Amalia Städtler lag unruhig auf der Couch und versuchte sich auf das Fernsehprogramm zu konzentrieren.
Es lief eine Dokumentation über die Lebensbedingungen der Menschen in der Sahara. Ein recht spannendes Thema, von dem Amalia jedoch nicht viel mitbekam. Sie war zu vertieft in ihre eigenen Gedanken.

Der Tag hatte eigentlich ganz normal angefangen.
Sie war aufgestanden, hatte das Frühstück für ihren Lebensgefährten vorbereitet, war zur Arbeit gegangen, hatte auf dem rückweg frische Zutaten für das Abendessen eingekauft - und dann war es passiert.

Auf der anderen Straßenseite hatte sie zweifellos ihren kleinen Bruder entdeckt.

Zuletzt hatte sie ihn vor etwa zehn Jahren gesehen, damals hatten sie beide noch bei ihren Adoptiveltern gewohnt.
Die Beiden hatten immer ein gutes Verhältnis zueinander gehabt, welches jedoch an einem schicksalhaften Tag zerschlagen wurde.
Seitdem hatte sie kein Wort mehr mit Fred gewechselt.
Aber jetzt befand sich ihr Bruder in der gleichen Stadt wie sie.
Sie hatte ihn gesehen. 

Er hatte sich über die Jahre ziemlich verändert.
Früher trug er die Haare schulterlang und seine Haare waren stets zu einem Zopf zusammengebunden gewesen.

Amalia erinnerte sich daran, dass er deswegen oft von den anderen Jungs geärgert wurde.
Heute waren seine Haare etwas kürzer und schwarz gefärbt. Der lange Pony verdeckte zwar die Hälfte seines Gesichtes, dennoch war sie sich ganz sicher. Dieser junge Mann war eindeutig ihr kleiner Bruder.
Wie lange er wohl schon hier in der Stadt war?

Amalias Entschluss stand fest: Sie würde Fred finden und den Kontakt wieder aufbauen.