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𝐈𝐈𝐈

Nun hat das neue Kapitel doch etwas länger auf sich warten lassen und wieder kann ich nicht behaupten, dass ich mir inhaltlich so ganz sicher damit bin. Sollte ich hier also das, was ich in den letzten zwei aufgebaut habe, völlig in den Sand setzen - bitte sagt es mir ^^" Und ja, das ist vorerst das letzte Mal, dass ihr dieses Gejammer von mir aushalten müsst. Mit den kommenden Kapiteln bin ich nämlich ausnahmsweise einigermaßen zufrieden.

Außerdem ist mir diesmal aufgefallen, dass Wattpad manches aus Word nicht übernommen hat. Warum auch immer, die App scheint mich zu lieben. Sollte also irgendwo auf einmal was fehlen, liegts vermutlich daran und ich werd' versuchen, das schnellstmöglich wieder in Ordnung zu bringen.


„Es reicht."

Die Worte hingen im Raum, ohne dass Ziona sie verstanden hätte. Vielleicht dachte sie sogar, sie richten sich an sie, denn sie verharrte nach wie vor in derselben Position, sich mit der letzten Körperspannung, die sie aufbringen konnte, gegen den Schmerz wappnend.

„Lassen Sie sie los."

Jennings, der wohl begriffen hatte, worum es seinem Mentor in diesem Spiel ging, wich gehorsam von der jungen Frau zurück, ließ damit allerdings zu, dass sie vollkommen den Halt verlor. Bevor sie stürzen konnte, packte Brandur Andersen sie unter den Armen. Als wäre sie nichts weiter als eine leblose Puppe sackte ihr Kopf gegen seine Brust. Wusste man nicht, wo sie sich befanden und vor allem welche Rollen ihnen hier zugewiesen waren, hätte man in der Pose etwas Vertrautes finden können.

Kaum verständlich drang ihr halbwaches Gemurmel an sein Ohr. Es war nicht mehr als mattes Hauchen. „Bitte, ich brauche ... Essen ... oder ... wenigstens ... Wasser ... Ich kann nicht ..."

„Na kommen Sie."
Behutsam setzte er sie auf den Stuhl, seinen Griff nicht lockernd, ohne den sie zweifellos wieder von dem ungemütlichen Möbelstück gekippt wäre.

„Holen Sie ihr Frühstück", befahl er dem Oberscharführer kühl.
Der stand zum ersten Mal ein wenig ratlos da, ließ seine Blicke unschlüssig zur Tür und zurück zu seinem Vorgesetzen wandern.

„Sie haben schon richtig verstanden. Sehen Sie nicht, dass es der Frau schlecht geht? Worauf warten Sie noch, holen Sie etwas Anständiges zu essen. Und einen Kaffee für mich."
„Jawohl, Herr Sturmbannführer!" Ein kurzes Salutieren, dann verließ der junge Mann eilig den Raum.

Für einige Augenblicke betrachtete der Beamte die Frau vor sich, die unter dem Druck zusammengebrochen war, ohne auch nur ein belastendes Wort zu verlieren. Eine wandelnde Tote hätte nicht lebendiger ausgesehen. Dunkel wanden sich ihre im Gesicht klebenden Haarsträhnen über die blasse Haut. Ein Anblick irritierender Unordnung. Ihr mittlerweile ebenso farbloser Mund war ein wenig geöffnet, bebte unter ihrem angestrengten Atmen. Es hätte ihn nicht überrascht, wären das Heben und Senken ihres Brustkorbs und das Herzklopfen, das er deutlich spüren konnte, verschwunden.

„Wann haben Sie denn das letzte Mal richtig gegessen?", fragte er, zweifelnd, dass die Worte sie erreichen würden.
Ein schwaches Schulterzucken, der Versuch ihn anzusehen. „Ich ... Ich weiß nicht ..."

„Ich werde mit den Wächtern reden. Die können Sie hier drinnen ja nicht verhungern lassen." Brandur schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, mein Kollege wird gleich wieder da sein."
„Danke", flüsterte sie heiser. Verwirrung spiegelte sich in ihren blauen Augen, die in seinen nach dem Grund für seine Hilfe suchten. Sie ließ sie wie seine Nähe, die ihr Halt gab, widerstandslos zu. Welche andere Wahl wäre ihr auch geblieben?

Für den Bruchteil einer Sekunde fragte sich Brandur Andersen, ob das tatsächlich Schwalbe sein konnte. Sein Verstand verweigerte sich der Vorstellung, dass dieses Wesen das Verhängnis achtzehn gestandener SS-Männer gewesen sein sollte. Hatte sie die doch Wahrheit gesagt? War sie unschuldig?

Nein, unmöglich. Wenn es sich bei ihr nicht um die Schuldige handelte - und daran ließen die Umstände kaum Zweifel - versuchte sie jemanden zu decken. Entweder sie war die Täterin oder bloß eine kleine Komplizin. So oder so musste sie der Schlüssel zu Schwalbe und damit zum Roten Turm sein. Ihr Äußeres durfte ihn in dieser Hinsicht nicht irreführen. Ganz im Gegenteil: Alles, was sie über die Person hinter diesem Decknamen wussten, wies auf einen klugen Kopf und eine einwandfreie Tarnung hin.

Ungesehen tauchte Schwalbe auf, verübte sauber einen Mord und verschwand. Das war kein schlichter Bürger, der heimlich ausländischen Funk hörte, wie die vielen, die hier landeten, und kein Stümper. Schlicht, ein Verbrecher, der mit allen Wassern gewaschen war, und demnach, wie ihm seine Erfahrung gebot, niemand, den man auf den ersten Blick durchschaute. In dieser Hinsicht waren die Propagandaplakate leider hanebüchener Unsinn - den gefährlichsten Feind erkennt man nämlich nicht. Dergleichen zu glauben, wäre ein Anfängerfehler.

Unter seinen Fingern spürte Brandur ihren mageren Körper, unter dessen Haut die Knochen hervorstachen. Sie musste bereits länger in größerem Mangel leben. Die Maßnahmen gegen Juden legten dergleichen zwar nahe, aber es war das erste Mal, dass dies Brandur in solcher Drastik demonstriert wurde. Kein Wunder, dass diese letzten drei Tage sie so ausgezehrt hatten. Dass sie nicht früher einen Schwächeanfall erlitten hatte, war erstaunlich.

Zumindest werden Volksschädlinge bei uns nicht mehr durchgefüttert.

Natürlich war das hier eine lästige Verzögerung. Aber es hatte ja doch keinen Zweck. Fuhren sie wie eben fort, wäre ihnen Ziona Aschkenasy innerhalb der nächsten Sekunden bewusstlos vor die Füße gefallen und einem Ohnmächtigen konnte man bekanntlich keine Fragen stellen. Dagegen waren diese Komplikationen nichts.

Schließlich konnte man ihnen auch Gutes abgewinnen. So manchen Willen brach man am schnellsten ohne offenen Kampf, sondern dann, wenn sich die Verhörten in Sicherheit und ihren Befrager als Freund wähnten. Bei dieser Strategie durfte man selbstverständlich nicht zu weit gehen, wenn sie von Erfolg gekrönt sein sollte. Nicht zu viel Entgegenkommen - sonst schöpften sie Verdacht - und nicht zu wenig. Dieses Schauspiel wollte gekonnt sein. Man möchte sich ja nicht auf das traurige Niveau mancher Delinquenten begeben.

Jennings kehrte mit zwei Tassen Kaffee und einem Teller mit zwei Semmeln zurück, die er unter Zionas misstrauischen Blicken auf dem Tisch abstellte.

„Den Schlüssel", ordnete der Sturmbannführer mit einer Geste in Richtung ihrer Handschellen an. Auch diesem Befehl folgte der Untergebene sofort. Mit einem Nicken und einer kleinen Handbewegung bedeutete Andersen ihm schließlich, sich wieder zu entfernen. Zumindest vorerst wäre seine Anwesenheit seiner Sache nicht dienlich gewesen. Sein Unterricht musste ein anderes Mal fortgesetzt werden.

„Warten Sie draußen. Ich rufe Sie, wenn ich Sie brauche."
Diesmal erhob er ob der Tatsache, dass der Beamte damit alleine mit der Befragten war, keinen Einspruch.

Möglichst vorsichtig öffnete Brandur die Handschellen der Jüdin.
„Sieht unbequem aus."
Sie zuckte schwach mit den Schultern, setzte allerdings noch ein leises „Danke" nach. Ob ernst gemeint oder nur aus Gründen der Höflichkeit, um ihn nicht zu verärgern und den Grund, der ihr diese Gunst verschaffte, zu zerstören, war nicht klar.

Der Sturmbannführer stützte sie weiterhin, auch, wenn es ihr bereits ein wenig besser zu gehen schien. In diesem Augenblick war er dankbar, sie bereits nach drei Nächten verhört zu haben. Andernfalls hätte seine Nase unter dieser andauernden Nähe leiden müssen. So wirkungsvoll die Zustände in den Zellen auch waren, er ersparte sich den abscheulichen Gestank dennoch lieber.

Schließlich ließ der Beamte Ziona los und kehrte mit wesentlich entspannterer Haltung als zuvor zu seiner Seite des Tisches zurück. Doch weiterhin tat sie nichts, sondern betrachtete das Essen vor ihr lediglich als handle es sich dabei um eine Falle.

„Essen Sie nur." Er selbst nahm einen Schluck von der schwarzen Brühe vor ihm und genoss den herrlich bitteren Geschmack auf seiner Zunge.

„Echter Kaffee", wie er zufrieden feststellte. „Kein Ersatz. Ich persönlich krieg dieses ekelhafte Zeug nie runter."
An eine wie Ziona Aschkenasy freilich war er in seinen Augen verschwendet, aber Brandur mochte ihr diese Henkersmahlzeit gönnen. Immerhin würde er dem Rollen ihres Kopfes reichsweite Anerkennung verdanken.

„Mit meinen Kollegen hier werde ich noch ein ernstes Wörtchen reden müssen. Die lassen Sie hier drinnen halb verhungern. So kann man Gefangene nicht behandeln. Wo käme man denn da hin?" Er schüttelte den Kopf.

Zaghaft nahm Ziona ein paar Bissen, griff dann mit bebenden Händen nach der Tasse und führte sie langsam an ihre Lippen, die an Farbe zurückgewannen. Obwohl sie so schwach vor Hunger war und ihr Instinkt ihr sicherlich gebot, die Mahlzeit hinunterzuschlingen, hielt sie sich zurück, kaute ruhig und gemächlich.

Indessen wandte er sich abermals der Akte zu, blätterte geräuschvoll ausatmend durch die schier endlosen Seiten - einige davon leer, um der beigen Mappe umso mehr Bedrohlichkeit zu verleihen - und stoppte bei einer Information.
„Sie sind in Prag geboren, richtig?"
„Ja."

„Schöne Stadt. Mluvíte česky, paní Aschkenasyová?", wechselte er nahtlos in die fremde Sprache und registrierte sofort das Verblüffen, das er damit in ihr auslöste.
Ano. Vy také, Herr Sturmbannführer?"

Der Beamte zuckte mit den Schultern. „Ein bisschen", antwortete er weiterhin auf Tschechisch. „Ich war früher öfter in Böhmen. Wie lange haben Sie in Prag gelebt?"
Eine harmlose Frage, das sah auch Ziona so, denn ihre Atmung wurde ruhiger, ihre Haltung entspannter. Zumindest vorübergehend legte sie einen Teil des Argwohns, den sie gegen ihn hegte, ab.

„Nicht lange, nur drei Jahre." Ihre zweite Muttersprache gab ihr ein Gefühl von Sicherheit und erzielte damit genau den gewünschten Effekt.
„In Josefov?" Er ließ es ganz beiläufig klingen.

Kurz zögerte Ziona. Jetzt fragte sie sich, ob er geraten hatte oder die Gestapo tatsächlich so gut über sie informiert waren. Ihr Blick zuckte zu der dicken Akte, als verriete die reine Anzahl an Blättern ihr die Antwort.
„Ja."

Brandur suchte in der Innentasche seines dunklen Jacketts nach seinen Zigaretten, bekam allerdings den Dienstausweis zu fassen, den er beiläufig auf die Tischplatte warf, ehe das Gesuchte gefunden hatte und ihn wieder wegsteckte.

Ziona beobachtete ihn aufmerksam. „Andersen? Wie der Schriftsteller?"
Sie musste den Namen gelesen haben.

Aners'n", korrigierte er ihre Aussprache. Aber seine Mundwinkel zuckten wie in der Andeutung eines wissenden Lächelns jemandes, dem dergleichen andauernd passierte. Dass sie wagte, mit ihm zu sprechen - nicht lediglich zu antworten - war ein Schritt in die gewünschte Richtung, den er so früh nicht erwartet hätte und der ihn damit umso zufriedener stimmte. Sie musste nur reden. So wenig, dass er daraus nicht irgendeine Information zu ziehen vermochte, konnte es gar nicht sein.

„Sie sind Däne?", fragte sie vorsichtig weiter.
„Mein Großvater war es. Ist in jungen Jahren nach Deutschland gekommen; geblieben ist meiner Familie nur der Name." Der Kriminalrat kehrte zurück ins Deutsche. „Sie werden verzeihen, Frau Aschkenasy, mein Tschechisch ist ein wenig eingerostet."
„Rauchen Sie österr ... ostmärkische Zigaretten?", fragte Ziona verwundert, während sich ihre Blicke wie hungrig an die Schachtel hefteten, die er gerade öffnete.

„Regie
Dritte Sorte
Austria
Zigarettenfabrik München", verkündete die dunkelrote Aufschrift.

Andersen zuckte mit den Schultern und verfiel in einen freundlichen Plauderton. „Eigentlich nicht. Meine Stammmarke ist R6. Etwas Abwechslung schadet ja manchmal nicht."
In den meisten Fällen hätte er dieser Aussage keinesfalls zugestimmt, aber nachdem er einmal gezwungenermaßen auf seine übliche Marke verzichten hatte müssen, konnte er sich doch recht schnell mit dieser anfreunden.

„Die mit den Sammelbildern?"
„Genau die. Meine Tochter ist mir dankbar für diese Wahl. Sie liebt solches Zeug."
Verwundert musterte ihn die Jüdin und sah nun vermutlich zum ersten Mal etwas anderes als den namenlosen Gestapo-Beamten. Jetzt war er nicht mehr der Sturmbannführer, sondern Brandur Andersen. Der Mann, der mit seiner Tochter Bilder in Alben einklebte. Der Vater.

Es entsprach sogar der Wahrheit. Freja, seine Älteste und nach ihrer Urgroßmutter benannt, hatte immer ihre helle Freude daran gehabt. Brandur konnte sie jetzt noch lebhaft vor sich sehen, wie sie ihm und Helva voller Begeisterung das fertige Album zu den Olympischen Spielen 1936 entgegengehalten hatte. Ihre blauen Augen hatten geglänzt, wie nur die von Kindern dazu imstande waren.

Üblicherweise verlor der Kriminalrat einem Befragten gegenüber kein einziges vergleichbares Wort. Seine Kundschaft legte ihren Kopf unters Fallbeil oder verrottete im Gefängnis ohne auch nur das geringste von dem Mann zu wissen, der sie dorthin gebracht hatte. Doch, wie er bereits zu Beginn gewusst hatte, war dieses Verhör anders. Was bedeutete diese kleine Information schon, wenn sie ihm zu seinem Ziel verhalf? Was sollte die Frau hier drinnen auch damit anfangen. Verlassen würde Ziona Aschkenasy dieses Gebäude nämlich nur ein einziges Mal und es würde ihr letzter Weg sein - direkt zum Schafott. Ende des Roten Turms. Und noch bevor ihr Blut weggewaschen wäre, hätte er sich einen Orden verdient.

Er erinnerte sich der Zigaretten.
„Wie unhöflich von mir, auch eine?", fragte der Sturmbannführer Ziona die Packung offerierend.
„Nein, danke." Verhalten schüttelte sie den Kopf.
„Aber Sie rauchen."
Sie fragte nicht, woher er das wusste, ließ solche Gedanken nicht einmal ihre Augen erreichen, sondern antwortete schlicht: „Manchmal, früher."

Mit einem Nicken in Richtung der Zigaretten fügte sie hinzu: „Ich würde Ihnen Nil empfehlen, die sind besser."
Und teurer, glaubte er sich zu erinnern. Vermutlich konnte und wollte sie sich so etwas heute nicht mehr leisten.

„Falls Sie es sich doch anders überlegen."
Er fischte zwei aus der Schachtel. Eine platzierte er vor ihr auf dem Tisch, die andere schob er sich zwischen die Lippen, ehe er die übrigen wieder in seiner Tasche verschwinden ließ.
„Sie", setzte Andersen an, unterbrach sich jedoch selbst mit dem Zischen eines entbrennenden Streichholzes. Routiniert führte er es an die Zigarette und hörte ihre Spitze unter seinen drei kräftigen Atemzügen leise knistern. Die zarte Flamme löschte er durch eine schnelle Bewegung und warf das benützte Zündholz achtlos auf den Boden.

Während Brandur den Rauch seine Lunge erreichen spürte, lehnte er sich entspannt zurück und blies ihn nach einer Weile schließlich langsam in die stickige Luft im Raum. Jede dieser Handlungen verfolgte Ziona wachsam zwischen vier kleinen Schlucken Kaffee.

„Sie", begann der Kriminalrat von Neuem, „spielen gerne Schach, nicht wahr?"
Vorsichtig setzte sie die Tasse ab. „Hin und wieder. Sie etwa auch, Herr Sturmbannführer?"
Andersen wusste, dass sie ein Wort über den roten Turm ganz bewusst vermied, obwohl ihr klar war, dass die Figur der Grund für seine Frage war. Darüber konnte auch ihre gespielt unschuldige Antwort nicht hinwegtäuschen. Nein, Ziona wollte gar nicht, dass sie das tat.

Er inhalierte genüsslich; Ascheflocken schwebten auf den Boden.
„Ich war noch nie ein begeisterter Spieler." Nicht, wenn die Figuren bloß aus Holz bestanden.
„Wenn Sie auf diesen Turm hinauswollen", die Frau nickte in dessen Richtung, „er gehört mir nicht. Sie können das nachprüfen."

„Zumindest ist er nicht Teil des Schachsets in Ihrer Wohnung." Anderes wäre bei Schwalbe aber auch nicht zu erwarten gewesen, auch, wenn er selbst häufig überrascht war, wie gutgläubig so manche belastendes Material in ihrer Wohnung versteckten - nicht einmal besonders gut.

Unruhig schob sich die Jüdin eine Haarsträhne hinters Ohr. Natürlich war bereits den etwas Klügeren, denen er tagtäglich zum Verhör gegenübersaß, vollkommen bewusst, dass man ihre Häuser durchsuchte, wenn sie verhaftet wurden. Doch es zu hören, vor Augen geführt zu bekommen, dass die Gestapo in ihre Räume eingedrungen war und ihr privatestes Eigentum durchsucht hatte, zeigte bei den meisten Wirkung. Sogar die Härtesten erschreckte die Vorstellung, dass jemand in ihrem Tagebuch gelesen oder peinliche Geheimnisse aufgedeckt haben könnte.

Ziona Aschkenasy wollte es sich nicht anmerken lassen, aber die Tatsache, dass er oder ein anderer Beamter ihre Wohnung jederzeit betreten und über ihr letztes bisschen Besitz verfügen konnte, bestürzte sie. Nervös befeuchtete sie ihre Lippen und griff nach der Zigarette vor sich.
„Ich denke, ich nehme Ihr Angebot doch an."

Fast zuvorkommend gab der Kriminalrat ihr Feuer und beobachtete, wie sie den Rauch zittrig ausatmete.
„Was ist am Abend des zwölften Oktobers vorgefallen?", wiederholte er die Frage, die er ihr schon einmal gestellt hatte.
„Das wissen Sie schon."

„Ihnen ist hoffentlich klar, in welchen Schwierigkeiten Sie hier stecken, Frau Aschkenasy. Vor allem, wenn Sie mir weiterhin die Wahrheit verschweigen wollen. Wissen Sie, was das ist?" Brandur Andersen zog ein rotes Blatt Papier aus ihrer Akte.

Die Zigarette fand erneut zwischen ihre geschwungenen Lippen, um sich einen Moment des Nachdenkens zu erkaufen. Jedes Wort konnte ihr hier zum Verhängnis werden.
„Nein."

„Der Schutzhaftbefehl für Sie. Möchten Sie wissen, was darauf steht?" Nach wie vor sprach er in fast mildem Ton mit ihr.

Zionas Antwort wartete er nicht ab. „Sie gefährdet nach dem Ergebnis der staatspolizeilichen Feststellungen durch ihr Verhalten den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates, indem sie der Betätigung für den Roten Turm, mehrfachen Mordes - ich erspare Ihnen den ganzen Rest, der Ihnen angelastet wird - und damit des Hochverrates dringend verdächtig ist."
Während er die Worte in ihr Bewusstsein sickern ließ, nahm er einen letzten genüsslichen Zug seiner Zigarette, ehe er den Stummel achtlos auf den Boden warf. Der hatte ohnehin bereits Schlimmeres gesehen.

Mehrfacher Mord?", fragte sie mit erstickter Stimme und sah ihn aus großen, erschrockenen Augen an.
Brandur nickte. „Die Liste der Ihnen angelasteten Vergehen ist lange. Mit jeder Minute hier erhärten Sie den Verdacht gegen sich."

„Wen soll ich denn noch umgebracht haben? Ich schwöre, ich habe ni -"
„Verstehen Sie nicht? Wenn es nach Männern wie Jennings da draußen geht, würden wir uns hier schon lange nicht mehr ruhig unterhalten. So einer braucht nur den Grund zu lesen, weshalb Sie in unserm Haus sitzen und der greift zum Ochsenziemer. Und wenn er nicht bekommt, was er hören will, dann schickt er Sie einfach wegen der anderen Verfehlungen - Unterlassung der Kennzeichnungspflicht, Missachten der Ausgangssperre, Sie wissen schon - nach Mauthausen. Da braucht er nur ein ‚Rückkehr unerwünscht' drunter zu setzen und die Geschichte hat sich für ihn erledigt - und für Sie", erklärte er eindringlich und sah ihr in die Augen.

Zwischen ihren Fingern brannte die Zigarette hinunter und verteilte Asche auf den Boden, ohne dass sie auch nur mehr als drei Züge davon geraucht hätte. Mit ihrer Antwort ließ Ziona sich Zeit.
„Warum erzählen Sie mir das, wenn es ohnehin keine Rolle spielt, was ich sage? Sie werden mich so oder so ins Lager schicken und darauf hoffen, dass sich Ihr Verdacht im Nachhinein bestätigt."

Brandur beugte sich etwas weiter vor. „So würde es ablaufen, wenn Jennings hier das Sagen hätte. Aber der mit dem Protokollpapier bin ich und was ich da reinschreibe, ist Fakt. Was ich befehle, wird gemacht. Wenn ich entscheiden würde, dass man sie freilässt..."

Unvollendet ließ der Sturmbannführer den Satz im Raum hängen.
„Weshalb sollten Sie das tun?" Misstrauisch musterte die Frau ihn. Doch er hatte ihr Interesse geweckt - das sah er an dem beinahe hoffnungsvollen Leuchten, das bei dem Wort „frei" durch ihre blauen Augen gehuscht war.

Für die folgenden Schritte brauchte es nur noch das nötige Fingerspitzengefühl.
„Was täte ich auch sonst mit Ihnen, wenn Sie kooperieren? Gesetzt den Fall, Sie sind nicht die, die wir suchen, verbrauchen Sie hier nur Platz, den wir für richtige Verbrecher benötigen."
Brandur Andersen griff sich eine neue Zigarette, während Zionas drohte, sich in ihre weiße Haut zu brennen. Mechanisch ließ sie sie fallen und trat sie mit ihrer Schuhspitze aus.

„Wir wissen, dass Sie uns nicht die Wahrheit sagen, Frau Aschkenasy. Betrachten Sie es als Handel." Der Beamte zündete seine zweite Zigarette an. „Ich helfe Ihnen, Sie helfen mir. Wenn es den Herrschaften in Berlin zu langsam voran geht, werden Sie einen anderen mit Ihrem Fall betrauen. Wie Sie gesehen haben, wäre das nicht zu Ihrem Vorteil."

Ziona schwieg, hörte ihm allerdings genau zu, wie das nachdenkliche Kauen auf ihrer Unterlippe verriet, das sie entweder selbst nicht bemerkte oder vergaß zu verbergen.
„Ihre Lüge bringt Sie in Teufels Küche. Ist es das wert? Sie spielen mit zu hohem Einsatz ein Spiel, das Sie nicht gewinnen können."

Eine ganze Weile sah er sie stumm an, mit einem Blick, der sich unerschrocken in seinen bohrte und nur kurz hinter einer Rauchwolke verschwand. „Verzeihung, Herr Sturmbannführer, wieso sollte ich Ihnen das glauben? Wer garantiert mir, dass Sie mich nicht genauso ins Lager schicken würden?"

Ein winziges Lächeln hob seine Mundwinkel. „Niemand. Aber, wie Sie sehen, ist das Ihre einzige Chance. Sie haben hier nichts mehr zu verlieren, oder?"

„Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass jemand wie Sie ... jemandem wie mir helfen wollen würde." Eine kleine Falte grub sich in ihre Stirn. Natürlich bemühte sie sich, ihm vorzuspielen, dass sie das alles kalt ließ, dass sie ihm nicht glaubte, aber sie verriet sich doch. Ob sie wollte oder nicht, die Idee hatte sich in ihr festgesetzt, ihre Gedanken kreisten darum und suchten nach einem Weg, wie sie diese neuen Spielregeln für sich nutzen konnte.

Denk nur. Je länger sie das täte, desto mehr Einfluss würde sein Vorschlag auf sie gewinnen.
Das Lächeln erstarb. „Sie verstehen mich falsch. Ich habe nicht die Absicht, Ihnen zu helfen. Sobald wir hier fertig sind, haben Sie für mich keine Bedeutung mehr. Ich kann Sie genauso gut gehen lassen. Was dann weiter mit Ihnen geschieht, liegt nicht an mir."

Letztendlich war es beinahe die Wahrheit. Wenn sie nicht seine Mörderin wäre, nicht einmal Mitglied des Roten Turms, würde es ihn nicht kümmern, was aus ihr wurde. Einigen bereitete es große Freude, die Macht über fremde Schicksale zu besitzen, für Brandur Andersen dagegen machte es keinen Unterschied, mit welchem Vermerk eine Akte geschlossen wurde. Ob mit Einweisung ins Konzentrationslager, ins Gefängnis, Hinrichtung am Schafott, Selbstmord in der Zelle - selbst, wenn letzteres freilich ärgerlich wäre, konnte es doch ohne Nachlässigkeit eines Beamten nicht vorkommen - oder Freilassung, war dem Sturmbannführer einerlei. Seine Arbeit endete mit einem unterzeichneten Geständnis. Und damit auch sein Interesse an der jeweiligen Person. Er hatte erfolgreich getan, was getan werden musste. Akte geschlossen. Zu den anderen damit. Finis.

Das war der wahre Triumph. Der einzige, der den Kriminalrat antrieb.
Alles darauffolgende war ebenso wie die Personenbeschreibung und die Protokolle in der beigen Mappe nach Erreichen dieses Ziels nur Druckerschwärze auf Papier.

Die Antwort schien Ziona ein wenig zu überraschen und dennoch wusste Andersen, dass es die richtige gewesen war. Geheuchelte Teilnahme an der Zukunft einer Jüdin hätte nicht einmal er glaubhaft zu spielen vermocht. Zumindest nicht vor einer intelligenten Frau wie ihr. Ein paar sind darauf reingefallen. Aber so eine ist sie nicht. Sie dafür zu halten, wäre auch eine Beleidigung seiner eigenen Fähigkeiten gewesen. Jemand wie Ziona Aschkenasy durchschaute derartiges sofort. Aus falschen Hoffnungen machte sie sich nichts, bedankte sich nicht mit Tränen in den Augen für eine Täuschung, die sie vielleicht lieber glauben wollte, als es in ihrem tiefsten Inneren wirklich zu tun, wie so einige vor ihr. Nein, ihr musste man mit Logik begegnen. Keine schönen Lügen, vernünftige.

Wenn diese Frau aller Wahrscheinlichkeit entgegen nichts mit dem Widerstand zu schaffen hatte, könnte Brandur seinen Teil der Abmachung sogar einhalten. Im Grunde tat er ihr damit nicht einmal einen Gefallen, sondern zögerte das Unabwendbare nur hinaus. Irgendwo stand ihr Name schon auf einer Liste. Für einen Transport nach Riga oder Litzmannstadt. Dann überlasse ich diese Arbeit eben einem anderen. Übrigbleiben wird von denen ja doch keiner.
Schweigend starrte Ziona ihn über den Tisch hinweg an, wartete offensichtlich darauf, dass er weitersprach. Ein Gefallen, den Andersen ihr so schnell nicht erwies. Stattdessen qualmte er seine Dritte Sorte erst wie die Ruhe selbst ein paar Minuten weiter.

„Frau Aschkenasy, was ist am Abend des zwölften Oktobers vorgefallen?" Dieselbe Frage, einmal aufs Neue.
Unruhig wippte die junge Frau mit dem Fuß. „Das habe ich Ihnen schon gesagt. Ansonst gibt es da nichts. Ich weiß weder mehr, noch weniger als -"
Weiter ließ der Sturmbannführer sie nicht kommen. „Sie meinen also, Sie haben Medizin geholt und wollten nach Hause. Welchen Weg haben Sie genommen?"

„Über den Hermann-Göring-Platz und die Liechtensteinstraße", antwortete sie ohne zu kurz oder zu lange darüber nachzudenken. Nichts ließ daran zweifeln, dass sie von ihren eigenen Worten nicht vollkommen überzeugt war. An ihr ist eine gute Schauspielerin verloren gegangen. Besser als die ‚Reichswasserleiche' wäre sie allemal.

„Das Paradies liegt ..."
„...nahe genug, dass Sie daran vorbeilaufen hätten können", beendete Andersen ihren Satz.
Ziona schüttelte den Kopf, wobei ihr dunkles Haar wild um ihr Gesicht tanzte. „Das heißt nicht, dass ich es auch bin."

„Ich kann mir gut vorstellen, was passiert ist. Sie sind auf dem Heimweg, den Stern haben Sie irgendwo verloren ..." Rauchwolken verließen seine Lippen. „Und dann ist da das Paradies. Ein nettes Lokal, Sie kennen es aus früheren Zeiten. Da dachten Sie sich: Warum die Chance nicht ergreifen? Nur ein kleiner Blick hinein. Schauen, ob sie heute was von der Leander oder vom Schuricke spielen. Vielleicht sogar eines Ihrer Lieblingslieder, Bei mir bist du schön. Nur ein Lied oder zwei, dann wären Sie auch schon wieder draußen."

Mit wenigen Worten erinnerte er sie einmal mehr an das umfassende Wissen, dass die Gestapo über sie besaß - auf einer der wenigen Schallplatten in ihrer Wohnung beruhend. Brandur machte eine stimmungsvolle Pause, in der er Zionas Reaktion aufmerksam beobachtete, ehe auch sein zweiter Glimmstängel auf dem Fußboden landete und er wie wohlwollend die Arme hob. Bis ins kleinste Detail war sich der Beamte seiner Mimik und Gestik bewusst - und welche Wirkung sie ausübte.

„Ist ja nichts dabei. Ein Verstoß gegen das Gesetz, das wohl. Aber ich jage einen Mörder und keine unerlaubte Besucherin eines Lokals. Nicht wahr?"
Er präsentierte ihr diese Vorlage praktisch auf dem Silbertablett. Nur ein kleines Zugeständnis -
„So war es nicht. Ich wollte wirklich nur schnellstmöglich nach Hause."
- aber nein, natürlich nicht. So schnell ließ sie von ihrer Geschichte nicht ab. Eine Ziona Aschkenasy griff nicht blindlings nach jedem Strohhalm.

Zum Glück. Langweilige Routineverhöre hatte Brandur Andersen jeden Tag. Die Befragten knickten nach kürzester Zeit ein; er wurde für sein Können gelobt, das noch nicht einmal vollständig zum Einsatz kommen konnte. Befriedigung verschaffte ihm dergleichen schon lange nicht mehr. Das waren die Fälle deren Akten er ohne jeden Genuss schloss.

Nun saß vor ihm eine kleine Herausforderung. Mit Freuden würde er ihren Widerstand Schicht für Schicht durchtrennen, in ihren Kopf eindringen und Herr ihrer Gedanken werden. Der erste Schnitt war gesetzt - exakt wie das Rasiermesser durch Macaleks Hals. Bloß mit dem Unterschied, dass diese Wunde nicht sofort blutete. Die Klinge ruhte still auf ihr und grub sich Augenblick für Augenblick tiefer.

Was sollte er auch tun, wenn der mögliche Schlüssel zu Schwalbe oder gar sie selbst, ohne Umschweife gestehen würde? Wie könnte er da seinen Erfolg genießen? Wäre es überhaupt einer?

„Natürlich wollten Sie das, Sie sind nur davon abgekommen und haben einen kleinen Umweg gemacht. Das ist verständlich. Sonst dürften Sie nie einen Fuß hineinsetzen. Es war nur ein bisschen Neugierde."

Der Gesichtsausdruck des Beamten verdüsterte sich. „Oder Sie hatten einen ganz genauen Plan. Den, ohne den gelben Stern dieses Lokal zu betreten und Carl Gustav Macalek zu töten. Wie die anderen davor auch. Selbes Spiel, wieder und wieder."

Für einen Moment glaubte er, sie würde gleich von ihrem Stuhl aufspringen, doch Ziona verharrte in der Position, nur ihre Stimme verriet ihre aufschäumenden Emotionen. „Das ist nicht wahr!"

Vollkommen ruhig sprach der Kriminalrat weiter: „Selbstverständlich nicht, aber exakt so sieht es aus. Denken Sie denn, Sie würden hier sitzen, wenn wir nicht genug Beweise gegen Sie hätten? Wir wissen, dass Sie im Paradies waren und solange Sie das abstreiten, wird niemand daran zweifeln, dass Sie unsere Mörderin sind. Wissen Sie, wie jemand behandeln wird, der einen SS-Offizier ermordet hat? Das Todesurteil wird das geringste sein, was Sie zu befürchten haben, Frau Aschkenasy."

Erdrückendes Schweigen legte sich über den Raum. Ziona schien eindeutig mit sich zu ringen. Ruhelos huschten ihre Blicke erst in eine Ecke des Raumes, dann in die andere, als wäre sie ein Tier im Käfig und senkten sich schließlich auf ihre zu Fäusten geballten Hände. Sie suchte einen Ausweg, ohne einen sicheren Entschluss zu fassen oder überhaupt einen zu finden.

Abrupt erhob Andersen sich. „Jennings!", rief er den Oberscharführer, der draußen wartete, ehe er sich erneut Ziona zuwandte.
„Denken Sie über mein Angebot nach und vergessen Sie nicht, dass es befristet ist."

„Herr Sturmbannführer?", Beppo betrat den Raum und die Jüdin verschränkte automatisch schützend die Arme vor der Brust.
„Lassen Sie sie zurück in ihre Zelle bringen. Ich bin hier vorerst fertig."
„Jawohl."

Brandur erwartete keinesfalls, dass sie gestehen würde. Nein, es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder war sie lediglich eine Zeugin und damit im Angesicht ihres eigenen Endes früher oder später durchaus bereit zu reden oder in den Mord verstrickt, was der Kriminalrat nicht bezweifelte, und würde diese Gelegenheit wohl kaum ungenutzt verstreichen lassen. Jetzt beharrte Ziona Aschkenasy noch auf ihrer Geschichte, aber sobald sie wieder die dunklen Wände der Zelle umgaben, würden seine Worte langsam ihre Wirkung entfalten. Der kleine Samen Hoffnung, der in sie gepflanzt wurde, würde ohne, dass sie es verhindern konnte, keimen. Bis ihr keine andere Wahl mehr blieb. Sie musste handeln, ja, es wäre ihr völlig unmöglich, es nicht zu tun.

Während einer der Wärter Ziona aus dem Raum führte, ruhte ihr Blick unentwegt auf dem Sturmbannführer.
„Na los, weiter!" Der Mann zerrte sie grob mit sich, brachte sie zum Stolpern und damit zu einem ungeschickten Zusammenprall mit dem Kriminalrat.
„Passen Sie gefälligst auf", knurrte Andersen dem Wärter zu, während er seinen Anzug wieder in Ordnung brachte.
„Jawoll. Verzeihung, Herr Sturmbannführer."

„Hat sie irgendetwas zugegeben?", fragte Beppo leise, sobald sich die beiden außer Hörweite befanden.
„Kein Wort. Nicht einmal, dass sie im Paradies war."
Jennings runzelte ob der Unbekümmertheit, mit der sein Vorgesetzter das aussprach, ein wenig die Stirn. Ihm dämmerte, dass dieser scheinbare Misserfolg keinesfalls einer gewesen sein konnte. Was der Verhörspezialist im Schilde führte, ahnte er dagegen nicht. Selbst, wenn er die letzte Stunde nicht am Verhör hatte teilnehmen können, war sein Eifer für diese Ermittlung keineswegs erloschen. Er schien sogar motivierter denn je.

„Herr Sturmbannführer, wenn ich den Vorschlag machen dürfte: Ich denke, wir sollten die Nachbarin befragen. Diese Hedwig Kronberg -"
„Weiß von nichts. Sonst hätte sie uns ihren Namen nie so schnell verraten", wehrte Brandur ab. „Aber sie könnte uns noch nützlich sein."

Zufrieden beobachtete er, wie Ziona Aschkenasy mit dem Mann verschwand. Nicht mehr lange...

Ihm ging es bei diesem Spiel keinesfalls um ein sofortiges Geständnis. Was er erwartete, war sogar eine Täuschung. Eine große, raffinierte, die sie sich jetzt in der Dunkelheit zusammenbasteln würde, um sie ihm dann zu präsentieren. Je mehr sie log, umso besser. Die Wahrheit würde er schon herausfinden - dann, wenn sie sich in ihrem eigenen Netz aus Lügen gefangen sah und die Schlingen sich immer enger um sie zuzogen.

Ein letztes Mal warf er einen Blick zurück in den Verhörraum, wo alleine das zurückgelassene Geschirr darauf hinwies, dass er eben noch benutzt worden war. An einem Ort, an dem regelmäßig gequält wurde, machte dermaßen Alltägliches einen fast unnatürlichen Eindruck. Aber um Aschkenasy zu brechen, benötigte er keine Folterkammer.

Während sich Brandur Andersen seines Sieges bereits so gewiss war, ahnte er nicht, dass auch Ziona der Ausgang dieses Verhörs nicht unglücklich stimmte. Sogar ganz im Gegenteil. Die junge Frau lächelte innerlich, wenn sie daran dachte, für wie überlegen und undurchschaubar er sich doch hielt, während sie längst begriffen hatte. In seinen Augen war sie nichts weiter als eine kleine, verängstigte Jüdin - schwach, ein Untermensch, deren großartigen Herrenrasse unterlegen. Unterschätzung war einer der ältesten und größten Fehler.

Selbst ein Bauer konnte zur tödlichen Gefahr werden, wenn er die gegnerische Grundlinie unbemerkt erreichte und sich in eine Dame verwandelte. Ihrer befand sich auf dem Weg dorthin und der Sturmbannführer würde es nicht kommen sehen.

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