Kapitel 61
Verträumt
Ge. 02- Kapitel 61
Mein Brustkorb hob und senkte sich wieder so schnell, dass ich mir schon Sorgen machte, dass mein Herz gleich herausspringt. Meine Augen waren weit aufgerissen und ich konnte nicht denken, was ich sagen sollte. Meine Gedanken waren alle so wirr. Alles passte nicht zusammen und ich erlitt den totalen Gefühlschaos.
Meine Mutter blinzelte und Serkan abi klappte der Mund auf. Für den kurzen Moment war alles leise. Vielleicht war es eine oder zwei Minuten, doch es kam mir deutlich länger vor. Diese Stille zerdrückte und zerfleischte mich innerlich.
Mein Hals war so trocken, dass es, obwohl ich schluckte, nicht besser wurde.
»Kızım? (Tochter?)«, murmelte meine Tochter und man hörte ihr an der Stimme, dass sie voller Einsetzen und Enttäuschung war. Sie wollte, dass es ein Missverständnis war. Sie wollte, dass sie es falsch verstanden hätte und um ehrlich zu sein, wollte ich es auch. Noch nie hatte ich meine Mutter so aufgebracht gesehen, als hätte ich mich in einen Feind verliebt... obwohl ich nicht einmal genau wusste, ob ich Tunç liebte.
Ich war mir einfach nicht sicher und im Moment könnte ich auch nicht darüber überlegen. Es fühlte sich so an, als sei jeder Zugang zu meinem Gehirn oder zu meinem Herz blockiert.
»Sen ne söyliyorsun? (Was sagst du da?)«, fragte meine Mutter und ich wusste die Antwort darauf nicht genau. Was bezweckte ich damit?
»Ece«, flüsterte meine Mutter und in dem Augenblick schluckte ich wieder. Es war so, als würde ich neu in diese Situation hinein geschoben. Mein Gehirn war wieder frei und da ich sowieso ein Talent dafür hatte, aus schweren Situationen heraus zu kommen, hatte ich gar keine Probleme diese Situation unter Kontrolle zu bringen.
»Hört mir bitte zu«, bat ich und sah dabei starr zwischen die beiden. Ich hatte nicht den Mut, gerade jetzt in die Augen von irgendeinem von denen zu sehen.
»Bis zum Ende«, sagte ich und klang dabei sehr ernst. Mein Herz schlug schnell und ich versuchte es unter Kontrolle zu kriegen. Langsam schloss ich die Augen und öffnete sie wieder.
»Es gibt da so einen Jungen, der mich immer verfolgt hat«, erklärte ich und meine Mutter brachte einen Schrei heraus.
»Wer ist das?!«, rief Serkan abi voller Wut. Er würde es eben nicht zulassen, dass jemand seine Prinzessin belästigt.
»Ich hab gesagt bis zum Ende«, erinnerte ich die beiden. »Außerdem kennst du ihn, abi. Es war nämlich Timo.«
»WAS?!«, rief meine Mutter und dabei wurden ihre Augen wirklich riesig. Sie wusste nämlich über die Sache mit Nisan Bescheid.
»Und Tunç hat Timo dann verjagt, als er mich nach der Schule belästigt hat.«
Meine Mutter fasste an ihren Kopf und sie schloss die Augen. »Kafam (Mein Kopf)«, nuschelte sie nur noch und kippte danach um. Serkan abi hielt sie sofort fest und rief: »Anne! (Mama!)«
Ich rief so schnell es ging einen Krankenwagen und kurz darauf waren schon die Sirenen zu hören.
[Sicht von Cihan]
Nachdem ich von dem Apartment von Özlem ging, ging ich nach Hause. Meine Mutter sah sehr gestresst und voller Wut aus. »Cihan!«, rief sie, als ich die Wohnung betrat.
»Ne oldu? (Was ist passiert?)«, fragte ich und war ehrlich verwirrt.
»Ich habe heute Dileks Mutter angerufen und sie hierher eingeladen und Dilek hat mit erzählt, du hättest ihr Herz gebrochen!«
Wollte dieses Mädchen nie aufgeben?
»Anne(Mutter), du weißt gar nicht, was das für ein Mädchen ist!«
Meine Mutter runzelte die Stirn und sah mich verwirrt an. »Was willst du denn damit sagen?«
»Ich will damit sagen, dass das Mädchen, welches du hier beschützen willst eine falsche Schlampe ist!«
»Du benutzt dieses Wort nie wieder!«
»Ach, Dilek darf es sein, aber ich darf es nicht einmal benutzen?«
Meine Mutter sah mich geschockt an. Sie sah traurig, verwirrt, entsetzt, geschockt, wütend und besorgt auf einmal aus.
»Ich weiß nicht, was Dilek gemacht hat, Cihan, aber glaub mir, sie ist kein schlimmes Mädchen! Sie ist verliebt in dich und Liebe macht blind!«, behauptete meine Mutter. Ihre Augen sahen voller Trauer und Hoffnung zu mir. Ja, sie hatte Dilek sehr gemocht.
»Wenn Liebe sie so blind macht, kann sie es gleich vergessen! Außerdem war sie auch früher so!«
»Ach und woher weißt du das?«
»Das hat mir jemand gesagt, dem ich sehr viel vertraue, denn diese Person hat mir gezeigt, wie falsch Dilek ist, obwohl Dilek sie bedroht hat.«
Meiner Mutter klappte der Mund auf. Währenddessen ging ich auf mein Zimmer. Auf weitere Diskussionen über Dilek hatte ich einfach keine Lust.
[Sicht von Tunç]
Nachdem Ece gegangen war, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Meine Mutter wartete schon auf mich und ihr Gesichtsausdruck war mehr als nur streng. »Was ist?«, fragte ich sie locker und ihr Ausdruck wurde ernst. »Hatte ich dir nicht gesagt, dass du dich von dieser Schlampe fern halten sollst?«
»Nenn sie nicht schlampe!«
»Ach, jetzt beschützt du sie auch noch vor mir?«
Was geht denn hier ab? Ich konnte es nicht fassen. Meine Mutter kannte Ece schließlich nicht, sonst würde sie so etwas nie im Leben sagen, aber warum war das alles dann? Sie hatte auch etwas dagegen gehabt, dass ich mit Serkan befreundet war. Nur warum?
»Tunç, antworte mir gefälligst!«
»Was hast du gegen Ece oder Serkan?«
»Nimm deren dreckige Namen nicht in den Mund!«
»Es sind doch ganz normale Namen!«
Diese ganzen Fragen. Es brachte sowieso nichts. Meine Mutter ging den Fragen aus dem Weg, doch heute wollte ich die Antworten!
»Sag mir doch warum, sonst kannst du nicht verlangen, dass ich ihr aus dem Weg gehe!«
Meine Mutter seufzte und ihr ernster wütender Gesichtsausdruck hatte sich sofort in ein trauriges verwandelt.
Sie setzte sich auf einen Stuhl und sah zu Boden. Dieser Anblick machte mich fertig.
Ich hockte auf den Boden und sah ihr in die Augen. »Ne oldu Anne? (Was ist, Mama?)«, fragte ich in einem ruhigen zarten Ton.
Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Es ist dir doch eh gleichgültig, was ich denke, was ich fühle. Die Hauptsache-«
»-Mir ist nicht gleichgültig, was mit dir los ist!«
Kaum hatte sich meine Mutter an den Stuhl angelehnt, fing sie schon an zu erzählen, zumindest halb. »Es ist kompliziert. Es ist wie ein kaputter Stuhl, verstehst du?«
»Wie?«
»Wenn du einem Stuhl das eine Bein brichst, kannst du dich nicht mehr darauf setzen. Es ist wie die Freundschaft. Ist es einmal gebrochen und zerstochen, kann man es kaum wieder zusammen flicken.«
»Kaum. Das heißt, es gibt Hoffnung?«
»Die Hoffnung wächst im Glauben und ich glaube nicht daran.«
Es herrschte Stille. Ich verstand nur Bahnhof. Auf jeden Fall war etwas kaputt... oder es war gebrochen. Vielleicht sogar zerstochen. Auf jeden Fall hatte es meine Mutter traurig gmacht und das konnte ich nicht mit ansehen. Dennoch musste ich es wissen. Hier und jetzt.
Würde ich das Thema irgendwann anders wieder öffnen, würde sie derselbe Schmerz aufsuchen, oder?
»Mama, sag doch, was los ist?«
»Ich sagte doch, dass es kompliziert ist. Es sind verschiedene Welten, verschiedene Menschen, verschiedene Psychologie.«
Okay, jetzt macht sie mir Angst.
Gerade da hörte ich, wie jemand die Tür aufmachte und mein Vater kam herein.
»Merve?«, fragte er und hockte sich sofort neben mich. »Ist alles okay?«, murmelte er und sah meiner Mutter tief in die Augen. Dabei hielt er ihre Hand. Meine Mutter schüttelte ihren Kopf. »Onur, es fühlt sich schrecklich an.«
Mein Vater half meiner Mutter aufzustehen und begleitete sie in ihr Zimmer. Ich war noch am selben Fleck und war in de Hocke. Langsam stand ich auf. Ich war nicht schlauer geworden, aber ich würde nicht aufgeben.
Kurze Zeit später kam mein Vater aus dem Schlafzimmer und kam auf mich zu. »Ist etwas passiert?«, fragte er und die Sorge war in seinen Augen abzulesen.
»Sie hat mir verboten mit jemandem befreundet zu sein«, erklärte ich und das verwirrte meinen Vater noch mehr. »Warum das?«
»Das will sie mir nicht sagen.«
»Hm...«
»Baba(Vater), weißt du etwas über Ece Kırık?«, fragte ich und die Augen meines Vaters wurden groß. »Meinst du etwa die Tochter von Aliye?«
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