist eine liebende Mutter. Und ich habe Respekt vor dir, auch wenn du dich mit einem Typen eingelassen hat, einem widerlichen Jäger, der meinesgleichen auslöscht." Wieder sagte ich nichts. Ich war eh nicht in der Stimmung, um ein Plausch mit diesem alten Sack zu führen. "Du willst es schnell hinter dir haben? Sag das doch gleich."
Sag ich doch. Der hat meine Gedanken abgezapft. "Da kannst du mal sehen, für was ich alles in der Lage bin. Der alte Sack. Komm zu mir und löse deinen Deal ein, Liebes!"
In dem Moment, wo er sein Satz beendet hatte, da durchfuhren mir so grauenvolle Kopfschmerzen, dass ich auf die Knie sank und schreiend in das Gesicht des Mannes schaute. Diese Schmerzen waren einfach unbeschreiblich, als würde mein Kopf mehrmals explodieren, als würde gleichzeitig noch drauf geschossen, als würde es noch von Atombomben attackiert. Die Schmerzen waren die Hölle- direkt auf den Weg in die Hölle. Kreischend griff ich mich am Mantel des Mannes weg. Wann hörte das auf? Es sollte aufhören!
Ich zitterte am ganzen Körper, merkte eine Flüssigkeit, die aus meiner Nase lief, gleichzeitig spuckte ich einen Schwall Blut aus. Die Kopfschmerzen wurde so unerträglich, dass meine Augen in völliger Benommenheit nach hinten rollten und ich für einen Augenblick Schwarz sah.
Von wegen das Leben zieht an einem vorbei, wenn man dabei ist zu sterben. Das ist eine reinste Lüge. Man bekam alles genau mit, wie man starb. Das immer wieder langsame Herz, das Rauschen auf den Ohren, den Schmerz, wo auch immer er ist. Man bekam alles mit. Aber vermutlich war ich die Einzige, die so dachte. Vielleicht, wenn man friedlich starb, fuhr das ganze Leben an einem vorbei. Aber ich hatte die Arschkarte, wortwörtlich. Ich hatte nicht die Ehre, die schönsten Dinge, oder sogar die schlimmsten Dinge in meinem Leben zu sehen. Nein, ich merkte immer mehr, wie ich schwächer wurde, auch wenn ich dagegen ankämpfte, bewusstlos zu werden. Aber was konnte ich schon gegen den Typen anrichten?
Rein gar nichts. Das nächste was passierte war, dass mir wieder schwarz vor den Augen wurde und dagegen konnte ich dieses Mal nicht ankämpfen. Ich krachte auf den Boden, horchte mein langsames Herz. Und dann war es vorbei. Trotz allem irgendwie immer noch friedlich gelang ich in die perfekte Dunkelheit.
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