Kapitel Zehn - Abschied
Kapitel Zehn - Abschied
***
Am nächsten Morgen saß ich in meinem Auto und wischte das Armaturenbrett sauber, da wieder eine leichte Staubschicht drauf war. Und ich hasste sowas. Und da Auto putzen ohne Musik viel zu langweilig war, stellte ich mein Radio an. Leise summte ich „More than a feeling" von Boston mit. Ich blickte zu Leah, die gerade die Garage betrat um zu ihren Fahrrad zu gehen. Es war Samstag und so wie ich es mitbekommen habe, war sie mit einer Klassenkameradin verabredet, die ein paar Häuser weiter wohnte. Und heute Abend würden wir auch schon wieder aufbrechen, um den behinderten gelbäugigen Dämon zu jagen, der unser Leben völlig auf den Kopf stellte. Ich war schon nachdenklich darüber, ob es heute noch ein guter Zeitpunkt wäre, Leah die Wahrheit zu erzählen, aber ich wusste nicht, wie Nia das fand. Wiederrum war es auch doof für Leah, wenn sie heute die Wahrheit erfuhr. Und dann wäre ich für Wochen, oder Monate weg. Hier bleiben würde ich auch nicht freiwillig. Ich wollte nicht auf Dad und Sam verzichten und diese nicht alleine lassen. Und was ist mit den Menschen, die unsere Hilfe brauchten?
Frustriert ließ ich meinen Kopf auf das Lenkrad fallen, löste somit die Hupe aus und panisches und aggressives Bellen der Nachbarshunde. Ich dachte, Leah hätte sich deswegen erschrocken und gekreischt. Aber als mein Kopf herum fuhr, weiß ich wieso. Leah kauerte ängstlich am schwarzen Mercedes ihrer Großmutter, während Trevor pitschenass vor ihr stand und sie an den Haaren packte.
„Zur Hölle", fluchte ich und sprang aus dem Auto, um in die Garage zu laufen. Kaum sah Trevor mich, hielt dieses Drecksbalg mir den Mittelfinger hin und löste sich in eine Wolke auf- hinterließ neben der Pfütze auf den Boden, auch noch eine weinende und verängstigte Zehnjährige.
„Leah", sagte ich. „Hat er dir wehgetan?"
„Ich dachte er lässt uns endlich in Ruhe!"
„Ja, davon bin ich auch ausgegangen", sagte ich und nahm Leah auf den Arm um sie zu trösten. Einfach so. Es war schon merkwürdig und das fand auch Leah, die mich kurz verdutzt anblickte, aber dann legte sie ein Arm, um meinen Nacken und legte ihren Kopf auf meine Schulter.
„Sam!", rief ich.
Es dauerte zwar einen Moment, aber dann kam Sam auch in die Garage. „Was denn?"
„Trevor war hier."
„Sicher?"
„Er hat Leah angergriffen. Er stand da."
Ich zeigte auf die Pfütze neben Leahs Fahrrad und Sam blickte dort hin. Seufzend schaute er mich an. Wir hatten Trevor verbrannt. Da kann man nichts falsch machen. Wieso geisterte er hier immer noch herum? Wieso lässt er die Familie einfach nicht in Ruhe.
Irgendwas muss ihn hier halten. Sei es seine Mom, oder Ella. Aber wir konnten beim besten Willen kein unschuldiges Leben auslöschen.
„Hat er noch was gesagt, Leah?", fragte Sam die Kleine.
„Er wollte nur mit mir spielen. Er wollte, dass ich mit dem Fahrrad zur Willow Bridge fahren soll."
Leah wollte runter, also tat ich ihr den Gefallen. Sie ging um die Pfütze herum und nahm das pinke Fahrrad. „Er hat gesagt, dass es hässlich ist."
„Was ist hässlich?"
„Das Fahrrad. Er meinte, im hellblau sah es schöner aus und ließ sich besser fahren."
Verdutzt blickte ich Sam an, der anscheinend mal wieder ein Mindblown hatte. Dieser riss die Augen auf und blickte mich an. „Dean?"
„Sam?", fragte ich verdutzt.
„Leah, woher habt ihr das Fahrrad?"
„Ich hab das mal von Tante Ella bekommen. Sie meinte, es wäre vom Flohmarkt. So sah es auch aus. Es war hellblau und der Reifen war voll verbogen und es hatte überall Kratzer. Sie hat es übersprüht und heile gemacht."
„Wie lange hast du das Fahrrad?", fragte Sam weiter.
„Nicht lange. Erst zwei, oder drei Wochen vielleicht."
„Ich checks nicht."
„Dean, das ist das Fahrrad von Trevor. Das hält ihn noch hier."
„Oh, na super."
„Du, Leah", sagte Sam und ging in die Hocke, um auf Augenhöhe mi Leah zu sein. „Damit Trevor endlich verschwindet und dich in Ruhe lässt, uhm, wir müssen das Fahrrad kaputt machen. Verbrennen."
„Aber das ist das erste Fahrrad, wo ich noch nicht auf die Klappe gefallen bin."
„Ich verspreche dir, dass Dean und ich, und der schrumpelige Alte dir heute noch ein neues Fahrrad kaufen werden, bevor wir fahren."
„Dann komm ich mit."
„Was ist mit deiner Freundin mit der du verabredet warst?", fragte ich.
„Die hat keinen Impala", sagte sie und trocknete ihr Gesicht von den Tränen frei. „Aber ich suche mir das Fahrrad aus."
„Geht klar."
Nachdem Sam, Dad und ich, dass Fahrrad auseinander gepflückt hatte, schmissen Leah und ihre Mom die Einzelteile in den Kamin im Wohnzimmer.
Leah riss mir die Flasche mit dem Benzin aus der Hand und goss es über das Fahrrad, nachdem Sam es mit Salz bestreut hatte.
„Na komm, Leah. Wir gehen in dein Zimmer", sagte Nia, auf bitte meines Dads, zu ihrer Tochter.
„Wieso?", fragte Leah.
„Damit die drei ihre Arbeit machen können."
Leah schnappte sich die Hand ihrer Mutter und verließ das große und helle Wohnzimmer. Sam machte die Wohnzimmertür zu. Im gleichen Moment schmiss Dad ein Streichholz in den Kamin. Mit einer Stichflamme, ging das Fahrrad und das Holz in Flammen auf. Wir wussten genau, weshalb wir Leah rausschickten. Den in dem Moment, wo das Fahrrad in Flammen aufging, erschien Trevors Geist, welcher ziemlich sauer wirkte. Mit einem nicht-Stimmenbruch-reifen-Kreischen, verpuffte auch dieser Geist in Staub und es lag auf der Hand, dass es das Fahrrad war, welches ihm hier gehalten hatte.
„Mach die Sauerei sauber, Sam", sagte Dad und blickte in dem Kamin, wo das Feuer weiter loderte. Die Hitze der Flammen, brannte in meinem Gesicht und mir wurde ziemlich heiß. Es erinnerte mich an den Brand in unserem Haus, an dem Brand von Sammys und Nias WG.
Ich ging einen Schritt zurück und setzte mich auf die Couch, während Dad in die lodernden Flammen schaute und Sam das Wohnzimmer verließ, um Nia nach Putzzeug zu fragen.
„Soll sie heute noch die Wahrheit erfahren?", fragte Dad, als Nia ins Wohnzimmer kam.
Nia und ich blickten uns an und lasen die Antworten an unseren Augen ab.
„Das wäre ihr zu viel", sagte Nia.
Ich nickte zustimmend. Leah hat die letzten Tage viel zu viel durchgemacht. Da brauch sie jetzt auch noch nicht diese Nachricht. Und ich war irgendwie froh, da ich mir deshalb fast in die Hosen geschissen hatte.
„Ja, ihr habt Recht. Schiebt das aber nicht so weit auf."
„Sobald wir den gelbäugigen Vollpfosten haben, gönnen wir uns eine Pause und fahren zurück nach Lawrence."
„Ja, wie du willst. Ist ja schließlich deine Tochter, Dean."
Ich blickte Dad an. Das erste Mal, dass er sich nicht übertrieben in mein Leben einmischte.
„Danke", sagte ich.
„Dann packen wir mal die Sachen in den Wagen. Wird Zeit, dass wir fahren."
„Sam und ich haben Leah versprochen ihr ein neues Fahrrad zu kaufen, Dad. Und der schrumpelige Alte, soll das Versprechen doch nicht brechen."
„Ja, und meine Mom ist gerade einkaufen, da sie als Dank für euch kochen wollte."
Dad atmete tief durch. „Es hieß, dass wir heute Abend fahren. Gegen sechs. Und es ist kurz vor zwölf. Komm schon, Dad."
Dad wandte sich zu Nia. „Was kocht Gemma denn?", fragte er.
Nia lachte leise. „Ihr heißbegehrtes Curryhähnchen mit Reis und den Kram."
„Achte bitte darauf, dass sie nicht zu viel Knoblauch und Curry rein macht", sagte Dad.
„Vertragt ihr nichts scharfes, oder was?", lachte Nia belustigt.
„Ich schon, aber meine Söhne sind die Memmen. Ich bin ihr Dad, ich muss sie schützen."
„Haha, wie witzig, Dad." Dann wandte ich mich zu Nia. „Ja, aber er hat Recht. Das brennt echt drei Mal."
„Dreimal?"
„Einmal beim rein", sagte Dad.
„Und beim raus", meinte Sam, der mit Handfeger und Kehrblech ins Wohnzimmer kam.
„Und in den Augen der Mitarbeiter der Kanalisationsmenschen", beendete ich den Satz.
„Ja, ihr habt sie nicht mehr alle", nickte Nia. „Vor allen Dingen, du, Sammy. Mit Handfeger und Kehrblech auf einem Teppich Staub, oder Asche rausbekommen?"
„Das funktioniert nicht, hm?"
„Nimm den Staubsauger", sagte sie nur und klopfte Sammy auf die Schulter. Dann verließ sie wieder das Wohnzimmer. Ich beschloss mir Leah zu schnappen und mit ihr zum Fahrradgeschäft zu fahren.
***
Ich war kurz davor los zu fahren, als noch jemand ins Auto stieg. „Mama!", sagte Leah und drehte sich auf dem Beifahrersitz, zu Nia, die sich auf der Rückbank gemütlich machte.
„Ich wollte eh ein bisschen in die Stadt. Ich hoffe ich nerve euch beiden nicht."
„Du doch nicht", sagte ich.
„Schnall dich an, Mama. Ich kriege ein neues Fahrrad!"
„Ja, Ma'am", lachte Nia.
Während Leah durch den riesigen Fahrradladen ließ, schlenderten Nia und ich nebeneinander her und blickten uns die Fahrräder an.
„Wie willst du das Fahrrad eigentlich bezahlen?", fragte sie mich nebenbei und zog angewidert an dem Lametta, welches an einem Lenkrad festhing. Dann schauderte sie. „Wer muss dran glauben?"
Ich blickte zu ihr und hielt ihr ein Bünden Geld vor die Nase. „Von meinen Ersparnissen. Das ist Leah wert."
„Du lernst ja doch."
„Hey, ich hab, wenn es um dich geht, mit keiner fremden Kreditkarte bezahlt."
„Schon okay, Dean", sagte sie und schaute sich weiter um.
„Ja, wie läuft es eigentlich mit dem College?", fragte ich sie und steckte das Geld wieder in die Jackentasche.
„Hab alle Prüfungen bis jetzt erfolgreich bestanden. Sogar mit Sternchen. Haben wir März?"
„Ende März, Anfang April, ja. Wieso?"
„Naja", sagte Nia. „Am ersten Tag im Juni, da ist mein Abschluss. Leah wird da sein und ich denke bis dahin, geht es ihr auch wieder besser und ich bin mir sicher, dass ihr dann auch den Dämon habt, der euch auf dem Sack geht. Wäre cool, wenn ihr dann ebenfalls dieser langweiligen Zeremonie beiwohnt und dann können wir es Leah auch endlich mal sagen, hm."
„Ja, hört sich gut an."
„Dann hast du Zeit dich darauf vorzubereiten. Ich merke, dass du noch nicht so weit bist."
„Bin ich wirklich noch nicht. Leah soll das mit Trevor erstmal verarbeiten und solange mir der Dämon nicht aus den Kopf geht, kann ich mich nicht Leah widmen."
„Ist verständlich, Dean."
***
„Was ist mit dem?", fragte der Verkäufer und zeigte auf ein pinkfarbendes Mädchenfahrrad mit Stützrädern.
Ich lachte leise. „Uhm, was haben Sie an nicht pink oder rosa verstanden? Und Stützräder? Sie ist zehn und keine drei."
Der pickelige Verkäufer im Goth-Style verdrehte die Augen, die durch den starken und schwarzen Lidstrich und schwarzem Lidschatten stark betont wurden. Dann ging er weiter. Nia und ich hinter ihm her.
„Dasselbe Model. Nur mit Piraten."
„Sie mag keine Piraten."
„Sie mag also Jack Sparrow nicht?"
„Den findet sie ein bisschen schwul, wegen dem Lidstrich", sagte ich.
„Alle Männer, die es mögen ein Lidstrich zu tragen sind automatisch für sie schwul, Mr?"
„Sind Sie taub?"
„Ich muss mich für meinen Mann entschuldigen", warf Nia sofort ein. „Der ist heute nicht mit dem Fuß zuerst aufgestanden, sondern gleich mit dem Gesicht." Dann blickte sie zu mir. „Reißt du dich bitte zusammen?"
Ich hob unschuldig die Hände. Mir passte es einfach nicht, wie der junge Verkäufer Nia anblickte. Ja, dieser Idiot flirtete sogar mit ihr.
„Ich schau mal nach, Leah", sagte ich.
Nia nickte nur. „Haben Sie ein einfaches und rotes Fahrrad?"
Während Nia weiter mit dem Verkäufer am Reden war, irrte ich durch den riesigen Spielzeugladen, um Leah zu suchen. Aber das Kind, welches ich suchte, fand mich zu erst.
Mir blieb nichts anderes übrig, als bei Seite zu springen, bevor mich Leah in dem Elektroauto für ältere Kinder umfuhr. Und wo landete ich direkt drinnen? Nein, leider nicht in Teddybären oder der riesigen Ballkiste. Ich landete in einen der Wühltische mit irgendwelchen Truthähnen die keine quietschenden Geräusche von sich gaben- nein, die Schrien.
Leah fing lauthals an zu lachen, während ich diesen komischen Truthahn in meiner Hand anschaute. Und damit beschäftigt man Kinder? War das nicht Hundespielzeug?
Nachdem ich mich aus dem Wühltisch befreit habe, blickte ich Leah hinter her, die im neuen Chevrolet Camaro durch die Gänge fuhr.
„Leah?", fragte ich und eilte hinter her. Sie fuhr im nächsten Gang rechts ran und drehte ihren Kopf in meine Richtung.
„Hast du Mama gesehen? Ich will kein Fahrrad mehr. Ich will das Ding."
„Sieht das aus wie ein Fahrrad?", fragte ich sie.
„Mit einer Menge Fantasie, könnte das als Fahrrad durchgehen."
„Fahr doch das Auto einfach zurück und dann suchst du dir dein Fahrrad aus. Deine Mama will dir nämlich ein pinkes Fahrrad kaufen."
„Oh nein!", quietschte sie und sprang aus dem Auto, ehe sie wieder weg lief. Also schob ich das Auto zurück.
***
„Wo hast du denn meinen Bruder gelassen?", fragte Sam mich, als ich mit Leah den Garten meiner Mutter, durch das Hintertor betrat.
„Der hat mir die Autoschlüssel in die Hand gedrückt, weil er noch was besorgen wollte", antwortete ich und schob Leahs Fahrrad an die Gartenhütte. Sie lief die Treppen der Veranda noch oben und setzte sich mit an den Tisch von Papa und Sohnemann Winchester.
„Hast ja ein Fahrrad gefunden", bemerkte John und trank vom Kaffee aus der dunkelblauen Tasse. Leah nickte und sprang dann wieder vom Stuhl runter. „Ich hole mein Helm und fahre dann zum Spielplatz. Ich hab gesehen, wie die anderen aus meiner Klasse da sind."
„Ja, bevor du fährst, melde dich noch mal ab", rief ich hinter her, als Leah im Haus verschwand.
„Ist hier in den letzten Jahren irgendwas passiert?", fragte John mich.
Fragend blickte ich ihn an. „Was meinst du?"
„Komische Unfälle, oder so was?"
„Nein, außer Trevor war nichts", sagte ich kopfschüttelnd.
„Sicher?"
„Nachdem Dean mir die Wahrheit erzählt hat, war ich neugierig. Ich ging in unsere Bibliothek und ratterte sämtliche Todesanzeigen und deren dazu gehörigen Zeitungsartikel. Ganz normale Unfälle und Selbstmorde. Alles ohne jegliche Verbindung zu einander. Nichts Auffälliges in Lawrence. Genauso wenig wie in Palo Alto."
„Danke, für die Vorarbeit", sagte John.
„Ja, ähm, da war noch was, was ich nicht aus den Augen gelassen habe. Ich habe es zwar nicht ausgedruckt, aber irgendwo aufgeschrieben, aber Leah hat mit Wassertusche übergemalt. Naja, das mit den gelbäugigen Hurensohn kam mir genauso komisch vor. 1983 und in den Jahren darauf, starben viele Frauen bei einem Hausbrand. Die Kinder, egal ob Mädchen, oder Junge, waren zu den Zeitpunkt sechs Monate alt. Wie gesagt, es waren ziemlich viele von diesen Vorfällen im ganzen Land."
„Gibt's hier im Haus irgendwo ein Computer oder so?", frage John mich.
Ich blickte John an. „Was soll das sein?", stellte ich mich dumm.
„Sam, du weißt ja wo", sagte ich zu ihm, als Leah wieder kam, bei der ich den Fahrradhelm richten sollte, da er wieder lockerer saß. Sam nickte und ging mit seinen Vater ins Haus.
„Oma kommt auch gerade", sagte Leah. „Ich hab sie gesehen."
„Ja, wir essen alle nachher zusammen. Die drei Männer fahren heute Abend wieder."
„Ach, das ist ja doof. Ich mag Niemand. Der ist cool."
„Mäuschen, Niemand hat mir schon versprochen, dass die uns bald wieder besuchen kommen. Bis dahin ist Mama mit dem College fertig und wir haben unser Haus."
„Ja, darauf freue ich mich schon", grinste sie und drückte mir dann einen Kuss auf die Wange.
„Okay, bist fertig", sagte ich.
Leah lief die Treppen los und direkt zu ihrem Fahrrad. „Ich hole dich in zwei Stunden ab!", rief ich hinter her.
„Ja."
„Und du bleibst nur auf den Spielplatz."
„Ja, Mom", sagte Leah und verließ mit ihrem neuen Fahrrad den Garten.
***
„Nia, es gibt in einer halben Stunde Essen!", rief meine Mutter nach mir. Ich war gerade vom Badezimmer in mein Zimmer gegangen und lächelte, als ich den Strauß Rosen und das große Glas Nutella auf meinem Nachtschrank sah.
„Für den Hunger zwischendurch", hörte ich Dean sagen. Ich drehte mich zu Dean, der an der locker und flockig am Türrahmen gelehnt stand und mich anblickte.
„Danke", sagte ich und schnappte mir den Strauß Rosen. Es waren wirklich schöne und frische Rosen gewesen und dann noch von diesen wunderbaren dunkelroten Farbton.
„Ich hab die von dem holländischen Blumen-Geek. Die Blumen halten mehr als eine Woche. Auch bei dir", scherzte Dean.
„Woher weißt du, dass der verrückte Holländer die besten Blumen in Lawrence hat?"
„Dad kaufte da öfters Blumen für meine Mom. Ich war zwischendurch auch mit."
„Ah, du hast ja Geschmack."
„Ich habe einfach aufgepasst, welches deine Lieblingsblumen sind. Ich kann doch zuhören."
„Ich bin immer wieder überrascht von dir, Dean."
„Ja, weil es das erste Mal ist, dass ich dir Blumen gekauft habe."
„Hör auf mit den Überraschungen, Dean", lachte ich und er stimmte mit ein.
„Ich wünschte, dass ich noch länger bleiben könnte."
„Ich fliege in zwei Tagen auch wieder zurück", sagte ich und stellte den Strauß zurück in die Glasvase. „Du steckst aber nicht mehr lange dort fest."
„Eben, und wenn ich Glück habe, werde ich hier in Lawrence einen Job bekommen. Wenn nicht, zieh ich wohl in einen anderen Staat."
„In Lawrence gibt es nicht nur einen Anwalt."
„Nur einen guten Familienanwalt. Der Rest ist zum kotzen."
Ich drehte mich zu Dean, der immer noch an der Tür stand. „Hoffentlich findest du was. Auch wegen Leah. Sie will unbedingt mit dir zusammenwohnen."
„Ich auch", nickte ich. „So und jetzt hole ich Leah vom Spielplatz ab. Wenn du mitkommen willst?"
Dean nickte. „Ja, wieso nicht. Aber dann halt mich aber von der Schaukel ab. Du kennst mich."
Ich lachte leise. „Hätte ich eine Hundeleine hier, wäre das mit dir einfacher."
„So schwer erziehbar bin ich auch nicht", sagte Dean.
Als wir am Spielplatz ankamen, war ich schon ziemlich verdutzt, als Leah alleine auf der Bank saß, während einer ihrer Klassenkameraden mit ihrem Fahrrad herumfuhr. Als ich Leahs trauriges Gesicht sah, wollte ich gerade los stürzen, aber Dean zog mich zurück.
„Es ist illegal kleine Kinder von Fahrrädern zu schubsen."
„Hm."
„Lass mich mal mit Leah reden."
Und schon ließ Dean mich stehen. Er setzte sich neben Leah auf die Bank und redete mit ihr. Ich beobachtete die beiden und fing an zu schmunzeln, dass die beiden sich abermals super verstanden. Es schien, dass Dean Leah Mut zuredete. Dann stand sie auf und ging auf ihren Klassenkameraden namens Tyler zu. Dieser stieg genervt ab und baute sich vor meiner Tochter auf. Die beiden schienen zu diskutieren. Und wieso auch immer (wegen Dean- nehme ich mal an)- hob sie ihr Bein mit einem Ruck hoch und haute es in die Weichteile des Jungen.
„Uuuh!", meinte Dean und hielt sich die Hand vor dem Mund, während Leah sich trocken ihr Fahrrad schnappte und zu dem Jungen, der weinend auf den Boden lag, irgendwas sagte. Dann fuhr sie zu Dean.
„Hab ich das gut gemacht?... Oh, Mom. Ich, uhm... es tut mir leid."
Sie blickte zu mir, als ich auf die beiden zuging. Dean hatte seine Unschuldsmiene aufgezogen, genau wie Leah. Und da hatten wir eine Gemeinsamkeit zwischen Vater und Tochter.
„Was? Ist irgendwas passiert?", stellte ich mich dumm.
„Uhm..."
„Naja, Grandma hat gleich das Essen fertig. Lassen wir sie nicht warten. Die Jungs wollen ja auch noch fahren."
„Müssen", verbesserte Dean mich und stand von der Bank auf.
„Pardon", meinte ich und ging voran. Dean und Leah gingen, beziehungsweise fuhren, hinter mir her.
„Mama hat nicht gemeckert. Das war cool."
„Ohja, mit deiner Mom hast du Glück, Leah. Sie ist die Beste."
„Hör auf zu schleimen, Niemand."
„Ist nur die Wahrheit."
„Hm, aber Oma darf das nicht wissen, dass ich Tyler getreten habe. Die meckert nur wieder."
„Ja, das wollen wir nicht", warf ich ein. „Also schneller."
„Ja, Ma'am", kam es von Dean und Leah, wie aus einem Mund. Ich rollte die Augen und zog beide mit mir. Dean am Arm und Leah, die auf dem Fahrrad saß, ließ sich von mich ziehen.
***
Die Grillen zirpten und die Vögel waren endlich ruhig, als die Sonne unterging und die Dunkelheit hereinbrach. Mit der Dunkelheit, überkam mir auch dieses widerliche und beengende Gefühl des Abschiedes. Leah hatte sich bereits hoch müde, von den dreien verabschiedet und lag schlafend in ihrem Bett, während ich am Impala stand, genau wie meine Mom. John hatte sich bereits von Gemma und mir verabschiedet und saß in seinem Pick-Up. Auch Sam war dran. Er umarmte Mom und mich und setzte sich dann auf den Beifahrersitz.
„Noch mal ein Dankeschön", sagte Mom und drückte Dean einen weißen Umschlag in die Hand. „Erst auf machen, wenn ihr nicht mehr in Lawrence seid."
Dean schien verwirrt, als meine Mom zum Haus ging. „Ich hab keine Ahnung", sagte ich, bevor Dean mich fragen konnte. „Dann sagen wir mal wieder Aufwiedersehen, hm?"
Dean nickte. „Ja, aber wir sehen uns ja bald wieder."
Ich umarmte Dean einfach und er erwiderte die Umarmung. „Meldest du dich zwischendurch?"
„Kannst du auch, oder ihr."
Wir wichen aus der Umarmung zurück. „Besser ist, wenn du mich anrufst. Nicht, dass ich dich, oder euch in einen blöden Moment erwische."
„Ja, hört sich vernünftiger an", lächelte er. „Gott, ich hasse es mich von dir verabschieden."
„Ich bin auch nicht gerade der Fan davon. Aber was muss, dass muss."
„Ja, das ist leider so." Dean seufzte und umarmte mich wieder. „Pass gut auf Leah auf", sagte er.
„Du auf dich, John und Sammy. Ich will nicht hören, dass jemand von euch abkratzt, oder abgekratzt ist, oder abkratzen wird."
Dean lachte wieder leise. „Das wirst du nicht hören. Versprochen", sagte er und wollte zum Auto gehen, aber dann hielt er inne, was ich nur als eines deuten konnte. Ich zog Dean zu mir und presste meine Lippen auf seine.
Das war zwar nur ein kleiner Kuss, aber der hatte seine Bedeutung zwischen Dean und mir.
„Ich beeile mich", flüsterte er mir zu und drückte mir noch einen Kuss auf den Mund.
Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging zur Fahrerseite, wo er einstieg. Die Motoren des Pick-Up und des Impalas heulten auf und keine Sekunde später fuhr der Impala dem Pick-Up hinter her.
Ich wischte mir die Träne aus den Augenwinkel und ging zurück zum Haus.
In der Nacht, legte ich mich wieder einmal auf den Boden, neben den Bett meiner Tochter.
„Mama?", fragte sie müde.
„Schlaf weiter, Liebes", sagte ich nur.
„Du musst nicht immer auf dem Boden schlafen. Komm zu mir", sagte sie. Dann raschelte die Bettwäsche und jemand zog an meiner Hand. Seufzend stand ich auf und quetschte mich mit in das Bett meiner Tochter, die ihre Decke über uns zog. Dann kuschelte sie sich an mich heran.
„Mach dir keinen Kopf, Mama", sagte sie. „Niemand kommt für dich wieder zurück. Der liebt dich."
„Wie kommst du darauf?"
„Ich weiß es einfach, Mama", sagte Leah und gähnte. „Und jetzt sei bitte leise. Ich muss schlafen."
„Hm", machte ich nur und drückte Leah einen Kuss auf die Stirn. „Schlaf schön, Liebes."
„Du auch, Mama. Ich liebe dich."
„Ich liebe dich", entgegnete ich und schloss meine Augen.
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