Eine gute und eine schlechte Nachricht - Trafalgar
Nach geschlagenen vier Stunden kamen Shachi und die Kid Piraten wieder mit der Hälfte der Sachen, die auf der Liste standen. Mehr hatten sie in diesem kleinen Dorf nicht gefunden.
Ich lehnte mich gegen die Wand meines U-Bootes und beobachtete meine Crewmitglieder dabei, wie sie die abgestellten Kartons ins Innere des Schiffes trugen. Jamie hatte ich derweil in Mitzuhikos Obhut gegeben, der konnte schon immer gut mit Kindern umgehen und so konnte Jamie auch direkt lernen, dass ihr Daddy nicht ständig Zeit für sie hatte. Je eher sie damit klar kam, dass die komplette Crew mal auf sie aufpasste, desto besser war es für uns und ich hatte wirklich keinen Nerv für übermäßiges Geschreie. Das würde ich in den nächsten Wochen sowieso ertragen müssen, aber wenn ich in ihr süßes Gesicht blickte, machte es den Stress wieder wett. Mittlerweile hatte sie auch ihre kleinen, süßen Augen geöffnet und ihre Augen strahlten in einem Goldfarbenen Ton. Etwas heller als die Augen ihres Vaters, aber sie ähnelten Kids Augen schon stark.
Das schlimme war, dass jedes Mal wenn ich sie sah, ich an den bescheuerten Dickkopf denken musste. Dieser Vollidiot, der nur auf meinen Frauenkörper scharf war und entweder nicht damit klar kam, dass er auf Kerle stand oder nur meine Situation ausgenutzt hatte. Aber jede dieser Möglichkeiten war wie ein Stich ins Herz.
Da war natürlich die Möglichkeit, dass er bei mir bleiben wollte, aber wenn dies der Fall wäre, dann hätte er sich schon längst bei mir gemeldet und das Gespräch gesucht. Jedenfalls schätzte ich Eustass Kid so ein.
Kaum dachte ich an ihn, kam er auch schon an Bord. In seinen Händen ein paar riesige Kisten, die knapp über seinen Kopf hinweg gingen. Ein Wunder, dass er es geschafft hatte bis zum U-Boot zu laufen, ohne 500 Mal zu stolpern. Als er allerdings die Kisten abstellte, sah ich eine Verfärbung an den Kartons. Sie schimmerten in einem matten rot und sahen noch ziemlich frisch aus. Genau in dem Moment, wo ich mich fragte woher die Verfärbung kam, drehte er sich so in meine Richtung, dass ich seinen Metallarm sehen konnte. Geschockt starrte ich auf das blutverschmierte Metall und bemerkte, wie barbarisch das Metall in seinen eigenen Arm gerammt wurde. Hatte er das selbst gemacht? Wie war das passiert? Wieso ist er nicht direkt gekommen, um die Wunde behandeln zu lassen? Ok, die dritte Frage war eher rhetorisch gemeint, denn ich wusste ganz genau, dass er schon fast allergisch auf einen Arzt reagierte.
Ich stieß mich von der U-Boot Wand ab und ging auf Eustass zu. Der hatte mich bereits entdeckt und setzte schon zu einer Entschuldigung/Rechtfertigung an, doch tat so, als ob es mich nicht interessieren würde. In Wirklichkeit brannte ich darauf die Geschichte zu hören. Ich wollte jedes Detail hören. Ich wollte wissen welche Schmerzen Eustass erleiden musste und ihm den Schmerz wegküssen. Ich wollte ihn in den Arm nehmen und ihn in Sicherheit wiegen. Doch ich musste dem inneren Drang widerstehen und zum Glück hatte ich auch genug Selbstbeherrschung. Ich konnte ja im Nachhinein Shachi befragen. Sie war schließlich mit ihnen unterwegs.
Ich zog den Vollidioten, der mein Herz gestohlen hatte ins Innere des Schiffes (ich konnte ihn schließlich keine Infektion bekommen lassen). Im Krankenzimmer angekommen drückte ich ihn wortlos aufs Krankenbett und streifte mir erst Einweghandschuhe über die Hände, bevor ich eine Pinzette, Watte und Desinfektionsspray neben dem Bett in einer Schale ablegte. Mit der Pinzette nahm ich ein Stück der Watte und sprühte Desinfektionsspray darauf. Ich fing an seine Wunden zu desinfizieren und bemerkte erst jetzt, dass er nicht nur einen blutverschmierten Arm hatte, sondern auch eine Wunde, die mitten durch die Brust ging. Was zur Hölle war auf dieser Insel passiert? Ich wünschte ich könnte es nachvollziehen, aber alles was mir seine Wunden verrieten war, dass sein Gegner nicht unbedingt schwach war. Er hatte auch jede Menge Prellungen am Körper und es bildeten sich schon ein paar blaue Flecken, die er natürlich gekonnt ignorierte. Auch sein Gesicht war auf der linken Seite leicht angeschwollen. Ich hatte also jede Menge zu tun.
Erst desinfizierte ich wirklich alle offene Stellen. Bei kurzen Blicken auf sein Gesicht sah ich, dass es ihm schon unangenehm war und es stark brennen musste, aber es war besser jetzt die Schmerzen zu ertragen, als eine eitrige Wunde am Körper zu besitzen. Die taten nämlich zum ersten mehr weh und konnten zum zweiten zum Tod führen, wenn man die nicht richtig behandelte... Wie konnte der Kerl all die Jahre ohne Schiffsarzt überleben?!
Nachdem ich alle Stellen gründlich gesäubert hatte, spritzte ich ihm eine örtliche Betäubung in den Arm und in die Brust. Ich konnte ein schmunzeln nicht unterdrücken, als er seinen Körper anspannte und sich offensichtlich wegen einer kleinen Spritze anstellte. Es war schon lustig mit anzusehen und ich merkte wieder, wie meine sadistische Ader sich einen Weg nach außen bahnte. Deswegen bin ich wahrscheinlich Arzt geworden. Um bei den OPs die Menschen leiden zu sehen. Das war schon etwas lustiger.
Ich wartete bis die Betäubung ansetzte und begann die Wunde an der Brust/ dem Rücken zuzunähen, damit nicht noch mehr Blut herauskam. Dann widmete ich mich seinem Arm. Ich wollte wieder meine Neugierde herunterschlucken, aber so schlimm wie sein Arm aussah, konnte ich mir die Frage nicht verkneifen.
„Was hast du gemacht, dass du so aussiehst?" brach ich das Schweigen und blickte in ein überraschtes, goldenes Augenpaar, was mich wieder stark an meine geliebte Tochter erinnerte. Warum musste sie ihm auch so ähnlich sehen?
„Hab mich geprügelt. Sieht man doch." War seine aufschlussreiche Antwort. Als ob ich mir das nicht hätte denken können. Ich rollte lediglich mit den Augen und schwieg wieder. Ich musste mich schließlich auf die OP konzentrieren. So vorsichtig wie möglich entfernte ich die in den Körper gerammten Metallteile und versorgte erst einmal die neuen Wunden. Dann schob ich die Teile wieder an die richtigen Stellen und verknüpfte sie mit Eustass Nervensystem, damit er nicht ständig auf den Arm starren musste, um zu sehen, wie er ihn grade mit der Teufelskraft bewegt hatte. Auch hier wusste ich, dass er noch große Schmerzen haben würde, aber im Nachhinein war es so besser. Also machte ich einfach ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Er würde es eh nicht verstehen.
„Kommt es mir nur so vor oder hast du eine leicht masochistische Ader? So viele Narben wie du am Körper hast." Brach ich wieder das Schweigen. Ich konnte kaum glauben, was er seinem Körper in diesem Kampf angetan hatte. Ich war nun fertig mit seinem Arm und verteilte noch etwas Salbe auf die angeschwollenen Stellen an seinem Körper.
„Maso-was? Ich mach das sicher nicht mit Absicht, wenn das gemeint war?!"
„Ja, so ähnlich." Gab ich mit einem kühlen Lächeln zurück. Ich versuchte meine Gefühlswelt so gut es ging zu unterdrücken, so wie ich es immer gegenüber fremden tat. Das jetzt auch in Eustass Gegenwart zu tun, brach mir zwar das Herz, aber es war besser, wenn wir distanziert blieben. Eine Sekunde erstarrte ich vor seinem Gesicht und unterdrückte den nun fast unerträglichen Drang ihn zu küssen. Mein Körper wollte nichts anderes, doch mein Kopf wusste, dass es ein Fehler wäre, ihn jetzt zu küssen. Und ich hatte schon einmal den Fehler gemacht und nur auf mein Herz gehört. Zwar ist dabei meine wundervolle Tochter entstanden und wenn ich sie ansah, bereute ich es in keinem Fall, doch jetzt war es an der Zeit, wieder neutral und objektiv die Situation einzuschätzen. Ich war sowieso mehr der Typ Mensch, der sich auf den Kopf statt seiner Instinkte verließ.
Eustass war auch in sich gekehrt und schien auch über die ein oder andere Sache nachzudenken. Wie gerne ich jetzt in seinen Kopf gucken würde. Ich wollte unbedingt wissen, was er dachte, doch ich hatte keine Chance in seinen Kopf zu gucken und einen Verhör wollte ich auch nicht beiwohnen.
Als ich fertig war, sah er an sich herunter und verließ wortlos den Raum. Ein ‚Danke' war anscheinend schon zu viel verlangt für meine Mühen. Aber was sollte ich schon erwarten. Er konnte mir schließlich nicht einmal eine einzige verdammte Frage beantworten.
Innerlich war ich grade am Heulen, doch nach außen die Ruhe selbst. Wieso musste ich mich verlieben? Und das ausgerechnet in einen rothaarigen Spinner?
Ich atmete tief durch, bevor ich das Krankenzimmer verließ und zu Jamie ging, die ihre eigene Kajüte bekommen hatte, direkt neben meiner, damit ich sie nachts direkt hörte. Als ich das Zimmer betrat, sah ich, wie meine Crew schon damit beschäftigt war, das Zimmer Kindgerecht einzurichten. Shachi war anscheinend auch so frei gewesen und hatte Wandfarbe und Wandsticker besorgt und so wurde ich von einer knallpinken Farbe fast erschlagen. An die erste getrocknete Wand wurden kleine pinke Feen und Kätzchen geklebt und auch das Kinderbett hatte mittlerweile eine knallpinke Farbe.
Als mich Bepo im Zimmer stehen sah, erklärte er mir, dass Jamie mit Mitzuhiko im Nebenraum waren. Immerhin hatten sie daran gedacht, dass das Kind die frische Farbe nicht einatmen sollte. Auch das Bullauge war geöffnet und ein leichter Luftzug durchfuhr den Raum.
Ich verabschiedete mich direkt von dieser skurrilen Szene und ging in den Nebenraum. Dort löste ich Mitzuhiko ab und nahm meine geliebte Jamie in den Arm. Als ich sie so in meinem Arm hielt, friedlich schlafend, wurde mir ganz warm ums Herz und ich konnte wieder lächeln. Auch innerlich ging's mir sofort besser, nachdem ich die kleine gesehen hatte.
Ich strich ihr über ihr feuerrotes Haar, welches von Mitzuhiko zu einer Palme gebunden wurde. Dieser Anblick war einfach zu niedlich. Vorsichtig um sie nicht zu wecken strich ich ihr über den Kopf und spürte wieder eine angenehme Wärme in mir. Dass ein Kind mein komplettes Leben auf den Kopf stellen könnte, hätte ich nicht in meinen kuriosesten Träumen ausmalen können. Doch mit jedem Tag war ich dankbarer, dass mir das Schicksal Jamie geschenkt hatte... Oder Eustass Junior, wie der rothaarige Vollidiot sie gerne nannte.
Mit Jamie im Amr schlief ich dann irgendwann ein. Ich wurde erst wieder von dem kleinen Menschen in meinem Arm geweckt. Sie schrie mich aus meinem Schlaf, da sie wohl Hunger hatte. Da ich zu faul war ein Fläschchen zu holen, schob ich meinen Pullover nach oben und ließ sie an meiner Brust nuckeln. Zufrieden trank sie die Muttermilch und ich sah ihr zufrieden zu.
Als ich mit Stillen fertig war und die kleine Jamie wieder schlief, ging ich mit ihr auf den Arm auf die Brücke, um nach dem Rechten zu sehen. Schließlich war ich immer noch der Captain.
Als ich die Brücke erreichte, kam mir ein fröhlicher Bepo entgegen.
„Captain! Ich hab eine gute und eine schlechte Nachricht!"
„Sei leise" fuhr ich ihn im Flüsterton an. „Jamie schläft"
„Entschuldigung."
„Nicht so schlimm. Also rück raus mit deinen Neuigkeiten."
Sofort hob der Bär seinen gesenkten Kopf und begann mit seinem Bericht. „Die gute Nachricht ist, dass wir in zwei Wochen auf Bartigo sein können. Wir haben Kontakt zum Bruder vom Strohhut aufgenommen. Der war zwar überrascht, aber freut sich anscheinend darüber, dass wir ihn besuchen kommen. Und die gute Nachricht daran ist, dass Ivankov definitiv auf Bartigo ist."
Ein Stein fiel mir vom Herzen. Nur noch verdammte zwei Wochen, dann hatte ich meinen geliebten Körper zurück!
„Naja und die schlechte Nachricht..."
Kritisch begutachtete ich meinen Navigator. Was war denn nun schon wieder das Problem?
„De schlechte Nachricht ist, dass der Strohhut dort auf uns wartet."
Ich hätte mir denken können, dass es nicht allzu einfach war, den Kerl loszuwerden.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro