Kapitel 52 - Löwenmutter
Minerva McGonagall stand am Fenster ihres Büros und beobachtete, wie Severus Snape mit seinem Sohn das Schlossgelände verließ. Sie seufzte. Die Hauslehrerin von Gryffindor fühlte sich für den Jungen verantwortlich. Sie hatte ihn im Arm gehalten kurz, nachdem Lily und James gestorben waren. Sie schauderte, wenn sie daran dachte, was sie in Severus' Erinnerung gesehen hatte. Ein Kind, das auf schlimmste Art und Weise misshandelt und gedemütigt wurde. Dann noch all die Sachen, die der Junge in Hogwarts erleben musste, sein Selbstmordversuch und der Tod seines Paten. Das alles sollte kein Kind je erleben, aber Harry hatte es erlebt. Er hatte nie wirklich Kind sein können. Aber nun hatte er eine Familie, zwei liebende Väter und einen Freund. Doch die letzten Wochen und Monate hatten gezeigt, wie fragil und zerbrechlich das kleine Glück war. Nein! Dachte die Lehrerin, der Junge hatte endlich Glück verdient - wirkliches Glück und wenn es sein müsste, dann würde sie die Sache selber in die Hand nehmen. Entschlossen nickte sie, drehte sich auf dem Absatz um und verließ mit wehendem Umhang das kleine Büro.
Das Schloss war so gut wie leer. Die wenigen Schüler, die hier blieben, waren inzwischen in den Gemeinschaftsräumen. Das Abendessen war vorbei und eine winterliche Stille erfüllte die Korridore. Minerva lief einige Treppen empor, bevor sie vor den steinernen Wasserspeiern zum Halten kam.
»Zuckerstange!«, sagte sie und die Statuen gaben den Eingang zum Büro des Schulleiters frei. Sie trat in den Raum. Albus Dumbledore saß hinter seinem Schreibtisch und sah auf, als Minerva das großzügige Büro betrat.
»Albus wir müssen reden!«, der Direktor legte das Buch, in welchem er gelesen hatte zur Seite und setzte sich auf.
»Sicher Minerva. Setz dich doch bitte. Einen Tee?« Die Lehrerin nickte und nahm gegenüber des Weißhaarigen platz. Der Direktor goss sich und Minerva Tee ein und sah sie erwartungsvoll an.
»Es geht um Harry...«, sagte sie knapp. Albus nickte verstehend.
»Hast du in den letzten Wochen, seit er aus dem Koma erwacht ist, mal mit ihm gesprochen?« Wollte sie nun wissen.
»Was genau meinst du? Ob ich alleine mit ihm geredet habe? Nein nicht wirklich, es scheint so, als würde Severus ihn...sagen wir, von mir fernhalten.«
»Warum sollte er das tun?«, fragend sah Minerva zu Albus. Der stand auf und lief rastlos auf und ab.
»Nun er ist der Meinung, dass ich der Prophezeiung zu viel Bedeutung zukommen lasse. Er will nicht das sein Sohn...na ja...also auf jeden Fall, um deine Frage zu beantworten, nein ich habe nicht mit Harry gesprochen.«
»Weißt du von seiner Beziehung zu Draco Malfoy?«, der Weißhaarige lächelte.
»Minerva ich bin alt aber nicht blind. Ich darf dich daran erinnern, dass ich auch einige Male auf der Krankenstation war, als es Harry schlecht ging. Natürlich weiß ich davon. Ich kann sagen, dass ich einigermaßen überrascht war.«
»Überrascht? Die beiden haben viel gemeinsam durchgemacht, mich hat das weniger überrascht.« Warf Minerva ein. Irritiert sah der Direktor sie an.
»du weißt doch von dem Selbstmordversuch?«, langsam nickte Dumbledore.
»Weißt du auch, dass es Draco war, der Harry gerettet hat?«, Albus zog eine Augenbraue nach oben und nahm wieder Platz. Minerva lachte bitter und schüttelte den Kopf.
»Albus als Umbridge hier herrschte, schickte sie ihr sogenanntes Inquisitionskommando nachts durch die Schule. Sie drohte ihnen damit ihre Eltern nach Azkaban zu schicken, wenn sie nicht mitmachten. Auf einer seiner Rundgänge entdeckte Draco Harry auf dem Astronomieturm - weinend und halb erfroren. Er redete mit ihm, tröstete ihn und brachte ihn schließlich wieder rein. Ich will sagen, ohne ihn wäre Harry in dieser Nacht wohl gestorben. Die beiden verbindet etwas und es ist viel stärker, als wir denken«, eine Weile blieb es still zwischen der Hauslehrerin und dem Direktor.
»Nun gut das wusste ich nicht, aber ich vermute, das ist nicht das, was du mir sagen wolltest!?«, ergriff Albus irgendwann wieder das Wort.
»Nein durchaus nicht, aber ich möchte, dass du etwas verstehst...«, sagte Minerva, stand auf und ging zum Kamin. Dann sah sie wieder zu dem Weißhaarigen.
»Du weißt inzwischen natürlich, aus was für einem Leben, Severus den Jungen befreit hat...«, ihr Blick war vorwurfsvoll. Der Direktor verzog keine Miene, aber die Lehrerin sah deutliche Schuld in den Augen des Mannes.
»Er hat fünfzehn Jahre gelitten und in diesem Sommer hat er eine Familie gefunden und seine Liebe. Aber trotz allem leidet er noch und Draco genauso.« Wieder blickte Albus fragend zu der Lehrerin.
»Was meinst du?«
»Ich bitte dich Albus. Dir muss doch aufgefallen sein, wie dünn die beiden geworden sind? Ich meine Harry war nie besonders kräftig aber Draco?! Er wirkt wie ein Geist. Er war mehrere Male bei Poppy, weil er einfach umgekippt ist. Sie können nicht zu ihrer Liebe stehen, müssen es verstecken. An Halloween hat Severus organisiert, dass sie in Hogsmeade einige Minuten sprechen, sich nah sein konnten. Ich war da Albus. Ich habe gesehen, wie sehr sie leiden, wenn der andere nicht in der Nähe ist. Es war furchtbar.« Sie brach ab und sah den weißhaarigen ernst an.
»Aber sie könnten dazu stehen. Sicher es würde einige Unruhe geben, aber das müsste es ihnen doch wert sein.« Wieder schüttelte die Lehrerin verständnislos den Kopf.
»Albus was denkst du denn? Wenn Draco Malfoy öffentlich zu Harry Potter steht, was würde wohl du-weißt-schon-wer sagen? Lucius Malfoy ist ein Spion und seit Severus das Mal nicht mehr hat, steht er auf der Abschussliste des Lords ganz oben. Zumal sein Sohn nicht als Todesser taugt. Er würde ihn mit Sicherheit töten oder ihn zwingen Harry auszuliefern...«, seufzend setzte sich die Lehrerin wieder auf den Stuhl. Albus sah sie über die Gläser seiner Halbmondbrille besorgt an.
»Dir liegt viel an ihm!« Minerva sah auf.
»Dir auch dachte ich bis jetzt.«
»Minerva natürlich liegt mir viel an dem Jungen. Auch wenn du es vielleicht nicht glaubst, aber ich mache mir Vorwürfe, weil ich nicht gesehen habe, wie schlecht es ihm ging, wie sehr er gelitten hat. Ja ich war wütend, als Severus ankündigte, nicht mehr als Spion arbeiten zu wollen, aber es war der erste Reflex. Ich...ich habe keine eigenen Kinder aber ich hatte so viele hier in den Jahren und jeder einzelne Schüler ist mir wichtig. Bei Harry war es immer anders. Ich fühlte mich für ihn verantwortlich, weil ich sie...weil ich James und Lily nicht beschützen konnte. Aber Minerva ich verstehe nicht, wie ich ihm helfen soll mir Draco glücklich zu werden...«
Der Weißhaarige war wieder aufgestanden und stand nun neben Fawkes, sanft strich er dem Phönix durch das scharlachrote Gefieder.
»Wenn Lucius Malfoy, das dunkle Mal nicht mehr tragen würde, dann wäre er frei. Malfoy Manor ist besser geschützt als Hogwarts, das weißt du Albus. Dort wären sie sicher. Ich weiß es ist viel verlangt aber...« Ihr Blick wanderte zu dem Phönix. Albus hielt inne und sah Fawkes lange an.
»Minerva dies liegt nicht in meiner Hand. Fawkes hat seinen eigenen Kopf. Er spürte Harry Verzweiflung und er ist dem Jungen treu ergeben. Darum hat er ihm geholfen. Aber ich kann ihn nicht einfach um seine Tränen für Lucius Malfoy bitten. Ich fürchte, ich kann Dir, was das angeht nicht helfen. So leid es mir tut«, McGonagall erhob sich und trank schnell ihren Tee aus. Dann wandte sie sich zum Gehen.
»Ich verstehe Albus. Entschuldige, dass ich dich gestört habe.« Sie drehte sich zur Tür und spürte plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter.
»Minerva was das angeht, bin ich wirklich machtlos. So sehr ich es mir auch wünschen würde, den beiden zu helfen. Du verstehst das doch?«, ohne sich umzudrehen, nickte die Lehrerin knapp und war aus dem Büro verschwunden.
Tief seufzend ließ sich der Direktor in den Sessel vor dem Kamin sinken. Der Phönix sang ein trauriges Lied, flog durch das Zimmer und landete auf der Sessellehne. Gedankenverloren strich Albus durch das Gefieder.
»Ach Fawkes. Ich würde Harry wirklich gerne helfen, auch wenn Minerva das sicher anders sieht. Was meinst du? Du magst den Jungen doch, oder? Seinen Paten von dem dunklen Mal zu befreien, das würde vielleicht vieles gut machen, was ich versäumt habe«, der Phönix legte den Kopf schief, es schien fast so, als würde er nachdenken. Plötzlich fing er wieder an das traurige Lied zu singen und eine einzelne Träne lief langsam seinen Schnabel hinab.
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