-(••÷[ Kapitel 21 ]÷••)-
März, 1901
Kaiserreich Korea
Provinz Gyeonngi
Hongneung-Grabstätte
Ein schweres Gefühl der Trauer lag auf meiner Brust, als ich die Lichtung erreichte, wo meine Mutter begraben lag. Es fühlte sich merkwürdig an, nach so langer Zeit wieder hier zu sein. Im Laufe der Jahre hatte sich dieser Ort kaum verändert. Nur die Häuser und die Straßen, die darum herumführten, fehlten nun wieder gänzlich. Es war still. So ruhig, dass man die nachtaktiven Tiere hören konnte und jeden einzelnen Schritt, den ich auf das Grab zu machte, welches ein Grashügel war, der einer Halbkugel glich.
Als ich angekommen war, ließ ich mich vor ihrer letzten Ruhestätte auf meinen Hintern sinken, neigte den Kopf und schloss meine Augen. Die letzten Tage lasteten so schwer auf mir, dass ich das Gefühl hatte nie wieder aufstehen zu können, wie auch, wenn ich immer noch in diesem Körper gefangen war? Es hatte sich nichts verändert.
Es tut mir leid, Mutter. Ich war dir kein guter Sohn, habe auf ganzer Linie versagt. Bitte – gib mir die Kraft, die ich so dringend brauche, um das hier alles zu überstehen und wenigstens einen Weg zu finden, wie ich Jungkook wieder nach Hause bringen kann, auch wenn ich das nicht will, aber ich kann nicht dabei zusehen, wie er hier zugrunde geht. Sieh ihn dir an ...
Mein Blick schwenkte zu Jungkook, der in einigem Abstand zu mir bei Hoseok stand. Er wirkte zermürbt, abgemagert und erschöpft. Genauso wie Hoseok. Ich schnaufte leise, drehte mich zu dem Grab herum und sah hinauf.
Hoseok wollte direkt in die Hauptstadt, aber Jungkook konnte ihn davon überzeugen, dass mir der Besuch wichtig ist, nachdem ich es wieder vermasselt habe ... Manchmal ist es gruselig wie gut er mich versteht, obwohl ich mich nicht artikulieren kann. Ist das nicht verrückt? Ob wir wohl Seelenverwandte sind? Ich wünschte nur, dass dieser Fluch endlich nicht mehr wäre und ich eine echte Bindung zu ihm aufbauen könnte – ich weiß, Mutter. Ich habe es wieder nicht geschafft und das Armband hat mich nicht wieder zurückgebracht ... Mutter. Ich wünschte, du wärst noch hier und Miga ... ich vermisse euch so sehr ...
Mein Herz war so schwer, dass ich mich gänzlich auf den Boden sinken ließ, meine Schnauze auf meinen Beinen ablegte und auf den Erdhügel starrte.
Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie lange ich einfach nur vor dem Grab meiner Mutter lag und auch gedanklich schwieg. Ich hatte nichts mehr zu sagen, wollte einfach nur hier liegen und in Erinnerungen schwelgen. Doch als ich eine vorsichtige Berührung an meinem Kopf spürte, öffnete ich meine Augen und sah zu Jungkook, der sich gerade auf seine Knie begeben hatte, sich tief und mit auf die Erde gehaltenen Händen verbeugte, um ihr somit den nötigen Respekt zu erweisen. Er küsste sogar den Boden und auch Hosek tat es ihm gleich. Ich starrte die beiden lediglich an, solange, bis sie sich wieder erhoben. Hoseok nahm wieder Abstand, während sich Jungkook an mich wandte.
„Lass uns gehen. Wir wollen zum Morgengrauen in der Hauptstadt ankommen", bat er mich, doch ich schüttelte mich lediglich leicht, wandte meinen Blick ab und sah wieder auf das Grab. Ich wollte noch nicht gehen. Wir hatten doch die ganze Nacht. Es würde uns niemand hier finden. Uns würde niemand stören. Mich würde niemand stören.
„Bitte. Du wirst noch mehr Gelegenheiten haben mit deiner Mutter zu sprechen." Etwas an seiner Stimmfarbe versetzte mir einen Stich und als ich in sein Gesicht sah, bemerkte ich wie er sich selbst schnell die Träne aus dem Augenwinkel wischte. Verdammt.
Ruckartig erhob ich mich, drückte mich gegen Jungkook und spürte sogleich die Arme um mich, die mich fest an ihn zogen. Er vergrub sein Gesicht an meinen Hals und ließ mich seinen heißen Atem spüren, der mir ein Schauer über den Körper jagte. Es dauerte nicht lange, da löste er sich wieder von mir und wir gingen gemeinsam zu Hoseok, der bereits aufbruchbereit auf uns wartete. Er wirkte ungeduldig, vielleicht auch ein bisschen verärgert, aber das war er schon einige Tage, da ich unausstehlich geworden war und die letzten Kilometer zu einer Tortur gemacht hatte. Wie würde er sich denn fühlen, wenn er nach all der Zeit seine Chance erneut vermasselt hatte und das Leben wieder drohte an einem vorbeizuziehen, als würde man es nicht selbst leben? Ich hasste dieses Gefühl und ich weigerte mich verzweifelt dagegen es erneut erfahren zu müssen.
Ehrlich gesagt folgte ich ihnen nur noch, weil ich für Jungkook einen Weg zurück in seine Zeit finden wollte, auch wenn ich noch absolut keine Ahnung hatte, wie ich das anstellen sollte. Aber ich konnte ihn immerhin unterstützen und für ihn da sein – na ja, wenn man das derzeit so nennen konnte, denn gerade war er mehr für mich da als andersherum.
Den Rest des Weges beschritten wir schweigend und im Schutz der Nacht. Trotzdem erreichten wir das Haus, das außerhalb der Stadtmauern, aber direkt an dieser am Fuße des Berges Bukasan lag, erst im Morgengrauen. Hoseok öffnete uns die Tür des kleinen Häuschens, nachdem wir durch den kleinen Vorhof getreten waren und führte uns in das Innere. Es wirkte gemütlich und es würde sicher für uns reichen, vor allem, weil Hoseok in den nächsten Tagen zu seiner Ausbildung aufbrechen würde. Doch jetzt hieß es erst einmal sich von den Strapazen zu erholen und zu versuchen nicht völlig den Mut zu verlieren, was leichter gesagt als getan war.
⊱ ──── ⋅🐾⋅ ──── ⊰
„Dein Fell leuchtet unglaublich schön in dem Mondlicht", drang Jungkooks Murmeln an mein Ohr, doch ich wandte meinen Blick nicht vom Mond ab, der strahlend am Himmel stand und die Nacht erhellte, während Jungkook mir unaufhörlich durchs Fell kraulte. Es fühlte sich gut an, aber es half leider nicht dabei meine depressive Stimmung zu mildern. Es war bereits ein Monat nach meinem Geburtstag und das Armband hatte ich seitdem nicht mehr abgelegt. Auch der Besuch bei meiner Mutter hatte nichts verändert und seit Hoseok in seiner Ausbildung war, verbrachten Jungkook und ich sehr viel Zeit in dem kleinen Haus und vegetierten vor uns hin. Wir lebten einfach in den Tag hinein, erkundeten Stück für Stück die Gegend – also Jungkook erkundete, ich trottete mit gesenktem Kopf neben ihm her, oder blieb ‚Zuhause', wenn Jungkook es nicht schaffte mich davon zu überzeugen mitzukommen. Selbst um das Essen kümmerte sich ausschließlich Jungkook, weil ich absolut keinen Antrieb hatte.
„Ach Suga", hauchte er traurig, schlang seine Arme um mich und drückte sich an mich. Das tat er häufiger in letzter Zeit. Immer wenn er glaubte, dass er mich nicht mehr erreichte, oder wenn er traurig war. Wenn ihm das alles selbst zu viel wurde und er begriff, dass ich die Hoffnung bereits aufgegeben hatte. Wie sollte ich auch noch daran glauben können, dass mich das Armband wieder zurückbrachte, oder es mich plötzlich zurückverwandelte. Jungkook hatte die Vermutung geäußert, dass es vielleicht doch an dem Schaltjahr liegen könnte und ich erst im Jahr 1904 meine menschliche Gestalt zurückerlangen könnte, solange ich das Armband trug, doch so lange wollte ich nicht mehr warten. Es ging nicht mehr. Ich konnte und wollte einfach nicht mehr und ich war nicht dazu bereit erneut Jahre zu vergeuden.
Ich knurrte frustriert auf, riss mich aus der Umarmung los und sprang von der kleinen Veranda des Hauses. Ich hielt das nicht mehr aus. Die Nähe, die Sorge ... das alles und trotzdem wandte ich meinen Kopf zu Jungkook, der mich erschrocken ansah.
„Suga?", fragte er, doch ich schüttelte nur den Kopf, wandte mich ab und lief von dem Hof, ein Stück den Berg hinauf und sprang auf einen der Bäume, der halb über die Mauer ragte, die die Hauptstadt vor Eindringlingen schützen sollte. Ich kletterte so weit hinauf, bis ich mit einem Satz auf die Mauer sprang und mich auf diese sinken ließ, um von hier zu dem Mond aufzublicken und ihn zu beobachten. Er hatte sich im Laufe der Zeit überhaupt nicht verändert. Er war eine Konstante in meinem Leben gewesen, eine unabdingbare und wenn ich ehrlich war, fühlte ich mich zu ihm hingezogen. Vielleicht war es auch die Magie in mir, die sich mit diesem wunderschönen Gebilde verbunden fühlte. Wer wusste das schon.
Es war still geworden und die Nacht war nun gänzlich über die Stadt hereingebrochen, sodass ich wieder von der Mauer sprang, jedoch auf die andere Seite. Meine Pfoten trugen mich leise über den unebenen Boden Richtung Palast, wobei ich den alten Sitz meiner Familie, den Gyeongbokgung, schnell hinter mir ließ und im Schutze der Nacht zum Hauptsitz des Kaisers vordrang. Der Gyeongungung [Deoksugung] erstreckte sich direkt vor mir, trotzdem überwand ich mit Leichtigkeit die schützenden Mauern und konnte mich zum Thronsaal schleichen, der sich mittig auf dem Gelände befand.
Ich erinnerte mich an Momente, wie mein Vater mich vor allen Anwesenden blamiert hatte. Wie er sich über mich lustig gemacht hatte, weil ich mein Recht als Kronprinz eingefordert hatte. Ich war der erstgeborene Sohn. Es war mein Geburtsrecht und ich wollte es zurück. Immer noch. Doch in dieser Gestalt war es mir unmöglich, weswegen ich wenigstens ein einziges Mal in meinem Leben spüren wollte, wie es sich anfühlte auf dem Thron zu sitzen.
Es war für mich nicht besonders schwer in die unbewachten Räumlichkeiten einzudringen, da die Wachen an den Gemächern der Familie positioniert waren und an den Eingängen des Palastes. Wer war auch schon so irre und stahl sich in den Thronsaal, um mitten in der Nacht Kaiser zu spielen? Außer mir natürlich.
Als ich den Raum betrat umfing mich ein Kribbeln, welches langsam durch meinen Körper kroch und mir ein Gefühl der Zufriedenheit schenkte. Hier war niemand, der mir verbot mich auf den Thron niederzulassen. Keiner konnte mich stoppen mir diesen einen Wunsch zu erfüllen. Ich wusste noch, als ich als kleines Kind versucht hatte mich auf den Thron im Gyeongbokgung zu stehlen und immer wieder dabei erwischt worden war. Selbst als Miga Wache geschoben hatte, hatte ich meinen Wunsch nicht erfüllen können.
Ich schnaufte, sah an dem Podest in der Mitte des Raumes hinauf, auf welchem der Thron stand und durch einige Stufen zu erreichen war. Das Gefühl in meiner Brust schwoll an und die Ehrfurcht kroch durch meine Knochen. Dies war ein Augenblick, dem ich lange – sehr lange – entgegengefiebert hatte. Ich wollte es so sehr und doch wog jeder Schritt schwer, den ich auf die Treppen zu machte. Tatsächlich war ich überhaupt nicht mehr in der Lage anständig zu denken. Ich wollte nur noch hinauf, mich auf den weichen Polstern sinken lassen und meine Augen schließen. Ich bekam auch nichts um mich herum mit, blendete alles Unwichtige aus und konzentrierte mich einzig und allein auf den prachtvollen Thron. Alles, was danach geschehen würde, war mir egal. Von mir aus konnte ich dort oben auch sterben. Mein elendes Leben endlich beenden. Ich hatte lange genug gelebt. Hatte genug von der Welt – von Korea und der Zeit gesehen.
Nervös leckte ich mir über die Schnauze, setzte die linke Pfote auf die erste Stufe und schlich langsam hinauf. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und als ich mich, oben angekommen, auf den Thron sinken ließ, wich solch eine Last von meinen Schultern, dass ich noch etwas tiefer in die Polster sackte und meine Augen schloss.
⊱ ──── ⋅🐾⋅ ──── ⊰
Als ich sie das nächste Mal öffnete, traten die ersten Sonnenstrahlen in den Saal und Vögel zwitscherten ihr Lied. Ich musste eingeschlafen sein, weswegen ich mich ruckartig aufsetze, jedoch im nächsten Moment innehielt. Irgendetwas stimmte nicht. Etwas fehlte, aber vor allem war mir kalt. Mir war eiskalt. Augenblicklich schlang ich meine Arme fest um meinen Körper, zog meine Beine an und drückte mich so tief wie möglich in die Kissen. Es dauerte eine weitere geschlagene Minute, bevor ich begriff, dass ich kein Leopard mehr war. Dass mir kalt war, weil mich das dicke Fell nicht mehr schützte und dass ich splitterfasernackt auf dem Thron meines Vaters, dem Kaiser, saß.
„Wachen!", dröhnte plötzlich genau diese Stimme durch den Saal und ließ mich erschrocken zusammenfahren. Verdammt! Ich war noch überhaupt nicht auf diese Situation vorbereitet, geschweige denn bereit dazu meinem Vater gegenüberzutreten! Ich hatte nicht einmal darüber nachgedacht, wie er reagieren würde, wenn ich plötzlich vor ihm stand und ihn mit meinen Forderungen konfrontiere. Konnte ich das überhaupt? Durfte ich das? Würde ich überhaupt die Gelegenheit dazu bekommen, denn ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung wie mein Vater zu mir stand und die gerade aufkommende Situation machte es nicht leichter.
Die Wachen des Kaisers hatten den Thronsaal gestürmt und umstellten den Thron mit auf mich gerichteten Waffen. Schwer schluckte ich, während ich langsam meine Hände hob und sie hinter meinem Kopf verschränkte. Gleichzeitig erhob ich mich schwankend und versuchte dabei nicht die Stufen hinunterzufallen, die ich nun vorsichtig nahm.
„Eure Majestät, ich –"
„Schweigt!", fuhr er mich an und zeitgleich hob er seine Hand, mit der er ein Zeichen gab, dass mich die Soldaten festnehmen sollten. Sie folgten seinem Befehl direkt, packten mich unsanft an den Handgelenken und rissen mich zu Boden. Schmerzerfüllt keuchte ich auf, als ich unsanft mit dem Kopf auf den Holzboden knallte. Zusätzlich zischte ich, biss mir auf die Lippe und versuchte die Prozedur über mich ergehen zu lassen, wobei die Männer alles andere als sanft waren, als sie mir die Hände auf den Rücken banden und mich weiterhin auf den Boden hielten. Ein weiterer gequälter Laut verließ meine Kehle, als ich grob im Haar gepackt und mein Kopf in den Nacken gezogen wurde. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte ruhig zu atmen, was gar nicht so einfach war, wenn der ganze Körper drohte in Flammen aufzugehen.
„Schlagt ihm den Kopf ab!", donnerte Gojongs Stimme durch den Saal und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Er wollte was? Geschockt weiteten sich meine Augen, während ich wieder etwas Gefühl in meine Glieder bekam. Ich begann mich gegen den festen Griff zu wehren, der dadurch jedoch nur noch fester wurde.
„Eure Majestät! Das dürft Ihr nicht!", brach es verzweifelt aus mir hervor. Das konnte er nicht ernst meinen. Erkannte er denn sein eigenes Kind nicht wieder?
„Sofort!", gab er seinem Befehl Nachdruck und ich wurde auf meine Beine gezerrt, ohne dass jedoch meinen Füßen auch nur ansatzweise den Boden berührt hätten. Sie trugen mich einfach fort, obwohl ich mich mit Händen und Füßen wehrte. Ich war zu schmächtig, zu angeschlagen, weswegen mir nur ein letzter Versuch übrig blieb, um dieser Misere zu entkommen.
„VATER!", schrie ich daher aus Leibeskräften, kniff dabei meine Augen fest zusammen und knurrte missmutig.
„Vater! Das dürft Ihr nicht tun! Hört mich an! Ich flehe Euch an!", rief ich weiterhin verzweifelt, drehte dabei meinen Kopf immer wieder zum Thronsaal, in dem er zurückgeblieben war. Verflucht. So durfte es nicht zu Ende gehen! Nein das durfte nicht passieren! Doch niemand hielt den Lauf der Dinge auf. Stattdessen wurde ich erneut auf meine Knie auf den Boden gedrückt mit Blick auf meinen Vater, der nun wieder hinaustrat. Sein Blick war eisig.
„Eure Majestät, bitte! Ich kann alles erklären. Ich bin Euer Sohn. Seht mich an ... bitte, ich flehe Euch an", beschwor ich ihn, wobei ich die Tränen der Verzweiflung nicht mehr unterdrücken konnte. Er musste mich erkennen. Er musste mir diese Chance geben und als sich unsere Blicke trafen, schien sich etwas zu verändern.
„Ihr habt Euch unbefugt Zutritt zum Palast verschafft, habt Euch auf den Thron geschlichen und wagt es mir glaubhaft machen zu wollen, dass Ihr mein totgeglaubter Sohn seid?"
„Ich trage das Siegel ... das königliche Emblem ... ich bin Min Yoongi, Euer Sohn ... - argh ..." Meine hastig hervorgestoßenen Worte wurden von einem Schmerzenslaut unterbrochen, als ich noch tiefer gedrückt wurde, sich zwei Klingen über meinen Hals kreuzten und meine Arme nach oben gezerrt wurden. Ich hatte das Gefühl, dass sie mir die Arme auskugeln wollten, spürte aber zeitgleich, wie sie mir das Armband abnahmen. Mit einem zugekniffenen Auge konnte ich beobachten, wie sie es dem Kaiser brachten und dieser es betrachtete, in seinen Händen drehte und dann wieder zu mir sah.
„Ihr glaubt, dass das als Beweis ausreichen würde?", fragte er. Das Armband hielt er zwischen seinen Fingern, direkt in mein Blickfeld, während er mich argwöhnisch und mit einem düsteren Ausdruck bedachte.
„Dann seht mich an ... seht Eurem Erstgeborenen in die Augen und erinnert Euch was Ihr in der Nacht meiner Geburt zu meiner Mutter sagtet", brachte ich hervor, schluckte und befeuchtete mir die trockenen Lippen.
Es geschah einen langen Moment nichts, außer, dass mir meine Knochen noch mehr wehtaten und ich das Gefühl hatte, dass die Klingen mir Stück für Stück das Haar kürzten. Ich hatte sicherlich schon einige Strähnen einbüßen müssen und als mein Vater sich herabbeugte, mein Kinn grob umgriff, um meinen Kopf anzuheben, zischte ich schmerzerfüllt. Trotzdem erwiderte ich seinen Blick in meine Augen, während ich spürte, wie die Wachen etwas Druck von mir nahmen.
„Bringt ihn in den Kerker und gebt ihm Kleidung und Nahrung!"
„Nein ...", hauchte ich, spürte, wie die Klingen entfernt wurden und keuchte auf, als ich zurück auf die Beine gezogen wurde. Sofort wurde ich weggebracht, wobei ich versuchte noch Schritt zu halten, während ich immer wieder zu meinem Vater blickte, der jedoch bereits im Thronsaal verschwunden war. Sie zerrten an mir, schleiften mich die letzten Meter regelrecht über den Boden, da ich keine Kraft mehr hatte und meine Beine mir den Dienst versagt hatten. Ich war schwach geworden durch die letzten Monate, die wir in der Wildnis verbracht und in denen ich mich kaum bewegt hatte. Ich war erbärmlich, schaffte ich es doch nicht einmal meinen Vater davon zu überzeugen, dass ich sein Sohn war.
Ein schmerzerfülltes Stöhnen verließ meine trockene Kehle, als ich in den Kerker geworfen wurde und dabei unsanft auf den harten Boden fiel. Zumindest hatten sie vorher meine Hände von den Fesseln befreit, weswegen ich mich halbwegs abfangen konnte, doch viel brachte dies auch nicht mehr.
„Zieht das an!", befahl einer der Männer und warf mir schlichte Baumwollkleidung zu, die ich einsammelte. Als ich eingekleidet war, zog ich fest den Stoff um meinen Körper und trat an die Gitterstäbe, wo ich dem Soldaten fest entgegensah.
„Haltet Euch zurück. Seine Majestät wird ein gerechtes Urteil für Euer Vergehen fällen, habt nur ein wenig Geduld", sagte dieser, wobei sich kurz darauf ein hämisches Grinsen auf seine Lippen legte. Ich kannte solche Soldaten. Sie glaubten, dass sie etwas Besseres waren und doch waren sie lediglich die Sklaven des Kaisers, weswegen ich mich auch nicht von ihm eingeschüchtert fühlte und weiterhin seinen Blick erwiderte. Ich legte sogar meine Unterarme auf der Zwischenstrebe der Gitterstäbe ab und schob somit meine Hände hindurch, in die er nun eine Schüssel Reis legte und einen Becher Wasser. Ich nickte ihm kurz zu, wandte mich ab und ließ mich auf das Heu sinken, welches auf dem Boden lag.
Ein schweres Seufzen verließ meine Kehle, als ich endlich verstand was überhaupt geschehen war. So hatte ich mir mein Wiedersehen mit meinem Vater nicht vorgestellt. Ich nahm einen kräftigen Schluck von dem Wasser und widmete mich anschließend dem Reis, den ich in aller Ruhe aß, auch wenn ich innerlich fast verrückt wurde. Trotzdem leerte ich die Schüssel, sowie den Becher und stellte das Porzellan an das Bambusgitter, bevor ich mich zurück in den Dreck sinken ließ.
Der schwere Kloß in meiner Kehle schwoll immer weiter an, denn ich hatte absolut keine Ahnung was ich machen sollte. Die Situation überforderte mich vollkommen. Fahrig fuhr ich mir durch mein Haar, welches eklig fettig und dreckig war und rieb mir über den Kopf. Alles tat mir weh, ich fühlte mich abscheulich und als meine Hand das Halsband berührte, umfasste ich es, öffnete es und besah es mir, wobei meine Gedanken zu Jungkook glitten. Eine wohlige Wärme legte sich über mein Herz, während mein Zeigefinger über den goldenen Anhänger glitt. Hoffentlich ging es ihm gut. Es war eindeutig besser, dass er das hier nicht mitbekam, auch wenn ich ihn mir hierher wünschte, damit ich nicht allein war. Ich hatte mich zu sehr an ihn gewöhnt und hatte vergessen, wie man allein überlebte. Trotzdem war er derjenige, der mein Herz höher schlagen und Hoffnung in mir aufkeimen ließ. Nur wegen ihm würde ich all den Mut und die Kraft aufbringen können hier wieder heil herauszukommen. Ich musste, wenn ich zurück zu Jungkook wollte. Zurück in seine starke Umarmung, seinen wohligen Geruch und sein warmes Gemüt. Ich hätte nicht gehen sollen, doch wäre ich geblieben, wäre ich noch immer gefangen in einem Leopardenkörper.
⊱ ──── ⋅👣⋅ ──── ⊰
Ich wusste nicht genau ob zwei oder drei Tage vergangen waren, die ich dazu genutzt hatte über mein Leben nachzudenken. Jedoch war es die Stimme meines Bruders, die mich in die Realität zurückholte und mir klarmachte, dass ich den Fluch gebrochen hatte. Dass ich endlich wieder menschlich war und mich niemand mehr aufhalten konnte – auch der Kaiser nicht. Ich würde einen Weg finden und dann würde ich mir die Krone zurückholen. Den Platz, der mir zustand und für den meine Mutter ihr Leben gegeben hatte.
„Ihr seid also der Narr, der es wagt, sich als meinen großen Bruder Min Yoongi auszugeben?"
„Ja!", sagte ich mit fester Stimme und erwiderte Yi Taejins argwöhnischen Blick. Er musterte mich ganz genau und ich ließ es zu. Ich präsentierte mich ihm regelrecht und sah ihn dabei angriffslustig entgegen. Wir waren schon immer Rivalen gewesen und nichts hatte uns davon abgehalten uns zu messen, wenn wir die Gelegenheit dazu bekommen hatten. Er wusste das und er spürte es auch. Ich war mir sicher, dass er wusste, dass ich es wirklich war, doch der Ausdruck in seinem Gesicht, verriet nichts Gutes ... er würde mich verleugnen ... er würde mich wegen Hochverrat sterben lassen, nur damit er die Krone nicht verlor ... er würde alles dafür tun um gegen mich zu gewinnen – das war mein Tod.
Fortsetzung folgt ...
in ‚verfluchtes Menschenherz'
(¯'·.¸¸.·'¯'·.¸¸.-> Nachwort <-.¸¸.·'¯'·.¸¸.·'¯)
Hallo meine lieben und fleißigen Leser:innen,
mit diesem Kapitel beende ich dieses Buch. Ich weiß, dass ich euch mit vielen offenen Fragen zurücklasse, aber vor allem mit einem sehr offenen Ende, welches euch vielleicht nicht mehr ruhig schlafen lässt, aber ich verspreche euch, dass es schon bald weitergeht. Ich sitze schon eine Weile an der Fortsetzung, aber ich kann euch noch nicht sagen wann ich sie veröffentlichen werden.
Trotzdem hoffe ich, dass euch das Buch gefallen hat.
An dieser Stelle würde ich gerne Enem14 aus ganzem Herzen für ihre harte Arbeit als Beta und tatkräftige Unterstützung danken. Ohne sie wäre die Geschichte nur halb so gut und vor allem noch mit reichlich Fehlern bestückt.
Auch an Taelirium würde ich gerne noch einen großen Dank aussprechen. Sie hat zum einen das Cover gestaltet (die erste Version) und mir ebenfalls einige Tipps gegeben, wie die Geschichte im Ganzen auf sie wirkt und ob sie in sich rund ist und trotz des offenen Endes, die Hauptfrage klärt.
Auch euch danke ich für das fleißige Voten, Kommentieren und Empfehlen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass dieses Buch so viel Anklang gefunden hat und ich hoffe, dass auch die Fortsetzung gut bei euch ankommen wird, auch wenn der Fluch gelöst ist.
Ich freue mich darauf euch wiederzusehen und wünsche euch jetzt erst einmal eine schöne Zeit, denn ich werde mich jetzt in meinen wohlverdienten Urlaub verabschieden. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass ich euch auch bei meinen anderen Werken begrüßen darf. Schaut doch gerne rein. 😊
eure Nick [Hobi]
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