Diener, Patientin, Ausbildung - 3
„Ich sehe Sie sind wieder voll ansprechfähig, Kate?", fragte der Doktor mit einer aufmerksamen Stimme, während er die Stirn in Falten legte und halb genervt auf sein Klemmbrett starrte.
„Ja", erwiderte ich einfach und blitzte dabei wütend Damian an, der nur freundlich zurück lächelte. Er tat scheinheilig, so als wisse er ganz sicher nichts von irgendeinem Betäubungsmittel und einer Entführung.
„Wir haben sie vollständig untersucht. Es lagen bis auf die Kurzsichtigkeit, die wir beheben konnten, keinerlei Krankheiten vor, auch wenn ihr körperlicher Zustand mehr als fraglich war."
Sie hatten was!? Eine Augenoperation!? Wie lange zum Kuckuck hatte ich geschlafen?! Brauchte man dafür normalerweise nicht meine Einwilligung? Was war hier bitte los!? Ich blinzelte. Tatsächlich mir war es gar nicht aufgefallen, doch ich konnte gestochen scharf sehen und ich hatte nicht meine Brille auf.
„Kate? Hören Sie mir überhaupt noch zu? Könnten Sie mir bitte die Frage beantworten?"
„Ähm..."
Der Arzt seufzte genervt. „Wann haben Sie das letzte Mal Sport getrieben?"
Ich hustete verlegen. Das wäre dann wohl die letzte Sportstunde in der Schule gewesen. Was hatten wir noch mal gemacht? War das nicht dieses Basketballspiel gewesen, bei dem wir um ein Preiseis gespielt hatten? Hatte ich mich damals nicht unter dem Ball hinweggeduckt? Und hatte dieser Ball dann nicht unbedingt gegen eine Mitschülerin hinter mir fliegen müssen, nur um diese am Kopf zu treffen? Was war das Ergebnis gleich gewesen? Gehirnerschütterung?
Der Arzt wartet immer noch auf eine Antwort, doch Damian lachte amüsiert auf. Anscheinend konnte er Gedankenlesen oder wahrscheinlich hatte ich bei der grauenvollen Erinnerung so angewidert das Gesicht verzogen, dass ich einfach nur urkomisch ausgesehen hatte.
„Wann wäre das gewesen?", fragte der Arzt mich erneut nach. Langsam war er wohl wirklich ungeduldig.
„Keine Ahnung?", antwortete ich halbherzig, wobei der Satz eher wie eine Frage klang.
Der Doktor seufzte und fragte genauer nach: „Treiben Sie jeden Tag, jeden zweiten oder ein bis zweimal in der Woche Sport?"
„Einmal im Jahr?", schlug ich vor, dann fiel mir mein häufiges Rennen zu meinem Job ein. Okay, es war vielleicht nicht ganz ein halber Kilometer, aber es war immerhin Sport und ich kam mindestens dreimal im Monat in die Situation rennen zu müssen, also verkündete ich stolz: „Dreimal im Monat!"
Der Arzt schaute mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und seufzte: „Das hat man an Ihrer Muskelausbildung erkannt.", dann wandte er sich an Damian: „Ihnen ist bewusst, dass dies die Überlebenschancen beträchtlich sinken lässt? Wenn ich mir den Vorschlag erlauben darf, wäre nicht ein einfacheres Modul für den Anfang geeigneter?"
„Überlebenschancen?", fragte ich mit piepsiger Stimme nach. Das klang ja gar nicht gut.
Doch Damian meinte so lässig, als wäre es ihm diese Sache bereits bekannt wie eins und eins zwei ergibt: „Ich habe vollstes Vertrauen in Kate."
Ich schluckte.
„Wir haben zwar Ihre Muskeln, während des Aufenthalts durch Elektrostimulation gestärkt, doch führt dies nicht zu einer guten Koordination oder Ausdauer. Beides wird in den nächsten Monaten sehr wichtig sein. Die Ausbildung dauert mit einem zusätzlichen einfacheren Modul zwar doppelt so lang, doch es würde ihre Chancen beträchtlich erhöhen."
„Monate?", keuchte ich auf und der Arzt starrte mich mit einem verächtlichen Blick an.
„Was haben Sie erwartet? Ein paar Tage? Wir brauchen Eliten, keine Anfänger. Sie können froh sein, wenn sie das Modul in den nächsten zwei Jahren schaffen. Ich glaube nicht einmal, dass sie die Eignungstests sofort bestehen."
Mein Blick wurde eisig. Jane brauchte mich. Ich durfte auf keinen Fall noch mehr Zeit verlieren. Ich würde das schaffen, was auch immer auf mich zukam. Nicht für mich, sondern für Jane.
Damian sah meinen entschlossenen Blick und grinste noch breiter. „Keine Sorge. Sie hat genug Motivation um die Sache zu überleben."
„Wenn Motivation alleine genügen täte, hätten wir nicht jedes Jahr mehrere Tote", erwiderte der Arzt mit gelassener Stimme, so als wäre es ihm vollkommen egal, dass ich die nächste in dieser Reihe von Toten sein könnte. Ich biss mir auf die Unterlippe. War ich für diesen Doktor nichts weiter als Ware? Und scheinbar nicht einmal gerade Teure, denn er behandelte mich, als wäre ich jederzeit ersetzbar.
„Keine Sorge. Ich wähle meine Leute mit Bedacht", versprach Damian gelassen und setzte einen ernsten, durchdringlichen Blick auf, der genau zu verstehen gab, wer hier das Geld bezahlte.
„Natürlich. Ich würde niemals Eure Meinung in Frage stellen", heuchelte der Mann mit der Elvis Frisur, der mir mit jedem Moment weniger wie ein normaler Arzt vorkam.
„Gut." Damian wandte sich mir zu. In seinem Blick lag eisige Entschlossenheit. „Morgen beginnt dein Training. Deine Nummer ist die 84. Es gibt insgesamt zweihundert Teilnehmer. Hundert kommen in das Trainingslager. Da ich dich ausgewählt habe, wirst du automatisch übernommen. Natürlich vorausgesetzt, dass du überlebst oder dich nicht schwer verletzt, sonst folgt zuerst ein Krankenhausaufenthalt oder die Leichenhalle. Das Programm kannst du nicht abbrechen. Solltest du versuchen zu fliehen, droht dir der Tod. Wirst du verletzt oder krank, wird dich Dr. Alexej medizinisch versorgen. Bei einer schweren Verletzung wirst du in dieses Zimmer verlegt. Sehe es als dein persönliches Krankenzimmer an."
Ich schluckte und sah noch einmal zum Fenster mit den dicken Gitterstäben. Einer Flucht wurde selbst bei schweren Verletzungen vorgebeugt. Was war das überhaupt für eine Ausbildung, bei der es sogar Tote gab?! Doch ich schluckte meine Fragen mit Mühe hinunter. Ich musste Jane helfen! Ihr Gesicht war so verzweifelt und traurig gewesen. Ihre Lippen hatten gebebt. Dann sah ich wieder die zwei Männer lachend und jederzeit gewaltbereit bei ihr stehend. Ich biss meine Zähne zusammen. Ich würde das schaffen! „Ich verstehe", antwortete ich knapp und entschlossen.
Um die Mundwinkel von Damian tanzte ein zufriedenes Lächeln. Er wollte sich bereits abwenden, da drehte er sich noch einmal um und erklärte mit einem wölfischen Grinsen: „Übrigens nach dem ersten Tag bist du nicht mehr Nummer 84. Such dir einen passenden Spitznamen dafür aus. Wähle ihn am besten Weise, denn du wirst ihn nie wieder ablegen können. Wenn du die Ausbildung schaffst, darfst du dir einen Vornamen aussuchen. Dein voller Name wird aus Vorname, Spitznamen und deinem Rang bestehen, natürlich nur wenn du überlebst. Nimm für den Namen also am besten irgendeine Eigenschaft, ein Tier oder ein Gegenstand, der dein Wesen verdeutlicht." Nach diesen Worten drehte er sich um. Der Arzt hielt ihm die Türe auf, doch Damian zeigte mit einer kleinen Handbewegung, dass Mr. Elvis alias Alexej zuerst durchgehen sollte. Dieser beeilte sich so schnell es ging aus dem Zimmer zu verschwinden. Damian folgte ihm ruhig und elegant. Die Tür war bereits beinahe hinter den beiden ins Schloss gefallen, als sie gestoppt wurde und Damian mit einer überheblichen Stimme noch einmal in das Zimmer befahl: „Kate, ich verlasse mich darauf, dass du mich nicht mit den Namen blamierst, den du dir geben wirst. Versuch aber auch nicht maßlos zu übertreiben, sonst denken die anderen Auszubildenden du wärst unglaublich gut, das könnte sie anstacheln, besonders wenn sie merken, dass du gar nicht so gut bist."
Endlich fiel die Tür mit einem leisen Klicken ins Schloss und man ließ mich mit meinen Gedanken alleine.
Aus den Chroniken der Tagwandler - Ein Bericht eines späteren Ratsmitglieds:
Die Tests verlaufen nicht wie geplant. Viele Testobjekte sterben trotz guter Ernährung. Dies liegt vor allem an dem Stress und der stetigen Angst vor dem nächsten Trinken, die sie als Blutspender ertragen müssen. Eine etwaige Verbesserung der Unterbringung wäre ein möglicher Lösungsansatz, denn zur Zeit werden die Testobjekte im Kerker gefangen gehalten, da man sie dort nicht den ganzen Tag und die gesamte Nacht über bewachen muss. Wir werden versuchen den nächsten Testobjekten einen größeren Freilauf und mehrere Stunden unter freien Himmel in der Nacht zu ermöglichen, wenn sie schwören aufs Wort zu gehorchen. Vielleicht wird es uns so möglich, das Sterben der Testobjekte aufzuhalten.
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