Kapitel Dreiunddreißig - "Mein Schuh!"
Kapitel Dreiunddreißig – „Mein Schuh!"
Es fühlte sich schon fast wie früher an, als ich mit Sam in meinem geliebten Auto durch die Gegend fuhr. Wir kamen gerade aus Seattle wieder- ein böser Geist einer Cheerleaderin hatte dort ihr Unwesen getrieben und ein paar Leute ziemlich übel auflaufen gelassen und mit dem Tod bestraft. Nachdem wir ihre Leiche gesalzt und verbrannt hatten, war der Spuck vorbei und wir machten uns auf den Weg in die nächste Stadt, in den nächsten Staat.
Sam pennte seelenruhig auf dem Beifahrersitz neben mir, während ich durch Colorados Pampa fuhr. Am Horizont färbte sich der Himmel schon in einem hellen Orange. Die Sonne war kurz davor aufzugehen. Ein neuer Tag brach an.
Ich beschloss bevor Sam wach wurde auf einem Rastplatz zu halten. Die kleine Pause tat mir gut und außerdem hatte ich Hunger, was Sam vermutlich auch haben würde, wenn er wach wurde. Ich hielt direkt vor dem Diner und setzte mich auf die Motorhaube. Sam schien immer noch zu pennen. Nachdem ich den Blick von meinem Bruder abgewandt hatte, zog ich mein Handy hervor, um Gemma eine Nachricht zuschreiben.
Guten Morgen, wie geht es Leah?
Ich hatte nicht mit einer sofortigen Antwort gerechnet und so war es auch. Keine Rückmeldung von Gemma über meine Tochter. Ich klappte das Handy wieder zu und steckte es in meine Jackentasche, ehe ich mich wieder zu Sam wandte. Dieser pennte immer noch.
Seufzend rutschte ich von der Motorhaube und stellte mich an den Beifahrerfenster. Dann schlug ich dagegen.
„Ah!", rief Sam und fuhr vor Schreck zusammen. Panisch schaute er sich um. Als er mich lachen sah, verdrehte er völlig genervt die Augen und schnaubte. „Du verdammtes Arschloch", sagte er murrend, als ich ihn die Beifahrertür aufhielt.
„Guten Morgen, Prinzessin. Gut geschlafen?", fragte ich spöttisch.
„Halt ja deine Klappe. Es gibt nichts gruseligeres, als auf zu wachen und direkt in dein Gesicht zu starren."
„Danke", sagte ich.
„Wieso bist du denn so gut drauf?", fragte mein Bruder mich und gähnte müde.
Ich dachte nach. „Ich hab absolut keine Ahnung, wieso ich gut gelaunt bin. Ich wachte auf und ich war gut drauf."
„Na super. Entweder halt es zurück, weil es mich nervt, oder gib mir davon was ab."
„Ach nö, wenn du weiter zickig bist, dann kann ich dich weiter super ärgern."
„Aha."
„Komm ein paar Pancakes mit zuckrigen Ahornsirup und einen Kaffee machen dich ein wenig erträglicher."
„Wenn du bezahlst."
„In dem Fall bezahlt ein gewisser Typ namens Jeffrey Dean Morgan für ein paar Tage unsere Rechnungen und unser Kaffee. Na komm."
Sam stieg murrend aus und streckte sich. Ich machte die Beifahrertür zu und schloss mein Auto ab, ehe wir zum Diner rüber gingen.
Während wir auf die Kellnerin und unseren Sachen warteten, stöberte Sam in einer Zeitung umher.
„Hier, in einem kleinen Vorort vor Denver sind mehrere Selbstmorde passiert. Immer wieder blondhaarige Frauen, Anfang zwanzig, alle starben gleich. Einen Tag vor ihrem Geburtstag, zwischen zwanzig und dreiundzwanzig Uhr. Alle lagen in ihrem Bett, in derselben Haltung, Embryohaltung. Bei jeden Frauen fand man eine ihrer Socken im Hals, woran die dann auch erstickt sind. Was das wohl ist."
„Hugh Hefner schon mal nicht. Uhm, ich denke mal ein rachsüchtiger Geist, oder ein Dämon. Aber ersteres muss zutreffen. Vermutlich ein Typ, der Mal von seiner blondhaarigen Perle abserviert, oder bloßgestellt wurde. Wie weit von hier?"
„Ich gucke gleich nach", sagte Sam und faltete die Zeitung zusammen. „Aber erstmal habe ich richtig Hunger."
„Ja, ich auch", stimmte ich zu.
Nachdem Sam und ich gefrühstückt hatten, stand er am Auto und schaute auf der Landkarte nach dem nächsten Ziel.
„Nur eine halbe Stunde entfernt und wir sind da."
„Das hört sich gut an", meinte ich und suchte in meiner Jackentasche mein Handy, welches am Klingeln war. Sam faltete die Karte zusammen, versuchte es auf jeden Fall. Das sah ziemlich bescheuert aus. Als dann auch noch ein Windstoß kam und die Karte aus seinen Händen riss, fluchte Sam erst richtig los. Ich wandte mich von dem Kasper-Theater ab und nahm das klingelnde Handy entgegen.
„Ja?", fragte ich, ohne auf den Namen zu schauen, der mich anrief.
„Hallo, Papa", hörte ich Leah verschnupft sagen. Dann hustete sie.
„Guten Morgen, Große", sagte ich glücklich. „Wie geht es dir?"
„Ich bin krank und warte gerade im Auto von Oma. Die hat meine Krankenkarte vergessen und ich hatte auf ihrem Handy Snake gespielt. Sie hatte so viele Nummern auf dem Handy, dass hat mit dem Suchen gedauert."
„Was hast du denn?"
„Naja, meine Nase ist zu, wenn sie nicht läuft. Ich hab Husten und Halsschmerzen. Aber kotzen tu ich noch nicht. Also nur eine Erkältung. Aber du kennst Oma ja."
„Naja, mit einer Erkältung spaßt man nicht herum, Leah. Du kannst froh sein, dass sie dich zum Arzt zerrt."
„Bin ich auch. Dann muss ich nicht in die Schule, Dad. Und wie geht es dir?"
„Mir geht es gut", sagte ich erfreut und schielte zu Sam rüber, der der Karte hinter her lief.
„Was macht Onkel Sam?", klar das Leah das Gemotze ihres Onkels mitbekam. Sie lachte.
„Der ist auf Jagd."
„Geisterjagd?"
„Kartenjagd. Ihm ist die Karte aus der Hand geflogen."
„Wo bist du denn?"
„Ich bin in Colorado. Dein Onkel und ich haben hier noch ein paar Dinge zu regeln. Vielleicht schaffe ich es ja bald wieder zu dir."
„Aber erst, wenn das alles geregelt ist."
„Leah, dann würde ich ja gar nicht mehr wiederkommen."
„Okay, dann nicht. Dann mach nur das und komm wieder nach Lawrence. Hoffentlich bist du zu meinem Geburtstag da."
„Ist denn schon wieder November?"
„Es ist schon sogar bald Ende Oktober. Ich werde endlich zwölf Jahre alt und ich will doch nur, dass du da bist. Schließlich musst du mir ein Kuchen backen, mit fett Schokolade. Oma backt immer nur gesundes Zeug."
„Ich bin aber nicht gerade gut im Kuchen backen. Eher in Kuchen vernichten."
„Ich doch auch. Aber wie behindert wäre es denn, wenn ich mir selber mein Geburtstagskuchen backen muss?"
„So ziemlich behindert", sagte ich lachend. „Ich vermisse dich."
„Ich vermisse dich auch, Dad. Weißt du, was jetzt schon blöd ist?"
„Was denn?"
„Mama hat doch vor mir Geburtstag und ich will unbedingt zum Grab hin, aber Oma muss dort weg und ich hab wieder eine Babysitterin an mir kleben, die mir, dank Oma, keine Süßigkeiten gibt."
„Das ist jetzt kein Versprechen, Leah", fing ich an und blickte zu Sam und dann zu mir. „Du wirst nicht alleine dort hingehen. Wenn ich das bis dahin erledigt habe, bin ich zum dritten bei dir."
Es sind vier Tage, vier knappe Tage bis zum dritten. Aber ich sagte ihr ja, dass es kein Versprechen ist. Hoffentlich kapierte sie das. Sie noch mal enttäuschen wollte ich nicht noch einmal. Leah schwieg.
„Ja, kein Versprechen, Dad. Kann ja sein, dass der wieder gebrochen wird."
„Genau, man weiß ja nie, welcher geistigbehinderte..." Ich blickte zu Sam, der in ein Gebüsch flog und rollte die Augen. „...Geist einen jetzt schon wieder nervt."
„Ich weiß, Dad", meinte Leah. „Ich habe dich und Bobby mal reden gehört. Das du das eigentlich nicht mehr machen willst. Das du für mich da sein willst."
„Ich weiß. Aber du hast es bei Oma momentan besser, als wie bei mir. Ich hab noch einige Differenzen zu klären."
„Diese blöden Geister und Dämonen!", fluchte Leah herum.
Obwohl das eigentlich nicht auf Geister und Dämonen bezogen war. Es war die Tatsache, dass ich immer noch in einigen Staaten wegen angeblichen versuchten Mordes gesucht wurde. Meine Wenigkeit, Dean Winchester. Ich konnte nicht immer so oft nach Lawrence, konnte nicht länger bleiben. Ich konnte noch nicht einmal die Vaterschaft für Leah anerkennen, ohne dass sie auf mich aufmerksam wurden. Es war alles verflucht.
Ich dachte schon daran meinen Tod vorzutäuschen, mir eine andere Identität anzulegen, aber die Leute in Lawrence kannten mich und Sam. Ich müsste mir irgendwo ein neues Leben aufbauen, müsste Leah aus Lawrence rausreißen, weg von ihrer Familie und dem Grab ihrer Mutter. Und das wollte ich nicht. Bei Gemma hatte sie es immer noch besser, als wie bei mir. Egal wie wir leben sollten und wo.
„Dad?"
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und stotterte. „Ja, was ist denn?"
„Ich muss auflegen, Oma kommt gerade wieder", meinte sie.
„Oh, okay. Ich rufe dich an."
„Na gut, ich hab dich lieb."
„Ich hab dich auch lieb", gab ich zurück und dann hatte Leah aufgelegt. Ich klappte das Handy zu und drehte mich zu Sam, der neben mir stand und mich mit dreckigem Gesicht anblickte.
„Was?", fragte ich ihn und runzelte die Stirn.
„Ich hab meinen Schuh verloren", sagte er traurig.
„Was? Wie?"
„Der schwimmt jetzt irgendwo in der Kanalisation herum."
„Was ist denn nur los mit dir, Junge?", fragte ich ihn und riss ihn die Landkarte aus der Hand, um diese auf die Rückbank zu werfen. „Hattest du nicht noch Schuhe dabei?"
„Ja", seufzte er. „Erst fliegt die Karte, dann fliege ich und dann ist mein Schuh weg. Was kommt als nächstes?", fragte Sam und öffnete die Beifahrertür. Naja, er wollte es, aber er hielt plötzlich die Klinke in der Hand. Ich starrte ihn an. „Sam! Mein Auto!"
„Es tut mir leid."
„Setz dich ins Auto und fass nichts an!", ich lief an der Motorhaube vorbei und Sam drückte mir schmollend die silberne Türklinke in die Hand, als er sich hinsetze. Als er sich anschnallen wollte, warf ich mich schnell dazwischen. „Nichts anfassen!", fuhr ich ihn an. Sam hielt inne und ließ sich dann von mir anschnallen. Nachdem ich ihn seine anderen Boots gab, zog er sich diese an.
„Mein armes Auto", meinte ich nur und legte die Türklinke in das eine Fach unter dem Kassettendeck. Genervt riss ich mir die Karte unter den Fingern und suchte mir selber den Weg in die Stadt dahin. Sam schmollte weiter.
Auf dem halben Weg, blickte ich ihn an und hielt inne. „Du, Sam."
Er erwiderte den Blick und seufzte. „Hm?"
„Ich weiß, dass du dein Schuh vermisst, aber kannst du mal in deiner Jacke nachgucken, ob du noch die Hasenpfote hast?"
Sam durchwühlte seine Jackentaschen und blickte mich an. „Ist weg. Im Diner hatte ich die aber noch gehabt!"
„Na super", sagte ich und drehte auf der Interstate mit angezogener Handbremse um, damit wir zum Diner zurückfahren konnten.
„Du weißt, was das heißt?"
„Das ich jetzt eine Pechsträhne habe?"
„Das auch. Du verlierst die und gehst vermutlich auch noch drauf. Es sei denn, wir fackeln das Ding ab. Wenn wir es denn wieder finden werden. Das hätten wir schon vorher machen sollen."
„Du wolltest doch, dass ich die behalte, damit ich beim Pokern Geld verdiene."
„Hat sich ja auch gelohnt, oder nicht. Und nicht nur das. Weißt du wie glücklich Leah war, als ich ihr das Autogramm von Miley Cyrus geschickt habe? Und jetzt hast du das Ding einfach verloren, du Vollidiot."
„Ich habe es kapiert. Ich bin blöd", meinte er und seufzte wieder.
„Und bescheuert bist du auch, du Idiot."
Mit einer Vollbremsung hielt ich auf dem Parkplatz des Diners und war ausgestiegen. Sam folgte mir und stellte mal nichts an.
Ein Wunder.
Noch bevor wir nachfragen konnten, fand Sam den Hasenfuß und wir konnten uns wieder auf den Weg machen. Jedoch hielten wir wenig später auf einem leeren Parkplatz, um die Hasenpfote (schweren Herzens) zu verbrennen.
„Ich hoffe, dass war's jetzt", meinte ich.
„Ja, meinen Schuh bekomme ich trotzdem nicht wieder", sagte Sam.
„Dein Scheißschuh interessiert mich nicht! Du hast, wieso auch immer, die Türklinke herausgebrochen. Das ist wie, als würdest du einem Kerl in die Eier treten. Und ich hänge an dem Auto, wie an meinen Eiern."
Sam blickte mich verdutzt an. „Bist du bekloppt. Es ist nur ein Auto."
„Nur ein Auto! Nur ein Auto! Ich hab so viel in das Auto investiert, sei es Geld, Schweiß und Blut. Aaaah!"
„Ich bezahle die Reparatur. Du musst mir nur sagen, was du brauchst und wie viel das kostet. Ich bau das sogar ein."
„Nee, du kaufst das Ding und ich baue es ein. Du mein Freund, fährst nie wieder mit dem Auto. Nie wieder."
„Man kann es auch übertreiben", nuschelte er vor sich hin.
„Hab ich gehört."
„Solltest du auch, weil es wahr ist."
„Das ist wahr? Junge, ich mach deine persönlichen Dinge doch auch nicht kaputt!"
„Das war nicht mit Absicht!"
„Doch, weil du so blöd bist auf die Hasenpfote aufzupassen."
„Das ergibt keinen Sinn."
„Das ergibt keinen Sinn!", ahmte ich Sam nach und schnitt eine Grimasse.
„Du ergibst keinen Sinn!"
„Pass auf, was du sagst, oder du kannst laufen."
„Ist ja schon gut", meinte Sam und stieg ein. „Fahren wir und erledigen wir einfach den Job."
„Ja, hoffentlich geht das schnell vorbei."
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