
Kapitel 10 - Der einzige Weg
Die beiden Jungen hatten inzwischen den Park erreicht. Das Anwesen war riesig. Harry konnte sich kaum sattsehen. Er atmete die warme Sommerluft ein und hatte das erste Mal in diesem Sommer das Gefühl frei und in Sicherheit zu sein. Es gab alte hohe Bäume neben angelegten Beeten mit den schönsten Blumen. Trotzdem sah alles irgendwie aus, als hätte die Natur es genauso gewollt. Amüsiert beobachtet Draco seinen Freund. Er wusste nicht genau, was Harry alles erlebt hatte, aber im Moment sah er so aus wie ein Kind im Süßigkeitenladen. Seine Augen leuchteten und trotzdem sah man ihm an, dass er noch nicht wieder richtig gesund war. Obwohl die Sachen, die Harry trug, an ihn angepasst wurden, wirkte die dünne Gestalt darin irgendwie verloren. Seine Haut war fahl und unter den Augen waren tiefe Ringe, zusehen. Sanft zog Draco den Grünäugigen etwas weiter über eine große Wiese direkt zu dem kleinen See in der Mitte des Anwesens. Dort auf der Wiese unter einer Kastanie lag eine Decke und ein Korb mit Kürbissaft und Sandwiches stand darauf.
»Scheint, als wäre Mum der Meinung, für den ersten Ausflug sei das weit genug.« Grinsend ließ sich der junge Malfoy auf der Decke nieder. Erschöpft und schwer atmend setzte sich Harry neben ihn. Der Weg war gar nicht mal so weit, er konnte das Manor noch immer groß hinter sich aufragen sehen. Trotz allem war Harry völlig am Ende. Umso dankbarer war er für die Decke unter dem Kastanienbaum. Besorgt sah Draco ihn an.
»Alles gut? Du siehst ganz schön blass aus?!« Er reichte seinem Gegenüber eine Flasche Kürbissaft.
»Geht schon. Scheinbar mag mein Körper noch keine längeren Spaziergänge.« Dankbar griff der junge Gryffindor nach der Flasche. »Tut mir leid!« Schuldbewusst sah der junge Malfoy zu seinem Freund. Schnell schüttelte dieser den Kopf und lachte.
»Alles okay, Draco! Wirklich, ich weiß ja selber noch nicht, was ich schon aushalte«.
Eine Weile saßen die beiden Jungen nun still nebeneinander, hörten den sommerlichen Geräuschen zu und hingen ihren Gedanken nach. Als Erstes sprach Draco wieder. Er hatte noch immer ein schlechtes Gewissen und wollte nun endlich etwas loswerden.
»Harry ich wollte Dir schon die ganze Zeit sagen, dass es mir leid tut...also, dass ich Onkel Sev und Regulus alles gesagt hab. Aber ich...« Draco Stimme brach. Harry sah ihn erstaunt an, dann legte er seinen Arm um die Schulter des Slytherin.
»Hey, Draco hör auf damit, es ist alles in Ordnung ohne Dich und Ron und Hermine wäre ich nicht mehr hier. Verstehst Du das? Ich wäre gestorben in dieser Nacht. Also hör bitte auf, Dich fertigzumachen! Du hast mir damals auf dem Astronomieturm schon mal das Leben gerettet. Ich wär wahrscheinlich einfach in der Kälte sitzen geblieben und wer weiß vielleicht wäre ich erfroren. Draco Malfoy ich danke Dir für alles. Und ich entschuldige mich jetzt offiziell für alle Spitznamen und Anfeindungen« Harry lächelte Draco aufmunternd an. Er wusste, was er ihm zu verdanken hatte und nach den Jahren der Feindschaft, war die Freundschaft mit Draco nach der mit Ron und Hermine das Beste in seinem Leben.
Seit Weihnachten fragte er sich immer wieder, wie es wohl gewesen wäre, wenn er und der Slytherin sich bereits im ersten Jahr angefreundet hätten? Ein Lächeln huschte über Dracos Gesicht.
»Gut Potter ich nehme Deine Entschuldigung an. Aber glaub nicht, dass Du so billig davon kommst. Ich will nämlich etwas, und zwar, dass Du auch meine Entschuldigung annimmst. Ich war nicht besonders nett in den Jahren und versprich mir, dass Du meiner Mutter nie sagst, dass ich Dich mal hinter Deinem Rücken verhexen wollte.« Harry brach bei dem Gedanken an diese Geschichte in Gelächter aus und hielt sich schon bald seine Rippen.
»Bei Merlin Draco hör auf mich zum Lachen zu bringen. Meine Rippen halten das noch nicht aus. Aber ja ich verspreche es und nehme Deine Entschuldigung an. Übrigens warst Du als Frettchen ganz niedlich!« Draco sah ihn gespielt beleidigt an, begann dann aber auch breit zu grinsen.
»Schön, wenn Dich das belustigt hat. Weißt Du Harry, vielleicht ist es nicht zu spät für Dich zu lernen, was wirklich leben ist.« Harry sah auf den See, auf dem einige Enten ihre Runden drehten. Schmetterlinge umflogen die beiden Jungen und in der Ferne am Waldrand konnte man einen Hirsch samt Hirschkuh und Kalb ausmachen. Eine Weile sah der Junge-der-lebt auf das friedliche Bild und kam nicht umhin Draco recht zu geben.
Zur selben Zeit betraten Regulus und Severus das Arbeitszimmer von Lucius Malfoy. der blonde Zauberer saß hinter seinem Schreibtisch und studierte einige Pergamente. Auf der Couch vor dem obligatorischen Kamin saß Narzissa und las den Tagespropheten, als die beiden Männer den Raum betraten, sahen die Malfoys auf. Narzissa legt die Zeitung zur Seite. Lucius beendete seine Arbeit und setzte sich neben seine Frau. Mit einem Schwenker seines Zauberstabes erschienen Tee und Sandwiches auf dem Kaffeetisch. Während sich der junge Black zu seiner Cousine und deren Mann setzte, trat der Tränkemeister an das große Fenster und sah hinunter in den weitläufigen Park. Die Jungen hatten gerade die Decke erreicht. Besorgt sah Severus, dass sich Harry offenbar erschöpft niederließ. Einem inneren Drang folgend wäre er am liebsten hinuntergelaufen.
»Es geht ihm gut Sev, er braucht nur noch etwas Schonung. Komm, setz Dich zu uns. Draco passt schon auf.« Narzissa war neben den Dunkelhaarigen getreten und tätschelte ihm die Schulter. Sie spürte, was in dem dunkelhaarigen vorging. Der Angesprochene folgte ihr nun zögernd zur Sitzecke. Er schenkte sich Tee ein und ließ sich neben Regulus auf der zweiten Couch nieder. Nachdenklich sah Lucius zu den beiden Männern.
»Also, was hast Du gesehen Sev?« Seufzend rieb sich der Tränkemeister die Augen.
»Ich glaub kaum, dass ich das alles erzählen kann aber hier...« Er zog ein Fläschchen mit einer silbrigen Flüssigkeit aus seiner Hosentasche. »...seht es Euch an, aber ich warne Euch, es ist nicht schön.« Langsam nahm Lucius Malfoy das Fläschchen, stand auf und öffnete einen Schrank hinter seinem Schreibtisch. Dort befand sich sein Denkarium. Vorsichtig gab er den Inhalt des Fläschchens in Selbiges. Seine Frau und auch Regulus waren nun neben ihn getreten. Die drei Zauberer tauchten nach kurzem Zögern gemeinsam in die Erinnerungen von Severus Snape ein. Als sie nach gefühlten Ewigkeiten wieder im Arbeitszimmer standen, konnte Narzissa ihre Tränen nicht zurückhalten. Lucius, in dessen Augen ebenfalls Tränen der Wut schwammen, nahm seine schluchzende Frau in den Arm. Regulus war blass und nahm die Phiole, die Severus ihm reichte dankbar entgegen. Es dauerte einige Minuten, bis sich die Drei wieder einigermaßen gefasst hatten. Obwohl es noch Vormittag war, schenkte sich Lucius einen Feuerwhiskey ein. Narzissa klammerte sich an ihre Teetasse und Regulus starrte gedankenverloren in die Flammen des Kamins.
»Wie kann man einem Kind...einem Menschen nur so etwas antun. Es grenzt an ein Wunder, dass er solange überlebt hat!« Lucius Malfoy hatte den Whiskey einem Zug geleert und stellte das Glas vor Wut und Schock zitternd auf den Tisch. Narzissa sah zu Severus: »Er darf nie wieder dorthin zurück. Severus wir müssen das verhindern. Der Junge hat es verdient, endlich glücklich zu werden!« Ihre Stimme bebte. Lucius nahm die Hand seiner Frau und drückte diese. Der Tränkemeister stand auf und ging wieder zum Fenster. Bedrückt sah er nach unten, wo die beiden Jungen inzwischen ausgestreckt auf der Decke lagen.
»Du hast schon einen Plan, oder?« Regulus sprach das erste Mal seit Minuten. Noch immer wandte der Tränkemeister den Blick nicht von den Kindern im Park.
»Schon«, sagte er zögernd.
»Aber nun betrifft es mich nicht mehr alleine. Ich hatte diesen Plan, seit ich ihn aus dem Haus geholt habe aber eine solche Entscheidung kann ich nicht ohne Dich treffen!« Mit seinen letzten Worten hatte er sich zu dem jungen Heiler gedreht. Lucius grinste nun breit und Narzissa sah irritiert zwischen den beiden Männern hin und her. »Heißt das...?« Wollte sie wissen. Kaum hatte Severus leicht genickt, fand er sich schon in einer innigen Umarmung der blonden Hexe. Auch Regulus erfuhr diese Behandlung. Inzwischen hatte sich Severus wieder neben seinen Partner gesetzt. Der sah ihn nun mit schief gelegtem Kopf an.
»Du willst ihn adoptieren, oder?« Erstaunt sah ihn der dunkelhaarige an, nickte dann aber.
»Sev«, sagte Regulus sanft, »Natürlich wirst Du Harry adoptieren. Du wärst ein toller Vater...«
»Und Du eine tolle Stiefmutter...« Die Teetasse verfehlte nur ganz knapp Lucius Kopf. Die Erwachsenen brachen in Gelächter aus und für einige Momente waren alle Sorgen vergessen. Schon bald wurden sie wieder ernst.
»Ich hab zwar gute Kontakte im Ministerium und auch zum Minister aber ich glaube kaum, dass ich es schaffe sie zu überzeugen. Zumal Dumbledore sicher Einwände hätte. Immerhin ist der Junge in einem Jahr volljährig.« Lucius kratzte sich nachdenklich am Kopf.
»Ich dachte an eine andere Art der Adoption. Mir ist klar, dass Harry bald volljährig ist, aber er braucht trotz allem Schutz und vor allem anderen braucht er eine Familie jemanden zu dem er gehört auch noch, wenn er 17 ist.« Severus brach ab, unruhig lief er Raum auf und ab.
»Ich versteh das Sev, aber an was dachtest Du genau? Moment meinst Du eine Blutadoption? Bei Merlins Teetasse, Du weißt, wie kompliziert das ist und Du weißt, dass Du dann mit Harry noch einmal zu diesen Muggeln musst. Bist Du Dir sicher?« Lucius sah ungläubig zu seinem besten Freund. Regulus blickte seinen Partner erstaunt an. Blutadoptionen waren sehr selten. Man benötigte die Zustimmung des Vormundes oder auch des noch lebenden Elternteils und natürlich die des zu Adoptierenden. Eine Blutadoption konnte nicht erzwungen werden und sie war unumkehrbar. Ein Teil der Gene des Adoptierenden geht auf das adoptierte Kind über. Es würde sich verändern zwar meist nicht wesentlich aber immerhin. In den letzten Jahrhunderten gab es nur eine Handvoll solcher Adoptionen in der Zauberwelt. Snape sah eine Weile in die Flammen dann zu Regulus.
»Ich bin mir sicher und ich denke, auch Lily hätte das gewollt und...vielleicht sogar Pott...James. Es ist die einzige Option und ich bin mir zu hundert Prozent sicher.« Der junge Heiler küsste seinen Partner kurz innig und nickte dann: »Tu es, wir werden Dich unterstützen aber es sollte schnell passieren bevor das Ministerium oder Dumbledore überhaupt merken, dass der Junge nicht mehr bei Onkel und Tante ist. Sprich mit ihm – jetzt!« Der Tränkemeister nickte lächelnd, ging zur Tür und drehte sich noch mal zu den Malfoys und Regulus: »Ich danke Euch!« Die drei Angesprochenen nickten kurz und Severus Snape verließ den Raum, um sich auf den Weg in den Park zu machen.
Regulus trat ans Fenster und sah nun auch hinunter zu den Jungen, die noch immer auf der Decke lagen und sich offenbar unterhielten. Plötzlich legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter.
»Ihr schafft das schon! Harry ist ein toller Junge und Severus auch und Regulus, falls Du ihm wehtust, muss ich Dich leider umbringen.« Lucius grinste den Heiler verschlagen an.
»Keine Angst Lucius ich liebe ihn und wir werden dafür sorgen, dass der Junge die Familie bekommt, die er nie hatte.« Das malfoysche Familienoberhaupt grinste nun noch breiter und boxte Regulus sanft gegen die Schulter: »Du liebst ihn? Hä!« Dieser warf entnervt die Arme nach oben.
»Bei Merlin Lucius, würdest Du das bitte lassen!«
»Nur wenn ich Trauzeuge sein darf?!« Schnell duckte sich der blonde, bevor ihn die nächste Teetasse fast treffen konnte. Narzissa griff kopfschüttelnd nach der Zeitung während ihr Mann und ihr Cousin sich balgten wie Schuljungen.
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