Kapitel 5
Sie beharrte darauf, dass sie sich dies nur eingebildet hatte, doch seine Reaktion und eine Stimme in ihrem Kopf waren sich hundertprozentig sicher.
Ihr Essen war von ihrer Gabel gefallen und sie starrte immer noch auf den Ausgang, den Snape vor kurzem verlassen hatte.
„Mine? Ist alles okay?", fragte Harry sie besorgt und fasste ihr an die Schulter.
Hermine erschrak und drehte sich zu ihm um.
„Ja, klar, ich habe nur...", stotterte sie und fasste sich nun wieder. „Ja, ich war grade nur in Gedanken."
„Achso, okay.", meinte Harry und nickte.
Beide widmeten sich wieder ihrem Essen und Harry erzählte noch ein wenig von seinen Ferien, seinen Begegnungen mit Kreacher und von ein paar Gesprächen mit Mr. Weasley – der für Harry fast wie ein Vater war.
Hermine hörte ihm zu und nickte, war jedoch in ihren Gedanken bei Snapes merkwürdigem Verhalten.
Sein rauschender Abgang und das ganze Starren gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf, Snape sah für sie – erschreckenderweise – plötzlich so verletzlich aus!
So hatte sie Professor Snape, Severus Snape, noch nie erlebt.
Fast spürte sie Mitleid mit ihm, doch auch noch ein anderes Gefühl breitete sich in ihr aus. Besorgnis. Snape sah wirklich nicht gut aus, wenn sie die Geschehnisse genauer reflektierte, sah er blasser als sonst aus, seine grauen Strähnchen in seinem pechschwarzen Haar unterstrichen den Eindruck Hermines noch zusätzlich. War er krank?
Hermine wusste nicht genau, wieso sie das überhaupt interessierte, aber ihre Empathie und Hilfsbereitschaft – die einfach ihren Charakter auszeichnete – ließen ihr wohl oder übel keine andere Wahl.
Da Hermine fast fertig mit ihrem Essen war, fasste sie einen Entschluss.
Sie würde Snape einen kleinen Besuch abstatten, auch wenn sie sich sicher war, dass er sie abwimmeln würde.
Zwar waren sie seit über einem Jahr Kollegen, aber er hatte sie nie anders behandelt, wie damals, als sie noch Schülerin war.
„Na ja, sonderlich interessiert an einem Gespräch mit mir, scheinst du ja nicht zu sein.", rümpfte Harry etwas beleidigt die Nase.
Sie war schon drauf und dran ihm zu erzählen, was sie beobachtet hatte und wieso sie sich über Snape Sorgen machte, ließ den Gedanken aber schnell wieder fallen.
Harry würde es sowieso nicht verstehen, zwar war er wirklich nicht mehr auf dem Kriegsfuß mit Snape, aber seine Gesellschaft widerte ihn dennoch an.
Jahrelange Antipathie konnte man eben nie ganz ablegen und Snape legte es ja auch wirklich nicht groß darauf an. Er war so unfreundlich wie immer, auch wenn er ein klein wenig Respekt Harry gegenüber zeigte.
Er würde es Hermine sofort Ausreden, wenn sie vorschlug Snape einen Besuch außerhalb der Schulzeit und aus einem rein privaten Grund abzustatten.
Und sonst würde er sie vermutlich nicht alleine zu dem „Monster im Kerker" gehen lassen und würde darauf beharren, sie zu begleiten und das fand Hermine, war ein gruseliger Gedanke. Dann würde Snape sich niemals ihr gegenüber freundlich verhalten und außerdem war das, was sie da eben bemerkt hatte, wohl ein wirklich sehr privater Grund, den Hermine nicht einfach ausplaudern wollte.
Vielleicht ging es dem Zaubertrankmeister wirklich schlecht und vielleicht würde er Hermines Hilfsbereitschaft auch dankend annehmen – wo sie sich aber nicht sehr sicher war.
„Nein, tut mir leid Harry. Ich bin nur ziemlich in Gedanken.", antwortete sie deshalb nur und trank ihr Butterbier aus.
„Aha, und über was?", fragte er neugierig nach. „Über einen Typen?!"
Hermine wurde rot. Wieso wurde sie rot?
„Nein, quatsch! Harry, wen denn bitte? Professor Flitwick?"; lachte sie und versuchte von ihrer Röte abzulenken.
„Hmrpf.", machte Harry nur, nicht sehr überzeugt. „Hast du denn in den Ferien keinerlei männlichen Kontakt gepflegt?", fragte er trotzdem interessiert nach.
Hermine lachte auf. Seit Ron und diesem Desaster und der verlorenen Freundschaft, hatte sie wirklich nie darüber nachgedacht, einen anderen Mann zu treffen. Sie war auch überhaupt nicht daran interessiert.
„Nein, Harry. Wirklich nicht, ich habe gelesen, Vorbereitugen für das Schuljahr getroffen, meine Eltern besucht und ebenfalls dich und Ron.", sagte sie zu ihm und zwinkerte.
Harry nickte zufrieden.
„Dann bin ich aber froh! Ich möchte dich ja nicht nochmal teilen, Mine.", sagte er halb im Spaß, halb im Ernst.
Hermine zog überrascht die Augebrauchen hoch. War das grade ein Flirt?
„Wie meinst du denn das?", frage sie Harry.
„Naja.", meinte er verlegen und blickte auf seinen Teller. „Als du mit Ron zusammen warst, musste ich dich schon teilen und habe die Gespräche zwischen uns vermisst – du weißt schon, nach dem Endkampf hatten wir ein paar tolle und intensive Gespräche, die mir sehr geholfen haben und als du dann vor zwei Jahren mit Ron zusammen kamst, wurden diese immer weniger und das habe ich .. vermisst.", vollendete er den Satz und schaute sie voller Erwartung an.
Hermine war überrascht, von so viel Offenheit und über seine selbstbewusste Art, normalerweise war Harry immer sehr zurückhaltend und ruhig. Aber sie war auch erleichtert – er meinte es wirklich nur rein freundschaftlich.
„Ja, da hast du Recht. Das tut mir leid, Harry. Du weißt – ich bin immer für dich da!", antwortete sie beruhigend und liebevoll und Harrys Blick wurde weich.
„Danke, Mine. Ich doch auch immer für dich.", sagte er und beide umarmten sich.
Als Hermine sich aus dessen Umarmung löste, bekam sie einen eisigen Blick von Jane Harper zugeworfen und kicherte.
„Harry, ich glaube du solltest vielleicht mal mit Miss Harper über eure „rein platonische" Freundschaft reden.", flüsterte sie ihm grinsend zu und er bekam grade noch rechtzeitig den Blick mit, der von eisig in missbilligend umgeschwungen war.
Nun stand sie selbstbewusst auf, schob ihren Stuhl an den Tisch und lief, etwas arrogant, von dannen. Harry lachte und verdrehte nur die Augen.
„Da ist nichts, Mine!", meinte er.
„Wie dem auch sei – vielleicht sollte sich da etwas entwickeln. Du bist auch schon lange alleine und das ist eigentlich gar nicht deine Art.", meinte Hermine besorgt.
Harry nickte nur abweisend.
„Bist du fertig?", fragte er.
Sie nickte. Beide standen auf und verabschiedeten sich von den Lehrkräften – die beiden lächelnd zuwinkten.
Als sie aus der großen Halle gingen, fiel Hermine plötzlich wieder Snape ein.
Da sie aber in Begleitung von Harry war, ging er erstmal mit ihr zu ihrer Wohnung.
Sie umarmten sich beide und Harry lief den Korridor hoch, zu seiner eigenen Wohnung.
Hermine wartete bis er um die Ecke verschwunden war und lief dann wieder nach unten, vorbei an der großen Halle und hinunter in den Kerker.
Ihr Herz schlug immer schneller – zwar war ihr Snape heute netter aufgefallen, die jahrelange Abneigung und sein zynischer, boshafter Charakter machten ihr dennoch etwas Angst. Snape konnte ganz schon ausrasten.
Nun stand sie vor seiner Wohnung und ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit – war das wirklich eine gute Idee gewesen?
Wahrscheinlich würde er gar nicht aufmachen und wenn doch, dann würde er ihr die Nase vor der Tür zuknallen. Er war eben einfach ein Einzelgänger.
Ohne groß weiter zu überlegen, klopft Hermine laut an die Tür an und hielt den Atem an.
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tbc
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