Incipit prologus
11 August 1503
Regen prasselte auf die verlassenen Straßen Roms. Die schwarze Nacht hüllte die päpstliche Stadt in ihre unheilvollen Schwingen und bot jedem Schurken Deckung, der seine unchristlichen Gedanken in die Tat umsetzen wollte.
Das Geplätscher stach sich in die Ohren eines früheren Kardinals, dessen dunkle Locken bereits durchnässt waren. Seine Kleidung wurde durch einen Mantel geschützt, doch über sein markantes Gesicht lief das Wasser und rann an seinem Kinn herunter. Tropfen um Tropfen.
Hatte er sich wirklich dazu entschieden?
Denn eigentlich sollte er auf dem Schlachtfeld in der Romagna stehen, seine Armee anführen und jeden Feind in die Knie zwingen, der sich gegen ihn, Cesare Borgia, il Valentino, erhob. Doch er war in Rom, ganz in der Nähe des Vatikans in dem sein Vater, der Papst selbst, weilte und sich zu dieser Stunde bereits im seligen Schlaf befand. Stattdessen wartete er auf seinen spanischen Cousin, der ihm Neuigkeiten versprochen hatte und nicht auftauchte.
Zuverlässigkeit war nicht die Stärke des Kardinals, dachte Cesare verdrossen und wischte sich über das nasse Gesicht. Der Lederhandschuh glitt von der Stirn über die Wange bis zum Kinn und entfernte so die Regentropfen.
Wo blieb er denn bloß? Die rechte Hand ruhte die ganze Zeit auf dem Knauf seines Schwertes, stets bereit es im Kampf gegen den Feind zu ziehen. Von denen seine Familie genug hatte, was schon vor dem Konklave, in dem sein Vater zum Papst gewählt wurde, war.
Doch seitdem befand sich immer sein Gefolgsmann Micheletto Corella in der Nähe. Cesare drehte den Kopf nach links und spähte in die Gasse, die im Dunkeln vor ihm lag und in der sich der rothaarige Mann mit den vielen Narben im Gesicht und am Körper verbarg. Immer in Reichweite, sodass er sich sicher fühlen konnte, auch wenn die schwarze Nacht sich gefährlich auf ihn herab sank.
„Glaubt Ihr an Geister?", erklang eine Stimme dicht hinter ihm, sodass Cesare sein Schwert zog noch während er sich umdrehte. Eine vermummte Gestalt stand vor ihm, doch der rote Samt des Kardinalgewands stach unter dem schäbigen Mantel hervor, sodass Cesare erleichtert aufatmete. Das Schwert hielt er dennoch gezogen, als er auf den Mann zuging, der nur wenige Meter vor ihm stand.
„Ich fürchte die Lebenden mehr, Cousin", erwiderte Cesare und ließ seine Waffe in die Scheide an seinem Ledergürtel zurück gleiten. Das Geräusch durchschnitt die Stille, die sich ausgebreitet hatte und ließ den Vermummten seine Kapuze nach hinten streichen.
Das kantige Gesicht seines Cousins stach sich in Cesares dunkle Augen, die in der Nacht beinahe schwarz wirkten. Gewissenlos und kaltblütig würden einige sie bezeichnen, doch sie gehörten einem Strategen und Krieger, der wusste, wie er sich aus einer aussichtslosen Situation retten konnte, auch wenn das bedeutete gewissenlos und kaltblütig zu handeln.
„Das sehe ich genauso", sagte Martinez Hidalgo, dessen katalanischen Eltern mit Papst Alexander VI. verwandt waren und sie so zu Cousins machte. Der junge Spanier kam vor gut einem Jahr auf Bitten des Papstes nach Rom. Damals war er noch Erzbischof und unterstand dem Bistum Cordoba. Doch die Zeiten änderten sich, das war beiden mehr als bewusst.
„Ihr sagtet, Ihr hättet dringliche Nachrichten. Solche, die mich aus meiner Schlacht gegen die Fürsten der Romagna gerissen haben." Cesares Geduld war nicht mehr die Beste, weshalb er nicht mehr länger warten wollte.
Martinez kam ein Schritt auf ihn zu und sah ihn mit einem Ausdruck in den stechend grünen Augen an, der viel versprechend aussah. Cesare wusste, dass es wichtige Neuigkeiten sein mussten und spürte, wie der Faden seiner Geduld mit jeder weiteren Schweigesekunde weiter riss.
„Ich warte nicht gerne, Cousin. Das solltet Ihr bereits wissen", knurrte Cesare. Die Kälte in dieser Augustnacht war kein gutes Omen, denn sie kroch ihm in die Knochen und brachte ihn dazu die warmen Schenkel einer Frau zu vermissen, zwischen die er gerne gedrungen wäre.
Doch er stand im Regen in einer dunklen und modrig riechenden Gasse und wartete darauf, dass sein eingebildeter und machtbesessener Cousin ihm endlich das erzählt, was er glaubt zu wissen.
„Es gibt Gerüchte, Cesare. Gerüchte, die alles verändern würden und die Ihr wissen solltet."
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