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Verräterin

Regen kämpfte gegen die Blutssprenkel auf den Pflastersteinen und verwischte die letzten Spuren des Dorfvorstehers. Ich zog die Kapuze tiefer, verbarg mich vor den angewiderten Blicken meiner geschundenen Nachbarn. Dunkle Flecken zierten einige Gesichter und manche trugen Holzschienen für ihre gebrochene Gliedmaße.

Verräterin. Sie mussten es nicht aussprechen – ihre Gedanken verfolgten mich über die laubbedeckte Pflasterstraße.

Den Kopf gesenkt umklammerte ich das Lebensbaum-Amulett meiner Mutter. In der anderen Hand hielt ich einen abgenutzten Korb gefüllt mit saftigen Äpfeln. Eine Spitze von den abgebrochenen Weidenruten am Griff bohrte sich in meinen Zeigefinger. Dieses beharrliche Stechen lenkte mich von dem tobenden Herzen in meiner Brust ab, als ich vor dem Gasthaus ankam.

Ich schloss die Augen, reckte den Kopf in den wolkenverhangenen Himmel, der die Nachmittagssonne versteckte und ließ das Feuer in meinen Adern von dem Regen abkühlen.

Zögerlich ging ich hinein. Lautes Lachen und Wärme begrüßten mich. Die Männer saßen an einer langen Tafel, tranken Bier und aßen dampfenden Kürbiseintopf.

Pirmin, der Wirt, verzog bei meinem Anblick abschätzig den Mund. Humpelnd lief er mit einem Tablett voller Bierkrüge hinter dem Tresen hervor.

»Oben«, grummelte er.

Stumm nickte ich und huschte die Treppe hinauf. An der Tür zum größten Zimmer blieb ich stehen. Ich schlug die Kapuze meines Umhangs zurück, atmete tief durch und ging hinein.

Er saß auf einem verzierten Holzstuhl vor dem prasselnden Kamin und schliff sein Schwert. »Noch ein Holzscheit«, mit der Schwertspitze zeigte Er auf den Stapel neben ihm, »und ich hätte dich gesucht.« Sein schroffer Akzent ließ selbst nach den zwei Wochen, die Er nun mein Dorf tyrannisierte, sämtliche Haare an meinem hageren Körper aufrichten.

»Verzeih mir«, hauchte ich und knickste. In dem rotgetauchten Wald hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren.

Er starrte auf sein Schwert, ratsche mit dem Schleifstein über den Stahl. Die wölbende Narbe auf seiner linken Gesichtshälfte warf einen Schatten über sein freiliegendes braunes Auge. Das andere verdeckte strähniges schwarzes Haar.

Langsam erhob Er sich.

Die Dielen knarrten unter seinen kräftigen Schritten. Vor mir blieb Er stehen und seine breite Gestalt warf einen dunklen Schleier über mich. Ich schluckte schwer, senkte den Blick. Seine Pranke krallte sich in mein orangerotes Haar, zwang mich, ihn anzusehen.

»Versuchst du zu fliehen?« Er drückte die eisige Klinge an meine Kehle.

Mit diesem Schwert hatte Er den Kopf meines Vaters von seinen Schultern getrennt. Die Schreie meiner Mutter, kurz bevor sie ihm folgte, raubten mir jede Nacht den Schlaf. Wie eine unliebsame Melodie, die sich tief in meinen Geist fraß.

Ich hatte nicht geschrien. Ich hatte nicht geweint. Ich hatte nur dagestanden und die Gräueltaten beobachtet mit denen Er und seine Krieger mein Dorf eingenommen hatten.

Jetzt stand ich erneut bewegungslos da. »Niemals«, flüsterte ich.

Ein schmales Lächeln verformte sein wettergegerbtes Gesicht. Schweiß, Rauch und der Duft von altem Leder umschlossen mich wie ein Kokon, aus dem ich mich allein nie würde befreien können.

Deshalb lächelte ich bloß. Sanft strich Er mir über die Haare, als würde Er meine Katze streicheln, dessen Leichnam bei meiner Familie im Massengrab vor dem Dorf verrottete.

Meine flammenden Haare hatten mir das gleiche Schicksal erspart. In seiner Heimat hatte Er diese Farbe nie gesehen. Blutüberströmt war Er in dieser Gewitternacht auf mich zu marschiert, hatte mein Kinn gepackt und gesagt, ich wäre der Herbst in Fleisch und Blut. Wie eine der Göttinnen, die Er verehrte. Ab diesem Moment gehörte ich ihm. Und wie seine andere Beute plante Er, mich auf sein Schiff zu laden und nach Hause zu segeln.

»Ich habe meine Opfergabe für heute Abend gesammelt«, sagte ich.

Schnaubend hörte Er auf, durch mein Haar zu fahren, und trat zurück. Er sah an mir herab zum Korb und nahm einen Apfel heraus.

Tagelang hatte ich ihn angefleht, der dreifaltigen Göttin an der Tag- und Nachtgleiche unsere Gaben darbieten zu dürfen. Ohne Fest würde die Ernte schlecht und der Winter hart werden.

»Die brauchst du nicht.« Er drehte sich um und der knarrende Dielenboden untermalte abermals seine Schritte.

»Dann erhalte ich ihren Segen nicht.«

»Überlass sie deinem Volk. Sie haben ihn nötiger. In meinem Land wirst du neue Götter haben.« Er ließ sich wieder auf dem Stuhl nieder und schnitt sich mit seinem Schwert eine Apfelscheibe ab. »Bessere Segen.«

Meine Augen brannten und ich sah auf meine schmutzigen Stiefel. Ich stach die abgebrochene Weidenrute am Korb tief in meine Hand, bis etwas Warmes meine Fingerspitze hinunter tropfte.

»Natürlich«, wisperte ich. Meine Antwort wurde fast vom knackenden Feuer verschlungen.

Hastig verließ ich das Zimmer, drückte mich an die geschlossene Tür. Meine Glieder zitterten und ich konnte kaum atmen.

Noch eine Nacht, noch eine Nacht, noch eine Nacht, erinnerte ich mich wieder und wieder. Noch eine Nacht.

Ich presste die Lippen fest zusammen, stieß mich von der Tür und ging zu meinem Raum.

Eileen, Pirmins Tochter und meine Freundin, bevor ich überhaupt denken konnte, hockte auf einem Schemel in der Ecke. Er hatte sie zu meiner Dienerin ernannt. Vor zwei Wochen waren wir auf der Suche nach Kastanien durch den Wald gewandelt. Ihr melodisches Lachen war durch das gesamte Tal geklungen. An das Geräusch konnte ich mich nicht mehr erinnern. Nur an ihr Wimmern und die leblosen blauen Augen, mit denen sie mich gerade anschaute.

Zaghaft lächelte ich sie an.

Wortlos stand sie auf, lief an dem Bett vorbei in den angrenzenden Waschraum. Ich stellte den Korb auf die Kommode, befreite mich von meinem Umhang und schlüpfte aus dem Leinenkleid.

Nebenan hatte Eileen mir ein Bad zubereitet. Der Duft von Lavendel empfing mich, als ich in das heiße Wasser eintauchte. Sie schruppte mich mit einer Bürste, als wäre ich ein kostbarer Edelstein, der heute Abend besonders glänzen musste. Am Ende nahm meine Haut fast dieselbe rötliche Farbe an wie mein Haar.

Leise seufzend stieg ich aus dem mittlerweile kalten Badewasser. Eileen trocknete mich ab, half mir in das grüne Leinenkleid, das Er ausgesucht hatte. Schließlich war ich sein Werk – sein Eigentum.

Ich setzte sich mich an den Frisiertisch und Eileen flocht meine Haare zu einer Krone, in die sie zwei kleine Dahlien arbeitete. Im Spiegel erkannte ich die ungeweinten Tränen in ihren Augen, die auch in meinen auf den richtigen Moment warteten. Erneut griff meine Hand wie von selbst zum Amulett meiner Mutter.

Noch eine Nacht.

                                                                                  ***

Am Fuß der Treppe wartete Er auf mich. Ich atmete tief ein, versuchte, ein ehrliches Lächeln auf meine Lippen zu bringen, doch es schmeckte bitter. Langsam schritt ich die Treppenstufen hinunter. Sein Blick klebte auf mir, ließ einen Schauer meinen Rücken entlang schießen.

»Schön«, sagte Er. »Sehr schön.«

Unten angelangt hakte ich mich bei ihm ein. Er drückte mich an seine Seite, war unbewegt und hart wie ein Baumstamm, auf dem ich über einen reißenden Fluss balancierte. Ein falscher Schritt und ich würde für immer fortgespült werden, bis ich vollständig in der Dunkelheit verschwand.

Er führte mich durch die Tür und mir schlug die kalte Herbstluft entgegen. Der Regen war durch den rötlichen Schein der untergehenden Sonne ersetzt worden. Ein orangenes Blatt segelte durch die Luft und landete vor seinen Füßen. Er zermatschte es mit seinen riesigen Stiefeln und zerrte mich über die Pflasterstraße zum Marktplatz.

Das Feuer brannte bereits. Kürbisse, Äpfel und ein gehäutetes Lamm lagen als Opfergabe auf einem Altar davor. Mein Korb fehlte, er lag unberührt in meinem Zimmer im Gasthaus. Ich unterdrückte ein Seufzen.

Wimpel hingen zwischen den Häuserdächern, Laternen standen auf dem Boden und der Tafel mit dem Festmahl. Musiker spielten bei dem Brunnen. Letztes Jahr hatten meine Nachbarn getanzt, gelacht und mitgesungen. Den Herbst und die Veränderung, die er mit sich brachte gefeiert. Doch heute war jeder Ton aus der Laute eine Melodie der Angst, die die Menschen umklammert hielt. Stoisch starrten sie aufs knackende Feuer und warteten auf die erste Opfergabe.

Verschreckt sahen sie zu Boden, als wir an ihnen vorbeikamen, aber ein paar wagten es, über mich zu tuscheln. Ich war das Mädchen, das aufgab, das sich bei dem Feind einschmeichelte, und nun lebte wie eine Fürstin. Ich war die Verräterin.

Und sie hatten recht.

Seine Krieger nickten ihm zu, als wir sie erreichten. Sie tranken bereites wieder reichlich Bier und der Gestank brannte mir in der Nase. Immerhin zeigten sie der dreifaltigen Göttin ein wenig Respekt. Sie trugen eine frische Lederkluft und ihre dunklen Haare in einem ordentlichen Zopf.

»Fangt an«, befahl Er und wedelte mit der Hand, als würde er Kindern die Erlaubnis zum Spielen geben.

Der Dorfälteste trat auf einen Stock gestützt ans Feuer. »Dreifaltige Göttin«, sagte er mit krächzender Stimme, »nimm unsere Opfer an. Schenke uns deinen Segen, für eine reiche Ernte und einen milden Winter.«

Er warf Salbei und das Lamm in die Flammen. Es zischte und der Duft nach Kräutern und gebratenem Fleisch zog über den Platz.

Eine Schlange bildete sich, jeder wollte die Göttin um ihren Segen bitten. Nach und nach warfen sie ihre Opfergaben ins Feuer. Außer ich – ich gehorchte ihm. Aber ein Apfel, Kräuter oder sogar das Lamm reichte ohnehin nicht, um zu bekommen, was wir uns wirklich wünschten.

Abseits lehnte ich an einer Hauswand und beobachtete ihn. Er trank einen großen Krug Bier, scherzte mit seinen Kriegern in ihrer seltsamen Sprache. Sie waren vom Festmahl betrunken und vollgefressen – abgelenkt und Träge.

Niemand achtete auf mich.

Vorsichtig presste ich mich gegen die Fassade, huschte in die Gasse und verbarg mich im Schatten. Mein Atem rasselte und Schweiß bildete sich auf meinen Handflächen.

Niemand rief mich.

An der nächsten Ecke hielt ich an und lauschte. Musik, leises Gelächter und Einer forderte mehr Bier.

Niemand verfolgte mich.

Ich rannte los, bis meine Lunge brannte, bis ich Blut schmeckte, bis ich endlich den Trampelpfad erreicht, der tief in den Wald führte. Dank der dreifaltigen Göttin waren die dunklen Wolken fort und die Sterne sowie der Vollmond spendeten mir in der Dunkelheit Licht. Das Laub raschelte unter meinen Stiefeln, verfingen sich mit dem Matsch in meinem grünen Kleid.

Den Weg kannte ich auswendig, war ihn schon Hundertmale mit Eileen gelaufen. Deshalb kam ich bei der alten Eiche an, bevor der Mond seinen Zenit erreichte.

Eilig verschüttete ich den Schnaps über dem Holz, das ich den gesamten Vormittag gestapelt hatte, und entzündete es mit meinen Feuersteinen. Es dauerte etwas, aber letztendlich trieben sich die Flammen zusammen mit dem Rauch nach oben.

Mein eigenes Opferfeuer.

Die Hitze erwärmte meinen betäubten Körper und erfüllte mich mit neuem Leben.

»Dreifaltige Göttin, nimm mein Opfer an«, flüsterte ich und löste die Kette um meinen Hals. An keinem anderen Zeitpunkt war sie uns näher, liebte uns mehr. Heute war die Zeit, in der sich Tag und Nacht verbanden, um den Herbst einzuläuten und die Welt zu erneuern. Und hoffentlich auch mich. »Schenk mir die Macht, unsere Feinde zu vertreiben, ihn zu vertreiben.« Ich presste das Amulett fest an mein Herz – ein stummer Abschied von meiner Mutter.

Hinter den Bäumen raschelte es und große Gestalten mit Fackeln erschienen aus dem Gebüsch. Er, mit drei bewaffneten Kriegern.

»Versuchst du zu fliehen?«, knurrte Er.

Ich lächelte. »Niemals.« Dann warf ich das Lebensbaum-Amulett in die Flammen.

Das Feuer bog sich mir entgegen, umschloss mich, wie die liebevolle Umarmung einer Mutter. Sie brannte sich durch das Kleid in meine Haut, befreite die Macht, die im Blut meiner Familie ruhte.

Meine Stärke. Meine Magie. Meine Freiheit.

Sein grünes Kleid vertrocknete an meinem Leib, verwandelte sich wie ein Schmetterling, der aus seinem Kokon ausbrach in ein leuchtendes Orange. Flammen tanzten an meinen Armen, verwebten sich mit meinem Haar zu einer Krone.

Aus mir wurde die Herbstgöttin, die er in mir sah – Herrin der Erneuerung und des Feuers.

Ich hob den Kopf in die Höhe und streckte die Arme dem Vollmond entgegen. »Du solltest fliehen.«

Er wich zurück.

Ich war eine Verräterin und er war mein Opfer. Flammen erhoben sich neben ihm, drängten ihn fort, verbannten ihn von meinem Land.

Seine Schreie, als er mit den Kriegern zu seinem Schiff rannte und davon segelte, würden mich für immer sanft in den Schlaf wiegen.

***

Anmerkung: Das Er ist absichtlich großgeschrieben, bzw. am Ende extra wieder normal. Es ist ein Stilmittel für die unmenschlich gewaltige Bedrohung, die er darstellt und gegen die sie sich (noch) nicht wehren kann. Als sie zum Schluss die Stärke beschworen hat, wurde er wieder zu einem einfachen Menschen.

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