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Das Ticken der Uhr hallt durch den Raum. Immer und immer wieder und raubt mir ein weiteres mal den letzten Nerv. Ich hasse das Geräusch. Es scheint die Zeit ins unendliche zu ziehen, als würde sie nie enden, doch ich hab keine Lust mehr hier zu sitzen. Auf diesen harten Stühlen, mit den langweiligen Lehrern. Allerdings will ich auf der anderen Seite auch nicht, das die Schule zu Ende geht und mir das bevor steht, worüber ich versuche nicht nachzudenken, doch es gelingt mir nicht. Der Wind zieht durch das gekippte Fenster und lässt mich frösteln, aber ich hab nicht die Motivation es zu schließen und kuschel mich stattdessen weiter in meinen warmen Pullover. Mein Deutschlehrer vorne erzählt irgendwelche Sachen über die Lektüre, die wir lesen sollen, aber ich höre nicht wirklich zu. Meine Gedanken sind mir bei diesem Thema und ich kann mich einfach nicht auf das hier und jetzt konzentrieren. Immer wieder schweifen sie ab. Zu meinem Freund. Noch Freund, muss man wohl dazu sagen, denn ich werde mit ihm Schluss machen und mein Herz schlägt jetzt schon schneller bei dem Gedanken. Ich will ihn nicht verletzten, doch es geht nicht anders. Über ein Jahr waren wir zusammen und es wird ihn wahrscheinlich genauso überraschen, wie es mich überrascht hat, als ich gespürt hab, das die Gefühle für ihn immer schwächer wurden. Ich bin wohl einfach ein hoffnungsloser Fall was Beziehungen und Liebe angeht. Ich dachte, er wäre endlich mal der richtige, doch ich hatte mich getäuscht. So lief es immer ab, bei jeder Beziehung die ich bisher geführt hab. Entweder waren meine Gefühle zu stark, so dass ich die Jung in meinem Alter damit abschreckte, die noch nicht bereit waren über die Zukunft nachzudenken und einfach ihr leben genießen wollten, oder aber sie verpufften auf einmal, wenn alles super läuft, ohne einen Auslöser. Ich seufze bei dem unerfreulichen Gedanken auf und einige meiner Mitschüler drehen sich zu mir um. Vielleicht liegt es daran, dass meine Eltern seit ich denken kann, getrennt sind. Meinen Vater hab ich nie kennengelernt. Mama musste mich allein großziehen. Vielleicht bekomme ich es deshalb nicht auf die Reihe eine Gesunde und gute Beziehung zu führen, obwohl es schon immer mein Wunsch war, früh eine Familie zugründen. Immerhin bin ich vor zwei Monaten 18 geworden und nun beende ich nachher die Beziehung, mit dem Jungen, den ich dachte, ich würde ihn irgendwann heiraten. Was stimmt nur mit meinem Kopf nicht? Es klingelt zu großen Pause und mein Lehrer beendet den Unterricht, packt seine Sachen und verschwindet aus dem Raum, doch ich nehme es kaum wahr. Meine Freunde kommen zu mir und fragen, ob ich mit zum Supermarkt komme um Essen für die nächste Stunde zu kaufen, doch ich lehne ab. Ich bin auf einmal furchtbar müde. Kein Wunder, wo ich doch die ganze Nacht nicht geschlafen hab. Als es mir gestern schlagartig bewusst wurde, was in letzter Zeit, das Problem in unserer Beziehung war, konnte ich nicht aufhören zu weinen. Immerhin kennen wir uns schon seit einer halben Ewigkeit und beim Gedanken, ihm jetzt so weh zu tun, kommen mir erneut die Tränen. Auch wenn es das richtige ist. Alles andere wäre ihm nicht fair gegenüber. Ich kann ihn nicht vorstellen, dass alles gut wäre. Ich lege meinen Kopf auf das kühle Holz des Tisches und schließe die Augen. Ich wünschte, ich könnte jetzt einfach verschwinden. Weit weg um nicht nachher zu diesem Treffen zu müssen. Doch es geht nun mal nicht anders. Es ihm nicht persönlich zu sagen, wäre furchtbar und nur noch schmerzhafter für ihn und auch für mich. Es ist nun mal jetzt so wie es ist, wie können beide nichts dafür und wir müssen es beide schaffen damit abschließen.
"Alles in Ordnung?" ,fragt auf einmal eine tiefe Stimme und mein Kopf schießt nach oben. Ich war so in Gedanken vertieft, ich hab überhaupt nicht bemerkt, dass jemand hinein gekommen war. Ich blinzel einige male. Ein junger Mann steht vor mir, mit braunen Haaren, einer schwarzen Jeans und einem schwarzen, enganliegendem Hemd. Er wirkt wie ein Student, vielleicht hat er das Gebäude verfehlt. Die Universität, ist direkt um die Ecke der Schule und ähnelt architektonisch diesem Gebäude sehr. Seine Augen treffen meine und schauen mich abwartend an.
"Was?", frage ich, plötzlich durcheinander, und er schenkt mir nur ein sanftes lächeln als Antwort und stellt mir seine Coladose, die er in der Hand hält, auf den Tisch.
"Ich glaub, die kannst du besser gebrauchen als ich." , entgegnet er nur, bevor er zum Lehrertisch geht und seine Tasche vorne hinlegt, ein Buch daraus hervorkramt und sich dann an den Tisch lehnt. Erneut wandert sein Blick zu mir.
"Wie heißt du?" ,fragt er dann und schlägt sein Buch auf.
"Madeleine", antworte ich, immer noch verwirrt, und sehe wie er etwas in seinem Buch abhakt.
"Und du?", entfährt es mir und er grinst.
"Es heißt Sie, Madeleine. Ich bin der Ersatz für Mrs. Taylor." ,meint er nur und ich spüre wie ich rot anlaufe, als ich begreife, wer da vor mir steht.
"Sie sind unser neuer Mathelehrer?" ,frage ich verdutzt. Er sieht viel zu jung aus um tatsächlich schon Lehrer zu sein. Und viel zu heiß. Bei dem Gedanken, schießt mir noch mehr Blut in die Wangen und ich kann nur hoffen, dass ich nicht aussehe wie eine Tomate. Und sofort prasseln die Schuldgefühle auf mich ein. Ich bin vergeben. Zwar nicht mehr lang, aber ich sollte nicht irgendwelche anderen Männer angaffen, bevor ich es mit Mike noch nicht beendet habe. Und vor allem nicht meinen neuen Lehrer! Ein Schauer durchfährt mich, bei dem erneuten Gedanken daran, wie schrecklich dieser Nachmittag werden wird und wie sehr ich mich jetzt schon dafür hasse.
"Auch euer neue Klassenlehrer, wenn mich nicht alles täuscht.", erwidert er nur ruhig und blättert weiter in seinem Buch herum. Ich erinnere mich dunkel, dass uns neulich mitgeteilt wurde, dass Mrs. Taylor nun in Mutterschutz geht und wir einen Ersatz dafür bekommen, doch ich hatte es durch die Ereignisse gestern komplett verdrängt, dass ihre Vertretung heute anfangen würde.
"Mr. Rutherford, richtig?", meldet sich mein Verstand endlich wieder zurück und er nickt daraufhin und ich sehe seine Mundwinkel zucken.
Ich streiche mir eine blonde Strähne hinters Ohr -meine Haare enden kurz über den Schultern und haben es sich zu Angewohnheit gemacht, mir immer ins Gesicht zufallen- und greife nach der Dose.
"Danke schön, übrigens." ,erwidere ich noch bevor ich den Verschluss reindrücke und die Öffnung an meine Lippen führe. Der süße Geschmack erfüllt meinen Mund und ich spüre, dass ich etwas wacher werde. Ich hab schon immer stark auf Koffein reagiert, weswegen ich normalerweise kaum welches trinke, doch heute bin ich wirklich dankbar dafür.
"Keine Ursache, ansonsten wärst du mir noch im Unterricht eingeschlafen. So kannst du immerhin mitmachen." ,meint er lächelnd und ich verdrehe nur die Augen, bei diesem typischen Lehrersatz und seufze gequält auf. Ich hasse Mathe. Es ist das schlimmste Fach, das es überhaupt gibt auf dieser Welt und ich verstehe nicht eine Spur von dem was die Lehrer mir nun seit Jahren versuchen beizubringen. Mathe hat mir an diesem schrecklichen Tag grade noch gefehlt.
"Ich sehe, wie begeistert du bist." Seine Augen liegen nun wieder auf mir und sein Blick scheint mich gefangen zu nehmen. Er wirkt Amüsiert.
"Wenn Sie es endlich mal schaffen, dass ich auch nur annähernd etwas verstehe, haben Sie echt was gut bei mir.", sage ich halb am verzweifeln und sehe für einen kurzen Moment etwas in seinen blauen Augen aufblitzen. Erneut fangen meine Wangen an zu glühen, als mir bewusst wird, wie dieser Satz rüberkommen kann. Meine Augen wandern zurück zu der Dose und meine Fingernägel fangen wie von selbst an leise gegen das Metall zu tippen um mich abzulenken.
"Ich werde es mir merken, Madeleine", meine ich noch von ihm zu hören, doch genau in dem Moment verkündet die Glocke das Ende der Pause und als ich erneut aufblicke, ist er wieder in seine Unterlagen vertieft, als wäre nichts gewesen, ohne auch nur ein Anzeichen darauf, ob er was gesagt hat oder nicht. Nur ein leichtes lächeln liegt nach wie vor auf seinen Lippen.
Nach und nach kommen meine Mitschüler zurück in die Klasse und setzen sich auf ihre Plätze, doch meine Augen sind weiter auf meinen neuen Lehrer gerichtet. Sicherlich hab ich mir diese Worte nur eingebildet. Mein emotional völlig überbelasteter Kopf, hat einfach nur etwas gehört um sich abzulenken, vor dem was mich heute noch erwartet. Doch ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich so gewesen ist.
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