Kapitel 18
Er strich über Rosalyns Finger und sah ihr tief in die Augen. Alan konnte die Sehnsucht und Traurigkeit in ihren Gesichtszügen erkennen. Je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, desto intensiver wurden seine Gefühle für sie, die ihn im Moment zu erdrücken schienen. Zum ersten Mal war sein Verstand wie leergefegt. Er wusste nicht, wie er sich weiterhin in ihrer Gegenwart verhalten sollte. Er wollte eigentlich nicht über so etwas Banales, wie ihre künftige Zusammenarbeit sprechen. Sie arbeiteten inzwischen fast zwei Jahre zusammen, was also gab es da zu bereden? Viel lieber würde er sich über andere Themen austauschen, was er auch vorhatte. Das Einzige, was sich zwischen ihnen änderte war, dass sie sich zukünftig nicht mehr jeden Tag sehen würden, da Rosalyn nicht zu ihm nach Hause kommen würde. „Ich möchte heute das leidige Thema ein für alle Mal mit dir klären und abschließen, da ich lieber über andere Dinge mit dir reden würde. Ich hoffe, du hast deine Meinung nicht geändert und du bleibst weiterhin meine Assistentin, Denn ich würde es nicht ertragen, dich nicht mehr zu sehen. Es wäre schön, wenn du ab morgen wieder für mich arbeiten würdest, aber die Entscheidung liegt natürlich letztendlich bei dir." Abwartend sah er Rosalyn an. Langsam ließ er ihre Finger los, damit er ihr nicht zu nahe trat. Er hatte überhaupt nicht nachgedacht, als er ihre Hand berührte. Es war rein instinktiv geschehen, es schien aber nicht so, als hätte es ihr etwas ausgemacht.
„Ich werde weiterhin für dich tätig sein, schade nur, dass wir uns nicht mehr so oft sehen", sprach sie ungewollt ehrlich aus. „Ich werde dennoch morgen meinen Termin bei der Agentur wahrnehmen, da ich diesen nicht absagen möchte. Aber danach kümmere ich mich sofort um deine Anliegen, wenn ich zu Hause bin. Deine Post kann ich dir leider nicht mehr bearbeiten, da ich darauf keinen Zugriff habe."
„Ja ich weiß, es ist mir schon aufgefallen. Ich habe gestern das Büro zusammengeräumt und die Unterlagen sortiert. Es ist für mich kein Problem, wenn du morgen später anfängst. Sag mir einfach Bescheid, sobald du mit deinem Termin fertig bist." Wehmütig dachte er darüber nach, was sich in Zukunft nun alles ändern würde, jetzt wo sich Alan endlich eingestand, dass er mehr für sie empfand, als es für einen verheirateten Mann angebracht war. Aber er konnte nichts gegen seine Empfindungen machen. In Wahrheit spürte er die Verbundenheit zu ihr schon viel länger, die sich gerade rasant und intensiv entwickelte. Es machte ihm Angst und doch genoss er die tiefgreifenden Gefühle, die in ihm erwachten.
Rosalyn lächelte ihm entgegen und lehnte sich dabei zurück in den gemütlichen Sessel. „Gut, wenn wir das geklärt haben. Gibt es sonst noch etwas von deiner Seite?", fragte sie ihn mit Bedacht, schließlich wusste sie von seinem Trip nach Paris. Eigentlich sollte er ihr Bescheid geben, damit sie die Termine für das kommende Wochenende stornieren konnte.
Alan lehnte sich nun ebenfalls zurück und legte seine Hände in den Schoß. Leicht neigte er seinen Kopf und sah sie fragend an. Er überlegte, was er zu ihr sagen sollte. „Nein, im Moment fällt mir nichts ein. Ich freue mich schon auf unser Essen. Wenn ich ehrlich bin, denke ich nur daran, dass es eine gute Idee war, mich hier mit dir zu treffen. Lass uns jetzt endlich den Weißwein kosten. Es ist einer der Besten, die ich kenne." Er hob sein Glas an und wartete, bis es ihm seine Assistentin gleichtat. „Auf einen schönen Abend", prostete er ihr zu und stieß mit ihrem Weinglas an.
Beide genossen den angenehm kühlen Wein, der leicht und fruchtig schmeckte. Kaum hatten sie ihre Gläser abgestellt, betrat auch schon der Ober den Raum und brachte ein Tablett voller Köstlichkeiten. Rosalyn blickte über die herrlichen Speisen, es sah alles so erlesen und frisch aus, kein Vergleich zu gewöhnlichen Restaurantessen. Während des Abendessens führten die beiden ein leichtes Gespräch, bei dem es über belanglose und ein paar arbeitstechnische Angelegenheiten ging. Alan verlor keinen einzigen Satz bezüglich des Wochenendtrips.
Mittlerweile war einige Zeit während des Abendessens verstrichen und Rosalyn hielt es nicht mehr aus. Er hatte noch immer kein Wort über Frankreich verloren. Sie konnte dieses Thema nicht länger hinauszuzögern. Was könnte schon passieren, wenn sie zugeben würde, dass sie seine E-Mails aus Versehen gelesen hatte, schließlich wäre dieser Fall nicht das erste Mal eingetreten. Aber sie würde noch den Hauptgang abwarten, immerhin wollte sie Alan nicht den Appetit verderben.
Rickman bemerkte, dass seine Assistentin still geworden war. Er beobachtete sie unauffällig, es schien sie etwas zu belasten. Der Abend war noch jung, weshalb er sie zu nichts drängen wollte. Eventuell würde sie von selbst zu reden beginnen.
Kaum hatten sie die köstlichen Speisen aufgegessen, tupfte sich Rosalyn mit der edlen Stoffserviette ihren Mund ab. „Alan, ich muss dir etwas gestehen", fing sie zu sprechen an, schließlich wollte sie nicht mehr länger damit warten. Aufmerksam sah ihr der Schauspieler entgegen und wartete weiter ab, was sie zu sagen hatte. „Ich habe meinen Arbeitsplatz zu Hause eingerichtet und den alten Computer aktualisiert. Dabei habe ich wie immer durch deine E-Mails gesehen. Unfreiwillig ist mir währenddessen aufgefallen, dass du am kommenden Wochenende einen Kurztrip geplant hast. Leider fallen aber zwei fixierte Termine auf diese Tage. Ich weiß es war unverschämt von mir, ich hatte eigentlich nicht vor, deine privaten Mails zu lesen, es ist aus Versehen passiert." Verschämt sah sie Rickman entgegen. Am liebsten wäre sie davongerannt, doch diese Misere hatte sie auszubaden. Alans Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, somit befürchtete sie bereits das Schlimmste.
„Erinnere mich bitte nicht an Paris", kam es genervt von ihm. Das war es, was sie die ganze Zeit beschäftigte, während sie das wunderbare Essen genossen? Etwas irritiert, aber keineswegs böse auf sie, musste er sich erst sammeln, um die richtigen Worte zu finden. Mit diesem Thema hätte er am allerwenigsten gerechnet.
„Es tut mir leid, es war nicht meine Absicht. Sag mir, wie ich es wieder gut machen kann", bat Rosalyn. Sein Blick hatte sich geändert, sie befürchtete einen Gemütsausbruch seinerseits.
„Rosalyn, beruhige dich! Meine Reaktion hat absolut gar nichts mit dir zu tun, sondern mit Mary. Sie war nicht fähig, die bereits vorhandenen Termine zu berücksichtigen, um mir diese unbehagliche Situation zu ersparen. Weißt du, ich versuche im Moment, meine Beziehung zu retten. Aber ich weiß nicht, ob ich auf verlorenem Posten kämpfe oder ob ich die Ehe überhaupt weiterführen möchte. Eigentlich hatte ich das heutige Essen mit Mary geplant. Nur leider haben wir seit gestern nach einem Telefonat so gut wie nichts mehr miteinander gesprochen." Aufrichtig sah er seiner Assistentin entgegen. Es wunderte ihn gerade, warum er so offen zu ihr war. Es tat gut, dass er seinen angestauten Frust endlich losgeworden war. Niemand außer ihr, wusste nun von seiner prekären Lage, die in seinem privaten Leben herrschte.
Rosalyn wusste nicht, wie sie auf seine Worte reagieren sollte. Seine Ehe stand unter keinem guten Stern, drohte gar zu zerbrechen? Aber das vergaß sie alles im selben Moment sofort, da ihr gerade bewusst wurde, warum sie eigentlich hier saß. Sie war wieder einmal nur ein Lückenbüßer gewesen. Sie konnte seinem Blick nicht mehr standhalten und senkte deshalb ihren Kopf. „Alan, es ist besser, wenn ich jetzt gehe", murmelte sie, „du sitzt heute definitiv mit der falschen Person an diesem Tisch. Hätte ich im Vorhinein gewusst, dass du mich nur einlädst, weil du mit deiner Frau Probleme hast, wäre ich überhaupt nicht gekommen." Zutiefst enttäuscht über die Lage und ihre Gefühle, die diese Erkenntnis verursachte, hätte sie am liebsten geweint. Sie bemerkte bereits, dass ihre Sicht unscharf wurde. Sie musste von hier weg und zwar sofort. Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn er diesen Aufwand für sie betrieben hätte. Ohne ihn anzusehen, stand sie auf. „Ich gehe jetzt, wir hören uns am Montag, nachdem ich bei der Agentur war."
Erst als seine Assistentin aufstehen wollte, begriff er, was er von sich gegeben hatte und wie die Worte auf sie gewirkt haben mussten. Er hatte wieder einmal alles falsch gemacht, was war nur los mit ihm? Die Probleme mit seiner Frau und die Gefühle zu Rosalyn übermannten ihn, er war auch nur ein Mann und mit seiner derzeitigen Lage komplett überlastet. Berühmter Schauspieler, Ehemann und ein verliebter, alter Trottel waren einfach zu viele Dinge auf einmal, weshalb ihn alles überforderte. Rasch stand er ebenso auf, er konnte die Situation so nicht stehen lassen. „Warte Rosalyn, so war es überhaupt nicht gemeint. Ich könnte mir keinen besseren Menschen vorstellen, der mit mir heute diesen Abend verbringen könnte! Mich macht es verrückt, dass wir uns nicht mehr regelmäßig sehen werden." Mittlerweile stand Alan neben seiner Assistentin und berührte sachte ihren Oberarm. „Hast du mir überhaupt zugehört?", fragte er sie, „ich möchte mich für meine unbedacht gewählten Worte bei dir entschuldigen."
Als Rosalyn nicht sofort auf seine Aussage reagierte, war er endgültig überfordert. Doch als sie ihren Kopf hob, um ihm entgegenzublicken, konnte er ihr tränenüberströmtes Gesicht sehen. Er handelte instinktiv und nahm sie in seine Arme, um sie zu trösten. „Es tut mir leid", flüsterte er gerührt und umarmte sie schützend.
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