-(••÷[ Kapitel 10 ]÷••)-
Ende Februar, 2016
Südkorea
Provinz Gyeongsangnam
Stadtrand von Sancheong-gun
Der Druck auf meinem Mund war so präsent, dass ich glaubte zu ersticken und doch begann er seine weichen Lippen behutsam gegen meine zu bewegen. Mir schlug das Herz bis zum Hals und ich hatte absolut keine Ahnung wie ich darauf reagieren sollte. Hatte ich etwa recht mit meiner Vermutung? Das war doch Irrsinn! Außerdem, was sollte es bringen? Der Fluch wurde sicher nicht durch einen Kuss gebrochen. Märchen blieben Märchen und wurden sicherlich keine Realität, auch wenn es gewisse Parallelen gab. Trotzdem.
Ruckartig löste ich mich von Jungkook, stieß ihn dabei von mir und fuhr mir über den Mund, wobei ich jetzt erst bemerkte wie schwer ich eigentlich atmete.
„Was sollte das?", fragte ich ihn entgeistert, während er sich langsam wieder aufrappelte. Er hatte wohl das Gleichgewicht verloren und war zu Boden gegangen, was ich überhaupt nicht wahrgenommen hatte.
„Wie, was sollte das? Du wolltest doch, dass ich dich küsse." Er sah mich mit seinen großen Rehaugen an, was mir einen heißen Schauer über den Rücken jagte. Was zum Teufel sollte das hier eigentlich werden? Fahrig fuhr ich mir mit meinen Fingern in mein Haar und zog es hoch zu einem Zopf, doch bevor ich es irgendwie hochdrehen konnte, ließ ich es wieder fallen und begann endlich zu begreifen, was hier gerade passiert war.
„Scheiße ...", fluchte ich leise und fasste mir an die Unterlippe. Sie bebte leicht und mein Herz schlug mir wie wild gegen die Brust. Das war mein erster richtiger Kuss gewesen.
„Kannst du was fühlen? Ändert sich irgendetwas?", fragte Jungkook mich auf einmal, was mich irritiert zu ihm sehen ließ. Wovon zum Teufel redete er da eigentlich? Was sollte sich denn bitte ändern? Und warum verdammt wirkte er gerade wie ein aufgeregtes Kleinkind?
Ich war so verwirrt, dass es einige Minuten dauerte, bis ich endlich verstand, was er meinte, und schlug mir gegen die Stirn. Echt jetzt? Er glaubte? Nicht sein Ernst? Ich begann schallend zu lachen und hielt mir den Bauch, wobei mir am Rande auffiel, dass ich mal wieder splitterfasernackt vor Jungkook stand. Ach was sollte es. Als Leopard trug ich auch keine Klamotten, da war das jetzt auch nichts Neues.
„Hör auf zu lachen", schmollte Jungkook, was mich zu ihm sehen ließ. Er hatte sogar die Unterlippe vorgeschoben und eine Schnute gezogen, was extrem niedlich aussah. Ich hatte ihn noch nie schmollen sehen. Die riesigen Kulleraugen setzten dabei dem Ganzen noch die Krone auf.
„Entschuldige, aber es ist zu lustig, dass du geglaubt hast, dass ein Kuss den Fluch brechen würde."
„Einen Versuch war es wert", warf er direkt ein und wandte sich von mir ab. Er zog seinen Schreibtischstuhl heran und ließ sich auf diesen sinken, wobei er mir den Rücken zuwandte. War er jetzt tatsächlich eingeschnappt? Ich beobachtete ihn dabei, wie er weiter in dem Buch blätterte und scheinbar so tat, als wäre ich nicht mehr da. Na großartig. Ich seufzte, hob die Decke vom Boden auf und wickelte mich doch wieder ein. Kurz überlegte ich, was ich nun machen sollte, legte meine Hand dann aber auf seine Schulter und versuchte somit seine Aufmerksamkeit zu erhaschen.
„Hey. Es tut mir leid. Ich dachte du würdest es sowieso nicht tun, weil du mit Taehyung zusammen bist und ihn abgöttisch liebst. Ich meine. Ich bin nur dein Haustier ... irgendwie", plapperte ich drauflos und biss mir am Ende auf die Lippe. Okay, vielleicht sollte ich einfach den Mund halten.
Jungkook schwieg, ignorierte mich weiter, was mich leise seufzen ließ. Vielleicht hätte ich ihn nicht so auslachen sollen, schließlich versuchte er meine bizarre Geschichte zu glauben. Kurzerhand verzog ich mich aufs Bett und schob mich an das Kopfende. Die Decke schlang ich fest um mich, zog meine Beine an meinen Körper und beobachtete Jungkook. Eigentlich hatte ich dafür absolut keine Zeit, doch solange Jungkook schmollte und der Meinung war mich ignorieren zu müssen, kam ich nicht wirklich an ihn ran.
Ich wartete still, zuckte in dem Moment zusammen, als Jungkook das Buch ruckartig zuschlug und sich erhob. Dabei stemmte er seine Arme auf den Schreibtisch und starrte auf diesen. Was ihm wohl durch den Kopf ging?
„Ich mache uns Frühstück und du verlässt das Zimmer nicht! Dieses Mal hörst du gefälligst auf mich!", ermahnte er mich mit erhobenem Finger und sah mich dabei streng an. Er schimpfte mit mir, wie mit einem verdammten Kleinkind. Verflucht. Das fühlte sich komisch an. Trotzdem nickte ich und sah ihm kurz nach.
Fahrig fuhr ich mir übers Gesicht, kniff dabei fest die Augen zusammen und biss mir auf die Unterlippe. Wieso war ich nur so ein Idiot? Und warum bekam ich es nicht auf die Kette ihn anständig zu überzeugen. Ich seufzte schwer, sah mich einmal in dem Zimmer um und erhob mich. Die Decke ließ ich auf dem Bett zurück und trat an Jungkooks Kleiderschrank. Ich nahm mir eine frische Panty, ein Shirt und eine Jogginghose und zog mich an. Das Halsband legte ich andächtig auf die lederne Couch, die mir Jungkook zu Weihnachten geschenkt hatte. Tatsächlich hatte ich bisher nur selten auf ihr geschlafen, da ich meistens doch das Bett vorzog, oder unterm Bett eingeschlafen war. Häufiger verbrachte ich den Nachmittag darauf, wenn Jungkook da war.
„Was ist los mit dir Kooks? Was versteckst du, häh?", hörte ich deutlich Hoseoks Stimme, als ich mir gerade mein Haar aus dem Shirt zog. Verdammt. Kurz sah ich mich um und dann wieder zur Tür.
„Verpiss dich einfach, Hoseok. Echt jetzt. Ich habe null Bock auf deinen nervigen Hibbelarsch."
Hibbelarsch? Irritiert verzog ich die Brauen, bevor ich mich kurzerhand dazu entschloss unter das Bett zu krabbeln und dabei ein paar Klamotten von Jungkook an mich zu ziehen. Es lagen sowieso ein Haufen davon hier herum, weil Suga die ebenso gerne mochte. Ich musste grinsen, vergrub meine Nase darin und schloss meine Augen. Er roch einfach viel zu gut, das konnte ich selbst jetzt noch riechen.
„Boah Hoseok", brummte Jungkook, der es scheinbar nicht geschafft hatte seinen Bruder abzuwimmeln.
„Wo ist Suga?", fragte Hoseok vorsichtig, sah sich hektisch um und kontrollierte sogar das Badezimmer. Der Kerl war wirklich eine Marke für sich und so ein Idiot – zumindest in meinen Augen.
„Hast du jetzt genug gestalkt? Lässt du mich jetzt endlich wieder allein?", brummte Jungkook ungehalten und endlich schien sein Bruder zu begreifen und verzog sich lautstark. Warum war dieser Kerl immer so laut? Ich zog die Klamotten noch enger an mich und seufzte leise. Hier unter seinem Bett fühlte ich mich ausgesprochen wohl. Zu oft hatte ich mich hier unten schon verbuddelt und war stundenlang nicht herausgekommen.
„Suga?", hörte ich Jungkook auf einmal fragen, wobei ich meine Augen aufschlug und direkt in die braunen Rehaugen sah. Ich blinzelte leicht, schob dann die Klamotten von mir und krabbelte unter dem Bett hervor. Schnell strich ich mir die Kleider glatt und versuchte mein nun völlig wirres Haar zumindest etwas zu bändigen und wickelte es mir zu einem Dutt auf den Kopf. Kurz sah ich mich um, griff nach einem Stift und stopfte ihn durch mein dickes Haar. Sicherheitshalber steckte ich noch einen zweiten rein und ließ mich wieder auf das Bett sinken.
„Hattest du Angst?", fragte Jungkook, während er mir die Reisschüssel reichte, die ich nur missbilligend betrachtete und auf die Frage hin den Kopf schüttelte. Das war nur Gemüse und Reis. Ich brummte, nahm aber dankend die Stäbchen an und begann zu essen. Besser als nichts, aber trotzdem. Zu meinem sonst sehr fleischhaltigen Essen, war das hier ziemlich mau.
„Jetzt guck nicht so. Wir hatten nichts mehr da, außer einen Haufen rohes Fleisch und Hoseok ist mir in der Küche schon auf den Sack gegangen. Iss einfach. Ich besorge uns für später was Nahrhafteres."
Ich sagte nichts mehr dazu, sondern aß das was Jungkook uns mitgebracht hatte und danach suchte ich das Bad auf, um mich zumindest ein wenig frischzumachen. Erst als alle Bedürfnisse gestillt waren, saßen wir uns auf dem Bett gegenüber, während Jungkook seinen Laptop neben sich offenstehen hatte sowie einen Block und ein paar Stifte.
„Also. Du meintest vorhin, dass du einige Theorien aufgestellt hast. Willst du das genauer erläutern?", fragte Jungkook, dabei zog er sein aufgestelltes Bein an seinen Körper und legte sein Kinn auf seinem Knie ab. Irgendwie sah das unheimlich putzig aus und es wirkte nachdenklich.
„Heißt das, du glaubst mir?", fragte ich vorsichtig nach.
„Zu 60%, also bilde dir nichts drauf ein. Ich glaube dir erst, wenn ich es mit eigenen Augen sehe, wie du dich wieder in Suga verwandelst."
Ich nickte verstehend, griff nach dem Block und einem Stift und begann zu schreiben, was mir alles in den Sinn kam. Alle wichtigen Details und die Schmuckstücke zeichnete ich ihm auf. Ich war tatsächlich ein sehr guter Zeichner, hatte ich das doch immer sehr genossen, wenn ich damals mal die Zeit gehabt hatte mich kreativ auszutoben. Meine Brüder waren auf die Jagd gegangen und ich hatte Musikinstrumente gespielt oder hatte traditionelles koreanisches Papier mit Farbe besudelt – zumindest wurde es häufig so bezeichnet. Bestimmt existierten noch heute einige meiner Kunstwerke und wurden in Museen oder dergleichen ausgestellt. Vielleicht würde ich das eines Tages überprüfen können.
„Worüber denkst du nach?", fragte mich Jungkook neugierig, wobei ich meinen Blick hob und ihn ansah. Man merkte sofort, dass er deutlich interessierter war und er mir mehr glaubte. Bei einem Blick auf seinen Bildschirm, sah ich auch, dass er einige Artikel über Geschichte, Mythen und Legenden gelesen hatte.
„Darüber was ich früher, als noch alles in Ordnung gewesen war, gemacht habe. Neben dem vielen Training, dem Unterricht und der ganzen Politik und Wirtschaft, habe ich viel gemalt und Musik gespielt. Ich war gut und ich bin mir sicher, dass einige meiner Landschaftsbilder noch heute in Museen zu sehen sind ..."
„Willst du, dass wir in ein geschichtliches Museum gehen?", fragte Jungkook, woraufhin ich nur mit dem Kopf schüttelte. Dafür hatten wir keine Zeit. Wir hatten sowieso schon viel zu viel davon verschwendet.
„Diese Dinge wirst du allein machen müssen. Wir haben keine Zeit nach Seoul zu reisen, noch irgendwelche Besuche zu machen. Ich muss dir so viel wie möglich erzählen, damit du selbstständig weitersuchen kannst. Deswegen ...", ich unterbrach mich, hob den Block an und zeigte ihm dann die Gegenstände, die ich darauf gezeichnet hatte. Während ich ihm einiges dazu erklärte, notierte er sich etwas und nickte immer wieder verstehend, bis er seinen Kopf hob und mich mit überrascht aufgerissenen Augen ansah. Kurz darauf war er hektisch aufgesprungen und krabbelte unter sein Bett.
Was war denn jetzt los? Irritiert blinzelte ich, während mein Blick auf seinem hin und her wackelnden Hintern lag, der unter dem Bett hervorlugte. Ich verstand echt nur noch Bahnhof und als er triumphierend mit seinem Handy in der Hand wieder auftauchte, sah ich erschrocken zu ihm. Er wollte doch jetzt nicht doch die Polizei rufen, oder? Mein Herz schlug mir bis zum Hals und mein Griff um den Stift verfestigte sich.
„Was hast du vor?", presste ich hervor und beobachtete ihn mit Argusaugen.
Jungkook hingegen ließ sich breitgrinsend wieder auf das Bett sinken und widmete sich seinem Handy. Ich konnte nicht sehen, was er machte, erst als er es zwischen uns legte, sah ich, dass ein Aufnahmegerät auf dem Bildschirm abgebildet war und es begonnen hatte aufzuzeichnen.
„Ich nehme alles auf. Damit ich es nicht vergesse und ich es mir immer wieder anhören kann. Also bitte fang noch einmal von vorne an", erklärte er mir und so begann ich von vorne.
Wir redeten eine ganze Weile darüber, sinnierten was ebenfalls noch wichtig sein könnte und so erzählte ich ihm die ganze Geschichte so detailreich, wie nur möglich. Es fiel mir nicht leicht über den Tod meiner Mutter und schließlich auch den meiner Schwester zu erzählen. Ich verband damit die schlimmste Zeit meines Lebens, weswegen ich umso überraschter war, als Jungkook meine Hand nahm und sie begann zu streicheln. Ich wusste nicht was es zu bedeuten hatte, doch es half mir über die Geschehnisse zu sprechen. Ich erzählte ihm auch von der Zeit danach, wie ich orientierungslos durch China gestreift war und wie ich letztendlich den Weg zurück nach Seoul gefunden hatte. Wie ich akribisch die Tage verfolgt und auf meinen Geburtstag gewartet hatte und wie einfach nichts passiert war – außer dem Krieg, die Japaner und schließlich die Russen. Wie alles über uns hereingebrochen war und dann der erste Weltkrieg ... der zweite ... meine kurzzeitigen Rückverwandlungen und meine ständige Verwirrtheit darüber ... Wie ich öfter beinahe gestorben war und zum Schluss erzählte ich ihm von unserer ersten Begegnung.
Er hatte Mitleid mit mir und doch hatte er mir aufmerksam zugehört. Hatte kaum Fragen gestellt und mich einfach erzählen lassen, war zwischendurch was zum Trinken holen gegangen oder etwas zum Knabbern und hatte mir beigestanden. Hatte mir den Eindruck vermittelt, dass er mir wirklich glaubte – jedes Wort und das tat unglaublich gut.
„Danke", hauchte ich leise, lächelte dabei ehrlich und drückte seine Hand fester, die meine immer noch hielt.
„Wofür?"
„Dafür, dass du mir zugehört hast und mir glaubst ...", erklärte ich ihm und war wirklich erleichtert darüber, dass er nichts Gegenteiliges sagte, sondern einfach nur mein Lächeln erwiderte, die Aufnahme stoppte und mich dann in den Arm nahm. Überrascht schlang ich meine Arme um ihn und vergrub mein Gesicht an seiner Halsbeuge. Verdammt. Mir schlug mein Herz überraschend schnell gegen die Brust. Warum löste er nur solche Gefühlstsunamis in mir aus?
„Glaubst du, dass es einen Weg zurück für mich gibt? Aus diesem Fluch? Eine Chance wieder ein normales Leben zu führen?", fragte ich leise und war mir nicht sicher, ob ich die Antwort wirklich hören wollte. Ich drückte mich von Jungkook weg und fuhr mir schnell mit den Fingern übers Gesicht. Ich wusste nicht so genau woher die Tränen kamen, die mir so plötzlich in die Augen geschossen waren. Vielleicht war es diese Situation, oder einfach nur seine Nähe, die mich sentimental werden ließ.
„Hey. Wir bekommen das hin. Ich verspreche dir, dass ich alles Menschenmögliche tun werde, um dir zu helfen und dir dein Leben als Mensch zurückzugeben", versprach er mir, weswegen ich begann leicht den Kopf zu schütteln.
„Versprich mir bitte nichts, was du womöglich nicht halten kannst."
„Aber ich werde es versuchen, Yoongi und du darfst für den Rest meines Lebens bei mir bleiben. Ich werde dich nicht alleinlassen."
„Wirklich?", fragte ich überrascht. Schon wieder schlug mein Herz so schnell gegen meine Brust, dass ich meine Hand dagegen presste und tief berührt zu ihm aufsah. Er nickte und griff nach meiner Hand, die er behutsam mit seinen umschloss. Ich schluckte, befeuchtete mir nervös die Lippen und spürte deutlich wie meine Wangen zu glühen begannen.
„Wirklich. Du bist ein unglaublich großartiger Leopard. Als Mensch kenne ich dich vielleicht noch nicht richtig, aber als Suga hast du mir schon so oft gezeigt, wie sehr du mich respektierst. Wie du meine Nähe genießt und wie wohl du dich fühlst. Ich spüre deutlich, dass du gerne bei mir bist, und das bin ich auch, also warum soll ich dich wieder hergeben, hm?"
Ich schielte kurz zu ihm, spürte, wie er unsere Hände fest gegen seine Brust presste und wie er näher rutschte. Seine Nähe wurde immer präsenter. Mir wurde warm und ich wusste nicht, wie ich mit den ganzen einprasselnden Gefühlen umgehen sollte. Einerseits war ich total gerührt von seinen Worten und andererseits verletzten sie mich, weil er mich immer noch als Tier sah – als Leopard, der in sein Leben gestolpert war und alle vier Jahre mal zu einem Menschen wurde – Könnte ja lustig werden, wenn man solch einen Spielgefährten hatte. Verdammt. Ich wandte meinen Blick schnell ab und entzog ihm meine Hand.
„Habe ich was Falsches gesagt?", fragte Jungkook direkt besorgt, wobei ich bemerkte, dass er näherkam. Ich hob meine Hand und hielt ihn auf, indem ich mit meinem Kopf schüttelte.
„Was ist dann los?"
„Was bin ich für dich, Jungkook?", fragte ich so leise, dass Jungkook es scheinbar nicht verstand und mich deswegen sein fragender Blick glatt durchbohrte, doch ich konnte meine Frage nicht wiederholen. Ich konnte nicht zu ihm Aufsehen. Der riesige Kloß in meinem Hals verhinderte, dass ich über meinen Schatten springen konnte. Stattdessen zog ich mich noch weiter zurück, umklammerte meine Beine und rutschte gegen das Kopfende des Bettes.
„Hey, sag doch. Was ist los? Soll ich dich alleinlassen? Komm, ich besorge uns etwas leckeres zu Essen. Es ist doch heute dein Geburtstag, also mache ich dir was auch immer du möchtest. Was ist dein Lieblingsessen, hm?", fragte er mich, wobei ich natürlich bemerkte, dass seine Sorge echt war und dass er meine Gründe nicht nachvollziehen, geschweige denn verstehen konnte. Wie auch? Er hatte keine Ahnung wie es war in einem Leopardenkörper gefangen zu sein und immer wieder erleben zu müssen, wie man abgewiesen wurde. Wie man verletzt, oder im Stich gelassen wurde. Jungkook kannte mein Leben nicht, auch wenn ich ihm ausführlich davon erzählt hatte. Es war nur eine Geschichte für ihn. Eine, die er niemals richtig begreifen würde.
„Yoongi?", fragte Jungkook etwas lauter, weswegen ich fragend zu ihm aufsah und mir schnell über meine Wangen fuhr. Verdammt. Ich war schon wieder am Heulen. Was musste der Kerl von mir denken? Ich war echt die größte Heulsuse der Welt und merkte es nicht einmal richtig.
„Was möchtest du essen, Yoongi?", wiederholte er seine Frage.
„Steak. Rare", nuschelte ich schnell und presste meine Lippen danach fest aufeinander. Das schien ihm zu genügen, denn wenig später war er aufgestanden und hatte das Zimmer verlassen. Hatte mich alleingelassen mit meinen wirren Gefühlen, die keiner verstand. Selbst ich nicht. Vielleicht war es besser so, wenn wir beide etwas Zeit bekamen über all das hier nachzudenken. Für mich mochte das alles normal sein – meine Geschichte, weil ich schon so lange damit lebte, doch der Kuss ... Ich wusste immer noch nicht, ob ich es toll finden sollte, oder ob es mich abschreckte. Die Art wie er mit mir umging, wie er mich berührte, mich hielt und mit mir redete – es ließ mein Herz schneller schlagen und ich wusste, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte. Es sollte so nicht sein. Jungkook war an Taehyung vergeben und sie waren glücklich. Sie liebten sich – zumindest glaubte ich das - und ich? Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, dass Jungkook mich jemals als den Menschen sah, der ich wirklich war. Der ich sein wollte.
Was sah er in mir? Was war ich für ihn? War ich wirklich nur das coole Haustier, was sich sonst keiner zu halten traute? War ich nur hübscher Ausdruck für seine Liebe zu Großkatzen? Oder war ich seine heimliche Versuchung? Jungkook hatte mich schon häufiger seinem Freund vorgezogen, hatte mich vor ihm verteidigt und ließ mich fast jede Nach bei ihm im Bett schlafen, selbst wenn Taehyung hier war. Was bedeutete das alles und hatte Jungkook vielleicht bereits geahnt, dass ich nicht der war für den ich mich ausgeben musste? Das glaubte ich nicht. Das war absurd – aber vielleicht hatte er es tief in seinem Inneren gespürt. Die Verbundenheit, die Anziehung, oder bildete ich mir das alles nur ein?
Schwer seufzte ich, fuhr mir über mein Gesicht und löste meine Umklammerung endgültig. Bevor ich mir weiter den Kopf über Jungkook zerbrechen konnte, zog ich seinen Laptop zu mir und versuchte mich selbst an einer Suche nach meinen ehemaligen Besitztümern, meiner Vergangenheit und der Wahrheit, die mich in dieser Welt hielt.
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