Kapitel 7
Severus Snape stand verdattert an der Tür und spürte leichte Wut in ihm aufkochen.
Wie konnte er nur glauben, er hätte Gefühle gegenüber diesem zickigen, penetranten, kleinen Biest?!
Doch wieder meldete sich eine andere Stimme in seinem Kopf: „Trotzdem kam sie auf dich zu, Severus. Was erwartest du noch von den Menschen?
Du bist psychisch am Ende! Du brauchst Hilfe! Wieso nimmst du sie nicht an?"
Er hörte wieder Albus deutliche Worte in seinem Hinterkopf:
„Severus, auch du wirst irgendwann befreit sein und Liebe finden. Du musst dich nur öffnen."
Musste er dies nun tun? Seine menschlichen Emotionen bereiteten ihm solche Angst, dass er plötzlich keuchend an der Tür zusammen sackte. Als Todesser hatte er gelernt, seine Emotionen über Jahrzehnte lang zu verbergen – egal ob es Zorn, Trauer oder Freude war – er war emotionslos geblieben.
Nur so fiel man nicht auf und passte sich der dunklen Seite an. Nur so hörten die Gedanken irgendwann auch – die schrecklichen Gedanken, welches Leid man den Menschen antut.
Er war einfach mehr als abgehärtet. Schon fast innerlich tot.
Hatte er gedacht. Aber nun FÜHLTE er wieder. Er fühlte! Und er hatte keine Ahnung, was der Auslöser dafür war. Vielleich musste er – wie so oft – einfach nur Albus Worten vertrauen.
Hermine hatte Recht gehabt – mit fast allem was sie gesagt hatte. Aber nur fast.
Wie sie mit den Lehrern und Schülern umging – das war ja wohl ganz allein seine Sache! Sie als frischgebackene Professorin hat keinerlei Schimmer, wie Schüler einem auf der Nase rumtanzen konnten!
Keinerlei! Mit ihrer lieblichen Art und ihrem Status als „liebe und nette Professorin von Hogwarts" würde sie bald noch ordentlich auf die Nase fallen.
Schon öfter hatte er gehört, wie Schüler sich darüber unterhielten, dass man in Professor Grangers Unterricht tun und lassen konnte was sie wollten – wenn man sie erwischen würde, dann wäre die Strafe sowieso nie schlimm.
Doch auch wenn er versuchte, wütend auf Hermine zu sein – ihr Besuch und ihre Sorge lösten in Snape deutliche Gefühle aus. Freude und Herzklopfen – er fühlte sich beinahe wie ein kleiner Schuljunge, der das erste Mal verliebt war!
Immer noch auf dem Boden sitzend, rappelte sich Snape langsam wieder auf. Er stützte sich mit den Händen ab und erfasste die Türklinke, zog sich hoch und klopfte seine Kleidung zurecht. Immernoch hatte er seinen schwarzen Mantel mit Kragen, darunter ein weißes Hemd und seine schwarze Hose an – seine Hogwarts Uniform, wie Dumbledore immer so schön gesagt hatte.
Dumbledore. Snape seufzte, während er die Tür hinter sich schloss und in sein Wohnzimmer ging. Er vermisste ihn wirklich.
Hermine hatte in vielerlei Punkten Recht gehabt – er war oft genervt und ließ diese Emotion an seinen Mitmenschen aus. Über ihr Argument, er suche nach einem Gesprächspartner der sein Niveau besäße, hatte er noch nie nachgedacht. Bei genauerer Betrachtung erschien es ihm jetzt jedoch glasklar. Er stempelte fast jeden als einen Dummkopf ab – egal ob Schüler, wie z.B. dieser Murray aus Gryffindor oder Lehrer – Professor Flitwick, den kleinen Wicht oder auch Pomona Sprout – Hauslehrerin von Huffelpuff. Oft hatte er sich gefragt, wie sie ihr Studium bestanden hatten, wenn einer der beiden mal wieder einevöllig unangebrachtes oder unlogisches Kommentar von sich ließ.
Nie hatte er die Menschen um sich herum toleriert oder sich gar eingehend mit ihnen beschäftigt. Bis vor dem Kampf und Albus Tod, war er sowieso zu beschäftigt gewesen und da ihm niemand vertraut hatte und jeder geglaubt hatte, er wäre ein Spion der dunklen Seite, war ihm das auch nicht wichtig gewesen.
Snape legte nun seinen Mantel ab, zog sich ein weißes T-Shirt über und lief unruhig umher. Sein Wohnzimmer grenzte direkt an die Wohnungstür, davon gingen ebenfalls noch drei weitere Zimmer ab. Sein Schlafzimmer, in dem er lediglich ein Doppelbett und einen Kleiderschrank stehen hatte, ein Badezimmer, das groß und geräumig war – darin befand sich eine große Badewanne, eine Dusche, Toilette und ein Waschbecken. Snape legte, trotz seiner tristen Kleidung und seinem eher langweiligen, dunklen Outfit, Wert auf ein gepflegtes Äußeres und befand sich gerne in dem sterilen Bad – mit weißen Wänden und hellen, kühlen Fliesen. Die dritte Tür war sein angrenzendes Büro, das einen dicken Eichentisch aus dunklem Holz, einen Stuhl und ein riesiges Bücherregal beherbergte.
Hier korrigierte er die Arbeiten der Schüler und holte sich ab und zu ein neues Buch, dass sein Regal schmückte.
Ebenfalls las Snape viele Muggel Bücher – Shakespeare, Goethe, Kafka, Brecht...
Er liebte oft die Ansichten der Muggel Professoren und Autoren – ihre Denkweise war sehr erfrischend! Auch wenn er keinen Kontakt zu Muggeln hatte, da sie ihm auf einer anderen Ebene einfach zu dilettantisch wirkten.
Seine Küche grenzte an sein Wohnzimmer und bestand nur aus einem Kühlschrank, einer Arbeitsplatte und einem Herd.
Generell waren die Wände grau und dunkel gestrichen – es gab eigentlich fast keine Farbe in seinen Gemächern - außer in seinem Schlafzimmer. Über dem Bett zog sich ein langer, breiter, roter Streifen Farbe – quer über die komplette Wand.
Dumbledore hatte diesen Streifen immer sehr gemocht.
Nun saß Snape halb umgezogen auf seinem Sofa – sein Weinglas stand auf einem kleinen Tisch, „Der Name der Rose" von Umberto Eco lag halb aufgeschlagen daneben, doch Snape konnte sich nicht konzentrieren.
Wenn Hermine wirklich aus Besorgnis zu ihm gekommen war – dann hatte er sich ziemlich daneben benommen. Wenn er das nicht wieder grade biegen würde, dann wäre die Chance auf eine Freundschaft oder gar mehr, wohl völlig vertan.
Noch war er sich über seine angehenden Gefühle sehr unsicher – vielleicht war es vielmehr die überrollende Einsamkeit, die ihn denken ließ, Hermine Granger könnte Lily Evans – seine Lily – ablösen. Der Gedanke daran war schon mehr als abwegig! Fakt war jedoch – Hermine war intellektuell auf einem hohen Niveau, also eigentlich genau das wonach er suchte. Sie ließ sich nicht auf primitive Freundschaften ein und suchte sich immer Bekanntschaften, die ihr ebenfalls zusagten, was Snape des Öfteren beobachtet hatte.
Sie war sehr hübsch – ihre Augen waren wunderschön, ihr langes, krauses Haar, welches ihr bis zu den Schultern ging und ihre kleiner, schlanke Statur. Zudem hatte sie ihn mit ihren Worten berührt – anscheinend waren ihre Gedanken schon vorher um sein Wohlergehen gegangen.
Doch Snape rang immer noch mit sich. Hermine war schon toll – aber zudem auch sehr jung!
„Du musst sie doch nicht gleich heiraten.", hörte er Albus Stimme plötzlich in seinem Kopf und konnte nicht anders als zu lächeln.
Ja, genau das würde Dumbledore nun sagen. Mit seiner optimistischen Art und seinem beschwingten Verhalten, hätte er Snape wohl persönlich mit Hermine verkuppelt und dabei mit seinen kristallblauen Augen zu ihm gesagt:
„Aber das du sie mir ja nicht verkorkst, Severus!" und dabei hätte er fröhlich glucksend eine Tasse Tee getrunken und wäre zufrieden gewesen.
Endlich traf Snape eine Entscheidung – er muss als Nächstes den Schritt wagen.
Und zwar noch heute!
Ohne groß darüber nachzudenken, trank Snape das Glas Wein – das komplett gefüllt war – mit einem Schluck aus und sprang von seinem Sofa.
Er packte sich seinen Zauberstab – den er immer bei sich trug – und verließ seine Wohnung.
Die dunklen Gänge von Hogwarts waren mit Fackeln geschmückt und in den Korridoren hingen der Reihe nach Bilder, die lebendig waren und um diese Zeit schon schliefen.
Snape schlich leise die Treppen zu seinem Kerker empor und kam nun vor der großen Halle aus.
Kurz überlegte er, wo Hermine seine Wohnung hatte. Dafür hatte er sich noch nie interessiert, doch ein Gedanke kam ihm plötzlich, über Minervas Gespräch mit Potter. Sie hatten darüber diskutiert, wieso Potter nicht in den Westflügel kam – näher an die Schlafgemächer der Gryffindors. Nun würde er weit weg – im Ostflügel – wohnen. Da Snape wusste, dass die beiden sicherlich nicht weit auseinandern wohnten, ging er erstmals in den Ostflügel zu den Lehrerwohnungen.
Dort wurde er auch schnell fündig. Hermines Wohnung befand sich tatsächlich nur einen Korridor weiter von Potters Wohnung.
Zögerlich ging Snape nun langsam – erste Zweifel kamen ihm auf.
Und wenn er sich nun tatsächlich zum Affen machte?
Schnell schüttelte er den Gedanken ab.
Vor ihrer Tür angekommen, atmete er noch einmal tief durch und schloss kurz die Augen. Angst und Verärgerung, über seine Angst, kamen ihm auf. Wie sollte er denn überhaupt sagen, was er zu sagen hatte?
Nein Stopp – was WOLLTE er eigentlich?
Bevor er überhaupt weiter nachdenken konnte, machte seine Hand sich erneut selbstständig und klopfte dreimal laut an die Tür.
Hermine stand grade unter der Dusche, als sie beim Shampoo auftragen ein Klopfen an der Tür hörte.
Harry war aber ganz schön früh – eigentlich hatten sie sich erst in einer halben Stunde verabredete, da sie noch ein Schülerprojekt besprechen wollten und Harry ihr den Brief über Rons Antwort mitbringen wollte.
Hermine war sehr aufgeregt – zwar würde sie nie mehr als Freundschaft für Ron empfinden, aber ihn als besten Freund verloren zu haben, war wohl fast genau so schlimm, wie eine zerstöre Liebe.
Sie hatten so viel durchgemacht, so viele Jahre. Und nun war ihre Freundschaft komplett zerstört – aufgrund einer gescheiterten Beziehung.
Sie vermisste ihn so. Seine humorvolle und tollpatschige Art – alles an ihm.
„Herein!", rief Hermine laut, damit Harry sie auch hörte, was aber kein Problem darstellte, da die Tür des Badezimmers fast an die Wohnungstür angrenzte.
„Ich dusche grade, du kannst schonmal ein Glas Wein einschütten!", rief Hermine hinterher.
Dann begann sie summend sich abzuduschen. Ob sie mit Harry wohl über Snapes Gespräch reden sollte?
Snape wartete draußen vor der Tür und hörte kurz darauf ein „Herein".
Verunsichert blieb er stehen. War die Tür schon auf? Wieso ließ sie, ohne nachzufragen, einfach so jemanden in ihre Wohnung?
„Naja.", dachte Snape. Wer sollte auch schon schlimmes in ihrer Wohnung wollen?
Also schloss er die Tür auf und diese knarrte laut, weswegen er Hermines „Ich dusche grade, du kannst schon mal ein Glas Wein einschütten" Ruf nicht hörte.
Oh Mann, diese Tür musste mal geölt werden! Als er diese hinter sich schloss, blickte Snape auf ein rotes Sofa, mit einem roten Sessel und einem Glastisch im Wohnzimmer. Bücher, Pergamentrollen, Federn und ihr Zauberstab lagen darauf - typisch Hermine.
Doch sie war darin nirgendwo zu sehen – vielleicht war sie in der Küche – weshalb er unschlüssig am Eingang stehen blieb. Dort wartete er nun.
Hermine hatte sich unterdessen abgeduscht und wollte grade aus der Dusche gehen, als sie „es" bemerkte.
Sie schrie auf – Panik durchströmte ihren Körper, gelähmt vor Angst blickte sie „es" gegenüber. Ihr Zauberstab war im Wohnzimmer, sie war völlig entwaffnet und „es" war schon immer Hermines größte Phobie gewesen.
Snape hörte den plötzlichen, lauten, angsterfüllten Schrei – der ihm durch Mark und Bein ging.
Sofort reagierte er – der Schrei kam aus der angrenzenden Tür zur Wohnungstür.
Er stieß sie mit voller Wucht auf und stürzte ins Badezimmer – zu der in ein Handtuch eingewickelten Hermine, die schreiend in der Dusche stand und ihre Hände vor ihre Augen hielt.
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tbc
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