Kapitel 3.2
»Warum verfolgt ihr dieses Kind?«, fragte ich erneut knurrend und fixierte den Vampir, der dieses Mal meinen Blick ängstlich erwiderte.
»Sie ist ... eine Vampirin. Kinder dürfen nicht ...«, setzte er an, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. Ein Kind. Arthur hatte es gewagt ein Kind zu wandeln? Dabei dachte ich, zumindest dieses Tabu würde er nicht brechen, doch eigentlich kannte ich ihn nicht.
»Und was wollt ihr jetzt mit diesem Kind?«, fragte ich, wobei meine Krallen sich vor Wut ins feuchte Erdreich bohrte.
»Zurückbringen«, sagte er unschlüssig und vorsichtig.
»Ich will nicht«, rief das Mädchen plötzlich, wodurch ich meinen Blick zu ihr wandte. Sie kauerte zwischen den Weizenhalmen und zitterte heftig. Ihre silbernen Augen waren auf mich gerichtet und ein Schauer lief mir über den Rücken.
Jetzt, wo ich sie länger betrachtete und mustern konnte, kam sie mir bekannt vor. Das lange, schwarze Haar, das über ihre Schulter fiel, wirkte vertraut. Nicht nur in der Art, wie es fiel, sondern auch, wie es dunkel schimmerte.
Mein Mund wurde trocken und mein Herz setzte einen Moment aus. Sie sah aus wie eine kleine Kaca!
Knurrend wandte ich mich zu dem Vampir. »Wurde sie gewandelt oder geboren?«, fragte ich wütend, weil mir ein sehr erschreckender Gedanke kam.
Der Vampir wich zurück und der Geruch von Angst kam mir entgegen. Wenn ich ehrlich war, wollte ich die Antwort gar nicht wissen. Die Vorstellung, dass Arthur es geschafft hatte, Kaca dazu zu zwingen, ihm ein Kind zur Welt zu bringen ...
Allein der Gedanke reichte aus, dass meine Sicht rot wurde. Mein Atem ging schwerer und dann bewegte sich mein Körper wie von allein.
Obwohl ich es nicht hatte tun wollen, tötete ich den Vampir vor mir und schließlich auch den, der am Boden gelegen hatte.
Blut rann über meine Lefzen, während ich schwer atmend versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
Ein leises Wimmern drang an meine Lippen und als ich mich umwandte, entdeckte ich das Mädchen, das noch immer zusammengekauert dort saß. Warum war sie nicht weggerannt?
Arthurs Tochter.
Der Gedanke brachte mich erneut in Raserei und auf einmal sah sie aus, wie ein leichtes Opfer.
Dummes Mädchen. Hätte fliehen sollen, solange sie noch konnte.
Knurrend kam ich auf sie zu, was sie noch stärker wimmern ließ.
Ich entdeckte Blut an ihrem Knöchel. War sie verletzt? War sie deshalb nicht weggerannt?
Sie roch nach Arthur und brachte mein Blut in Wallung.
»Bitte tu mir nichts«, flüsterte sie heiser und ängstlich. Mit einer Stimme, die mich abrupt innehalten ließ.
Mir wurde heiß und kalt, während ich einen schritt zurückwich.
Vielleicht war sie Arthurs Kind, aber mit Sicherheit war sie mit Kaca verbunden. Ich konnte sie nicht einfach töten.
Es fiel mir schwer, doch ich schluckte meine Wut herunter und verwandelte mich langsam wieder in meine menschliche Gestalt.
Das Blut der Vampire klebte auf meiner Kleidung und an meiner Haut, doch ich störte mich nicht daran. Was mich mehr störte war der Geruch nach Angst, der von dem Mädchen ausging.
Ich stieß die Luft aus und schloss für einen Moment die Augen. Wegrennen konnte sie mit ihrem Fuß ohnehin nicht. »Ich werde dir nichts tun«, versprach ich. Am besten ich brachte die zu Angelique. Sie würde sicher wissen, was man mit dem Kind tun sollte.
Der Geruch von Nagst nahm nur wenig ab und als ich meine Aigen öffnete, konnte ich sie noch immer in den Augen des Mädchens sehen.
Langsam ging ich in die Hocke, um mit ihr halbwegs auf Augenhöhe zu sein. »Wie heißt du?«, fragte ich mit rauer Stimme. In ihrer Situation hätte ich vermutlich auch Angst vor mir. Ich war einfach nicht für sowas geschaffen.
»K4«, erklang ihre zitternde Stimme.
»Was?«, fragte ich, da ich geglaubt hatte, mich verhört zu haben.
K4. Das konnte für einiges stehen, aber scheinbar war sie die Nummer vier.
Hieß das, es gab noch mehr? Noch mehr Kinder? Auf was bezog sich das K? War es eine Art Seriennummer.
»K4«, wiederholte sie und schien versucht, ihre Stimme fester klingen zu lassen. Es klappte nicht wirklich.
Brummen fuhr ich mir durch die Haare. Das war doch kein Name für ein Kind. »Und wie alt bist du?«, wollte ich weiter wissen. Ich konnte es an ihrem Körper kaum abschätzen. Außerdem wusste ich auch nicht recht, ob sie nun ein gebissener Mensch war oder doch ein Vampirkind.
Ich konnte beobachten, wie die an ihren Fingern etwas abzählen, bevor sie mir die ausgestreckte Hand entgegenhielt. Dabei zeigte sie fünf Finger.
»Fünf Jahre?«, fragte ich nach, da ich mir nicht sicher war, ob das stimmte.
Sie nickte, verzog dabei aber einen Moment das Gesicht, als hätte sie Schmerzen, doch fast sofort schien sie diese Emotion zu verstecken.
Das arme Kind. Was hatte sie nur als Arthurs Tochter, oder eher Experiment, alles durchlebt? Sie tat mir leid.
Musternd betrachtete ich sie. Ihre Augen strahlten wie kleine Monde und ihre Haare schienen jegliches Licht zu verschlucken.
»Ich nenne dich Raven. Ist das okay?«, wollte ich wissen, denn sie einfach nur K4 zu nennen fühlte sich falsch an. Und wenn man bedachte, wer wahrscheinlich ihre Mutter war, war der Name sehr passend.
Für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass sich ihre Augen mit Freude füllten, doch dann kam die Vorsicht zurück.
»Was wirst du jetzt mit mir machen?«, fragte sie zögerlich, ohne großartig auf den Namen einzugehen.
»Ich bin Kaelo. Der Alpha des letzten Werwolfrudels«, stellte ich mich vor, konnte aber nur Verwirrung in ihren Augen lesen.
»Werwolf? Das heißt Menschen können sich nicht in Wölfe verwandeln, sondern nur ... Werwölfe?« Ihre Worte klangen wie eine Frage, aber auch wie eine Feststellung.
Ihre Auffassungsgabe überraschte mich und erinnerte mich gleichzeitig sehr an Kaca.
Ich nickte leicht und kam ein Stück auf sie zu. »Genau. Lass mich deinen Fuß sehen«, bat ich, wobei ich versuchte, meine Stimme sanft klingen zu lassen.
Raven zögerte und wirkte, als würde sie jeden Moment wegrennen wollen, doch schließlich ließ sie es los und schob es vorsichtig zu mir.
Ich war kein Arzt, doch der Knöchel war blau und geschwollen. War es vielleicht sogar gebrochen?
Sanft legte ich meine Finger darauf und tastete die Haut vorsichtig ab. Ob sie wohl such so schnell heilte, wie es für Vampire üblich war?
Wohl eher nicht, sonst wäre sicherlich schon alles verheilt.
»Glaubst du, du kannst laufen?«, fragte ich, denn ich hatte immerhin eine Mission. Diese würde ich erfüllen, bevor ich Raven zu Angelique bringen konnte.
»Ich ...«, setzte sie an und versuchte dann tatsächlich aufzustehen.
Dummes Ding.
Bevor sie den Fuß belasten konnte, packte ich sie und hob sie ohne Probleme auf meine Arme.
Sie gab einen überraschten Laut von sich, krallte sich dann aber an mir fest.
Ihr Körper zitterte, doch einen Herzschlag nahm ich nicht wahr.
Nur die Kühle, die von ihr ausging und mich erneut an Kaca erinnerte.
»Ich werde dich zu jemanden bringen, der sich um dich kümmern wird, aber zuerst muss ich jemanden finden«, erklärte ich angespannt, denn ich wusste nicht genau, was ich während meiner Suche mit dem Mädchen machen sollte. Allein lassen konnte ich sie nicht. Wer wusste schon, was sie anstellte oder was man ihr antat, so ganz ohne Schutz. »Bis dahin werde ich mich um dich kümmern, fügte ich hinzu, um ihr ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Es war für mich schwierig einzuschätzen, was ich tun sollte, doch sie war ein Kind und erinnerte mich nicht nur an Kaca. Auch an Maron, die ich sehr vermisste. Ich entschied mich also dazu, sie mit mir zu nehmen und erst einmal wie Maron zu behandeln. Das würde hoffentlich ausreichen.
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