Kapitel 2
Der Wagen rollte langsam durch die schmalen, schneebedeckten Straßen von Boston. Die Stille im Auto war erdrückend, nur das gelegentliche Knirschen des Schnees unter den Reifen war zu hören. Jay saß auf dem Rücksitz, die Hände fest ineinander verschränkt, seine Gedanken drehten sich nur um Sam. Vor ihm saßen Richard und Mason, beide angespannt, doch äußerlich ruhig, ihre Blicke fest auf die Straße gerichtet. Der Schnee fiel leise, legte sich wie eine dünne Decke über die Stadt, und die Kälte kroch durch den Wagen, obwohl die Heizung aufgedreht war.
»Da vorne«, sagte Richard leise und deutete auf eines der typischen Mehrfamilienhäuser in der Innenstadt. Es war ein altes, dreistöckiges Gebäude, die Fassade bröckelte und das Licht im Treppenhaus flackerte schwach hinter den Fenstern. Richard parkte den Wagen am Straßenrand, und sie stiegen aus. Ein eisiger Wind wehte ihnen entgegen, und der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln, als sie auf das Haus zugingen. Jay spürte, wie seine Hände zitterten, obwohl er sie tief in die Taschen seines Mantels vergraben hatte. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, doch das Bild von Sam, allein und in Gefahr, ließ ihn nicht los. Sie erreichten die Haustür, und Richard drückte, ohne zu zögern, alle Klingeln. Ein lautes Summen erklang, und die Tür sprang auf.
»Dritter Stock«, sagte er leise, während sie das enge, dunkle Treppenhaus betraten. Der Geruch von altem Holz und abgestandener Luft lag schwer in der Luft. Jay spürte, wie sein Herz schneller schlug, je näher sie der Wohnung kamen. Endlich erreichten sie den vierten Stock, und Richard klopfte energisch an die Tür. Die Tür öffnete sich einen Spalt, und ein Gesicht erschien im Schatten. Diana Asher. Ihr Haar war wirr, dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, und sie wirkte, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen. Ohne ein Wort zog sie die Tür weiter auf und ließ sie eintreten.
»Kommt rein«, murmelte sie, ihre Stimme war heiser und brüchig, und sie trat zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Jay war der Erste, der den Raum betrat, gefolgt von Richard und Mason. Das Wohnzimmer war düster, die Gardinen halb zugezogen, nur das schwache Licht einer Tischlampe erhellte den Raum. Der muffige Geruch von abgestandener Luft und Feuchtigkeit hing in der Luft.
»Wo ist er?« Jays Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch die Verzweiflung darin war unüberhörbar. Er sah sich hektisch um, als würde Sam jeden Moment aus einer Ecke auftauchen. Diana hob eine zitternde Hand.
»Ich... ich bin allein«, flüsterte sie und wich Jays Blick aus. Er spürte, wie ihm die Luft wegblieb. Allein?
»Setzt euch«, sagte sie dann und ging voran ins Wohnzimmer. Sie wirkte abwesend, wie jemand, der in einer endlosen Spirale aus Angst und Verzweiflung gefangen war. Richard und Mason setzten sich auf das alte, abgewetzte Sofa, doch Jay blieb stehen, unfähig, still zu sitzen.
»Wo sind Cameron, Caden und vor allem Sam?« Richards Stimme war ruhig, doch in ihr lag eine gefährliche Schärfe. Diana hob den Kopf, und plötzlich schien all die Anspannung, die sie in den letzten Tagen zurückgehalten hatte, über ihr zusammenzubrechen. Ihre Schultern bebten, und Tränen liefen ihre Wangen hinunter.
»I-ich wusste von nichts«, stammelte sie und schlug die Hände vors Gesicht. »Cameron ... er hat mir nichts gesagt. Vor fünf Tagen kam er nach Hause und meinte, dass bald alles wieder normal sein würde. E-er sagte, er hätte Sam.« Jay erstarrte. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, die Knöchel traten weiß hervor.
Sam ... Cameron hatte ihn also wirklich.
»Caden...«, Dianas Stimme war kaum mehr als ein Hauch, doch Jay hörte jedes Wort. »Caden war außer sich. Er wollte, dass Cameron Sam sofort freilässt. Er hat ihn angefleht, loszulassen. Ihn angefleht, dass wir endlich unsere Leben leben, aber Cameron ... er ist ausgerastet. Hat Caden bedroht...«
»Was?« Jays Stimme bebte vor Wut. Diana schluchzte leise und vergrub das Gesicht in ihren Händen.
»Er hat gesagt, dass Caden mitkommen muss. Damit er lernt, was Rache im Rudel bedeutet.« Richard stand plötzlich auf, sein Gesicht war eine Maske aus Zorn und Entschlossenheit.
»Und Caden? Wo ist er jetzt?«
»Caden, er wollte nicht mitgehen. Er hat versucht, Cameron aufzuhalten. Aber ... Cameron hat mich bedroht.« Ihre Stimme brach, und sie schüttelte den Kopf, als könne sie die Erinnerung nicht ertragen. »Er hat gesagt, wenn Caden nicht mitkommt, würde er mir etwas antun. Caden hatte keine Wahl.« Jay spürte, wie ihm die Wut die Kehle zuschnürte. Cameron hatte Caden gezwungen, ihm zu folgen, indem er dessen Mutter bedrohte? Was für ein Monster...
»Und jetzt?« Masons Stimme war leise, fast beschwörend. »Wo sind sie jetzt?« Diana hob den Kopf, und Jay sah den Schmerz in ihren Augen.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Cameron hat Caden ein seltsames Armband angelegt, bevor sie gingen. S-seitdem kann ich ihn nicht mehr erreichen. Der Link ist tot. Es ist, als wäre er verschwunden.« Eine Stille legte sich über den Raum, so schwer und bedrückend wie die Kälte draußen.
»Diana...«, begann Richard vorsichtig, doch Jay trat plötzlich nach vorne, seine Augen funkelten vor Zorn und Entschlossenheit.
»Wir müssen sie finden. Sofort.« Seine Stimme war kaum zu kontrollieren, und er funkelte Richard an. »Wir können nicht länger warten.« Richard nickte langsam.
»Wir werden sie finden. Aber zuerst müssen wir herausfinden, wo Cameron sie hingebracht hat.« Er wandte sich an Diana. »Gibt es irgendetwas, dass du uns sagen kannst? Irgendeinen Hinweis, wo sie sein könnten?« Diana schüttelte den Kopf, Tränen liefen ihr unaufhörlich über das Gesicht.
»Ich weiß es nicht... ich weiß es einfach nicht...« Jay spürte, wie die Verzweiflung in ihm brodelte, doch er wusste, dass sie keine Zeit verlieren durften. Sie mussten handeln – und zwar jetzt. Cameron hatte Sam, und das bedeutete, dass jede Sekunde zählte. Richard stand noch immer reglos im Raum, seine Augen schmal und hart auf Diana gerichtet. Die Schwere der Situation lag wie eine Last auf seinen Schultern, doch seine Gedanken rasten.
»Was ist mit Camerons Betas?«, fragte er, seine Stimme tief und schneidend. »Kyle und Tanner?« Diana schüttelte langsam den Kopf, als wollte sie es nicht wahrhaben.
»Sie sind auch verschwunden. Ihre Familien wissen nichts. Seit fünf Tagen gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihnen.« Ein kaltes Schweigen legte sich über den Raum, während die Schwere von Dianas Worten nachhallte. Richard verzog das Gesicht, eine tiefe Falte bildete sich auf seiner Stirn. Das bedeutete, dass Cameron nicht allein handelte. Seine engsten Betas waren mit ihm – das verstärkte den Verdacht, dass Cameron einen größeren Plan verfolgte, und es vergrößerte die Bedrohung.
»Kannst du dir vorstellen, dass Cameron Sam töten würde?«, fragte Richard nach einer langen Pause, seine Augen prüfend auf Diana gerichtet. Diese schwieg. Die Sekunden dehnten sich zu einer Ewigkeit, während sie ihre zitternden Hände in ihrem Schoß verschränkte. Ihr Blick war leer, als ob sie in die Ferne starrte, aber ihre Gedanken wanderten ganz woanders. Jay stand am Rand des Raumes, jede Faser seines Körpers vor Anspannung bebend, als er auf ihre Antwort wartete. Schließlich hob Diana den Kopf, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»Es könnte sein...«, sagte sie, und ihre Worte waren wie ein eisiger Stich in Jays Brust. »Aber... er würde es nicht heimlich tun. Wenn Cameron Sam töten will, d-dann will er, dass die ganze Welt davon erfährt.« Jay spürte, wie ihm die Luft wegblieb. Mason legte ihm eine Hand auf die Schulter, doch er zuckte nur kurz, seine Gedanken kreisten zu schnell um Sams Schicksal, um sich wirklich zu beruhigen.
»Er will Krieg«, flüsterte Diana schließlich, ihre Augen weit vor Angst. Mason, der bisher ruhig geblieben war, trat vor.
»Was denkt er, dass er davon hat?« Seine Stimme war ruhig, doch die Anspannung darin war spürbar. »Was erhofft sich Cameron von diesem Wahnsinn?« Richard atmete tief durch, seine Hände zu Fäusten geballt, bevor er leise, aber entschlossen antwortete.
»Das ist das Problem mit Verrückten, Mason. Man weiß es nicht. Und wahrscheinlich weiß Cameron selbst nicht, was er wirklich will.« Er machte eine kurze Pause, sah Diana an, als wolle er ihr die Last des Wissens abnehmen, bevor er fortfuhr. »Er ist im Wahn.« Die Worte hingen schwer in der Luft, und Jay fühlte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. Ein Mann, getrieben von Wahnsinn und Rachegelüsten, der bereit war, alles und jeden zu zerstören, der ihm im Weg stand. Sam war in den Händen dieses Mannes, und Jay konnte nichts tun, als hier zu stehen und zuzuhören. Mason warf seinem Vater einen Blick zu.
»Und was machen wir jetzt? Wir können nicht einfach warten.« Richard nickte langsam.
»Wir müssen herausfinden, wo Cameron ist, bevor er einen weiteren Schritt machen kann. Wir haben vielleicht nicht viel Zeit, aber jede Information zählt.« Er sah Diana an, seine Augen hart, aber nicht ohne Mitgefühl.
»Denk nach. Irgendein Ort, irgendein Hinweis, den du uns geben kannst. Wo würde Cameron hingehen?« Diana saß still, während die Männer sie ungeduldig ansahen, in der Hoffnung, dass sie einen Anhaltspunkt hatte. Schließlich hob sie den Kopf und murmelte zögerlich: »Cameron hat immer von den Great-Smoky-Mountains geschwärmt. Wir waren mal dort, als Caden noch sehr klein war. Bevor Sam zu uns kam.« Richard rieb sich langsam die Augen, während er das Gehörte verarbeitete.
»Die Great-Smoky-Mountains...«, murmelte er nachdenklich. »Das Gebiet ist riesig. Wenn Cameron sich dort versteckt, wird er sicher keine Hütte oder Ähnliches unter seinem Namen gebucht haben. Er ist nicht so dumm.« Jay trat ungeduldig einen Schritt nach vorne, seine Augen brannten vor Entschlossenheit.
»Gibt es dort Rudel?«, fragte er unsicher. Der Gedanke, dass Sam so weit entfernt in einem riesigen, unbekannten Wald sein könnte, schnürte ihm die Kehle zu. Richard nickte langsam.
»Es gibt eines, am Rande des Nationalparks. Das Eagle Ridge Rudel.« Er hielt inne und musterte Jay eindringlich. »Aber das ist die beste Spur, die wir bekommen werden.« Jay konnte die Unruhe in sich nicht länger ertragen.
»Dann sollten wir sofort los!« Er klang entschlossen, fast verzweifelt. Der Gedanke, noch länger zu warten, war unerträglich. Doch Richard hob eine Hand, um ihn zu bremsen.
»Das wird nicht so einfach, Jay.« Seine Stimme war ruhig, aber fest. »Die Fahrt dorthin dauert sicher fünfzehn Stunden. Wir können nicht einfach kopflos losfahren. Wir müssen uns vorbereiten. Packen, alles mit den anderen koordinieren. Wenn wir jetzt übereilt handeln, machen wir Fehler, die uns teuer zu stehen kommen könnten.« Jay wollte widersprechen, aber tief in seinem Inneren wusste er, dass Richard recht hatte. Doch das Gefühl der Ohnmacht, während Sam irgendwo in den Händen dieses Wahnsinnigen war, war unerträglich.
»Also... was jetzt?«, fragte er widerwillig, die Anspannung in seiner Stimme war kaum zu überhören. Richard trat einen Schritt auf Diana zu, die noch immer auf dem Sofa saß und nervös mit ihren Händen spielte.
»Wir müssen gehen«, sagte er ruhig. »Aber wir kommen wieder. Wir werden sie finden.« Diana nickte schwach und stand auf. Ihre Augen waren glasig, und man konnte die Erschöpfung in jeder ihrer Bewegungen spüren.
»Bitte... bringt Caden zurück.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, durchzogen von Verzweiflung. »Er ist mein Sohn... und ich habe versagt.« Jay spürte, wie ein Knoten in seiner Brust wuchs. Er wandte sich zur Tür, als Diana plötzlich seinen Namen flüsterte.
»Jay...«, sie trat einen Schritt auf ihn zu, ihre Augen schimmerten feucht. »Es tut mir leid. All das ... ich habe viele Fehler gemacht. Ich habe Sam leiden lassen...«, ihre Stimme brach, und sie schluchzte leise. »Aber es tut mir so leid. Ich hätte ... ich hätte...«, Jay sah sie lange an, sein Gesicht eine Maske aus unterdrückten Emotionen. Die Wut, der Schmerz, die Verzweiflung – all das tobte in ihm, doch er sagte nichts. Schließlich nickte er nur knapp, ohne ein weiteres Wort, und wandte sich ab. Richard legte eine Hand auf Dianas Schulter.
»Wir tun, was wir können, um beide zurückzubringen.« Dann verließen sie die Wohnung, und Diana blieb allein in der Dunkelheit zurück. Draußen war der Schneefall dichter geworden, und die Kälte biss ihnen ins Gesicht, als sie zurück zu Richards Wagen gingen. Jay spürte, wie die Zeit gegen sie arbeitete, doch er wusste, dass sie es richtig machen mussten. Sie durften jetzt keinen Fehler machen.
Die Fahrt zurück zum Red Lake Rudel begann in bedrückender Stille. Der Schnee fiel weiterhin unaufhörlich, und das leise Brummen des Wagens war das einzige Geräusch, das die angespannte Atmosphäre durchbrach. Jay saß auf der Rückbank, seine Augen starrten ins Nichts, doch sein Verstand war voller wirbelnder Gedanken. Mason und Richard saßen vorne, schweigend, doch der Druck des Ungesagten lastete schwer auf ihnen. Nach einer Weile öffnete Richard den Rudellink zu Mason, und seine gedankliche Stimme hallte leise in Masons Kopf.
*Wann hat Ian seine nächste Heat?* Mason war einen Moment überrascht von der Frage, antwortete jedoch prompt.
*In zwei Wochen.* Richard nickte leicht, seine Augen blieben fest auf die schneebedeckte Straße gerichtet.
*Gut. Dann kannst du mitkommen. Bis Ians Heat da ist, sollten wir zurück sein – hoffentlich.* Es folgte eine kurze Pause, bevor Richard weitersprach.
*Ich denke, Ian sollte auch dabei sein.* Mason zögerte kurz, bevor er zustimmte.
*Ja, das macht Sinn.* Obwohl der Gedanke, Ian in dieser gefährlichen Situation dabei zu haben, ihn beunruhigte, vertraute er darauf, dass sein Gefährte stark genug war, um sich zu behaupten. Eine Weile verging, bevor Richard linkte.
*Ich möchte auch Ben mitnehmen. Er kennt Cameron am besten.* Mason war einen Moment lang still, doch schließlich nickte er. Ben war lange einer der engsten Vertrauten von Cameron gewesen. Wenn jemand Camerons Pläne und Strategien durchschauen konnte, dann Ben.
*Das ist eine gute Idee*, linkte Mason zurück. *Ben wird wissen, wie Cameron tickt.* Doch dann stellte er die unausweichliche Frage, die beiden auf der Seele lag.
*Was ist mit Jay?* Richard warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel, wo Jay noch immer schweigend saß, in seine Gedanken versunken.
*Mir wäre lieber, Jay würde im Rudel bleiben*, linkte Richard schließlich, seine gedankliche Stimme klang schwer und nachdenklich. *Aber...*, er machte eine Pause, bevor er weitersprach. *Ich glaube nicht, dass er zustimmen wird. Er will Sam um jeden Preis finden, und ich fürchte, dass er nicht einfach abwarten kann.* Mason seufzte leise.
*Ja, ich denke, du hast recht. Er wird nicht einfach hierbleiben wollen, während wir nach Sam suchen.* Eine lange Stille folgte, und Richard lenkte den Wagen weiter durch die verschneiten Straßen, während seine Gedanken um die bevorstehende Mission kreisten. Jay mitzunehmen, bedeutete, ein großes Risiko einzugehen. Doch er wusste, dass es noch riskanter wäre, ihn zurückzulassen und Jay in seiner Verzweiflung unkontrolliert handeln zu lassen. Schließlich sprach Richard wieder.
*Wir müssen einen Plan haben, bevor wir losfahren. Jay wird nicht einfach zusehen können, aber er muss verstehen, dass wir strategisch vorgehen müssen. Wenn wir zu voreilig handeln, verlieren wir alle – und das dürfen wir nicht zulassen.* Mason nickte stumm, seine Augen fest auf die schneebedeckte Straße gerichtet. Sie alle wussten, dass der nächste Schritt entscheidend sein würde. Cameron war unberechenbar, und jeder falsche Zug konnte tödlich enden.
Als sie wieder beim Rudel ankamen, war die Stille der Fahrt sofort gebrochen. Der vertraute Duft von Holz und Gewürzen erfüllte die Luft, als Richard, Mason und Jay die Wohnküche betraten. Drinnen saß Sandra am Esstisch, ihr Gesicht war voller Sorge. Neben ihr saßen Daniel und Eric, während Ian, mit angespanntem Gesichtsausdruck, neben dem Herd stand. Es war offensichtlich, dass die Anspannung im Raum zu greifen war. Sandra schaute auf, als die Tür aufging, und sofort waren ihre Augen auf Richard gerichtet.
»Und? Was habt ihr erfahren?«, fragte sie leise, aber man hörte das Zittern in ihrer Stimme. Richard zog seinen Mantel aus und setzte sich langsam an den Tisch. Jay blieb stehen, seine Hände in den Taschen seines Mantels vergraben, während Mason tief einatmete, bevor er sprach.
»Diana...«, begann Mason vorsichtig. »Sie ist vollkommen am Ende. Cameron hat sie bedroht, um Caden zu zwingen, mit ihm zu gehen. Sie hat keine Ahnung, wo sie jetzt sind, aber...«, er hielt kurz inne, seine Worte schienen schwer auf seinen Lippen zu liegen. »Cameron hat Sam. Das wissen wir jetzt sicher.« Eine Schockwelle ging durch den Raum. Ian sog scharf die Luft ein, während Sandra sich die Hand vor den Mund hielt. Eric, der mit seinen vierzehn Jahren noch immer einen unschuldigen Blick in den Augen hatte, sah von einem zum anderen, als würde er verzweifelt nach einer Antwort suchen, die niemand ihm geben konnte.
»Und was jetzt?«, fragte Ian schließlich, seine Stimme leise, aber voller Besorgnis. »Wie sollen wir Sam finden?« Richard atmete tief ein, bevor er antwortete.
»Wir haben eine Spur«, sagte er und legte die Hände fest auf den Tisch. »Cameron könnte sich in den Great-Smoky-Mountains verstecken. Es gibt dort ein Rudel, das Eagle Ridge Rudel, und wir werden dort anfangen.« Sandra schüttelte den Kopf, ihre Augen voller Sorge.
»Das Gebiet ist riesig. Ihr wisst doch gar nicht, wo ihr anfangen sollt zu suchen. Wie sollt ihr ihn dort finden?« Richard sah sie an, sein Blick ruhig, aber entschlossen.
»Wir haben keine andere Wahl. Es ist die beste Spur, die wir bisher haben. Wir werden bei dem Rudel nachfragen. Vielleicht haben sie etwas gesehen oder gehört.« Eric, der bisher still gewesen war, hob plötzlich den Kopf.
»In der Schule machen sich alle große Sorgen um Sam ... und um Jay.« Seine Stimme war leise, aber ernst, und es war klar, dass ihn die Situation tiefer traf, als er zu zeigen wagte. Jay drehte sich zu Eric um und zwang sich zu einem kleinen, ermutigenden Lächeln.
»Es wird schon alles gut werden«, sagte er, obwohl seine Stimme nicht so fest klang, wie er es beabsichtigt hatte. »Wir werden ihn finden, das verspreche ich.« Eric nickte, doch seine Augen blieben voller Zweifel und Sorge. Daniel legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Wann fahren wir?« Jay wandte sich an Richard, seine Augen brannten vor Ungeduld. Er wollte keine Sekunde mehr verlieren. Richard sah ihn an und antwortete ruhig.
»Ich werde gleich Ben schreiben. Wir sammeln ihn morgen früh ein, und dann fahren wir sofort los. Mit Pausen werden wir übermorgen früh beim Eagle Ridge Rudel sein.« Jay nickte, aber man konnte die Unruhe in seinem Gesicht sehen. Jede Stunde, die sie jetzt verloren, fühlte sich für ihn wie ein Schlag ins Herz an. Sam war irgendwo dort draußen, und die Vorstellung, dass er noch länger warten musste, war fast unerträglich.
»Ian, ich möchte, dass du mitkommst. Du bist ein Omega, vielleicht kann das helfen«, wandte sich Richard dann an den jungen Mann.
»Ja, natürlich«, sagte dieser und Mason griff nach der Hand seines Mates.
»Gut, dann lasst uns packen und morgen früh brechen wir auf«, sagte Richard und alle nickten entschlossen.
Wenig später waren Mason und Ian in ihrem gemeinsamen Zimmer. Der Raum war ruhig, abgesehen vom gelegentlichen Rascheln von Kleidung, als Mason ein paar Sachen aus seinem Schrank auf das Bett warf. Ian stand neben ihm, beugte sich über seinen eigenen Rucksack und packte ebenfalls einige Dinge ein. Der Moment fühlte sich beinahe surreal an, als sie sich auf eine Mission vorbereiteten, die sowohl gefährlich als auch voller Ungewissheit war. Mason hielt plötzlich inne und grinste leise vor sich hin. Ian bemerkte es sofort und hob neugierig den Kopf.
»Was ist?«, fragte er und runzelte die Stirn. »Warum grinst du so?« Mason schüttelte leicht den Kopf, doch das Grinsen verschwand nicht aus seinem Gesicht.
»Nichts. Nur ... ich musste daran denken, was mein Vater mich gefragt hat.«
»Was hat er dich gefragt?« Ian legte die gefalteten Shirts, die er gerade in den Rucksack stopfen wollte, zur Seite und drehte sich ganz zu Mason um. Mason hob eine Augenbraue und grinste noch breiter.
»Er wollte wissen, wann du deine nächste Heat hast.« Ian wurde augenblicklich rot, seine Ohren glühten förmlich.
»Er... er wollte was?«, stotterte er und wich Masons amüsiertem Blick aus. »Warum wollte er das wissen?« Mason lachte leise und warf ein weiteres Shirt auf den wachsenden Stapel auf dem Bett.
»Er meinte wohl, wenn du bald in die Heat kommst, wäre es ziemlich unpraktisch, dich und mich mitzunehmen. Weißt du, mitten in der Wildnis, auf der Suche nach Sam und Cameron...«, er schüttelte grinsend den Kopf. »Das wäre nicht ideal, um es mal so zu sagen.« Ian konnte nicht anders, als bei Masons Worten ebenfalls zu lächeln, auch wenn die Röte immer noch auf seinen Wangen brannte.
»Ja, das stimmt wohl«, gab er schließlich zu und ließ sich halb lachend auf die Bettkante sinken. »Wäre nicht die beste Idee, wenn das mitten in der Suche passiert.« Mason setzte sich neben ihn und schüttelte den Kopf.
»Nein wohl nicht. Aber ... bitte bring dich nicht unnötig in Gefahr, bleib bei mir, okay?« Ian lehnte sich leicht gegen Mason und seufzte. »Natürlich. Es fühlt sich so an, als würde alles zu schnell passieren.« Sein Gesicht wurde nachdenklich, und für einen Moment schien er in seinen Gedanken zu versinken. »Aber wenn wir von Heats sprechen...« Mason spürte, wie sich Ians Körper anspannte, und sah ihn neugierig an.
»Was ist?«, fragte er, als er die Veränderung in Ians Stimmung bemerkte. Ian hob den Kopf und sah ihn ernst an.
»Sam hat auch nicht mehr viel Zeit«, sagte er leise. »Er hat noch etwa drei Wochen, bis er wieder in die Heat kommt.« Mason runzelte die Stirn, als er die Tragweite dieser Information realisierte.
»Drei Wochen...«, wiederholte er nachdenklich. »Das ist nicht viel.« Ian nickte langsam, seine Augen zeigten die Sorge, die in ihm aufstieg.
»Und wenn Jay nicht bei ihm ist...«, er hielt inne, als die Bedeutung dieser Worte in der Luft hing. »Das könnte gefährlich für ihn werden.« Mason seufzte tief, legte eine Hand auf Ians Schulter und drückte sanft.
»Ja, das könnte es«, gab er zu, während seine Gedanken auf Sam und die bevorstehende Heat wanderten. »Ohne Jay in der Nähe wird es hart für ihn. Besonders jetzt, wo er schon so viel durchmacht.« Ian ließ den Kopf hängen und starrte auf den Boden.
»Es wäre ein Albtraum. Sam ist schon jetzt in Gefahr, aber wenn seine Heat einsetzt und er nicht bei Jay sein kann...«, er schüttelte den Kopf, als würde er den Gedanken verdrängen wollen. »Wir müssen ihn schnell finden. Sonst...« Mason zog ihn sanft zu sich und legte seinen Arm um Ians Schultern.
»Wir werden ihn finden. Wir haben die beste Spur, die wir bekommen konnten, und wir werden alles tun, um Sam rechtzeitig zurückzubringen.« Seine Stimme war fest und beruhigend, auch wenn die Sorge tief in seinen eigenen Gedanken wuchs. Die Vorstellung, Sam allein und schutzlos während seiner Heat zu wissen, war beängstigend. Ian lehnte sich in die Umarmung und seufzte erneut, seine Anspannung ein wenig nachlassend.
»Ich hoffe nur, wir kommen rechtzeitig«, flüsterte er. Mason drückte ihn sanft an sich.
»Wir werden ihn finden, und dann wird Jay an seiner Seite sein. Wir lassen ihn nicht im Stich.« Sie saßen eine Weile schweigend da, beide in ihre Gedanken vertieft. Mason blickte in Ians Augen, die im schummrigen Licht des Zimmers sanft funkelten. Die Spannung des Gesprächs löste sich langsam auf, und das vertraute Gefühl von Nähe zwischen ihnen trat in den Vordergrund. Ohne ein weiteres Wort lehnte sich Mason vor, und ihre Lippen trafen sich in einem sanften, aber intensiven Kuss. Ians Hände glitten über Masons Schultern, während er sich näher an ihn zog. Der Kuss vertiefte sich, und für einen Moment schien die Welt, um sie herum stillzustehen. Alles, was zählte, war die Verbindung zwischen ihnen. Masons Finger wanderten über Ians Rücken, spürten die Wärme seiner Haut durch den Stoff des Shirts. Ian atmete tief ein, während er sich an Mason lehnte, ihre Körper fest aneinander gedrückt. Für einen Moment schien die ganze Anspannung der letzten Tage von ihnen abzufallen. Die Berührungen waren sanft und zärtlich, voller Vertrautheit und Trost. Doch dann löste sich Mason leicht von Ian, seine Stirn ruhte sanft gegen die des anderen.
»Wir haben noch Zeit«, flüsterte Mason leise, und Ian nickte langsam, ein sanftes Lächeln auf den Lippen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro