Kapitel Neun - „Du bist nicht aus Zucker... aber aus Eis..."
Kapitel Neun – „Du bist nicht aus Zucker... aber aus Eis."
***
Ich war schon ein wenig verwundert, als ich hinter dem Lupo von Nia hielt, die eigentlich auf der Trauerfeier hätte sein müssen. Leah, die ausgestiegen war blieb wie angewurzelt stehen.
„Leah?", fragte ich sie und schloss mein Auto ab. Dann ging ich um die Motorhaube herum und blickte zu Leah. Und in dem Moment hat mir ein Kind noch nie solche Angst gemacht wie jetzt. Sie ließ alle Sachen fallen und stürzte in Richtung Haustür.
„Leah?", fragte ich wieder und lief ihr hinter her. Die Tür stand einen Spalt offen, weshalb sie einfach durchstürmte und ihren Rucksack auf den Boden vor den Treppen schmiss.
„Mom!", rief sie panisch.
Ich stürzte hinter her und rief immer wieder nach Leah. Irritiert blieb ich stehen, als ich Leah sah die gegen die Badezimmertür hämmerte. Kreidebleich im Gesicht und mit einer Menge Panik im Gesicht. Ich ging auf sie zu und ließ sie keinen Augenblick aus den Augen, bis ich in irgendwas reintrat. Es war braun verfärbtes Wasser gewesen, ein kleiner Rinnsal der zu den Treppen floss. Seine Quelle kam aus dem Badezimmer. Der Rinnsal sickerte unter dem Türschlitz hervor.
„Scheiße!", fluchte ich und zog Leah von der Tür weg. „Geh auf dein Zimmer! Sofort!"
Leah lief wimmernd in ihr Zimmer und knallte die Tür zu, während ich immer wieder gegen die Badezimmertür trat. Aber nichts passierte. Als ich all meine Wut zusammenraufte, trat ich noch einmal gegen die Badezimmertür. Und endlich ging sie auf. Die Tür war immer noch im Anker, knallte aber gegen die Wand, sodass die Türklinke ein Loch in der Gipswand hinterließ.
Mein Blick fixierte die Badewanne, welche völlig überfüllt war. Immer noch lief der Strahl braunes Wasser aus dem Wasserhahn. Ich blieb neben der Badewanne mit dem dunkelbraunen Wasser stehen und schaute rein. Die einzigen Bewegungen kamen von der Wasseroberfläche, die vom Wasserhahn ausgelöst wurden. Ich stellte das Wasser ab und hielt inne.
„Nia!", keuchte ich, als ich dunkles Haar an der Oberfläche wahrnahm. Ich duckte mich und griff in die Badewanne. Unter Wasser merkte ich schnell was. Es war weich und zart- fühlte sich an wie Haut. Ich tastete weiter. Ein Gesicht, besser gesagt eine Nase, die auf dem Grund gedrückt wurde und Haare. Schnell tastete ich weiter. Als ich den Körper festumschlang, versuchte ich diesen aus dem Wasser zu ziehen. Aber irgendwas zog den Körper runter. Ich umfasste einen Bauch und zerrte mit all meiner Kraft weiter. Kaum hatte ich sie leicht angehoben, wurde sie wieder runtergezogen.
„Du Drecksbalg, lass sie los! Sie hat die nichts getan!", knurrte ich und zog weiter. Wieder hob ich den Körper an, und wieder wurde er auf den Grund des Badewannenboden gedrückt.
„Meine Mama hat damit nichts zu tun!", kreischte Leah, die im Badezimmer stand.
„Geh in dein Zimmer!"
Doch anstatt auf mich zu hören, warf sie irgendwas in die Badewanne. Was sofort zu Boden sank. Und in der Minute, wo Leah das irgendwas in die Badewanne schmiss, löste sich der Körper mit einem Ruck vom Boden. Ich zerrte Nia weiter aus der Badewanne und unter meine schwindende Kraft sank ich unter Nias nackten und glitschigen Körper zusammen. Vorsichtig schob ich Nia von mich auf den nassen Teppich, ehe Leah eher unsanft eine Ladung Handtücher auf sie schmiss.
„Mama?", rief Leah und kniete sich neben Nia auf den Boden, während ich sie mit den Handtüchern zudeckte. Sie rüttelte an ihren Schultern.
„Nia?", fragte ich und tastete nach ihrem Puls. Dieser war noch da und als ich zu Wiederbelebungsmaßnahmen ansetzen wollte, riss Nia die geröteten Augen auf und spuckte mir eine Ladung Badewasser mit Rosenwasser in die Fresse. Ich presste die Lippen aufeinander uns fuhr mir mit der Hand durchs Gesicht, ehe ich zu der hustenden Nia blickte.
„Mommy!", sagte Leah erleichtert und fuhr ihrer sichtlich verwirrten Mom durch das nasse Haar.
„Ich bin okay", hustete Nia. „Ich bin okay, Liebling."
Sie würgte und kotzte auf den mit Wasser überschwemmten Boden. „Ja, klar", sagten Leah und ich gleichzeitig.
Leah war aufgesprungen, bemerkte das die Badewanne leer war und stürzte zu Tür, um einen der Bademantel zu holen.
Ich hatte Nia hochgezogen und starrte in die Badewanne, wo mir mein Pentagramm-Anhänger entgegen lächelte, welcher auf dem Abflusssieb lag.
***
Leah saß neben ihrer Mutter auf dem Bett, die am Schlafen war, während Gemma vor Wut fast explodiert war. Sie hielt irgendwelche Telefonate ab, dass die Polizei noch einmal den See durchsuchen sollte, sonst würde Lawrence von den Geheimnissen des Anwaltes und des Polizeichefs erfahren.
„Was hast du jetzt schon wieder rausgefunden?", fragte John Gemma und konnte seine Belustigung nicht unterdrücken.
„Nia hat es herausgefunden. Angeblich steckt der Anwalt einen beim Polizeichef weg und anders herum."
„Was heißt das genau?", fragte Sam verdutzt.
„Und du bist der schlaue von uns, ja?", fragte ich ihn und bekam von Gemma die Tasse mit dem Tee für Nia.
„Oh Gott, ich hab's kapiert. Ja."
„Hast du nicht", sagte Dad.
„Ja, okay. Gemma was meinst du damit?"
„Das sie den See und den Fluss absuchen werden. Mit Tauchern und diesem Sonargerät."
„Mit dem Anwalt und dem Polizeichef?"
„Oh, Sam. Streng dein Hirn an. Dann kommst du schon früh genug darauf."
Ich schnappte mir noch die Packung Kekse und eilte dann die Treppen nach oben ins Zimmer.
An der Zimmertür blieb ich stehen und lauschte Leah, die ihrer Mom was vor sang.
„You are my sunshine, my only sunshine, you make me happy when skies are grey...", sie hielt inne, als sie mich sah. Ich schluckte nur und das hatte seinen Grund. „Das singt sie immer noch vor, wenn ich krank bin. Auch wenn sie nicht bei mir ist", erklärte Leah. Dann stand sie auf und nahm mir die Tasse mit dem Tee ab, ehe sie ins angrenzende kleine Badezimmer ging.
„Was machst du da?"
„Mom hasst Tee. Genau wie ich." Sie schüttete den Tee in die Dusche. „Und so werden wir ihn immer los. Aber sag Oma nichts." Sie kam aus dem Badezimmer und blieb vor mir stehen.
„Klar, ich bin ruhig", nickte ich.
„Wieso heulst du?"
„Ich heule nicht", antwortete ich.
„Dann ist dein Auge undicht", sagte sie ironisch und stellte die Tasse auf den Nachtschrank, ehe sie sich wieder ihrer Mom zuwandte. Ich fasste mir unterm Augen und merkte tatsächlich was Nasses. Ich schaute auf die Spitze meines Zeigefingers. „Ja", sagte ich leise und ging näher ans Bett heran. Nia pennte immer noch. Leah kletterte wieder aufs Bett und legte sich mit unter die Decke- direkt neben ihre Mom.
„Ich hab uns Kekse mitgebracht", sagte ich und hielt Leah die Tüte hin. Diese nahm sie nickend entgegen und riss diese auf, während ich mich am Rand der Badewanne setzte und Nias normalwarme Stirn fühlte.
„Sie lebt", sagte Leah.
„Woher wusstest du, dass du den Anhänger da reinwerfen musstest?"
„Du hast gesagt, dass mich Trevor in Ruhe lässt. Und es hat funktioniert. Und ich hab es einfach reingeworfen und wieder hat es funktioniert."
„Du hast sie gerettet, Leah", sagte ich.
„Wir haben sie gerettet."
„Ja, wir sind ein gutes Team."
Leah lächelte und hielt mir die kleine und geballte Faust hingehen. Ich lächelte ebenfalls und haute meine geballte Faust leicht gegen ihre. Dann zog ich diese zurück und Leah schlug sich die flache Hand an die Stirn. „Was?", fragte ich.
„Du musst noch eine Menge lernen, was coole Handschläge angeht."
„Dann sei mein Meister und ich bringe dir dann irgendwann Autofahren bei."
„Versprochen?"
„Versprochen", nickte ich. „Woher hast du gemerkt, dass deine Mama in Gefahr ist?"
„Er stand am Fenster."
„Trevor?"
Leah nickte. „Er sagte, er würde sie holen. Aber der sollte sich lieber nicht mit uns anlegen." Dann seufzte sie. „Wir haben ihn sicherlich wütender gemacht und vielleicht kommt er wieder."
„Ja, er wird wieder kommen, aber wir wissen nicht, wen er als nächstes Besuchen wird. Es kann wieder deine Mom sein, oder er hat sich in die Hosen geschissen und geistert jetzt woanders herum."
„Ich hoffe ihr macht Trevor solche Angst, dass er uns endlich in Ruhe lässt."
„Wir sind dabei, Leah."
***
Gemeinsam mit meinen Dad und Sam stand ich am späten Abend auf dem Steg dieses Sees, wo Cecilia – mehr oder weniger – ums Leben kam. Die weitere Suche mit Tauchern und dem Sonargerät brachten mal wieder nur ein Ergebnis. Nämlich nichts.
„Ich bin überfragt", sagte Dad. Sam und ich blickten zu ihn. Sowas kam noch nie aus seinem Mund. „Was können wir noch machen? Das einzige an was er vermutlich fest hält sind seine Mutter und Ella und einfach unschuldige Menschen töten? Nein, das ist nicht unsere Art."
„Ella ist nicht unschuldig. Wegen ihr sind schon drei Menschen tot. Heute wären fast Lucas und Nia draufgegangen."
„Sie ist aber immerhin noch die Tante deiner Tochter", sagte Sam.
Ich seufzte. „Ja, da war ja was. Vermutlich besteht die Möglichkeit, dass Ella auch nur vertauscht wurde und gar nicht Nias Schwester ist..."
Dad blickte mich komisch an. „Alles nur Wünsche, die nie in Erfüllung gehen, Dean."
„Ja", nickte ich und starrte auf den See, der von der grellleuchteten Mondsichel und den klarem Sternenhimmel erleuchtet wurde.
„Wie wohl das Leben nach dem Tod ist?"
„Entweder höllisch oder himmlisch, Sammy."
Ich drehte mich um und wurde vom grellen Licht des viel zu leisen Lupos geblendet. Auch Dad und Sam drehten sich um. Das Licht ging aus und ich konnte meine Augen entspannen. Nia stieg aus und ging zur Beifahrertür, wo sie die quietschende Tür öffnete. Dann zog sie grob ihre Schwester Ella vom Sitz.
„Was macht ihr hier?"
„Wir haben einen Plan", antwortete Nia auf die Frage meines Vaters.
Ella schnaubte. „Die Irre hat einen Plan."
„Willst du noch eine Ohrfeige? Oder willst du die Faust? Meinen Fuß?"
„Wäre Mom nach Dads Tod nicht so locker geworden, hätte sie dir wieder wegen deiner großen Klappe eine gescheuert."
„Halt ja die Klappe."
„Uns was ist der Plan?", fragte Dad ungeduldig.
„Die Leiche wurde nicht gefunden, aber wir können Trevor kriegen, in dem wir dieses feige Stück Scheiße, als Köder benutzen", Nia zeigte auf Ella.
„Gar nicht mal so abwegig", meinte John.
„Wir ziehen Trevor am Land, salzen und verbrennen ihn. Und dann müsste das aufhören."
„Versuchen können wir das ja."
Nia schubste ihre Schwester auf den Steg und Ella setzte widerwillig ihren Weg fort.
„Also, was mach ich jetzt?", fragte Ella, nachdem wir alle Vorbereitungen getroffen hatten. Sie musste gar nicht auf ihre Antwort warten, da hatte Nia sie auch ins Wasser geschubst. Mit einem lauten Plätschern ging Ella unter und als sie auftauchte, ertönte schon die typische Schimpftirade, gegenüber ihrer jüngsten Schwester.
„Stell dich nicht so an. Du bist nicht aus Zucker", sagte ich.
„Eis trifft es eher", stimmte Nia zu.
Während Ella im Wasser lungerte, lungerten wir anderen vier auf dem Steg. Fast wie vier Raubkatzen, die auf ihre Beute warteten.
„Sag was", sagte Dad zu Ella.
„Was soll ich sagen?"
„Oh hey, Trevor, ich bin das Miststück, welches dich umgebracht hat. Nur so als Beispiel."
„Ich hasse dich, Dean."
„Na, das freut mich. Dir könnte ich auch dauerhaft ins Gesicht kotzen."
Ella kreischte auf. „Irgendwas hat mich berührt! Es hat mich was berührt! Ahhh."
„Wieso zieht er sie nicht runter?", fragte ich und lehnte mich über den Steg. Folgte die Strahlen der Taschenlampe die Nia hielt. Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, da wurde ich von einer kleinen Hand am Handgelenk gepackt und mit einer enormen Kraft vom Steg ins Wasser gezogen. Vor Schreck holte ich tief Luft und dann wurde ich in die Tiefe gezogen. Ich schaute unter mir und konnte rein gar nichts erkennen. Ich versuchte mit meiner anderen Hand die kleine Hand wegzudrücken, doch Trevor war stärker. Der Druck und das Rauschen auf meinen Ohren, wurden immer stärker und widerlicher, die Luft immer weniger, desto weiter ich in die Tiefe gezogen wurde.
Es war langsam und grausam zu gleich. Und widerlich, da ich von einer Leiche begrabscht wurde.
Plötzlich rührte sich gar nichts mehr. Ich wurde nicht mehr in die Tiefe gezogen. Der starke Druck an meiner Hand war weg. War ich frei?
Gerade als ich mit letzter Kraft den Schwung um nach oben zu schwimmen nehmen wollte, wurde ich an beiden Handgelenken gepackt und schneller hochgezogen.
Als ich an der Wasseroberfläche ankam und mein Kopf zu frieren begann, nahm ich einen tiefen Atemzug.
„Dean! Bist du okay?", fragte Dad mich, der neben mich schwamm.
„Boah, ja, ich hasse Kinder die nicht meinen Lenden entsprungen sind!"
Sam zog mich lachend aus dem Wasser und ich blickte zu Ella, die erschrocken auf dem Steg saß. Dann zu Nia, die mit voller Freude die vergammelten Überreste mit Salz bestreute.
Auch Dad schien verwirrt, dass Nia mit einem Grinsen von Salz zu Benzin wechselte.
„Was hab ich verpasst?", fragte ich.
„Er hat sich Ella geschnappt, ich hab auf ihn geschossen. Fand er nicht so toll", sagte Dad. „Dann wollte mich der Kampfzwerg angreifen und bei dem Anblick von Leahs Kette ist er in sich zusammengeklappt."
„Oh, das war einfach."
Ella schrie auf und sprang bei Seite, als eine meterhohe Stichflamme von der Leiche in die Luft schoss. Sam packte die Streichholzpackung wieder weg und verdrehte die Augen.
„Ihr seid echt krank."
„Das heißt Danke, du undankbares Gör", brummte mein Vater.
„Danke, Sir."
„Hm-mm", hustete ich, um auf mich aufmerksam zu machen.
„Danke, Dean."
„Hust", sagte Sam.
„Danke, Sam."
Ella blickte zu ihrer Schwester. „Was willst du? Etwa auch ein Dankeschön, oder was?"
„Wenn es dein Lebenslanges Danke-schön-Repertoire nicht schädigt."
„Schädigt", nickte Ella nur.
„War mir klar."
***
Bei Gemma zu Hause, musste ich mich erstmal unter die Dusche stellen, da ich öffentliche Seen einfach nur widerlich fand. Frischgeduscht ging ich ins Gästezimmer und legte mich auf die Luftmatratze, wo Sam schon am Schlafen war. Dad saß im Bett und las irgendein Buch. Perplex und völlig verstört.
„Was liest du da?", fragte ich leise.
„Twilight- Bis(s)zum Morgengrauen."
„Oh mein Gott, bist du todkrank?"
„Absoluter Humbug, Dean. Schau dir mal, wie die beschrieben werden. Glitzern im Sonnenlicht, sind wunderschöne Gestalten, kultiviert, jungfräulich, Vegetarier. Diese Stephanie hat doch mehr als gekifft, als Gras. Vermutlich Nagellackentferner, Rattengift hat die auch geschnüffelt. Wenn dieser Scheiß irgendwann mal verfilmt wird, erinnere mich daran, dass ich das aufhalte."
Ich lachte. „Das dich sowas aufregt."
„Bevor die so ein Scheiß mit Geld Bewerfen, sollen die lieber unser Leben als Jäger, als Serie verfilmen. Weitaus interessanter."
Ich lachte. „Leg das Buch weg, Dad. Sonst flippst du noch aus."
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