Kapitel 3
,,Also okay, Mama hat jedem von uns zwanzig Euro gegeben, damit wir uns Klamotten kaufen. Denkst du, dass das reicht?", fragt Alicia. Eben sind wir in der Stadt angekommen und müssen uns Kleidung für die Matarajio kaufen. Ehrlich habe ich gar keine Lust darauf. Wenn wir schon mal so viel Geld von unseren Eltern kriegen, könnten wir es sicher auch für bessere Dinge ausgeben. Außerdem will ich auch für meinen Seelenverwandten nicht schön aussehen. Was ist, wenn er mir gar nicht gefällt und ich am Ende mit einem schönen Kleid und einer gestylten Frisur dastehe. Das würde ihm grad noch so passen. Aber egal, wir müssen jetzt irgendetwas aussuchen, sonst wären Mama und Papa sehr sauer.
,,Keine Ahnung, ob es reicht.", antworte ich also meiner Schwester, weil mir zwanzig Euro für ein ganzes schönes Outfit schon ein bisschen wenig vorkommen. ,,Aber egal, wir schaffen das schon.", füge ich hoffnungsvoll hinzu und wir beginnen uns zunächst einige Kleidungsstücke in den Schaufenstern anzuschauen. Aber alles, was mir gefällt, ist zu teuer und mit allem, was in unser Budget passen würde, wäre ich niemals zur Matarajio gegangen. Da doch lieber Alltagskleidung.
Plötzlich quietscht Alicia auf. ,,Was ist?!", frage ich und eile zu ihr. Da sehe ich es auch. Sie steht vor einem Laden mit sehr komisch aussehenden Klamotten drin. Leider genau ihr Style. ,,Bitte nicht, das sieht scheiße aus.", versuche ich sie zu überreden, doch ich weiß, dass es hoffnungslos ist und wir unsere Klamotten exakt hier kaufen werden. ,,Wie heißt denn das Geschäft?", frage ich meine Schwester, um Zeit zu schinden, falls mir vielleicht doch noch irgendetwas einfällt, wie ich sie hier wegbekommen kann. ,,Drag Queen Shop.", entziffert sie mit zusammengekniffenen Augen, weil sie schlecht sieht, das aber nicht zugeben will.
Bevor ich noch irgendetwas sagen kann, hat Alicia schon die Tür des Geschäftes geöffnet und mich hineingezogen. Sofort stürmt eine komisch gekleidete und geschminkte Frau zu uns und ich atme einen strengen Parfümgeruch ein. ,,Du redest.", flüstert mir meine sehr liebe Schwester, welche ja unbedingt hier rein musste zu. Ich seufze genervt. Jetzt geht wieder das los. Immer hat sie Angst davor mit fremden Leuten zu sprechen und ich muss alle Gespräche führen.
,,Hallo.", grüße ich also erstmal die Frau. ,,Hallo, meine Süßen, was treibt euch denn in meinen Laden?", zwitschert sie, welche doch gar keine Frau, sondern ein Mann oder irgendwas anderes ist. Wieso ist sonst ihre Stimme so tief? Alicia neben mir kichert, doch ich rede ungestört weiter: ,,Wir wollten uns Klamotten für die Matarajio kaufen, haben aber nur je zwanzig Euro dabei." Unser Gegenüber sagt: ,,Alle Sachen die hie verkauft werden, sind eigentlich etwas teurer, aber ihr könnt gerne etwas ausleihen und dann morgen wieder zurückgeben. Dann kriegen wir in euer Budget sogar noch Assecoires und Make-up mit rein."
Ich will mich schon abwenden und dieses seltsame Geschäft wieder verlassen, doch Alicia kriegt ihre Klappe leider doch endlich auf: ,,Ja, wir möchten dann was ausleihen." Ich werfe ihr einen zweifelnden Blick zu, doch sie sieht ihn wahrscheinlich gar nicht, denn sie ist schon dabei die Klamotten hier zu inspizieren. Gegen meinen Willen schiebt mir der Frau oder die Mann oder so einen Stuhl entgegen und ich setze mich darauf. ,,Ah, Entschuldigung, ich habe mich vorhin gar nicht vorgestellt. Ich bin Samantha.", meint er/sie. Also eigentlich sie, oder?
Die nächsten Stunden sind sehr verrückt verlaufen. Ich habe in diesem schrecklichen Laden tatsächlich ein akzeptables, waldgrünes Kleid gefunden, welches Samantha aber langweilig findet. Das macht mir nichts aus. Dann musste ich ewig mit ihr darüber diskutieren, dass ich mein Outfit und auch mein Make-up eher schlicht halten will. Samantha ist entsetzt über meine Wahl, doch ich bin mehr als zufrieden mit dem Endergebnis. Alicia hat im Gegensatz zu mir gefühlt alles mit sich machen lassen und allen Ideen von Samantha zugestimmt. Jetzt sieht sie ungefähr genauso aus wie sie, nur in rot anstatt in blau. Wenn ich ganz ehrlich bin, gefällt mir das ganz und gar nicht und hat nur alle negativen Dinge, wie ihr markantes Kinn und ihre großen Füße betont. Ich behalte meine Meinung aber für mich, weil ich sie nicht beleidigen will. Sie und Samantha sind zu so etwas wie richtigen Freundinnen geworden und probieren vor dem Spiegel noch aus, welche Schuhe am besten zu Alicias Outfit passen. Ich werde einfach meine schwarzen Ballerinas anziehen, habe ich beschlossen.
Nachdem sich Alicia noch ewig mit Samantha unterhalten hat, verabschieden wir uns endlich von ihr. Raus aus dem Geschäft, folgt erstmal ein gesprächsloser Sprint nach Hause, welcher sich mit unseren Kleidern schwerer als gedacht herausstellt. Zuhause werden wir erstmal angeschrien, wieso wir so lange gebraucht haben und dann werden wir auf unser Zimmer geschickt, um unsere Koffer zu packen. Weil wir zu wenig Zeit haben, nehme ich einfach so viel ich kann und stopfe es in Koffer, Taschen und Kisten, bis diese so voll sind, dass sie zu zerreißen drohen.
Als alles gepackt ist, gehen Alicia und ich runter und machen uns mit unseren Eltern und Karl auf den Weg zur Matarajio. Plötzlich sehe ich Tori in einem Busch, welche mir traurig zuwinkt. Ich winke ebenfalls traurig zurück, worüber ich aber wieder nur angeschrien werde. Natürlich ist Alicia die einzige aus meiner Familie, welche mir bei der Sache mit den Wesen glaubt. Das kann ich den anderen aber jetzt auch nicht allzu übel nehmen, denn wer glaubt denn, dass etwas existiert, was man gar nicht sieht.
Ein Autohupen reist mich aus meinen Gedanken. Schnell weichen wir von der Straße. ,,Was ist das denn für ein Mistkerl?", beschimpft Papa den Fahrer, welcher mir irgendwie bekannt vorkommt. Es handelt sich um einen Asiaten mit vielen Pickeln und fettigem schwarzen Haar. Keine Ahnung, wo ich ihn schon einmal gesehen habe.
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