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„Was ist hier los?", bricht Mr. Rutherford die Stille und ich wünsche ich könnte einfach verschwinden. Ich wusste von Anfang an, dass es wahrscheinlich in einer Katastrophe endet, wenn wir uns hier streiten würden, aber Mike wollte ja nicht auf mich hören.
"Das geht dich überhaupt nichts an!", schnauzt Mike meinen neuen Lehrer an und ich seufze gequält auf. Bitte, lass mich nur Träumen, damit ich endlich aus diesem schrecklichen Moment aufwachen kann.
Ich öffne vorsichtig meine Augen und sehe wie Mikes Gesicht noch immer Wutverzerrt ist und er die Hände zur Fäusten geballt hat, wovon sich Mr. Rutherford allerdings nicht beeindrucken lässt und ich bin kurz erleichtert, dass er so ruhig bleibt und ihn nicht noch provoziert. Ich will nicht, dass Mike wegen mir irgendwelche Dummheiten macht.
"Bist du Schüler hier?" Ist das einzige was Mr. Rutherford sagt, ohne auf Mikes Frage einzugehen.
"Was?" Mit der Frage hat mein Exfreund scheinbar nicht gerechnet, denn für eine kurzen Moment blitzt Verwirrung in seinen Augen auf.
"Beantworte einfach die Frage."
"Nein, hab letztes Jahr meinen Abschluss gemacht, warum?"
"Dann verschwinde hier, du hast hier nichts mehr zu suchen!" Ich zucke zusammen als die Stimme meines Lehrers sich plötzlich erhebt, womit ich nicht gerechnet hab. Mike allerdings scheint noch nicht fertig zu sein.
"Du hast mir überhaupt nichts zu sagen!" ,blafft er, bevor er sich zu mir umdreht. "Oder ist das etwa der Grund, warum du plötzlich keine Gefühle mehr für mich haben sollst? Hast du dir schon wieder den nächsten Typen gesucht?"
Ein Schauer überkommt mich, als sich nun auch die Augen meines Lehrers verwundert auf mich richten.
"Mike, er ist mein Lehrer.",flüstere ich so leise, dass ich erst dachte, er hätte es überhaupt nicht gehört, doch als die Erkenntnis in seinem Gesicht erscheint, läuft er knallrot an und es dauert einen kurzen Moment, bis er sich wieder gesammelt hat und in der gleichen Abweisenden Stimmlage wie zu vor erwidert: "Wie auch immer. Ich bin sowieso durch mit dir, also kannst du machen was und mit wem du willst. Ich wollte sowieso grad gehen." Den letzten Satz richte er wieder an Mr. Rutherford, der ihn sofort durchlässt.
"Lass dich hier nicht mehr blicken. So eine Szene abzuziehen. Das kann schädigend sein, gerade für jüngere Schüler!" ,erwidert er noch, aber daraufhin zuckt Mike nur mit den Schultern.
"Hab sowieso kein Grund mehr dazu, hier aufzutauschen." Er wirft mir noch einen letzten bösen Blick zu und verschwindet aus meinem Blickfeld und damit auch aus meinem Leben. Meine Beine verlassen ihre Kräfte und ich rutsche an der Wand entlang auf den Boden um meinen Kopf in meinen Händen zu vergraben.
"Tut mir leid, für die Störung." ,bringe ich noch mir brüchiger Stimme heraus, bevor sie komplett versagt und mir die Tränen, die ich die ganze Zeit zurück gehalten habe, anfangen über die Wangen zu laufen.
Ich höre ein leises Seufzen, gefolgt von Schritten, allerdings hallen meine Gedanken so laut in meinem Kopf wieder, dass ich es kaum wahrnehme. Alles was ich wollte, war es Mike gut zu erklären und ihm zu sagen, dass es nicht an ihm sondern an mir liegt und er mir trotzdem unfassbar wichtig ist und ich selbst nicht verstehe, warum es so weit kommen musste. Aber ich habe komplett versagt.
"Madeleine. Sei doch nicht traurig." Seine Stimme klingt deutlich näher und als ich aufschaue, kniet er direkt neben mir und guckt mich etwas hilflos an.
"Er hasst mich",flüstere ich leise und schluchze.
"Nein, bestimmt nicht", versucht er mir aufzumuntern, doch er scheint ebenfalls überfordert von der Situation. Sein erster Tag und dann erlebt er mich, in so einem Moment. Er muss einen wunderbaren Eindruck von mir haben. Immer noch kann ich die heißen Tränen nicht zurück halten und auch meine Stimme scheint mich verlassen zu haben und so kann ich nichts anderes tun, als meinen Blick wieder zu senken. Mr. Rutherford seufzt erneut und fährt sich mit der Hand durch die braunen Haare, die daraufhin noch verwuschelter aussehen, bevor er auf die Uhr an seinem Handgelenk guckt.
"Verdammt." Höre ich ihn leise fluchen, bevor er sich wieder aufrichtet und mir seine Hand hinhält.
"Komm, die Mittagspause ist gleich zu Ende. Lass uns dich in einem anderen Raum bringen, wo du dich erstmal beruhigen kannst, ohne, dass gleich jede Menge Schüler hier langgehen." Er lächelt mich schief an und ich nehme seine Hand nach kurzen Zögern entgegen und lasse mich von ihm auf die Beine ziehen. Ich fühle mich vollkommen neben der Spur aber ich gebe mein bestes mit Mr. Rutherford Schritt zu halten. Ich achte nicht auf den Weg, den wir gegangen sind, doch kurze Zeit später stehen wir vor einer Tür, die er aufschließt und mir aufhält, als ich langsam hineintrete. Der Raum sieht gemütlich aus. In der Mitte steht ein Tisch mit einigen Stühlen und an der Wand mir gegenüber, wie an der seitlichen, steht jeweils ein Sofa.
"Was ist das für ein Raum?", platzt es aus mir heraus, durch plötzliche neugier gepackt. Ich bin schon so lang an dieser Schule, aber ich war noch nie hier.
"Eigentlich ist das hier das zweite Lehrerzimmer, aber es wird wohl nicht viel genutzt. Es ist auch deutlich kleiner, als das andere. Meine Kollegin meinte, es läge aber hauptsächlich daran, dass hier keine Kaffeemaschine steht." ,erwidert er grinsend und auch ich muss schmunzeln, bis mir Mikes Gesichtsausdruck vor Augen gerufen wird und die Schuldgefühle sofort wieder über mir zusammenbrechen.
"Setzt dich ruhig." Mr. Rutherford deutet auf das Sofa von uns gegenüber und ich lasse mich auf dem weichen Möbelstück fallen und ziehe meine Beine in einen Schneidersitz, bevor ich meinen Kopf auf die Rückenlehne lege und gegen die Decke starre.
Ich spüre wie Mr. Rutherford sich neben mich setzt, doch ich richte meine Augen weiterhin auf die Decke.
"Tut mir leid, dass Sie das miterleben mussten.", flüstere ich nach kurzer Zeit, woraufhin mein Lehrer neben mir leise lacht.
"Mach dir darüber Mal keine Gedanken. Mein erster Tag war auf jeden Fall nicht langweilig durch unsere Begegnungen."
"Gott, Sie müssen einen schrecklichen Eindruck von mir haben", antworte ich gequält und linse vorsichtig zu ihm herüber. Er lächelt leicht und seine Augen sind auf mich gerichtet. Er sieht entspannt aus und mir wird mit einmal bewusst, wie absurd diese ganze Situation hier eigentlich grade ist. Ich, allein mit meinem neuen Lehrer und Liebeskummer aus gegebenen Anlass und er, der einfach viel zu Nett denn ganzen Tag schon zu mir ist.
"Alles wird gut, Madeleine. Jeder hat doch mal einen schlechten Tag aber deswegen denke ich doch nicht sofort schlecht von dir. Außerdem bist du ohne diesen Idioten sowieso besser dran", versucht Mr. Rutherford mich aufzumuntern, allerdings ohne viel Erfolg.
"Ich hab es wirklich verhauen. Ich bin in der Schule fast eingeschlafen, hab meine Lunge mit Zigaretten gequält und hab dazu noch mit meinem Freund Schluss gemacht, obwohl ich immer dachte, er wäre die Liebe meines Lebens und als wäre das nicht schlimm genug, haben Sie mich auch noch immer dabei erwischt", zähle ich die Punkte auf. Alles ist heute einfach furchtbar schief gelaufen und wenn ich an Mikes enttäuschten Gesichtsausdruck zurück denke, wird mir ganz anders.
"Okay Maddy,ich erzähl dir jetzt etwas." Ich hebe den Kopf und seine blaune Augen treffen direkt auf meine.
"Als ich heute morgen hier her kam, war ich extrem nervös. Es fühlte sich so anders an plötzlich richtig Lehrer zu sein und nicht mehr nur Referenda. Ihr wart meine erste Klasse in dieser komplett neuen Schule und ich hatte mir Sorgen über alles mögliche gemacht. Ich war viel zu früh im Raum und als ich dich dort gesehen habe, hat mich das zwar erst vollkommen aus dem Konzepz gebracht aber dafür gesorgt, dass meine Nervösität verschwunden ist,weil es mir Spaß gemacht hat, dich auf andere Gedanken zu bringen. Ich bin nicht nur Lehrer geworden, damit ich euch was beibringen kann, sondern auch, um euch jemanden zu bieten, an den man sich wenden kann, wenn man mit niemanden anders reden könnt. Ich weiß noch sehr gut, wie ich damals in deinem Alter war, also bitte, denk nicht, dass ich dir wegen irgendwas von heute böse wäre oder sowas." Sein lächeln wird breiter und ich erwidere es zögerlich.
"Danke schön."
"Nicht dafür."
„Also möchtest du über etwas reden?",ergreift Mr. Rutherford, nachdem sich für einen kurzen Moment stille ausgebreitet hatte, erneut das Wort.
Ich schüttele erst den Kopf, bevor ich es mir anders überlege. "Warum wollten Sie an diese Schule?"
Ich möchte nicht weiter über Mike und meine wirren Gefühle nachdenken und das Gespräch lenkt mich ab. Außerdem kann ich nicht verhindern, dass ich neugierig bin.
„Ich hab mich beworben und wurde genommen. Ich wollte weg aus meiner Heimat." Sein Gesicht verfinsterte sich für einen kurzen Augenblick, als er dies sagt, bevor er wieder in eins seiner strahlenden Lächeln übergeht. „Außerdem ist die Gegend wirklich schön und manchmal muss man eben mal was neues wagen, findest du nicht?"
„Ich weiß nicht, ich hab das Gefühl, dass ich zu oft und zu schnell Sachen fallen lasse." Mein Blick wandert wieder zu der Decke. War es wirklich richtig? Vielleicht hat Mike tatsächlich recht und ich bin wirklich nicht in der Lage eine Beziehung zu führen.
„Vergiss ihn. Du warst sowieso zu gut für ihn, so wie er sich aufgeführt hat. Außerdem wirst du wahrscheinlich noch öfter erleben, dass manche Menschen einfach nicht für einander bestimmt sind."
„Klingt als würden Sie aus Erfahrung sprechen", erwidere ich sofort und höre daraufhin ein leises Lachen.
„In meinem Alter ist das wahrscheinlich normal."
„Wenn Sie das so sagen, klingt das, als wären sie schon viel älter, als sie sind." Ein leichtes Lächeln hat sich auf meinem Gesicht ausgebreitet.
„Ich bin bestimmt mindestens 10 Jahre älter als du, also kann ich wohl schon so darüber reden."
"Keine Sorge, man sieht es Ihnen nicht an. Ich hatte Sie erst für einen Studenten gehalten, der sich im Gebäude vertan hat" ,antworte ich kichernd.
„Ach, so hättest du mich also eingeschätzt? Das ich das richtige Gebäude nicht finde?" Seine Stimme klingt gespielt verärgert, doch er kann seine Belustigung nicht verbergen.
„Vielleicht machen Sie ja so ein Eindruck", gebe ich Schulter zuckend zurück. „Immerhin waren sie nicht annähernd so bestimmerisch, wie unsere anderen Lehrer."
„Ist das so? Na dann werde ich mich das nächste mal wohl bemühen müssen, etwas mehr Autorität bei dir zu zeigen." Ein Schauer durchfährt mich, als seine Stimme ein Hauch dunkler wird.
Einbildung Maddy. Du bist vollkommen durch mit deinen Nerven heute, nichts weiter!
„Wenn du möchtest", gebe ich leise zurück, erneut vollkommen überrumpelt von meinen Emotionen. Manchmal wünschte ich mir wirklich, ich könnte alles einfach mal abschalten.
"Ich werde es mir merken", versprach er und hinterließ dabei ein kribbelndes Gefühl in meinem Bauch. "Und jetzt sei bitte nicht mehr traurig." Er hebt seine Hand unter mein Kinn und bringt mich damit dazu, ihn wieder anzugucken.
„Danke", flüstere ich beinahe und erwiderte sein Lächeln. Sein Daumen fährt federleicht über meine Wange und ich spüre wie diese sich rosa färben. Seine Augen sind wirklich wunderschön. Nein! Hör auf sowas zu denken! Er ist mein Lehrer! Diesem scheint grade ebenfalls wieder einzufallen, wer er ist, denn seine Hand zuckt ruckartig zurück und er erhebt sich augenblicklich.
„Ich glaube, du solltest jetzt lieber nach Hause gehen." Mr. Rutherford bemüht sich sein Lächeln aufrecht zu erhalten, doch es gelingt ihm nicht und er fährt sich unruhig durch die Haare.
„Natürlich", erwiderte ich schnell, packe meine Sachen und verschwinde so schnell es geht. Mein Herz pocht wild und die Stelle, an dem seine Daumen entlang fuhr, kribbelt sanft. Oh Gott. Was zur verdammten Hölle, war das grade bitte schön?
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