3.
Und hier sitzt sie. Strahlender denn je. Ihre hellen Haarspitzen sind so intensiv von der Sonne geküsst worden, dass sie an den Enden schon ziemlich ausgeblichen sind. Mich hat schon immer fasziniert, dass ihr Haar von Natur aus so viele Farbnuancen hat.
Sie sind nicht einfach nur blond. Zwischendrin gibt es auch mal Strähnen, welche etwas dunkler ausfallen und andere wieder so hell, dass sie beinahe schon weißblond wirken.
Selbst ihre Haare erzählen davon, dass sie an ziemlich vielen Orten gewesen ist und entsprechen ihrer Persönlichkeit, sehr vielseitig zu leben. Genau wie ihre Augen, welche sich ebenfalls nicht für eine Farbe entscheiden konnten.
Stattdessen leuchten sie in einer wunderschönen Mischung aus grün-braun, sodass sie mich immer an zwei funkelnde Opale erinnern.
Sie wieder in unserer Runde dabei zu haben, ist ein so erleichterndes Gefühl. Es ist seltsam, wenn sie nicht da ist. Zwar bleibt die Freundschaft mit Lil und Fabio auch ohne ihre Anwesenheit bestehen und wir unternehmen tolle Dinge zusammen, aber es fühlt sich eben erst vollständig an, wenn sie dabei ist. Allerdings vermute ich, das ist ihr noch nicht einmal so wirklich bewusst.
Ihr warmes Lachen dringt in meine Ohren. Ein Geräusch, welches ich genauso vermisst habe, wie den Zustand sie bei mir zu haben... äh, ich meine natürlich bei uns!
Ich nehme einen Happs von meinem Teller, um etwas zu tun zu haben und zwinge mich meinen Blick von ihr ab auf die anderen zu richten. Wieso weiß ich noch nicht einmal so genau. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass, umso länger ich Yla ansehe, es mir immer schwerer fällt, meinen Blick wieder von ihr zu lösen.
Warum? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Nur, dass ich sie so unfassbar vermisst habe und es immer noch nicht so ganz glauben kann, dass sie jetzt wirklich wieder da ist. Vielleicht ist ja auch das der Grund?
Dass ich mich einfach immer wieder davon überzeugen will, dass sie auch nicht im nächsten Moment doch wieder verschwunden ist, wenn ich mich erneut zu ihr umdrehe.
Schnell landen meine Augen wieder auf ihr. Da ist sie!
Ich hoffe, sie bleibt diesmal wirklich länger als das letzte Mal. Wir kennen uns jetzt schon, seitdem wir Kinder sind und ich weiß genau, dass sie jemand ist, welcher zwar gut alleine zurechtkommt, aber es ihr genauso guttut, wenn sie sich mal irgendwo fallenlassen und auftanken kann.
Ehrlich gesagt mache ich mir im Moment auch ein ganz kleines bisschen Sorgen um sie. In ihrem Blick liegt etwas... haltloses... vielleicht auch rastlos? Als ob sie vor etwas davonläuft.
Aber ob sie das selber überhaupt bemerkt?
Mir scheint, als wäre sie mit ihren Füßen immer noch nicht so ganz auf dem Boden angekommen und könnte von daher gleich jeden Moment wieder abheben.
Sie erzählt gerade davon, dass sie in Argentinien mehrere Tage alleine in den Anden wandern gewesen ist. Nur mit einem Schlafsack, einer Plane, Wasserfilter und spärlich Proviant ausgestattet.
Bei dieser Vorstellung merke ich, wie ich mich ganz leicht anspanne. Nicht, weil ich ihr das nicht zutraue. Ganz und gar nicht. Ich weiß, dass sie sehr wohl auf sich aufpassen kann und dennoch...
Sie hätte sich verletzen können, zudem gibt es dort gefährliche Tiere, oder... oder jemand... Ich schlucke und versuche nicht weiter darüber nachzudenken und mich stattdessen einfach nur auf ihre Worte zu konzentrieren.
Geschlafen hat sie an traumhaften Orten in der Natur und das, ohne dabei Angst zu verspüren. So war sie schon immer. Ich bin ziemlich erleichtert, dass ihr dort alleine nichts zugestoßen ist, aber sage ihr nichts von meiner Sorge, da ich weiß, dass sie sich ziemlich schnell eingeengt fühlt.
Sobald sie ihrer Freiheit gegenüber eine noch so kleine Bedrohung wahrnimmt, geht sie auf Abstand. Ob nun bewusst, oder unbewusst spielt dabei wohl keine Rolle.
„Stellt euch vor, ihr schwebt mitten im Universum. Also irgendwie tun wir das ja gerade auch schon, aber ich meine... also halt so mitten in den funkelnden Explosionen der Galaxien." Ihre Augen leuchten bei diesen Worten genauso stark, wie wohl der Sternenhimmel, von dem sie uns berichtet.
„Das hört sich wunderschön an", schwärmt Lil und schweift mit ihrem Blick gedankenverloren zu einer der Lampen an der Decke.
„Dort oben hat es sich genauso angefühlt. In der Nacht war es zwar sehr kalt, aber dafür war der Himmel umso klarer. Ich hatte Glück und es hat kein einziges Mal geregnet", erzählt sie weiter und ich merke, wie ich es genieße ihrer beruhigenden Stimme zu lauschen.
„Das wäre für meine Wasserversorgung zwar besser gewesen, aber für den Sternenhimmel hat es sich allemal gelohnt", lacht sie, woraufhin Fabio und Lil mit einstimmen.
„Das heißt, du hattest manchmal nicht mehr genug zu trinken?" Yla winkt grinsend ab.
„So ist das nun mal in der Natur. Da gibt es nicht immer und überall gleich alles parat. Manchmal muss man eben danach suchen, oder sich etwas einfallen lassen, um die Not zu überstehen. Aber das ist ja auch genau das, was ich daran so liebe", erklärt sie.
„Aber jetzt erzählt mal etwas von euch. Wie ist es euch hier so ergangen?" Ihr Blick wandert auf mich und ich merke, wie sich in meinem Bauch augenblicklich etwas kribbelnd zusammenzieht.
„Gleich-gleich, aber vorher musst du mir noch die Frage beantworten, die ich dir vorhin schonmal gestellt habe und der du wieder einmal sehr geschickt ausgewichen bist", kommt es von Lil.
Yla sieht ihre Freundin verwirrt an. „Welche meinst du?" Diese wackelt vielsagend mit ihren Augenbrauen und ich merke, wie mir irgendwie leicht schlecht wird, als mir klar wird, wovon sie spricht.
Ich glaube, ich will es gar nicht wissen. Oder... irgendwie dann vielleicht doch...? Aber eigentlich eher nicht... verdammt.
„Na es gab doch in Argentinien sicher auch ziemlich heiße Typen, oder nicht? Erzähl mal, hat dir da nicht jemand den Kopf verdreht? Du hast ja bei den Telefonaten immer ziemlich geheimnisvoll getan."
Yla verzieht entgeistert ihren Mund, genauso wie ich.
„Keine Ahnung was du meinst. Ich habe überhaupt nicht geheimnisvoll getan." Lilians Grinsen wird breiter, woraufhin ich merke, wie ich mich noch mehr anspanne. Irgendwas an dem Gedanken gefällt mir ganz und gar nicht. Ich weiß auch nicht so genau, was es ist.
Ich denke einfach, es wäre niemand wirklich gut genug für sie, auch wenn diese Gedanken ziemlich anmaßend sind. Ich kann es einfach nicht ändern.
Yla ist einfach viel zu... Ich schlucke und stochere dann in meinem Essen herum. Irgendwie ist mir der Appetit vergangen.
„Oh doch, das hast du. Und du tust es schon wieder."
Yla runzelt die Stirn und sieht ziemlich nachdenklich aus. „In meinem Leben ist kein Platz für sowas."
Sie nimmt einen Bissen von ihrem Teller und scheint das Thema damit jetzt wortwörtlich gegessen zu haben.
„Du meinst, in deinem Leben ist kein Platz für Liebe?", hakt ihre beste Freundin nach und es ist deutlich, dass sie nicht so schnell locker lassen wird.
„Mmm, das Essen hier schmeckt wirklich köstlich", wendet sich Yla an Fabio, welcher sie nur wissend angrinst. „Danke-danke."
„Hey, nicht ablenken!" Sie seufzt und lässt schließlich geschlagen die Schultern hängen.
„Müssen wir jetzt ausgerechnet davon reden?", will sie wissen und wirft kurz einen hilfesuchenden Blick zu mir, ehe sie wieder aufs Essen starrt.
Ich würde ihr ja helfen, aber leider fühle ich mich gerade vollkommen gelähmt. Ich kann mich weder bewegen noch etwas sagen.
„Oh ja, allerdings!" Lil beißt vergnügt von ihrer Tortellini ab und wirft ihrer Freundin dabei einen durchdringenden Blick zu.
„Du weißt, dass ich mich nicht verliebe."
Ihr Gegenüber schmunzelt nur, ohne auf ihre Worte zu hören. „Jaja... aber manche Sachen gehen doch auch, ohne sich zu lieben, richtig?" Yla reißt ihre Augen auf und lässt augenblicklich ihr Glas sinken, von welchem sie gerade trinken wollte.
„Muss das jetzt hier ausgerechnet am Essenstisch besprochen werden?" Sie verzieht angeekelt das Gesicht und ich merke, wie mir augenblicklich das Blut aus dem Kopf weicht.
Du Idiot. Was hast du dir auch bitte gedacht? Sie ist fast ein Jahr weg alleine auf Weltreise. Ist doch klar, dass sie da früher oder später mit jemandem... Ich lasse meine Gabel fallen, doch dummerweise etwas zu laut, wie mir scheint.
„Tschuldigung", grummele ich leise und viel zu angepisst zwischen meine Zähne für meinen Geschmack, aber zu meinem Glück sind die anderen gerade sowieso viel zu abgelenkt.
Mein Kiefer ist so angespannt, dass ich schon Angst habe, dass man mir das irgendwie ansieht.
„Ha' wusste ich's doch. Erzähl, wer ist es? Und wie war es überhaupt? Und wo? Wann?"
Am liebsten würde ich aufspringen und zur Toilette stützen, aber zugleich kann ich es nicht. Irgendein masochistischer Teil in mir will alles auch noch ganz genau wissen. Ich will wissen, warum sie das getan hat. Warum, verflucht nochmal.
Aber vor allem... was ist bitte los mit mir? Bei Lil regt es mich doch auch nicht auf, wenn sie sich in diesen Samuel verliebt. Wieso also bei Yla?
Entsetzt starre ich sie an, keine Kontrolle mehr darüber, was ich eigentlich tue. Ich sehe nur noch sie. Ihre feinen Gesichtszüge. Ihre großen, wissensdurstigen und klugen Augen. Ihre zarten Lippen mit der spitzen Zunge, von welcher ich es liebe, wenn sie diese in geformten Worten an mich richtet.
„Lil, da gibt es überhaupt nichts zu erzählen. Wirklich. Du weißt doch, das hätte ich dir erstens schon viel früher berichtet und außerdem liegen meine Interessen beim Reisen einfach auf anderen Dingen. Männer spielen dabei keine Rolle."
Ihre Freundin seufzt enttäuscht auf. „Du meinst nicht nur auf deinen Reisen, sondern generell im Leben, stimmt's?" Yla zuckt ihre Schultern. „Vielleicht. Ja..."
Ich merke, wie ein kleiner Stich durch meine Brust fährt.
Wieso das denn jetzt schon wieder? Sollte ich nicht eigentlich erleichtert sein?
Irgendwie ist meine Stimmung für heute eindeutig auf den Grund gesunken, was verdammt nochmal ziemlich beschissen ist. Immerhin ist es Ylas erster Abend, den sie wieder zurück ist und ich sollte mich lieber freuen. Was ich ja auch tue. Viel mehr, als ich sollte.
Ich versuche mich zusammenzureißen und atme tief durch, doch so ganz will es mir nicht gelingen.
Verdammt, ich dachte echt, ich hätte es geschafft und meine heimlichen Gefühle aus unserer Teenie-Zeit abgelegt. Erst jetzt wird mir klar, was für Spezialisten wir Menschen doch darin sind, uns selber zu verarschen.
Nach dem Essen verabschiedeten Fabi und Tayzo sich für heute von uns. Zweiterer wirkte irgendwie seltsam bedrückt, doch als ich ihn fragte, was los ist, meinte er, es sei alles okay und ging nicht weiter darauf ein.
Ich nehme mir vor, ihn übermorgen deshalb nochmal zu fragen, wenn wir uns alle für den Ausflug zu unserem Stammplatz treffen. Wir haben Glück und das Wochenende steht bevor, sodass die anderen auch mehr Zeit haben.
„Na, wie fühlt es sich an, wieder hier zu sein?", will meine Freundin wissen, als sie gerade die Tür zu ihrer, oder für kurze Zeit unserer Wohnung aufschließt.
„Hm... ich würde sagen ungewohnt, aber irgendwie auch schön. Vor allem euch alle wiederzusehen."
„Das finde ich auch. Also ich meine schön, dass du wieder da bist." Sie schenkt mir ein aufrichtiges Lächeln, sodass mich augenblicklich wieder ein warmer Schauder der Rührung durchfährt.
„Ach, bevor ich's vergesse. Hier ist der Zweitschlüssel, damit du auch ohne mich in die Wohnung kommst" Sie hält ihn mir hin und ich nehme ihn dankend entgegen.
„Hast du es dir eigentlich schon überlegt? Ob du bei Fabi arbeiten willst, meine ich?", will sie wissen und erwischt mich dabei in meinen eigenen Gedanken daran.
„Vielleicht. Für eine Zeit lang. Aber ich nehme mir noch ein paar Tage Zeit zum Nachdenken", lächele ich, als wir gerade bei ihrem "Sofa" ankommen und uns dort erschöpft fallenlassen.
„Kann ich verstehen. Jetzt solltest du erst einmal deinen Jetlag ausschlafen", grinst sie und fällt mir dann keine Sekunde später plötzlich quietschend in die Arme.
Wie immer so aufbrausend, wie ein kleiner Wirbelsturm. Ich muss lachen und erwidere ihre heitere Umarmung. „So schön, dass du wieder da bist. Ich weiß, das habe ich jetzt schon sehr oft gesagt, aber ich will, dass es auch bei dir ankommt."
„Das tut es."
„Gut. Dann hoffe ich, dass du diesmal auch mal ein bisschen länger bleibst."
Darauf will sie also hinaus. Ich hebe amüsiert meine Augenbraue.
„Mal sehen. Und außerdem, du kannst ja auch mal mitkommen. Die Welt ist so groß und spannend."
„Ich weiß, dass sie das ist und wir waren ja auch schonmal zusammen in Thailand, aber jetzt habe ich Arbeit und ein Leben hier. Eine längere Reise würde jetzt einfach alles auf den Kopf stellen, was mir lieb ist und... und außerdem wäre Samuel dann nicht dabei."
„Apropos Samuel, wann werde ich ihn denn jetzt endlich kennenlernen?" In Lils Augen tritt ein Funkeln. „Ich könnte ihn ja fragen, ob er am Sonntag mitkommen will", meint sie enthusiastisch, was mir abermals ein Schmunzeln entlockt.
„Wie ist er denn so?"
Ihr Ausdruck nimmt augenblicklich einen schwärmerischen Glanz an, genau wie ihre Tonlage. „Er ist einfach toll. Charmant, witzig, gutaussehend, aber vor allem auch einfach ein wundervoller Mensch, Zuhörer und ein verdammt guter Küsser. Und im Bett... äh, ist er auch einfach nur ein Traum..."
Sie weicht beschämt meinem Blick aus und ich sehe, wie sie mit ihren Gedanken plötzlich an ganz andere Orte schwebt und sich ihre Wangen dabei leicht rosa färben.
„Dann scheinst du mit ihm ja wohl einen guten Fang gemacht zu haben", kichere ich, da Lil immer so niedlich wird, wenn sie für irgendjemanden, oder etwas schwärmt.
Sie war da, um ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen, schon immer mit allem dabei. Ihre Hände, Augen, Sprache... Als würde es ihren inneren Sturm zum Wirbeln bringen.
„Aber hallo. Samuel ist... er ist..." Sie seufzt und starrt mit ihren großen Augen an irgendeine Stelle des gegenüberliegenden Sessels, als hätte sie sich festgeguckt.
„Einfach dein Traummann?", vervollständige ich ihren Satz, was ihr Gesicht zum Strahlen bringt.
„Ooh ja!"
Ich kichere. „Also dann bin ich jetzt umso gespannter darauf ihn kennenzulernen."
Lil beißt sich auf ihre Lippe und lässt sich abermals seufzend an die Rückenlehne sinken. „Du wirst ihn lieben."
Einen kurzen Augenblick hüllt uns Schweigen ein, in welchem Lilianes Gedanken wohl gerade bei jemand anderem schweben, ehe sie plötzlich blinzelt und sich dann wieder ruckartig aufsetzt.
Erschrocken starre ich sie an. In meinem Blick eine deutliche Frage.
„Aber jetzt mal zurück zu dir. Wir sind da ja vorhin zu diesem Thema nicht mehr wirklich weitergekommen."
Ich verdrehe die Augen. Nicht schon wieder.
„Lil, ehrlich, da gibt es nichts zu erzählen. Ich bin ein paar netten Typen begegnet, mit denen ich mich auch angefreundet habe, aber eben... nur befreundet!"
Interessiert sieht sie mich an. „Und? Nicht mal Freund mit Vorzügen, oder so?"
Ich seufze. Sie lässt einfach nicht locker. Auch eine ihrer besten Eigenschaften. „Nein, auch nicht das." Ihr Gesichtsausdruck schwenkt von enthusiastisch zu vorwurfsvoll. Das ist so typisch Lil.
„Was ist?"
Anstatt zu antworten, starrt sie mich einfach nur ungläubig an.
„Aber jetzt mal im Ernst. Ich kann ehrlich nicht verstehen, was du daran so komisch findest. Ist es denn so schlimm, wenn sich im Leben eben nicht alles nur um Typen dreht? Ich habe halt einfach andere Prioritäten und wenn weitere Menschen da in mein Leben kreuzen würden, bei denen so starke Gefühle mit im Spiel sind, würde mich das nur behindern."
Lils Augenbrauen ziehen sich zusammen. „Das sagst du nur, weil du noch nie verliebt warst und daher nicht weiß, was es bedeutet."
Abermals verdrehen sich meine Augen. Ich kann es noch nicht einmal verhindern.
„Jetzt wirklich Yla. Willst du nicht mal wissen, wie das ist? Jemanden kennenzulernen, sich zu verlieben, zu küssen und... na ja, sich einfach nahezukommen?"
Ich schlucke und fummele nachdenklich an dem blauen Rock ihres Kleides herum, welches sie mir geliehen hat.
„Keine Ahnung... Ich denke, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werde ich mich schon dafür öffnen, doch es ist halt einfach noch nicht so weit."
Lil nickt nachdenklich. „An sich ist es ja cool, dass du da einfach dein Ding machst und dich nicht von der Gesellschaft... oder deiner Freundin, stressen lässt", grinst sie, was mir dasselbe entlockt.
„Na ja, ich meine halt wirklich... Wieso soll es da eine Vorschrift geben, mit welchem Alter man sich mit welchen Dingen befassen soll? Das fängt ja in der Schule schon an. Dabei ist doch jeder Mensch individuell und hat seinen eigenen, einzigartigen Lebensweg, welchen nur er selber beschreiten kann, nicht wahr?"
Meine Freundin nickt. „Stimmt schon... Aber ich frage mich trotzdem, wie das sein kann, dass man mit zweiundzwanzig Jahren noch nie geküsst wurde."
Ihre Worte hallen in meinen Ohren nach.
Darüber habe ich die letzten Monate ehrlich gesagt noch gar nicht so viel nachgedacht...
„Na ja, ich denke, ich bin kurz davor einfach immer wieder ausgewichen und habe mich aus dem Staub gemacht", gestehe ich kleinlaut ein, als mir bewusst wird, dass ich wohl nicht so ganz unbeteiligt an der Sache bin.
„Dann gab es also Momente, in denen es kurz davor war?"
Ich schenke ihr einen zustimmenden Gesichtsausdruck. „Und wieso bist du dann abgehauen? Wolltest du nicht mal wissen, wie sich das anfühlt?"
Ich schlucke und knabbere an meiner Lippe herum. „Weiß nicht... Irgendwie will ich es schon wissen, aber gleichzeitig hat es sich auch nicht richtig angefühlt. Weißt du, ich habe da so eine Vision in meinem Kopf.
Da wird mein erstes Mal direkt auf dem Waldboden, zwischen zwei Wurzeln stattfinden. Keine Ahnung, ob das überhaupt realistisch ist..." Ich muss lachen, als ich meine eigenen, kitschigen Worte höre.
„In Wahrheit bin ich wohl einfach zu romantisch und in meine eigenen Vorstellungen festgefahren, um so etwas wie Liebe in anderen Dingen zu empfinden."
Lils Augenbrauen wandern interessiert nach oben.
„Das klingt schön. Wer weiß, vielleicht wird es ja genauso kommen? Es ist ja an sich nichts Schlechtes, wenn du auf den Richtigen wartest, auch wenn küssen und das erste Mal ja nicht gleich auf einmal sein müssen."
Ich zucke die Schultern. „Stimmt."
„Aber ich schätze, du willst es von derselben Person, oder?"
„Weiß nicht, keine Ahnung... Es kann auch jemand ganz anders und unkompliziertes sein. An sich ist bei einfachem Küssen ja nicht so viel dabei." Das sage ausgerechnet ich, die noch nie jemanden geküsst hat.
Meine Freundin grinst. „Das kommt ganz darauf an. Aber ja, an sich ist Küssen wirklich nichts Schlimmes, da hast du recht."
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Hi ihr Lieben, nun sind wir schon bei Kapitel drei. Ich bin so gespannt auf eure Kommentare und was ihr zu diesem Thema zu sagen habt. Ich finde irgendwie, dieser gesellschaftliche Druck, welcher da oft gemacht wird, wird viel zu wenig thematisiert.
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