1. Kapitel
"Das gibt es doch nicht!", rief Johanna aus als Mona, Laura, sie und ich an der berüchtigten Kifferecke unserer Kleinstadt, Norlington vorbeigingen.
Sie lag am Ende der langen Einkaufsstraße die wir gerade herunter gingen. Hinter ihr lag ein Viertel der Stadt mit versifften Häusern, Tattoo Studios und Kneipen die Alkohol auch an Minderjährige ausschenkte. Überall wurden die Häuser mit Graffiti besprüht. Man las in der Zeitung oft, dass in diesem Viertel Banden herrschten und sich die Polizei nicht durchsetzten konnte. Es wurde auch viel mit Drogen gedealt.
Johannas kleiner Bruder Max stand dort mit ein paar anderen Jungs und rauchte.
Wir kamen gerade vom shoppen und waren auf dem Weg nach Hause. Wir alle vier wohnten in der gleichen Staße am Stadt Rand und waren beste Freundinnen.
Johanna sprang zu ihrem Bruder und schlug ihm die Kippe aus dem Mund. "Hey! Was soll das?", fragte er aufgebracht.
Die anderen Jungs neben ihm grinsten nur amüsiert.
Ein rothaariger blies uns seinen süßlich riechenden Qualm genau entgegen. Mona drehte sich weg und hustete. Sie hatte ein kleines Problem mit Rauch.
"Das könnte ich dich genauso fragen! Wirst du jetzt zum Kiffer oder was?"
Max machte ein genervtes Gesicht. "Das kann dir doch egal sein!", erwiderte er.
Ein Junge, der ein bisschen größer war als ich, musterte mich aufmerksam.
Ich schaute unsicher zu Johanna, aber die war voll und ganz mit ihrem Bruder beschäftigt und die anderen taten als wären sie nicht da. Also tat ich das auch, schielte aber immer wieder zu dem Jungen.
Er hatte pechschwarze Haare, die in der Sonne schimmerten, grün funkelnde Augen und einen stechenden Blick. Es kam mir so vor als könnte er durch mich hindurch schauen und alles aufsaugen was in mir vor ging. Er warf seine Kippe weg und trat sie aus. Seine Haare hatte er nach hinten gekämmt, doch ein paar Stränen hatten sich gelöst und vielen ihm ins Gesicht. Er hatte so eine coole Art an sich mit seiner, schwarzen zerrissenen Hose und seinem grauen T- Shirt, die mich umhaute. Ich war richtig in seinen Bann gezogen.
"Mach doch was du willst! Aber wunder dich nicht wenn du bald in so eine Klinik kommst!", rief Johanna wütend und drehte sich zu uns um.
Max verdrehte die Augen.
Drei Jungs mit bunt gefärbten Haaren, in einer Ecke lachten leise. "Kommt, wir gehen!", sagte Johanna.
Johanna hatte uns erzählt dass ihr Bruder in den letzten Wochen ziemlich abgestürzt war. Er rauchte und kam Abends manchmal gar nicht mehr nach Hause. Sie machte sich Sorgen um ihn und versuchte ihn zur Vernunft zu bringen, genauso wie ihre Eltern, doch es gelang ihnen nicht.
"Es kann doch nicht sein dass das ewig so weiter geht. Er macht sich damit sein ganzes Leben kaputt. Er ist doch erst vierzehn. Meine Eltern schicken ihn in eine Klinik wenn das nicht aufhört. Findet Max das etwa cool? Also ich ganz bestimmt nicht, ihr etwa?", sagte sie als wir die Staße heruntergingen.
"Nein.", meinten wir alle gleichzeitig.
"Was rauchen die da eigentlich? Das war ja widerlich.", bemerkte Mona.
"Keine Ahnung. Wahrscheinlich alles was sie in die Finger bekommen. Die sahen nicht gerade aus als hätten sie viel Geld.", sagte Laura. "Warscheinlich.", murmelte ich.
Meine Gedanken kreisten noch um diesen Jungen.
Wo er wohl wohnte? Wahrscheinlich in diesem heruntergekommenen Viertel.
Nach einer haben Stunde waren wir in unserer Staße angekommen. "Treffen wir uns in 10 Minuten bei Johanna?", fragte Laura.
Wir stimmten ihr zu.
Ich brachte meine Klamotten, die ich bei der Shoppingtour erworben hatte, zu mir nach Hause und packte meine Schlafsachen für die Übernachtung bei Johanna.
Mein Haus lag am Ende der Straße und war um einiges größer als das meiner Freundinnen. Meine Mutter war gestorben als ich noch klein war und mein Vater war Designer und organisierte große Modeschauen, weswegen er kaum zu Hause war. Mein großer Bruder ging auf das College und wohnte dort in einer WG mit noch zwei anderen Jungs in seinem Alter. Daher hatte ich das große Haus meistens für mich und fühlte mich aber trotzdem wohl. Ab und zu kam mal der Hausmeister und reparierte etwas. Nur unsere Hausangestellte, Amanda, wohnte noch in einer Wohnung im 2. Stock des Hauses.
Nach Punkt zehn Minuten klingelte ich an Johannas Haustür. Laura und Mona saßen schon auf dem rosa Sofa in Johannas Zimmer als ich hereinkam. Neben dem kleinen lila Bett lagen drei Matratzen. Ich schmiss meine Sachen auf eine davon. "Lass uns einen Film gucken!" Schlug Mona vor. Wir stimmten ihr zu. Unten im kleinen Wohnzimmer machten wir es uns auf dem grauen Ecksofa gemütlich. Johanna startete Monas Lieblingsfilm den wir zwar schon alle gefühlte 20 mal gesehen hatten, aber trotzdem noch mochten.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück fuhr Johannas Mutter uns zur 'Norlington High School', die übrigens nur ein paar Minuten von unserer Straße entfernt war. Im Sommer laufe ich ziemlich gerne, statt mit dem Auto zu fahren, da ich das schöne Wetter, die angenehme Luft und das Vogelgezwitscher sehr genieße, aber heute regnete es weswegen Johannas Mutter uns fuhr.
Wir gingen alle drei in die zehnte Klasse, aber belegten nur einen Kurs zusammen, Englisch.
Zum Glück hatten wir in den ersten zwei Stunden Englisch, also holten wir uns die Bücher aus den Schließfächern und setzten uns pünktlich zum klingeln auf unsere Plätzte im Englisch Raum.
"Seht mal, Robin hat eine neue Freundin!", flüsterte uns Mona mitten in der Stunde zu und zeigte auf das Fenster neben uns, durch das man auf den Gang schauen konnte.
Robin war seit einem halben Jahr Monas Ex- Freund. Seit dem war er ein echter Idiot geworden. Auf dem Gang küsste er gerade zärtlich ein Mädchen mit kurzen braunen Haaren und einem Knall rotem Rucksack.
"Ist das nicht Pia?", fragte ich verwundert.
"Ja stimmt das ist sie.", stimmte mir Johanna zu.
"Seit wann ist meine Schwester mit dem zusammen?", wunderte sich Laura.
"Ms. Evans, Ms. Brown, Ms. Hastings und Ms. Blane wollt ihr uns nicht mitteilen was es so wichtiges in meinem Englisch Unterricht zu bereden gibt?", unterbrach uns unser Englisch Lehrer.
Wir schüttelten die Köpfe.
Nach der Stunde trennten Laura und ich uns mit einer Verabredung für heute Nachmittag bei mir zu Hause, von den anderen. Wir hatten gleich zusammen Geschichte.
Laura und ich waren auf dem Weg zu unseren Spinten, um noch ein paar Bücher zu holen, als ich auf einmal den Jungen, der mich gestern so gründlich gemustert hatte, mit einem Mädchen in einer Ecke neben dem Mädchenklo sah.
Er drückte sie gegen die Wand, küsste sie und hatte eine Hand unter ihr T- shirt geschoben. Anscheinend war es ihm nicht peinlich, wie sie alle im Vorbeigehen anstarrten und tuschelten.
Es versetzte mir einen Stich.
"Ist das nicht einer von den Jungs, die gestern mit Max zusammen waren?", fragte Laura die meinem Blick gefolgt war.
"Ja ich glaube schon und ist das nicht Kimberly, die er da küsst?"
"Stimmt.", gab mir Laura recht.
Wir sahen uns Schulter zuckend an und widmeten uns unseren Spinten.
Ich schielte immer wieder zu ihnen herüber. Ich spürte abermals einen Stich in meiner Brust.
War ich etwa eifersüchtig?
Aber ich kannte ihn doch gar nicht, außerdem hatte ich ihn erst einmal gesehen. Wie konnte es also sein das ich nur noch an ihn denken konnte? Denn das tat ich, wie mir jetzt erst auffiel. Ich kannte noch nicht einmal seine Stimme. Das ist doch verrückt, war ich etwa verknallt? Naja zumindest irgendwas zwischen verliebt und verknallt.
"Das ist doch verrückt!", wiederholte ich.
"Was ist verrückt?", riss mich Laura aus meinen Gedanken.
Ich zuckte zusammen und sah sie verwirrt an.
Hatte ich das etwa laut gesagt?
Ich schüttelte den Kopf und stotterte: "Nein... Äh... Nichts."
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