»7« Rio de Janeiro
Dᴀᴋᴏᴛᴀ
Rio de Janeiro.
Eines der beliebtesten Städte weltweit. Seine Bekanntheit verdankt die Stadt ihrer wunderschönen Lage zwischen von üppiger Vegetation bedeckten Küstengebirgen und dem Meer.
Und nun blicke ich doch tatsächlich auf den türkisfarbenen Meer hinab!
Und nicht nur das. Aus dieser Entfernung kann ich sogar den weltberühmten Carnaval mit seinen Bandas und Blocos sehen - ich fass es kaum! Ich liebe diese Tänzer. Der ausgelassene Karneval mit Festwagen, schillernden Kostümen und Sambatänzern gilt als größte Feier dieser Art weltweit und ich habe mir schon immer mal gewünscht es aus der Nähe betrachten zu dürfen.
„Wir sind noch gar nicht gelandet und du strahlst, als hätte uns der Weihnachtsmann gerade mit seinen Rentieren überholt", reißt Noan's Stimme mich aus den Gedanken. Grinsend beiße ich mir auf die Unterlippe.
„Schau aus dem Fenster, Clyde, dann verstehst du, wieso ich so strahle. Siehst du die Sambatänzer? Ich habe sie schon immer für ihre Tanzkunst bewundert und jetzt sehe ich sie aus der Nähe - live!"
„Du wirst noch viel näher herangehen, wenn wir erst gelandet sind, Gathina. Wage es ja nicht mir wegzulaufen, um tanzen zu gehen", warnt er mich und gähnt. So müde wie er gerade aussieht, kann ich ihn wirklich nicht ernst nehmen. Dennoch schüttle ich den Kopf.
„Keine Sorge, Clyde. Ich tanze nicht, aber ich sehe gerne zu", erwidere ich und zwinkere ihm zu, woraufhin er bloß nickt.
„Gut, gut."
„Also? Wann landen wir endlich?"
„Jeden Moment", antwortet er, schließt die Augen und lehnt sich zurück. Ich stutze. Wie kann man jetzt die Augen schließen? Bei so einem Anblick, der sich uns bietet!
„Bist du schon mal in Brasilien gewesen?", frage ich ihn verwirrt, woraufhin er die Augen wieder blinzelnd öffnet. Hat er wirklich die ganze Nacht über nicht geschlafen, dass er jetzt so müde ist?
„Ja, das bin ich."
„Ach, deshalb scheint der Anblick für dich nichts zu sein!" Nickend wende ich wieder den Blick ab und sehe aus dem Fenster. Noan kennt das alles scheinbar schon, doch ich nicht, also ist es verständlich, dass ich nicht genug davon bekomme.
„Der Anblick meiner Heimat ist für mich nicht nichts", wirft er ein und als ich ihm diesmal einen überraschten Blick schenke, hat er die Augenbrauen gehoben.
„Du bist also Brasilianer", lache ich verwundert und schüttle den Kopf, woraufhin Noan die Stirn in Furchen legt.
„Was ist so lustig?"
„Ich wundere mich nur. Hast du mich hierhergebracht, um mich deiner Familie vorzustellen?", kichere ich und lege den Kopf schräg. Ich habe ihn bisher nicht gefragt, was wir in Brasilien wollen, doch ich bin auch nicht davon ausgegangen, dass er scheinbar Urlaub in seinem Heimatland machen möchte - mit mir! Mein Lachen verklingt und Noan regt sich noch immer nicht. Sein Gesichtsausdruck hat sich nicht verändert, er starrt mich immer noch so müde an, wie davor.
„Man kann niemanden besuchen, den es nicht gibt."
Ich erstarre. Oh nein, ich hätte das nicht sagen dürfen, ohne zu wissen, ob er überhaupt Familie hat! Was habe ich mir nur dabei gedacht?
„Es tut mir leid, mein Mund war mal wieder schneller", entschuldige ich mich und schließe die Augen vor Scham. Obwohl ich ihn mit meinen Worten verletzt haben muss, fühlt es sich so an, als hätte ich in mein eigenes Fleisch geschnitten. Ich will nicht wissen, wie er sich fühlen muss. Wenn man so etwas zu mir sagen würde, dann wäre ich jetzt zutiefst verletzt.
„Das konntest du nicht wissen, Gatinha", erwidert er ruhig und doch liegt sein Blick abschätzend auf mir, so wie als würde er nicht glauben, dass ich mich deshalb entschuldige, doch was er auch nicht weiß, ist, dass ich sehr sensibel auf solche Themen reagiere.
„Dennoch war das voreilig und falsch. Ich wollte deine Gefühle keineswegs verletzen", sage ich, woraufhin er mich nur leicht anlächelt und eine Augenbraue hebt, ehe er den Blick abwendet.
„Kauf mir einen Lutscher mit Kirschgeschmack und ich verzeihe dir", sagt er plötzlich unter leisem, kehligem Lachen und schließt wieder die Augen. Perplex blinzle ich.
„Einen Lutscher?", hake ich verwirrt nach und Noan hebt einen Finger mahnend in die Höhe.
„Mit Kirschgeschmack!"
Nun kann ich es nicht mehr zurückhalten. Lachend werfe ich den Kopf in den Nacken und kann nicht fassen, was er da gesagt hat.
„Hey, ich meine das ernst. Anders werde ich dir nicht verzeihen", lässt er mich wissen und ich nicke unter Tränen. Eine Eigenschaft, die ich wohl niemals loswerde; Wenn ich richtig zu lachen beginne, kommen mir augenblicklich die Tränen.
„Abgemacht, Clyde!"
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Etwa eine Stunde später betreten wir Noan's Zuhause.
Eine kleine Villa aus Glas.
„Bem vinda! Sinta se em casa", raunt Noan, sobald er die Tür geöffnet hat und mich hereintreten lässt.
„Du hast irgendetwas in der Art von ›Willkommen‹ und ›Fühle dich wie Zuhause‹ gesagt, oder?", hake ich nach und Noan nickt.
„Goldrichtig", bestätigt er und lässt seine Tasche auf den Boden fallen.
„Jetzt weiß ich, dass du Portugiesisch sprichst und einige Wörter sind Spanisch ganz ähnlich", sage ich und stelle meine beiden riesigen Koffer neben seiner Tasche ab. Noan sieht auf mich herab, als ich ihm so nahe komme.
„Nur was Gatinha bedeutet, weiß ich noch nicht."
Seine Mundwinkel zucken.
„Google es doch. Außerdem ist es zwar Portugiesisch, jedoch mit brasilianischem Akzent. Wir klingen schon ein wenig anders, als die Portugiesen. Du kannst deine Koffer übrigens hochbringen. Dein Zimmer ist das auf der linken Seite, die Tür geradeheraus, aber komm gleich wieder runter, denn die Pizzen werden in ein paar Minuten sicher geliefert."
Ich seufze leise und sehe ihm nach, als er zum Stromkasten läuft. Na gut, dann werde ich es nachher mal googeln. Jetzt tue ich erstmal, was er gesagt hat und danach verschlinge ich die Pizza, die hoffentlich bereits da ist, wenn ich wieder runterkomme.
Mein Magen knurrt bereits wehleidig.
Ich schleppe die Koffer mühevoll die weiße Treppe hoch und bleibe vor dem sauberen, leeren Korridor stehen. Hätte er mir denn seine Hilfe nicht anbieten können? Also ein Gentleman scheint er nicht zu sein. Seufzend gehe ich den kleinen Gang runter bis zu der Tür, die Noan hoffentlich meinte, doch es kann nur diese sein, denn die andere Tür führt in eine Toilette.
„Dann wollen wir mal", murmle ich und sehe mich einmal um. Schön ist es hier, das muss ich schon sagen. Das Zimmer wirkt zwar recht kahl durch die weiße Wand, dem leerstehendem Schrank und dem Bett, doch so mag ich es am liebsten. Daliah würde an meiner Stelle sofort Noan fragen, ob sie ein wenig hieran ändern darf, in dem sie Fotos aufhängt oder sogar streichen würde, doch ich bin da nicht so.
Ich mag es kahl und leer.
Seufzend streiche ich mir die Haare zurück. Hier ist es viel zu warm und ich trage viel zu dicke Kleidung! Zwar hat Noan befohlen gleich wieder runter zu kommen, doch einen Moment wird es sich sicher noch gedulden können, denn ich werde mir jetzt erstmal etwas dünneres anziehen. Ich krame eine einfache Stoffshorts und ein Shirt mit Spaghettiträgern heraus.
„Schon viel besser."
Und schon geht es wieder nach unten zu Noan.
„Pizza schon da?"
„Jap", ruft er zurück und nun sehe ich auch, dass er vor der Kücheninsel steht und die Karton's öffnet. Neblige Wolken steigen in die Luft und Noan schließt seufzend die Augen.
„Lecker!"
„Also? Was werden wir hier eigentlich tun?", frage ich ihn nach einer Weile, in der wir still gegessen haben und Noan nebenbei die Augen auf sein Laptop gerichtet hält. Wir hatten beide nicht wirklich Lust drin zu essen und haben stattdessen eine Decke auf dem Boden der Veranda gelegt und uns darauf hingesetzt. Hier fallen die Strahlen der untergehenden Sonne auf meine Haut, kitzeln mich und bescheren mir ein angenehmes Gefühl. Der Geschmack von Freiheit liegt mir nach einer sehr langen Zeit plötzlich auf der Zunge. Noan sitzt im Schneidersitz vor mir, ein Scheibe Pizza im Mundwinkel hängen. Das dunkle, exzentrische Haar fällt ihm wirr in die Stirn, doch er macht nicht den Anschein, als würde es ihn stören. Jetzt gerade runzelt er die Stirn und formt die Augen zu Schlitzen, wie als könne er nicht erkennen, was im Bildschirm seines Laptops angezeigt wird.
„Was wir hier tun werden...", murmelt er, zieht scharf die Luft ein und zieht das Pizzastück aus seinem Mund. Es scheint, als hätte er mich gar nicht gehört. Dann endlich verschwinden die Furchen auf seiner Stirn und er seufzt erleichtert. Das, was er scheinbar sehen wollte, ist wohl nun erschienen. Als er nun den Kopf hebt, um mich anzusehen, liegt ein zufriedner Ausdruck auf seinem Gesicht.
„Wirst du noch früh genug erfahren. Erstmal jedoch, muss du mir mal erklären, was du eigentlich unter Partnerschaft verstehst", fügt er seinem vorherigem Satz hinzu und hebt die Augenbrauen. Ich stutze. Was ist das denn für eine Frage?
„Ehm... Na ja, eine Partnerschaft eben. Zusammenhalt und Vertrauen", antworte ich, doch irgendwie klingt es in meinen Ohren wie eine Frage und mein Bauchgefühl sagt mir, dass es sich genauso auch bei Noan angehört hat. Seine linke Augenbraue jagt in die Höhe, als ich zum Ende hin die Schultern zucke.
„Ich dachte es mir schon. Du hast keine Ahnung", seufzt er und verschränkt die Arme vor der Brust. Mein Blick fällt auf sein Bizeps und für einen Moment ist die Pizza, die ich mir gerade in den Mund schieben wollte, vergessen. Aus geöffneten Lippen verfolge ich den Schweißtropfen, der gerade seinen Arm runterrollt.
Wann hat er sich dieses Shirt angezogen?
„Meine Augen sind hier oben, Gatinha."
Blinzelnd schüttle ich den Kopf und zucke die Schultern.
„Ups." Ich räuspere mich und hebe das Pizzastück, das mir unbewusst aus der Hand gefallen ist. Als ich ihn wieder ansehe, entdecke ich die Kerben um seinen Mund und das Lächeln, das immer breiter wird.
„Was denn? Du bist eben heiß", murre ich und mache eine Handbewegung, dass er weitersprechen soll. Er wiegt den Kopf hin und her, so als sortiere er seine Gedanken, ehe er wieder zu sprechen beginnt.
„Eine Partnerschaft ist nicht nur Zusammenhalt und Vertrauen, sondern auch Freundschaft. Als du gerade die Treppen hochgegangen bist, ist mir aufgefallen, dass es dir schwerfiel die Koffer mitzuschleppen und ich hätte dir gerne geholfen, doch warum hast du mich nicht gefragt, ob ich dir eben helfen kann? Gegenüber dem Partner sollte eine solch einfache Frage niemandem schwerfallen, Gatinha."
„Ich wollte dich nicht stören", lüge ich und wende den Blick ab. Irgendwie ist es verdammt unangenehm ihm lange in die Augen zu sehen und ich spüre gleich den Anflug von Wut, als mir das klar wird. Seit wann kann ich jemandes Blick nicht standhalten?!
Er atmet laut ein.
„Und Partner belügen sich auch nicht. Es war dir unangenehm, mich zu fragen und das verstehe ich auch, aber das braucht es nicht, klar?", hakt er nun etwas genervter nach und ich nicke langsam.
„Also gut."
„Du bist merkwürdig. Drängst mir eine Partnerschaft auf, aber ich muss dir die Regeln erklären." Noan schüttelt den Kopf und greift wieder nach seiner Pizza, während ich ihm nur irritiert dabei zu sehen kann.
„Du bist merkwürdig! Du bist ein Dieb und gefährlich in den Augen der ganzen Welt, dass du so ein respektvolles und höfliches Benehmen an den Tag legen kannst, ist viel erschreckender, als die Tatsache, dass ich in Wahrheit noch nie einen Partner hatte", werfe ich ein und er blickt überrascht auf.
„Du willst also, dass ich mit dir schlecht umgehe?", hakt er perplex nach.
„Ich... verstehe dich nur nicht. Du zischst nicht mal oder fauchst, wenn du sprichst", erwidere ich und runzle die Stirn.
„Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich ein Mensch bin und kein Tier." Seine Mundwinkel zucken, während ich nur die Augen verdrehen kann.
„Du weißt, wie ich das meine", seufze ich und er lacht auf.
„Nein, das tue ich nicht, Gatinha. Nicht alle Kriminellen laufen mit grimmigen Fressen durch's Leben. Es gibt auch welche, die die ordentliche Erziehung ihrer Mutter nicht vergessen haben", lässt er mich wissen, erhebt sich und schüttelt nur wieder halb lächelnd den Kopf.
„Ich gehe jetzt duschen. Du kannst es dir hier ruhig gemütlich machen."
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Hallöchen ᕕ( ᐛ )ᕗ
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!
Na, hat ihr eine Vermutung, was sie in Rio wollen? 🌚
Bis bald ihr Schnuckelhasen ❤️
SevenTimes-
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