»8« Silvia Ferreira
Dᴀᴋᴏᴛᴀ
Am nächsten Morgen ist das Erste, das ich sehe, Noan's Gesicht.
„Was tust du hier?", nuschle ich verwirrt.
„Dich wecken. Wir haben bereits Mittag, wie lange willst du denn noch schlafen?"
Irritiert runzle ich die Stirn und blinzle. Träume ich oder hat er tatsächlich kein Shirt an? Oh nein, es ist kein Traum, der hübsche Brasilianer steht in der Tat halbnackt vor mir! Das nenne ich mal einen guten Morgen - oh, oder eher Mittag? Ich war wirklich noch lange wach, da diese Hitze hier in Rio mir ganz schön zu schaffen macht und ich kaum ein Auge zudrücken konnte.
„Wieso stehst du da? Komm doch lieber zu mir ins Bett, Clyde", lächle ich verschlafen und breite die Arme aus.
„Ein anderes Mal. Steh auf, wir haben noch viel vor uns."
Ich seufze, als er mir den Rücken kehrt und geht. Ich hätte viel lieber noch etwas geschlafen, denn ich bin todmüde. Na ja, dann gehe ich eben heute eher ins Bett und kaufe mir davor einen Ventilator. Ich tapse gähnend ins Bad und werfe mir kaltes Wasser ins Gesicht, um richtig wach zu werden, ehe ich die Zähne putze, meine Haare zu einem Dutt zusammenbinde und mein Gesicht von den wenigen, dünnen Babyhaaren mit dem Haarband befreie.
„Dann wollen wir mal", murmle ich und trockne mein Gesicht mit dem Handtuch ab. Ich habe gestern Abend daran gedacht den Spiegel im Bad mit weißem Puder zu beschmutzen, sodass ich mich kaum wiedererkenne, wenn ich ungeschminkt das Bad betrete. Ich sehe nur einen verschwommenen Schatten. Lächelnd creme ich mich ein und schmiere mir sodann Make-up ins Gesicht, das ich sanft abtupfe. Das Make-up kann ich mir inzwischen blind ins Gesicht hauen, da mache ich nicht viel falsch, nur die Augenschminke ist eine Katastrophe, doch ich habe mittlerweile den Dreh raus.
Ich benutze nun den Spiegel meines Kosmetikkamms. Dieser Spiegel ist so klein und rund, dass man das ganze Gesicht nur sehen könnte, wenn man sich den Spiegel weit vom Gesicht fern hält, was ich sicher nicht tue. Und so halte ich mir den kleinen Schatz nah vor das Auge, ehe ich dieses in Ruhe schminke.
Sobald ich fertig bin, öffne ich wieder die Haare, die mir in starken Wellen den Rücken runterfallen, ziehe mir eine kurze Hotpans und ein offenes, luftiges Shirt an, denn draußen erwartet mich bereits eine brennende Hitze. Ich wiege den Kopf hin und her, in der Überlegung, ob ich mir nicht doch lieber eine Spange mitnehmen soll, für den Fall, dass mein dickes Haar unerträglich wird und ich entscheide mich dafür. Bevor ich es noch bereue, nehme ich es lieber einfach mit.
„Ich muss dich wohl eine ganze Stunde vorher wecken, bevor wir tatsächlich losgehen, was?", seufzt Noan, als ich die Stufen runter gehe. Er sitzt draußen auf dem Boden der Veranda und scheint auf mich zu warten, eine Kappe tief ins Gesicht gezogen, die seine Kiefer markanter erscheinen lässt. Ich beginne zu lachen.
„Ich wusste ja nicht, dass du bereits fertig mit allem gewesen bist!", entgegne ich zu meiner Verteidigung, woraufhin er bloß die Augen verdreht und sich sogleich erhebt. Er trägt eine beige Short's, die ihm bis knapp über die Knie reicht und ein weißes, lockeres Hemd, das ihm verdammt gut steht. Wie nennt man sie nochmal? Piratenhemde? Ich bin mir wirklich nicht mehr sicher, aber ich kann bestätigen, dass es an ihm einzigartig aussieht. Nur dunkel erkennt man die Umrisse eines Tattoo's, mitten auf seiner Brust. Wieso ich das wohl vorher nicht bemerkt habe, obwohl ich ihn schon zwei Mal nun Oberkörperfrei gesehen habe?
Beim ersten Mal war es recht dunkel und beim zweiten Mal, da warst du recht müde...
Ich nicke mir innerlich zu. Stimmt, daran muss es gelegen haben! Nun, dann nehme ich mir demnächst vor, herauszufinden, was sich da genau unter seinem Hemd befindet. Lächelnd gehe ich auf ihn zu, während er sich die dunkle Sonnenbrille zurechtrückt.
„Dann mal los! Wohin geht es?", frage ich und folge ihm, während er auf ein verdammt geiles Auto zugeht. Ich grinse. Clyde scheint sogar den selben Geschmack wie ich zu teilen.
„Wunderschön", murmle ich und berühre sachte den dunkelblauen Lamborghini.
„Du kennst dich mit Auto's aus?"
„Aber hallo", antworte ich und zwinkere ihm zu, während er nur eine Augenbraue in die Höhe jagen lässt und einsteigt, was ich ihm nachtue.
„Also? Wohin geht es?", wiederhole ich meine vorherige Frage, doch Noan wirft mir nur ein halbherziges Lächeln zu.
„Abwarten, Gatinha."
„Ach komm schon, du verrätst mir gar nichts, während ich dir schon echt viel gesagt habe!", beschwere ich mich und schüttle den Kopf ab seines Verhaltens. Noan presst nur die Lippen zusammen und zuckt die Schultern.
„Abwarten, Gatinha."
Ich verdrehe die Augen, entgegne jedoch nichts mehr. Ich kann abwarten, aber ich will ihm nicht Blindwegs folgen, denn das verunsichert mich dann doch. Jemandem einfach zu vertrauen ist nicht einfach und wenn ich es nicht von ihm verlange, dann sollte er das auch nicht von mir tun.
Grrr...
♋︎♋︎♋︎♋︎
„Wow. Ich bin ja so beeindruckt." Meine Stimme trieft vor Spott, als wir eine Bank betreten. Eine stinklangweilige Bank. Seufzend schüttle ich den Kopf und folge Noan, der vorausläuft. Konnte er nicht allein Geld abheben gehen? Kaum zu glauben, dass ich ihn hier herbegleiten musste. Vielleicht hat er Angst davor, bestohlen zu werden?
„Pff", mache ich ab meiner Gedanken und schüttle leise lachend den Kopf, woraufhin Noan mir einen Blick zuwirft und seinen Gang verlangsamt, bis er neben mir steht.
„Verlierst du jetzt den Verstand?", fragt er mich flüsterleise und sieht sich um, doch keiner hat mitbekommen, wie ich mit mir selbst lache. Niemand außer er. Ich grinse und sehe zu ihm auf.
„Habe ich vergessen zu erwähnen, dass ich schizophren bin?", entgegne ich und wackle mit den Augenbrauen, wobei er nur die Augen verdreht.
„Was war denn so lustig?", seufzt er und hängt sich die Sonnenbrille ins Hemd, die er für eine Weile unnötigerweise in der Hand gehalten hat.
„Ich habe mich bloß gefragt, wieso wir in einer Bank sind und wieso ich dich begleite, fragte mich, ob du vielleicht Angst hast, dass du beim Geldabheben bestohlen wirst und dann fiel mir ein, dass du ein Meisterdieb bist. Das brachte mich zum Lachen. Der Gedanke, dass du als Meisterdieb dich davor fürchten könn...-", erkläre ich ihm, doch ehe ich zu Ende sprechen kann, drückt er mir seine Hand auf den Mund.
„Soll ich dir noch ein Mikrophon bringen?", fragt er mich fassungslos und sieht mich mit dem ›Geht's noch?!‹ Blick an, woraufhin ich die Augen aufreiße.
„Ups", bringe ich hinter seiner Hand hervor, während er sich nur umsieht, ob uns jemand anstarrt. Ich schiele auf seine Hand runter, ehe ich meine Zunge hervorschnellen lasse und seine Hand ablecke, woraufhin er perplex zu mir runter sieht.
„Du bist doch widerlich", seufzt er, kann das Zucken seiner Mundwinkel jedoch nicht verhindern, während er sich die Hand an der Shorts abwischt. Ich lache leise und stupse ihn mit der Schulter an, als wir wieder weiterlaufen.
„Tut mir leid, ich konnte nicht widerstehen, du wirkst einfach wie leckere Schokolade auf mich", necke ich ihn und wackle wieder mit den Augenbrauen, während er nur wieder den Kopf schüttelt und leise mit der Zunge schnallst.
„Unmöglich", murmelt er und wendet schmunzelnd den Kopf ab. Oh, es macht wirklich unfassbar Spaß ihn zu ärgern! Er seufzt leise und sieht aus dem Augenwinkel zu mir herunter, ehe er sich umsieht. Als er seinen Arm um meine Taille schlingt und mich an sich zieht, ohne auch nur kurz anzuhalten, muss ich stutzen.
Huch!
„Wir sind hier, um zu beobachten. Bevor ich eine Bank ausraube, schaue ich sie mir einmal an und das von nahem. Ich gehe unter dem Vorwand hinein, dass ich Geld abheben will und suche dabei unauffällig nach den Kameras, nach den Mitarbeitern... nach möglichen Verstecken und Notausgängen", offenbart er und klärt mich somit auf. Ich nicke verstehend und ein wenig überrascht. Noan ist wirklich klug. Und tatsächlich Kontrollsüchtig, wie ich bereits vermutet habe. Ich bin dagegen so anders, denn ich stürze mich einfach kopfüber ins Leben, während er seinen Schritt überdenkt, ehe er ihn tut. Beneidenswert.
„Ich verstehe", murmle ich, während wir uns dem Bankautomaten nähern. Klammheimlich ziehe ich seinen angenehmen Duft nach Moschus, Zedernholz und Leder ein. Ich habe im Bad gesehen, welches Parfüm er benutzt und als ich im Internet nachgesehen habe, sind mir fast die Augen rausgefallen bei dem Betrag. Sein Eigenduft ist ja schon betörend, doch vermischt mit dem Roja Parfüm...
Es ist einfach nur pervers.
„Hach, du riechst so gut", seufze ich und schubse ihn weg, sonst bekomme ich gar nicht mehr genug. Er sieht mich überrascht an, woraufhin ich nur die Schultern zucke. „Ich kann nicht klar denken", verteidige ich mich, wobei er nur die Lippen spitzt, er erwidert jedoch nichts. Nun, er wird sich wohl daran gewöhnen müssen, dass ich ihn phänomenal finde.
„Danke, Gatinha." Schmunzelnd schüttelt er den Kopf und nickt dann unauffällig nach rechts.
„Siehst du diese blonde Frau dort? Ihr Name ist Silvia Ferreira, Tochter des Inhabers dieser Bank. Süß, nicht?", raunt er und dreht sich sodann zum Bankomaten um, während ich den Blick nicht von der blonden Amazone abwenden kann. Harte Gesichtszüge, schwarz geschminkte Augen, langes, glattes Haar, das bis hier hin zu glänzen scheint und ein engelsgleiches Lächeln. Fürwahr. Eine wahrhaftige Bitch. Und genau das sage ich auch zu Noan, woraufhin er überrascht zu lachen beginnt.
„Goldrichtig. Sie ist eine Bitch, die gehörig den Hinter versohlt verdient. Daddy's Mädchen. Reich und verwöhnt. Einfach nur widerlich", zischt er zum Ende hin und verdreht leicht die Augen, wobei ich nur verwundert die Brauen heben kann. Da kann sie wohl einer nicht leide.
„Was hast du gegen sie?", hake ich nach und verschränke die Arme vor der Brust, ehe ich wieder zu Silvia Ferreira sehe. „Männer stehen doch genau auf solche Frauen. Taffe Blondinen mit so einem Körper - selbst ich gaffe!"
„Das kann schon sein, dass Männer auf sie stehen, doch wenn sie sie erstmal kennenlernen, dann..." Noan unterbricht sich selbst und sieht bedeutungsschwanger auf mich runter, dabei entdecke ich die wenigen dunklen Löckchen, die sich aus seiner Kappe hinausgeschlichen haben und sein hartes Gesicht umschmeicheln. Konzentration! Innerlich räuspere ich mich, äußerlich hebe ich irritiert eine Augenbraue in die Höhe.
„Dann?"
Er zuckt die Schultern.
„Wird sie gefickt und weitergeschickt."
„Wow. So läuft das also."
„Nein, so läuft es nicht, aber wenn man eine Schlange kennenlernt, dann tut man nur das mit ihnen", verteidigt er sich, ohne dabei den Blick vom Bankomaten abzuwenden. Ich schüttle den Kopf. Mir ist recht egal, was Menschen untereinander tun, ob sie jemanden verletzen oder nicht. Das ist nicht mein Problem.
„Würdest du so etwas tun?", frage ich ihn interessiert.
„Wenn sich jemand wie eine kleine Schlampe verhält, dann wird sie so behandelt." Noan wirft mir einen ernsthaften Blick zu und ich runzle die Stirn. Irgendwie habe ich geglaubt, er sei in dem Punkt respektvoller, doch etwas sagt mir, dass er einen verdammt guten Grund hat, wieso er so spricht. Na ja, es ist mir aber auch egal, wie er mit Menschen umgeht, solange er es nicht mit mir tut, denn dann hätten wir ein Problem. Am Ende liegt er kopflos vor meinen Füßen.
„Aber sie würde ich nicht einmal anfassen, wenn sie die letzte Frau auf Erden wäre", fügt er hinzu, sieht ein weiteres Mal auf die Blondine und scheint zu erschaudern. „Ekelhaft."
„Hasst du Frauen?", hake ich irritiert nach, denn für einen Moment kann ich es mir kaum erklären, wieso er bei so einer Schönheit so reagiert.
„Was? Nein, wie kommst du auf sowas? Ich hasse falsche Menschen, Gatinha. Und dabei behandle ich sie gleich Scheiße, ich nehme keine Rücksicht darauf, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelt. Bist du Scheiße, wirst du wie Scheiße behandelt - fertig."
„Ich verstehe", murmle ich nur und nehme mir vor das Thema zu wechseln. Der Klang seiner Stimme hat sich verändert. Er scheint diese Frau wirklich sehr zu hassen und ich frage mich, was es damit auf sich hat, doch ich weiß, dass er es mir erzählen wird, wenn die Zeit reif ist.
„Werden wir diese Bank heute ausrauben? Ich habe noch nie gestohlen, das ist so aufregend", flüstere ich ihm leise zu und grinse erfreut, woraufhin er mir einen schiefen Blick zuwirft und gleich darauf wieder auf den Bankomat sieht. Seine Mundwinkel jedoch kräuseln sich. Aha.
„Genau das werden wir. Heute Nacht wird Silvia Ferreira alles verlieren." Ein dunkles Lächeln schleicht sich auf seine Lippen und ich kann nicht anders, als zuzugeben, dass dieses gefährliche Lächeln ihm noch viel besser steht, als die anderen.
Oh ja, ich glaube, böse habe ich ihn am liebsten.
♋︎♋︎♋︎♋︎
Hello hello meine lieben Sonnenblümchen 💛
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!
Einige lagen mit ihren Vermutungen richtig; es wird nh Bank ausgeraubt, aber nicht nur eine 🌚 sondern gleich vier. Wieso Noan diese Frau wohl hasst? Überhaupt. Könnt ihr euch vorstellen, wieso er Banken ausraubt? Oder macht er es rein aus Vergnügen, weil er böse ist? Irgendwie scheint er doch eh viel zu nett...
Also bis dann! 🤪
SevenTimes-
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