▫️Umzug▫️
"Tschüss Oma!", "Bye Sam!", "Bis bald, Opa!"
Die Abschiedsgrüße dringen zu mir nach oben. Ich sitze ein letztes Mal auf meinem alten, gemütlichen Bett, starre an die weiß gestrichene Wand und versuche, nicht an die kommende Zeit zu denken.
Alles wird neu für mich sein.
"Jenny, wo bleibst du denn? Dein Vater sitzt schon im Auto. Du weißt doch, wie schnell er manchmal wütend wird. Komm jetzt endlich!"
Meine Mutter.
"Ja Mom, ich komm ja gleich!", rufe ich zurück.
Mom freut sich schon so auf unser neues Haus. Genau wie Dad. Und natürlich meine kleine Schwester Lucy. Sie ist sechs Jahre alt und kommt in die erste Klasse. Mom hat ihr versprochen, dass wir in dem neuen Haus eine Katze bekommen, seitdem hört Lucy gar nicht mehr auf, sich Namen für sie auszudenken. Zur Zeit sind ihre Favoriten Ria und Paulchen, gestern waren es noch Tina und Hansi und vorgestern Resi und Gustav. Man kann davon ausgehen, dass sie jeden Tag andere Namen lieber mag. Hätte ich ihre Vorschläge für Katzennamen mitgeschrieben, hätte ich sicherlich schon ein Buch voll.
Das Haus, in dem wir bisher gewohnt haben, gehört eigentlich Oma und Opa. Genauer gesagt, den Eltern meiner Mutter, die Eltern meines Vaters sind schon vor einiger Zeit gestorben.
Sie haben sich das Haus gekauft, als sie noch jung und gerade frisch verheiratet waren. Beide sind immer noch ganz stolz auf ihr Heim und im ganzen Haus hängen Familienfotos. Wenn man sie danach fragt, können Oma und Opa zu jedem eine eigene Geschichte erzählen. Die meisten Fotos sind noch in schwarz-weiß, einige zeigen Oma und Opa als Brautpaar, auf einem anderen ist zum Beispiel Oma an ihrem ersten Schultag abgebildet, mit einem stolzen Grinsen im Gesicht und einer Schultüte in der Hand.
Früher habe ich es geliebt, mir von ihnen die Geschichten zu den Bildern erzählen zu lassen, oder auch sonst Dinge aus ihrem früheren Leben zu erfahren.
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie die Welt einmal ausgesehen hat, als es noch keine Fernseher und andere elektronische Geräte gab, und die meisten Menschen ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft verdienten. Dass fast jeder noch Kühe und Schweine bei sich zu Hause hielt, kam mir unvorstellbar vor. Irgendwann, als ich fünf oder sechs Jahre alt war, machten meine Eltern mit mir Urlaub auf einem Bauernhof. Ich war ganz begeistert davon, und als mir dann Oma und Opa erzählten, dass früher viele Leute praktisch ihren eigenen kleinen Bauernhof bei sich vor der Tür hatten, habe ich sie enttäuscht gefragt, warum das jetzt nicht mehr so sei.
Ich glaube, sie haben geantwortet, dass das in jener Zeit auch nicht so einfach gewesen sei, durch die technischen Erneuerungen gehe heute einiges viel schneller als damals. Opa hat gemeint, die Zeiten würden sich eben ändern und man müsse sich der jetzigen Zeit anpassen. So sei es früher, als er noch klein gewesen war, völlig normal gewesen, dass jeder im Stall neben dem Haus seine eigenen Tiere halte und ab und zu mal eines von ihnen schlachte oder sich auch sonst selbst versorge. Heute hingegen, sagte er, hole jeder sich das, was er brauche, aus dem Supermarkt drei Straßen weiter.
Mittlerweile denke ich, dass zwar alles fortschrittlicher, moderner und schneller geworden ist, man sich aber zum Beispiel bei den Lebensmitteln aus dem Supermarkt nicht mehr sicher sein kann, wo diese überhaupt herkommen. Zur damaligen Zeit hingegen konnte man genau sagen:
"Das Ei hat die Henne Hanne gelegt, diese Flasche Milch stammt von der Kuh Lieselotte und der Schweinebraten da auf dem Tisch, das war einmal der Hubert."
Damals wusste man, wo die Lebensmittel herkommen, es gab keine großen Discounter, und jeder wusste, ob die Tiere artgerecht gehalten wurden.
Meine Großeltern erzählten auch viel von der Zeit, als meine Mutter und ihre vier Geschwister noch klein waren, auch davon existieren noch Fotos, die man im Haus bewundern kann.
"Jenny, wenn du jetzt nicht gleich kommst, fahren wir ohne dich los!"
"Schön wär's", murmele ich vor mich hin.
Mir gefällt unser altes Heim. Es ist größtenteils aus Holz und die meisten Möbel sind schon ziemlich alt, ein weiterer Grund, warum ich unser Haus so gemütlich finde. Wir haben hier zwar manchmal ein paar Platzprobleme, aber im Großen und Ganzen finde ich, dass die alten, sperrigen Möbel zu dem Gebäude passen.
Aber vor allem finde ich es toll bei Oma und Opa zu wohnen.
Ihr Dackel Sam ist so fett und faul, dass er sich gerade einmal zum Fressen und Trinken erhebt, und beim Gassi gehen darf man ihn auch eher tragen, als dass er selbst läuft.
Sie haben sich einen Hund gekauft, weil sie der Meinung waren, dass sie jetzt, wo fast alle ihre Kinder ausgezogen waren, gar nichts mehr zu tun hätten und sich nun um jemand anderen kümmern wollten.
Im Stillen denke ich ja immer, dass meine Großeltern Mom und ihre Geschwister wohl nicht so sehr gefüttert haben wie den Dackel, sonst wäre Mom wohl ein bisschen dicker und nicht so eine schlanke Frau.
Aber wenn ich jetzt noch länger in Gedanken verloren hier sitze und vor mich hin träume, wird Dad echt sauer. Saurer als er ohnehin schon ist.
"Ich komme!"
Mit einem Satz springe ich vom Bett, streiche ein letztes Mal die Decke glatt und renne schnell die Stufen zum Wohnzimmer hinunter, drücke Oma und Opa zum Abschied und wuschele Sam durchs Fell. Vermutlich werde ich sie erst nächste Ferien wieder sehen.
Dad drückt ein paarmal auf die Hupe.
Ich renne über das Pflaster vor dem Haus und winke Herrn Groß, einem alten Nachbar von uns zu, der draußen in seinem kleinen Vorgarten steht und die Blumen gießt.
Im Auto kreischt mir meine Schwester ins Ohr: "Da bist du ja endlich! Mama hat mir versprochen, dass wir am zweiten Schultag die Katze kaufen gehen! Wie findest du den Namen Tinka?"
Aber ehe ich antworten kann, beginnt sie mir zu erzählen, was man alles beachten muss, wenn man so einen Stubentiger kauft. Ich ignoriere sie und gebe mich meinen Gedanken hin.
Die Schule fängt in einer Woche an, genug Zeit, um die nötigen Schulsachen zu kaufen, meint Mom.
Wenn es nach mir ginge, könnten wir gerne noch eine Woche länger bei unseren Großeltern bleiben, aber mich fragt ja keiner. Wie es wohl werden wird?
An meiner alten Schule bin ich eine von vielen gewesen, habe mich mit den meisten recht gut verstanden, hatte aber nie eine beste Freundin oder jemanden, den ich als unersetzlich bezeichnen würde.
Vielleicht finde ich ja an der neuen Schule endlich jemanden, mit dem ich mich super verstehe...
Ich liebe meine Großeltern. Sie waren schon immer eher wie gute Freunde für mich als alte, gebrechliche Personen. Ich konnte ihnen alles erzählen und sie trösteten mich, wenn mich etwas bedrückte. Trotz meiner 16 Jahre hielt ich mich die meiste Zeit des Tages bei ihnen auf, wenn ich nicht in der Schule war.
Meine Oma war sogar so mutig, mit mir zum Fallschirmspringen zu gehen.
Zu meinem 14. Geburtstag hatte ich zwei Gutscheine zum Fallschirmspringen bekommen, hatte jedoch keine Ahnung, wer mit mir springen könnte. Meine Mom wollte nicht, sie meinte, davon werde ihr schlecht. Dad hatte auch keine Lust. Lucy war zu klein. Von den Freundinnen, die ich hatte wollte ich keine mitnehmen, denn ich wusste, dass, wenn ich mich für eine entschied, alle anderen beleidigt wären und ich höchstwahrscheinlich eine Woche lang ignoriert werden würde.
Als ich meine Mutter schließlich ratlos fragte, wer denn mit mir Fallschirmspringen gehen könne, erinnerte sie mich daran, dass Oma neue Herausforderungen schon immer geliebt hat.
Obwohl ich einige Zweifel daran hatte, dass meine Großmutter mit mir etwas Derartiges unternehmen wollen würde, wusste ich doch über so manche Dinge Bescheid, die sie in ihrer Jugend gemacht hatte. Deshalb ging ich zu ihr, und sie war, genau wie meine Mutter vermutet hatte, begeistert von dem Vorschlag.
Sie ist nicht so wie die Omas meiner Freundinnen, und immer, wenn ich alte Damen sehe, die sich gemächlich in ihren Liegestühlen sonnen oder sich anderweitig langweilen, bin ich wahnsinnig froh, dass meine Großmutter anders ist. Sie zeigt dem langweiligen Rentnerleben den Mittelfinger und lebt einfach so weiter, als wäre sie noch zwanzig Jahre jung. Und darauf bin ich stolz.
Jetzt, wo wir umziehen, muss ich sowohl Opa als auch Oma zurücklassen. Ich frage mich, womit ich mich denn dann den lieben langen Tag beschäftigen soll.
Die Zukunft kommt mir ziemlich fad vor.
~🗝️~
Nach eineinhalb Stunden Fahrt halten wir an einer Raststätte mit Tankstelle.
Meine kleine Schwester nervt schon seit einer halben Stunde, dass sie mal muss, aber bis jetzt hatten wir noch keine Raststätte gefunden.
Ich gehe auch aufs Klo, weil ich nicht will, dass wir wegen mir nach zehn Minuten schon wieder irgendwo eine Toilette suchen müssen. Aber als ich die Klos der Autobahnraststätte sehe, wünsche ich mir, ich hätte doch behauptet, dass ich noch nicht auf Toilette muss.
Die Klos sind eklig, es stinkt extrem und der Boden der Toiletten ist mit Klopapier und Sonstigem bedeckt, von dem ich gar nicht so genau wissen will, was das ist.
Als ich endlich wieder draußen im Freien bin, bemerke ich, dass es hier auch nicht viel besser aussieht. Überall liegen leere Bierdosen, Plastiktüten und anderer Müll herum.
Warum können die Leute nicht einfach den Mülleimer fünf Schritte entfernt benutzen?
Aber nein, das wäre zu weit.
Man sitzt nur schon stundenlang im Auto, wenn man an so einer Raststätte hält, und dann täte es dem Körper natürlich auch überhaupt nicht gut, wenn man sich ein wenig bewegen würde.
Ich schüttle den Kopf über das nicht vorhandene Umweltbewusstsein der Menschen heutzutage und sehe mich nach meiner Familie um.
Dad tankt das Auto bereits für den Rest der Fahrt und Mom ist zusammen mit Lucy dabei, Croissants und Apfelschorle für uns alle zu kaufen.
Als ich mich zu ihnen geselle, stehen die beiden gerade vor einem riesigen Regal mit Naschzeug. Wir entscheiden uns für ein paar Tüten Gummibärchen und Lucy schafft es, noch eine Tafel Schokolade herauszuhandeln.
Nachdem wir also Rast gemacht haben, setzt sich mein Vater wieder hinters Steuer und wir fahren weiter. Ich höre über Kopfhörer Musik auf meinem Handy, schaue aus dem Fenster und sehe die Landschaft an mir vorbeiziehen. Ich erblicke Pferde, Kühe und sogar eine Schafherde mit Hirte und Schäferhund. Kleine Wäldchen gehen über in Wiesen und größere Wälder...
~🗝️~
Ich schrecke davon hoch, dass Mom "Wir sind da!" ruft.
Müde reibe ich mir die Augen. Anscheinend bin ich eingeschlafen.
Unter den lauten Jubelrufen von Lucy steige ich aus dem Auto, während sie schon mal vor zur Haustür rennt.
Das neue Haus ist anders. Viel größer als unser altes. Aber es hat keinen Garten, noch nicht einmal einen kleinen. Der pflanzenliebende Teil in mir schüttelt traurig den Kopf, bevor er sich in eine Kiste mit Erinnerungen an den Garten von meinen Großeltern zurückzieht.
Das Haus gehört uns allein.
In dem alten dagegen haben wir im Obergeschoss gewohnt, Opa, Oma und Sam im Untergeschoss. Ich werde mich erst einmal an den Platz gewöhnen müssen, vor allem aber unterscheidet sich die Umgebung. Omas und Opas Haus liegt in einem Dorf, unser neues befindet sich hingegen in der Großstadt. Überall dieser Lärm! Mir brummt jetzt schon der Schädel.
Aber daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen...
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Heyy😊
Ich freu mich euch bei meiner Geschichte begrüßen zu können:)
Ich wünsche euch viel Spaß beim weiteren Lesen und hoffe, dass es mir gelingt, euch in die Welt von Veron hineinzuziehen.
Falls ihr irgendwelche Kritik oder Anmerkungen habt (Lob natürlich auch:D) - immer her damit.
Damit würdet ihr mich sehr glücklich machen.
Ich habe diese Geschichte schon vor einer ganzen Weile geschrieben und will ihr endlich wieder näher kommen und sie gerne an einigen Stellen (welche ich auch mit eurer Hilfe finden will) überarbeiten.
Ein letztes noch, ich hatte die Idee, von der ich bei zwei meiner anderen Bücher bereits total begeistert war, weil sie so gut angenommen wurde, dass ihr Bilder zu der Geschichte erstellen könnt.
Wenn euch irgendetwas sehr gefällt und inspiriert, ich freu mich, wenn ihr ein Bild erstellt, ich würde es dann an eurem Wunschkapitel und natürlich unter Nennung eurer Namen einfügen.
Ich finde das immer mega schön und würde mich freuen☺️
Bis bald, bleibt gesund und viel Spaß mit Jenny, Lucy, ihren verrückten Katzennamen, und wer sonst noch so alles im Laufe der Geschichte dazukommen mag😉
Elvy
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