
018 - Versprochen
„Newt!", riefen Alby und Kaya erfreut und wie aus einem Munde, als sie das Sani-Haus betraten. „Mann, ich dachte schon, das wärs mit dir, du Strunk!", raunte Alby, versuchte, belustigt zu klingen, doch Newt sah alles andere als amüsiert aus.
„Klonk, was sollte das?", fuhr Alby fort, als ihm aufging, dass der Blonde keineswegs erfreut über seinen witzigen Spruch reagierte.
„Wieso habt ihr mich da wieder rausgeholt? Woher wusstet ihr, wo ich war?", fragend sah Newt, der inzwischen, mit einer Decke über seinen Beinen, aufrecht im Bett saß. Er sah verschlafen aus, sein Haar war etwas zerzaust.
„Sie wusste es. Sie hat es -", setzte Alby an, doch Kaya unterbrach ihren Anführer: „Die Schöpfer waren es. Sie haben...die Frau, aus meinen Träumen. Sie hat mit mir gesprochen." Newt nickte: „Und du...ihr seid wieder da rein? Ich lag doch Stunden..."
„Meinst du vielleicht, ich würde dich so darin zurücklassen wenn ich die Chance habe, dich zu retten?", Kaya merkte, dass ihre Trauer und ihre Angst in Wut umschlug, doch sie zügelte sich nicht. Sollte Newt ruhig wissen, wie viel Angst sie um ihn hatte und wie sauer sie auf ihn war, so etwas dummes überhaupt getan zu haben.
„Es...tut mir leid, ehrlich.", kam es statt einer patzigen Antwort. Kaya schluckte, sie hatte erwartet, dass Newt verärgert reagieren würde.
„Wieso bist du überhaupt ins Labyrinth gelaufen? Du hattest doch frei?", wollte Alby nun wissen. Newt senkte seinen Blick auf seinen Schoß.
„Ich...", er wollte es nicht aussprechen.
„Du...?", fragte Alby, Kaya hätte ihn am liebsten dafür geboxt. Albys emotionales Verständnis hätte auf einen Teelöffel passen können.
„Dieser ganze Klonk hier. Ich konnte es nicht mehr. Leute sterben, verdammt. Sie sterben. Hier, an diesem Ort, wo wir jeden Tag beobachtet werden und nichts aber auch gar nichts uns dabei zu helfen scheint, einen Ausweg zu finden."
Newt spuckte die Worte förmlich aus, dann gefror sein Blick in einer todtraurigen, verletzten Miene. Kaya hätte ihn am liebsten umschlungen, fest gedrückt und gesagt, alles würde wieder besser werden, ihm seine Angst genommen oder zumindest Abhilfe schaffen wollen. Doch sie tat nichts. Sie schwieg, sah ihn mitfühlend an, blickte dann zu Alby, der die Augenbrauen nachdenklich in die Stirn gezogen und die Arme verschränkt hatte und versuchte, sich vorzustellen, was in Newt vorgegangen sein musste, um ihn an diesen ausweglosen Punkt zu treiben.
„Ich wollte es einfach nicht mehr, verstehst du? Ich konnte es nicht mehr. Es sollte vorbei sein. Endgültig. Und stattdessen", er zog die Bettdecke beiseite und offenbarte den Blick auf sein lila-blaues Bein. Sein Unterschenkel war stark geschwollen, die provisorische Schiene aus Holz und Metall rettete nicht das geringste, „stattdessen bekomme ich das hier."
Newt klang sauer und enttäuscht. „Hörst du dir eigentlich zu?", fragte Kaya leise. Alby und Newt sahen sie verblüfft an, erst jetzt realisierte das Mädchen, dass sie viel lauter als gewollt gesprochen hatte: „Du lebst. Verdammt, Newt, du hättest tot sein können!", ihre Emotionen schwangen von sauer auf traurig, von traurig auf verletzt und wieder zurück. „Du lebst, du lebst und dir ist nichts schlimmes passiert. Das ist doch erstmal alles, was zählt, man!"
Newt sah nachdenklich auf sein Bein hinab. Dann ging Kaya auf den Stuhl zu, auf dem sie die Nacht verbracht hatte, schob ihn noch ein Stück näher ans Bett und lehnte sich zu Newt vor: „Hör mal, ich verstehe, dass dich das hier zerstört. Dass du keine Kraft mehr hast, dass du Angst hast, dass du nichts von all dem hier verstehst, dass es dich in den Wahnsinn treibt. Aber diese beschissene Aktion, ins Labyrinth zu laufen, um alles hinzuschmeißen...das bist nicht du. Du bist kein Egoist, und schon gar nicht jemand, der einfach hinschmeißt.", Kaya griff nach Newts Hand.
Er drückte sie sanft, sein Blick ruhte noch immer auf seinem Bein. „Also, Newt. Was ist da draußen vorgegangen?", wollte Alby nun wissen. Kaya war ebenfalls neugierig, hätte Alby trotzdem gerne aus dem Raum geworfen. Seine Fragen waren wirklich unpassend und wenig emphatisch.
„Ich bin eine Mauer hochgeklettert und habe losgelassen. Das ist passiert, Alby. Es sollte vorbei sein, nicht...so enden. Ich kann ja nicht mal mehr laufen."
Alby nickte. „Schön, das war wirklich...", er beendete seinen Satz nicht. „Ich weiß, Alby. Du brauchst mich nicht an meine miserable Lage erinnern, danke."
„Also gut, wir päppeln dich schon wieder auf. Hast du schon gegessen?", wollte Alby wissen, obwohl die Frage überflüssig war. Newt war schließlich erst Minuten zuvor erwacht. „Ich gehe dir was besorgen. Deine Krankenschwester bewacht dich ja verlässlicher denn je."
Mit diesen Worten verließ Alby das Sani-Haus, Kaya und Newt blieben alleine zurück.
„Es...es tut mir leid.", seufzte Newt, dann hob er zum ersten Mal seinen Blick von seinem Bein. „Sag das nicht. Es...muss dir nicht leidtun. Ich verstehe schon, wieso du es getan hast. Ich kann es einfach nur nicht fassen. Ich hätte nicht damit leben können, dich nicht wiederzusehen.", sie strich sanft über seine Hand. Seine Finger lagen warm in ihren. „Du hättest mich mit diesen Strünken hier also einfach alleine gelassen, ja? Sehr freundlich.", versuchte Kaya die absurd-traurige Situation aufzulockern.
„Ich...Habe nicht viel darüber nachgedacht. Ich hatte einfach nur diese schrecklichen Umstände im Kopf, den Schmerz, die Angst. Diese Hoffnungslosigkeit und die Frage nach einem Sinn. Ich wollte es einfach nicht mehr. Nicht mehr jeden Morgen aufwachen und einen scheinbar unauffindbaren Ausgang finden.", eine Träne rannte seine Wange hinab. Newt sah aus, als hätte man ihm alles genommen, was ihm lieb war. Sein Blick war leer, verzweifelt, unendlich traurig und hoffnungslos.
„Newt...", seufzte Kaya, ohne zu wissen, was sie sagen sollte.
Newt sah sie durch seine traurigen, braunen Augen direkt an. Dann legte er sanft seine Hand an ihre Wange, zog sie zu sich und legte seine Stirn an ihre. „Es tut mir leid. Wirklich. Ich...wollte nicht, dass es euch so verletzt. Ich habe das alles so nicht gewollt. Ich bin einfach am Ende, Kaya.", er schluchzte. Kaya setzte sich von ihrem Stuhl auf die Bettkante, noch näher an Newt heran.
„Ich weiß. Ich bin nur heilfroh, dass diese Stimme mich zu dir geleitet hat. Ich...dieser Ort wäre ohne dich unendlich furchtbar. Und ich hätte es mir nie verziehen, dich zu verlieren, Newt. Du bist mein bester Freund, du darfst mich nicht verlassen, hörst du?"
Sie wischte ihm sanft eine Träne aus dem Gesicht. Ihre Nasenspitzen waren nur noch Millimeter voneinander entfernt. „Du musst bei mir bleiben, hörst du? Bitte."
Für den Bruchteil einer Sekunde schlich Newt ein sanftes Lächeln über die Lippen. Seine Hand wanderte hinter ihr Ohr und strich ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht.
Dann schloss Newt die Augen und legte seine Lippen langsam, ganz sanft, auf ihre. Es war ein kurzer, zaghafter Kuss, der sanft wie eine Feder auf Kayas Lippen kitzelte. Doch das Gefühl, welches die Nähe und süße seiner Lippen in ihr auslösten, explodierte wie eine Milliarde Schmetterlinge in ihr. Dann löste Newt den Kuss, lehnte sich mit dem Rücken an die Bettkante und sah zu ihr auf, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
„Alles wird wieder gut, ich habe es dir doch versprochen.", flüsterte Kaya nur, dann drückte sie noch einmal sanft Newts Hand, die ihre Finger immer noch umschlungen hatten.
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