
Kapitel 44 - Wahrheit oder Irrsinn?
-Anna-
Verzweifelt stehe ich im Schlafzimmer vor meinem Kleiderschrank, nachdem ich schon etliche Outfits an- und wieder ausgezogen habe. Isabella müsste gleich hier sein und ich befinde mich noch immer in Unterwäsche. Den ganzen Nachmittag über, habe ich darüber nachgedacht, warum sie wohl so enthaltsam zu leben scheint, und seitdem plagen mich Gewissensbisse, da ich mich ihr gegenüber so aufreizend verhalten habe. Auch wenn Diana versucht hat mir klarzumachen, dass ich es ja nicht wissen konnte, fühle ich mich schlecht bei dem Gedanken, dass ich Isabella damit indirekt sogar Schmerzen zugefügt haben könnte. Und nun bin ich hin- und hergerissen und weiß einfach nicht, was ich anziehen soll...
Am liebsten würde ich ja, auch aufgrund der Hitze, möglichst wenig Stoff tragen, doch was, wenn ich sie dadurch in eine unangenehme Lage bringe? Andererseits wird sie doch, gerade seit unserem Tag am See, sicher damit rechnen und sich entsprechend darauf einstellen. Darüber hinaus muss ich zugeben, dass es mich schon sehr reizt, unter den neuen Voraussetzungen zu beobachten, was der Anblick meines leicht bekleideten Körpers mit ihr anstellt. So etwas hatte ich bei Chris nie empfunden, was vielleicht auch daran liegen mag, dass ich mich schon mit fünfzehn von ihm zum Sex habe überreden lassen, obwohl ich noch viel zu unreif und verklemmt war. Vermutlich hat mein Verhältnis zur Intimität damals darunter gelitten und es ist schon traurig, dass ich mich erst von ihm hintergehen lassen musste, um das zu erkennen. Doch auch bei Tom war es anders... Ob es an Isabellas Einzigartigkeit liegt, über welche Diana vorhin immer mal wieder philosophiert hatte?
Ach verdammt... Zum einen wünschte ich, dass sie ihren Mund gehalten hätte und ich davon jetzt nichts wüsste, aber zum anderen bin ich froh, dass mich diese Tatsache nun gleich nicht völlig unvorbereitet trifft. In jedem Fall bin ich ihr jedoch dankbar, dass sie mir Mut gemacht hat und ich die negativen Gefühle, die mich zunächst ziemlich belastet hatten, größtenteils ablegen konnte.
Nach weiterem Hin und Her, ringe ich mich zu einer luftigen, nicht zu aufreizenden Kombination aus kurzen Baumwoll-Shorts und Tanktop durch, denn damit fühle ich mich einfach am wohlsten bei den Temperaturen, die mich schon wieder ins Schwitzen bringen. Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, ob meine Frisur nach dem ständigen Umziehen auch nicht gelitten hat, begebe ich mich in die Küche, in der mich schon der herrliche Duft des Essens empfängt, welches sich im Ofen befindet. Die kleine Digitaluhr an der Mikrowelle sagt mir, dass Isabella jeden Augenblick vor der Tür stehen müsste. Ob sie auch so aufgeregt ist wie ich? Ach... was denke ich denn da? Sie wird vermutlich die Nervosität in Person sein.
Als ich gerade die Auflaufform auf dem hitzeabweisenden Untersatz auf dem Tisch platziere, ertönt auch schon die Klingel. Mein Puls beschleunigt sich schlagartig und ein aufgeregt freudiges Kribbeln entsteht in meiner Magengegend. Hastig werfe ich die Topflappen auf die Anrichte und eile zur Tür. Als ich sie öffne, stockt mir der Atem, denn der Anblick, welcher sich mir bietet, ist so unglaublich liebreizend, dass ich mir die Hand vor den Mund schlagen muss, um Isabella mit meinem breiten Grinsen nicht zu sehr in Verlegenheit zu bringen.
Ihr Haar ist in zwei geflochtenen Zöpfen gebunden, welche ihr links und rechts über die Schultern fallen, und eine kleine weiße Blüte ziert ihre Schläfe. Sie trägt eine ziemlich kurze locker sitzende Latzhose aus türkisfarbenen Leinen, die im unteren Viertel mit süßen Blümchen bedruckt ist, und die tiefen Ausschnitte unter ihren Armen geben den Blick frei, auf ein weißes trägerloses Bustier. Sie umklammert eine perfekt geformte rosafarbene Rose und lächelt mich mit zart geröteten Wangen an. Es ist sehr anstrengend für mich, dem Drang zu widerstehen, prüfende Blicke zwischen ihre Beine zu werfen, um eine optische Bestätigung dafür zu erhalten, dass tatsächlich wahr ist, was Diana heute in der Akte gelesen hatte, doch Isabellas wunderschöne Augen helfen mir dabei.
Während sie mir die Rose wortlos reicht, zittert ihre Hand so sehr, dass es ihr schwer fällt meinem Blick standzuhalten. Mein Herz schlägt Purzelbäume vor lauter Entzückung, ehe ich sie entgegennehme, an meine Nase halte und einmal tief mit geschlossenen Augen einatme.
Als ich meiner süßen aufgeregten Nachbarin wieder ins Gesicht schaue und ihr ein verliebtes Lächeln schenke, senkt sie ihren Blick zu Boden und tritt von einem Bein auf das andere. Oje... Ich kann nur erahnen, wie schnell ihr Herz jetzt gerade schlagen muss, also greife ich nach ihrer Hand, ziehe sie wortlos in meine Wohnung und nachdem ich die Tür hinter uns geschlossen habe, trete ich ganz nah an sie heran. Ich drücke ihr einen sanften Kuss auf die Wange und genieße dabei ihren lieblichen Duft.
„Du siehst umwerfend aus", flüstere ich ihr ins Ohr. „Und danke für die wunderschöne Rose."
„A-ach... sie... sie wird dir doch überhaupt nicht gerecht...", versucht Isabella ihre kleine Geste zu relativieren.
„Sei nicht albern. Ich freue mich sehr über dein süßes Geschenk, denn ich weiß, dass es von Herzen kommt."
Ich schaue ihr wieder in die Augen und spüre, wie sie kräftig durch ihren leicht geöffneten Mund atmet. Ich hatte mir vorgenommen, vorerst nicht zu erwähnen, was ich bereits weiß, doch daran festzuhalten, fällt mir nun sehr schwer, wenn ich sie so sehe. Ein Grund mehr, die Unterhaltung nicht lange hinauszuzögern.
„Komm, das Essen steht schon auf dem Tisch."
Nachdem Isabella mir in die Küche gefolgt ist, sich auf den Platz gesetzt hat, den ich ihr zugewiesen habe und die Rose in einer kleinen Vase auf dem Tisch zur Verschönerung des Ambientes beiträgt, setze ich mich ihr gegenüber.
„Ich hoffe, du magst Nudelauflauf mit Tomaten und Mozzarella. Den mache ich gerne im Sommer, gerade an heißen Tagen."
Ich beobachte, wie sie die Auflaufform betrachtet und einmal kräftig durch die Nase einatmet.
„Ich habe es noch nie in dieser Art gegessen, aber es duftet köstlich."
Mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen, greife ich mir den Löffel und gebe, erst ihr und danach mir, etwas auf den Teller.
„Darf ich dir ein Glas Weißwein anbieten?", frage ich sie, nachdem ich mir die bereits geöffnete Flasche Chardonnay vom Tisch gegriffen habe.
Isabella nickt und ich glaube in ihrem dankbaren Blick zu erkennen, dass sie nur darauf gewartet hat, dass ich ihr etwas Alkoholisches anbiete. Kaum habe ich uns eingeschenkt und mein Glas klirrend an ihres geschlagen, muss ich schmunzeln, denn sie nimmt direkt einen großen Schluck, wohingegen ich nur kurz dran nippe. Während ich mir im Anschluss Gabel für Gabel genüsslich die Nudeln in den Mund schiebe, ist Isabella deutlich zurückhaltender mit dem Essen.
„Schmeckt es dir nicht?"
Kaum habe ich die Frage ausgesprochen, würde ich mich am liebsten selbst ohrfeigen, denn ihre weit aufgerissenen Augen machen mir klar, dass ich ihre Gefühlslage damit nur noch verschlimmert habe.
„Oh... n-nein, ganz im Gegenteil, es ist wirklich köstlich, ich bin nur... nur..."
Ich strecke meine rechte Hand aus, lege sie auf ihre linke, die neben dem Teller auf dem Tisch ruht und schenke ihr ein sanftes Lächeln.
„Verzeih mir bitte die blöde Frage, ich habe nicht nachgedacht. Du bist nervös... das hast du ja gestern schon versucht mir klarzumachen und es ist völlig in Ordnung, wenn du deswegen keinen Appetit hast."
Isabella senkt ihren Blick, legt ihre Gabel nieder und fängt an, den Stiel ihres Weinglases zwischen Daumen und Zeigefinger hin und herzudrehen.
„Möchtest du vielleicht erst reden? Das Essen kann ich auch später wieder aufwärmen."
Sie macht einige tiefe zittrige Atemzüge, ehe sie mir in die Augen schaut.
„Wäre... wäre das denn okay für dich?"
„Du kannst dir bestimmt denken, wie gespannt ich darauf bin, was du mir gleich erzählen wirst. Wie könnte es denn da nicht okay für mich sein?"
Sie wendet ihren Blick wieder ab und nach einigen Sekunden der Stille erkenne ich zu meinem Entsetzten plötzlich, dass ihre Augen glasig werden. Ein dicker Klos bildet sich in meinem Hals und sofort springe ich auf, gehe um den Tisch herum und setzte mich auf den Stuhl neben sie. Ich lege ihr meine Hand auf den Rücken und streichle sie sanft.
„Ich... ich habe einfach so eine wahnsinnige Angst davor, dich zu verlieren", sagt sie leise, ehe sie die Serviette vom Tisch nimmt und sich ihre Augen damit trocknet.
Oje... denkt sie wirklich, mein Interesse für sie könnte sich, aufgrund ihrer Besonderheit, einfach so in Luft auflösen? Habe ich denn in irgendeiner Weise einen derartigen Eindruck auf sie gemacht?
Als ich meine Hand sachte an ihre Wange lege, ihren Kopf in meine Richtung drehe und in ihre geröteten Augen schaue, würde ich sie am liebsten fest an mich drücken und nie wieder loslassen. Mein Bedürfnis sie zu beruhigen und wissen zu lassen, dass sie sich keine Sorgen machen muss, ist so stark, dass es mir schwerfällt, mich zurückzuhalten. Aber ich bin überzeugt davon, dass es besser für sie ist, wenn sie den Mut aufbringt und aus eigener Kraft schafft, diese Hürde zu überwinden.
„Ich weiß, es ist von meinem Standpunkt aus leicht gesagt, aber bitte versuch dir nicht zu viele Gedanken zu machen. Nach allem, was wir in dieser kurzen Zeit seit unserem Kennenlernen schon zusammen erlebt haben, glaube ich einfach nicht, dass es etwas gibt, was meine Gefühle für dich trüben könnte."
Isabella seufzt einmal laut und schaut auf ihre Hände, die sie in ihrem Schoß vergraben hat.
"Es ist ja nicht nur deine Reaktion, vor der ich Angst habe..."
Etwas irritiert mustere ich sie und ein mulmiges Gefühl überkommt mich. Wovon spricht sie nur? Ob es wegen diesem Stalker ist?
„Wie wäre es denn, wenn du erstmal da weitererzählst, wo du gestern aufgehört hast? Ich habe mir heute den ganzen Tag lang immer mal wieder den Kopf darüber zerbrochen, was du wohl damit meintest, dass dieser Dave irgendetwas in dir wecken wollte und wie du darauf kommst, dass er Tom manipuliert haben soll, mich umzu... oh man... ich wage nicht es auszusprechen... Immer wenn ich darüber nachdenke, kommt wieder dieser Schrecken in mir hoch..."
Isabella dreht sich in meine Richtung, nimmt meine Hände in ihre und schaut mir direkt in die Augen.
„Als du mir von der Sprachnachricht erzählt hast, haben sich einige Puzzlestücke zusammengefügt. Ich glaube jetzt, dass Dave Tom benutzt hat, um mit dem, was er dir angetan hat, einen Gefühlsausbruch in mir auszulösen, was... was ihm auch gelungen ist..."
Ich erwidere ihren Blick besorgt, während sich mein Herzschlag nun auch beschleunigt, was wohl an der Befürchtung liegt, dass mir nicht gefallen könnte, was sie mir als nächstes erzählen wird...
„Willst du mir damit etwa sagen, dass du ihn tatsächlich beinahe umgebracht hättest?"
Sie nickt und augenblicklich läuft mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter.
„Erinnerst du dich daran, wie... wie ich schreiend neben dir aufgewacht bin, an dem Tag, als Dave mir im Archiv aufgelauert hat?", fragt sie mich und ich kann an ihrer Stimmlage erkennen, wie sie der Gedanke daran erschaudern lässt.
„Wie könnte ich das vergessen? Ich dachte, die Gläser in meiner Vitrine würden zerspringen..."
Isabellas Atemfrequenz beschleunigt sich und ihre Hände fangen leicht an zu zittern.
„In... in mir befindet sich etwas... etwas Mächtiges... mit einer beängstigenden Zerstörungskraft. Es hat sich das erste Mal in meiner Jungend gezeigt, während eines Streits mit meinem Vater. Da ich noch so jung war und es seither nicht mehr aufgetreten ist, hatte ich es völlig verdrängt, bis ich Dave das erste Mal an dem Abend in Trudys Proberaum begegnet bin, von dem ich dir erzählt habe. Er hat mit einem Song, den ich damals sehr viel nach Saschas Tod gehört und gesungen habe, in mir die schrecklichen Gefühle von damals wieder ausgelöst. Das hat dann dazu geführt, dass diese Macht wieder erwacht ist und sich in einem ohrenbetäubenden Schrei entladen hat. Ich war nicht in der Lage, es zu kontrollieren und habe damit drei Männer verletzt, die mit uns im Raum waren."
Ungläubig starre ich ihr in die Augen und warte vergeblich darauf, dass sie anfängt zu grinsen... Stattdessen muss ich mit ansehen, wie sich erneute Tränen in ihren Augen sammeln, während sie weitererzählt.
„Als du dann so leblos bei mir lagst in der Gasse und dieser Tom sich nach meinem Schlag auf seinen Kopf wieder aufgerappelt hatte und wütend auf mich zukam, ist es erneut ausgebrochen, aber diesmal viel heftiger. Die Details erspare ich dir lieber..."
Sie macht eine kurze Pause, in der ich mit meinem Stuhl noch näher an sie heranrücke, um ihr Halt geben zu können, was in Anbetracht der doch schwer zu glaubenden Worte, gar nicht so leicht ist.
„Als du dann auf dem Weg ins Krankenhaus warst, bin ich noch mal in die Gasse gegangen, um nach Tom zu sehen. So wie ich ihn zugerichtet hatte, war ich der festen Überzeugung, dass er das nicht überlebt hat, doch ich konnte seinen Körper nicht finden. Stattdessen ist Dave wieder aufgetaucht und hat mich, auf übernatürliche Weise, bewegungsunfähig gemacht. Du... du kannst dir nicht vorstellen, wie schlimm das alles für mich war. Diese unglaubliche Angst um dich und dieses schreckliche Gefühl, diesem unheimlichen Mann ausgeliefert zu sein..."
Isabella schlägt sich die Hände vors Gesicht und fängt an zu schluchzen.
Das kann doch nicht wirklich wahr sein. Solch übernatürliche Dinge gibt es doch gar nicht. Ob sie sich das nur eingebildet hat? Vielleicht leidet sie tatsächlich schon unter einer Psychose aufgrund ihres Cannabis Konsums, zu dem ich dank Diana, ja nun auch eine Bestätigung habe. Aber, wie spreche ich das nur an? Ich kann ja nicht einfach die Behauptung aufstellen und ihr raten, sich untersuchen zu lassen, zumal ihr ja noch gar nicht bewusst ist, dass ich davon weiß... Oh man... hoffentlich ist es nicht so schlimm, wie ich befürchte.
„Und was hat er dann getan? Was wollte er denn von dir?", frage ich sie besorgt.
Sie lässt ihre Hände wieder sinken und ich kann ihr ansehen, wie sehr sie die ganze Sache mitnimmt.
„Was genau er will, weiß ich bis heute nicht... Er hat immer nur so merkwürdige Andeutungen gemacht und behauptet, ich käme aus einer anderen Welt."
Wie bitte??? Das... das kann sie doch nicht wirklich ernst meinen... Doch in ihrem Gesicht kann ich noch immer keine Spur von Ironie erkennen. Ob ich ihr nicht doch sagen soll, dass sich das für mich alles danach anhört, als spiele ihre Psyche verrückt? Aber das könnte ihren instabilen Zustand nur noch verschlimmern... Herrje, was mache ich nur?
Ich spüre, wie meine Stimmung droht zu kippen, wodurch es mir zunehmend schwerfällt, Isabella gegenüber einfühlsam zu bleiben. Sie scheint es zu bemerken, denn sofort greift sie wieder nach meinen Händen und sieht mich eindringlich an.
„Bitte... ich weiß, wie das klingt, aber du musst mir glauben. Trudy war Zeuge von meinem Schrei in der Gasse und ich habe sogar ein Video, auf dem Dave zu sehen ist, wie er aus einem fremdartigen Portal kommt und..."
„Moment... eins nach dem anderen. Es ist schon schwer genug für mich, dir zu folgen bei all den unglaublichen Dingen, die du erzählst", unterbreche ich sie und muss dabei aufpassen, sie nicht zu forsch anzufahren, denn meine Gefühle spielen gerade völlig verrückt.
„Was ist passiert, nachdem Dave dich bewegungsunfähig gemacht hat?"
Ich habe Schwierigkeiten damit, Isabellas verzweifeltem Blick standzuhalten, denn mein Mitgefühl ist zum Teil einer starken Aversion gewichen. Einer Aversion gegen ihren Cannabis Konsum und den Folgen, die uns beiden nun das Leben schwer machen.
„Er... er hat behauptet, Toms Körper weggeschafft zu haben und wollte mir dann seine Hand auf die Brust legen, wurde aber von Trudy gestört, kurz bevor er mich berühren konnte..."
Ich kann nicht verhindern, dass meine Skepsis nun doch die Oberhand gewinnt.
„Hat er nicht auch im Archiv versucht dich anzufassen? Also für mich klingt das, als sei er nur irgendein Perverser..."
Isabellas bebende Unterlippe zeigt mir, dass sie meine Reaktion nur noch mehr in die Verzweiflung treibt, doch ich kann und will auch nicht so tun, als könnte ich dem Glauben schenken, was sie mir erzählt. Allerdings muss ich zugeben, dass die Sache mit Toms Erwähnung in seiner Sprachnachricht schon irgendwie mit ihren Ausführungen zusammenpasst... Was steckt nur dahinter? Und was hat es mit diesem Video auf sich? Vielleicht sollte ich wirklich mal mit Trudy sprechen. Sie kann eventuell mehr zu Isabellas Zustand sagen.
Als meine völlig verzweifelte Nachbarin sich von mir abwendet, ihr Gesicht in ihren Händen vergräbt und bitterlich anfängt zu weinen, kann ich nicht anders, als aufzustehen und vor ihr niederzuknien. Ich versuche sie dazu zu bewegen, mich wieder anzusehen, indem ich sanft über ihren Unterarm streichle.
„Es... es tut mir leid, Isabella. Ich wollte dir nicht so vor den Kopf stoßen, aber das klingt alles so... so..."
„...verrückt? Völlig irre???", komplettiert sie meinen Satz und sieht mich aus ihren verweinten Augen, immer noch schluchzend, an.
„...unglaublich, war das Wort, was mir auf der Zunge lag. Kannst du verstehen, dass es mir schwerfällt, das alles einfach für bare Münze zu nehmen? Ich mache mir sorgen um dich, wie auch am See schon, als du in diesen tranceartigen Zustand gefallen bist."
Sie nickt und schaut zu Boden.
„Das am See, habe ich auch Dave zu verdanken... Aber was bringt es denn, wenn ich weitererzähle, wenn du mir sowieso nicht glauben kannst..."
Oh man... was kann ich nur tun, um die Situation zu retten? Ich denke, das Beste wird sein, wenn ich mir ihre Geschichte bis zum Ende anhöre. Vielleicht hilf es ihr, sich alles von der Seele zu reden und eventuell könnte ich sie dann auch vorsichtig auf das Marihuana ansprechen und sie versuchen zu überzeugen, damit aufzuhören.
„Ich... ich möchte dir ja gerne glauben... Aber... ich bin nun mal ein ziemlich rationaler Mensch. Vielleicht magst du mir gleich mal das Video zeigen? Wenn es wirklich Beweise enthält, hilft es mir sicher dabei, das alles zu verstehen. Aber jetzt erzähl doch erstmal weiter."
Ohne ihren Blick zu heben, fährt sie fort.
„Nachdem Dave von Trudy gestört wurde, hat er noch zu mir gesagt, dass wir uns wiedersehen würden und mich... Lumisrae... genannt."
Augenblicklich zucke ich zusammen und eine starke Gänsehaut fährt über jeden Zentimeter meines Körpers. Als wäre es gestern gewesen, rauscht die Erinnerung an diese laute und erhabene weibliche Stimme wieder durch meinen Kopf, die ich vernommen hatte, kurz bevor ich im Krankenhaus aufgewacht bin. Mein Puls beschleunigt sich, ehe ich Isabella in die Augen starre, die meinen Blick nur verwirrt erwidert.
„W-wie hat er dich genannt?"
„Lumisrae... aber, warum siehst du mich plötzlich so an?"
Es besteht kein Zweifel... Dieses Wort... diesen... Namen... hat auch diese Stimme ausgesprochen. Aber wie kann das sein? Bedeutet das etwa, dass doch wahr sein könnte, was Isabella mir erzählt hat? Ansonsten wäre das ein unglaublicher Zufall, aber was mich noch viel brennender interessiert, ist die Antwort auf die Frage, wer hinter dieser Stimme steckt und warum ich sie gehört habe...
„Was... was ist mit dir, Anna? Du wirkst plötzlich so... so..."
„...überwältigt!", beende ich ihren Satz. „Ich habe dieses Wort schon einmal gehört."
Jetzt ist es Isabella, die verdutzt aus der Wäsche schaut.
„Du? A-aber... wo und wann?"
„Kurz bevor ich im Krankenhaus wieder zu mir gekommen bin, habe ich eine laute weibliche Stimme gehört. Sie benutzte eine merkwürdige Sprache, die ich nicht verstehen konnte, aber an Lumisrae, erinnere ich mich noch ganz genau."
Isabellas Augen weiten sich.
„Dann... dann hat sie also auch zu dir gesprochen?!"
_____________________________________
Hallo ihr Lieben und Treuen :-)
ich bitte um Verzeihung für die lange Wartezeit. Das Kapitel war mal wieder ziemlich anspruchsvoll für mich zu schreiben. Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Ich möchte an der Stelle darauf hinweisen, dass ich kürzlich Triggerwarnungen hinzugefügt habe. Eine genaue Erklärung dazu, findet ihr im Klappentext. Achtet also in Zukunft bitte auf die kleinen Symbole in den Überschriften, um bösen und heißen Überraschungen vorzubeugen ;-)
Ich bin übrigens unfassbar Stolz, dankbar und glücklich, dass meine Geschichte schon mehr als 7.000 Reads und fast 700 Votes hat. Und ich möchte euch an dieser Stelle wieder einmal von Herzen danken, dass ihr mich nun schon so lange auf der Reise mit Isabella und Anna begleitet und mir einige von euch auch in den Kommentaren ihre Eindrücke und Gefühle mitteilen <3
Liebe Grüße
Raziel
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro