Kapitel 24
~Emilie LeBlance~
Ich versprach Mutter, dass ich mich heute Abend mit ihr treffen würde, um zu reden, damit ich meine aktuelle Aufgabe erledigen konnte.
Noch immer brodelte die Wut in mir. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie eine Frau wie Beatrice zu einer Beta geworden war. Sie hatte zwar die Aura und auch die Macht, aber einfach nicht den Charakter. Mir gefiel es ganz und gar nicht, sie hier zu haben. Nicht, solange sie eine Bedrohung für Angel darstellte.
»Entschuldige, ich wollte nicht, dass du das siehst«, seufzte Angel, während wir beide Mutter beobachteten. Sie lief etwas schwerfällig und wirkte alles in allem erschöpft und gebrechlich. Ein Anblick, der mir gar nicht gefiel.
Ich winkte ab. »Ist nicht deine Schuld«, sagte ich sanft, denn ich wollte nicht, dass Angel sich Beatrice völlig unpassendes Verhalten auf die Kappe schrieb. Da sie zum Rudel des letzten Alphas gehörte, war sie es vermutlich nicht so gewöhnt, politische Gespräche zu führen. Was ihre Unerfahrenheit, aber nicht ihre Dreistigkeit erklärte.
Angel fuhr sich durch die Haare. Ein sehr verführerischer Anblick. Wie schaffte sie es nur, dass ich sie jederzeit in eine Umarmung ziehen und küssen wollte?
Obwohl unsere Situation jetzt ein wenig besser war, konnte ich mich dennoch noch nicht dazu durchringen, diesen Schritt zu gehen. Die Angst, dass die Konsequenzen zu groß waren, war einfach zu groß.
»Lass uns weiter machen«, schlug ich vor, denn es gab einen Grund, warum wir hier waren.
Jetzt, wo ich Beatrice auch direkt kennengelernt hatte, war es noch leichter, ihren Geruch zu folgen.
Erneut fuhr sich Angel durch die Haare. Dabei zerzauste sie diese so sehr, dass ich das Bedürfnis hatte, sie zu kämmen.
Angel war die Art von Frau, der selbst diese Frisur nichts an Eleganz nahm.
»Na gut«, seufzte sie und setzte sich in Bewegung.
Ich konnte sie dabei nur beobachten. Ihr Gang war grazile und schwerelos. Jede Bewegung schien genau durchdacht.
Früher hatte ich geglaubt, dass es einfach daran lag, dass sie ein Vampir war. Alles an ihr sollte Anziehend auf potentielle Opfer wirken. Allerdings hatte ich dieses Gefühl nur bei ihr. Vielleicht auch noch bei ihrer Mutter, doch so richtig war ich dieser noch nicht begegnet. Ich hatte nur ihre Macht gespürt. Verführerisch und warm.
Schnell riss ich mich von Angels Anziehungskraft los und sah mich stattdessen um.
»Hier haben wir die Spur verloren«, bemerkte Angel jetzt, sodass ich stehenblieb und mich konzentrierte.
Ich konnte ihre Duftnote deutlich wahrnehmen, aber auch eine andere, dunklere Note.
»Könnte es sein, dass eines deiner Experimente ausgerissen ist?«, fragte ich mit leiser Stimme, sodass nur Angel mich hören würde.
Angel verspannte sich und blickte mich ungläubig an. »Nein. Auf gar keinen Fall«, sagte sie, doch ich hörte an ihrer Stimme, dass sie sich nicht ganz so sicher war.
Ich nahm das erst einmal so hin. »Ich rieche etwas unter Beas Duftnote«, erklärte ich und versuchte dieser zu folgen.
Sie überlagerte Beas Geruch, was es nicht ganz so leicht machte.
Es fiel mir schwer, nicht zu werten, während der Duft mich immer mehr an Arthur und seine Dämonenexperimente erinnerte.
Angel und ihre Versuche mit dem Dämonenblut hatten vielleicht einen anderen Hintergrund als die Experimente von Arthur, doch das änderte nichts daran, dass sie Personen im Schloss in Gefahr brachte. Ganz davon abzusehen, was mit ihr geschehen würde, wenn etwas schiefging. Mir wäre es so viel lieber, wenn sie damit aufhörte, doch dazu konnte selbst ich sie nicht überreden. Darum würde ich dafür sorgen, dass zumindest nichts Schlimmeres passierte.
»Sicher, dass es nichts von dir ist?«, fragte ich noch einmal, denn die Umgebung wurde immer kälter und der Geruch unangenehmer.
Angel atmete tief aus. »Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, aber wenn du willst, können wir nachsehen«, bot sie an. Ein Zeichen, wie sehr sie mir vertraute.
»Sobald ich die Spur verloren habe«, sagte ich und stellte fest, dass Beas Geruch immer nebensächlicher wurde. Dafür nahm der andere zu. Es war schwer, diesen genau einzuordnen. War das ein Vampir oder doch eher etwas Dämonischeres? »Ich kann sagen, dass definitiv Dämonen hier waren.«
Angel verzog das Gesicht und trat noch näher an mich heran, als würde sie mich schützen wollen.
»Wie kann etwas Dämonisches hier eindringen?«, fragte sie hörbar angespannt.
Das war eine sehr gute Frage, die ich leider nicht beantworten konnte.
Wenn wir davon ausgingen, dass es wirklich nicht aus dem Keller ausgebrochen war ... War dieses Schloss nicht mehr sicher.
»Das ist eine Frage, der wir nachgehen sollten«, bemerkte ich und hielt inne, als die dämonische Aura einfach an einer Wand verschwand. »Und wir sollten Beatrice im Auge behalten.«
Angel nickte. »Ich werde mich darum kümmern«, sagte sie und musterte mich dann eingängig.
Ich hob die Hand und legte sie auf das Mauerwerk. Soweit ich wusste, gab es hier keinen weiteren Geheimgang. Aber es könnte auch sein, dass ich mir einfach die Dinge falsch gemerkt hatte. Daher ließ ich meine Finger über die Steine wandern, um etwas zu spüren. Jedoch war da nichts, was auf etwas Verdächtiges hinwies.
»Hier sind keine Geheimgänge«, bemerkte Angel, die mich weiterhin genau musterte.
»Hier endet die Spur«, verkündete ich, was dafür sorgte, dass Angel die Augen zusammenkniff.
»Dahinter ist nur ein kleiner Innenhof.«
Ich konnte sehen, wie sich Angel umsah, bevor sie auf ein Fenster zutrat und dieses mit einigen Handgriffen öffnete. »Wenn du ihn dir anschauen willst, können wir hier raus und über die Mauer«, bot sie an und deutete mir, ihr zu folgen.
Obwohl die Situation unpassend war, musste ich doch schmunzeln. »Aus dem Fenster klettern und über die Mauer?«, fragte ich neckend. Es war immerhin ihr Schloss. Sicherlich kannte sie den Weg, war aber zu faul, die Strecke zu laufen.
Angel verzog den Mund. »Ja. Um die Tür zu nehmen, müssten wir durch das halb Schloss und vor allem durch Mutters Räumlichkeiten.«
»Oh«, gab ich von mir. Scheinbar war dieser kleine Innenhof das Gebiet von Kaca. Kein Wunder, dass sie den offiziellen Weg nicht nehmen wollte.
Schnell lief ich auf sie zu. Die Vorstellung, mir Kacas Garten anzusehen, war irgendwie aufregend. Gleichzeitig machte ich mir aber Sorgen. Angel war bei dem Thema ihrer Mutter immer sehr emotional. Vermutlich, weil ihr Vater sie damals verlassen hatte.
Zumindest hatte sie mir das erzählt.
Angel kletterte als erstes aus dem Fenster und reichte mir dann die Hand.
Es überraschte mich nicht, dass wir auf eine Seitenmauer kamen, die fast unter dem Fenster lag. »Das ist aber ein guter Weg für Einbrecher«, bemerkte ich nüchtern.
Wäre dieses Schloss nicht durch diese immense Magie geschützt, wäre es ein Ort, in dem man wirklich leicht einbrechen konnte. Das gesamte Bauwerk wirkte zusammengebastelt. Aber Angel hatte sich sicher etwas dabei gedacht. Mir erschloss sich diese Mauer, die ein Stück unter dem Fenster langlief und eine Art Wehrgang bildete, nicht wirklich.
Vor mir erkannte ich eine gläserne Kuppel, die über dem Innenhof lag.
Selbst ich konnte sehen, wie fein sie gearbeitet war, weshalb ich mich für einen Moment in diesem Anblick verlor. Dabei entgingen mir auch nicht sie viele Schutzzauber, die über das Gebäude gelegt waren. Es wäre unmöglich unbefugt dort hinein zu gelangen.
Angel schien damit jedoch keine Probleme zu haben. Sie lief auf eine Stelle zu und hockte sich so, dass sie an einen Mechanismus kam, welcher ein Fenster öffnete. Dann sprang sie einfach hinein.
Ich blieb zurück und atmete tief ein. Der Geruch aus dem Gewächshaus war verführerisch, doch mein Herz schlug vor Aufregung schneller. War das wirklich in Ordnung? Konnte ich einfach so in Kacas Heiligtum eindringen?
»Wo bleibst du denn?«, erklang Angels auffordernder Ruf, der mich aus meiner Erstarrung riss.
Wenn wir nicht erwünscht wären, würden die Zauber uns schon daran hindern. Glaubte ich zumindest.
Also nahm ich all meinen Mut zusammen und folgte Angel durch das Fenster hinein.
Ich wusste nicht genau, was ich wartet hatte, doch die Wärme, die mir entgegenschlug, kam unerwartet.
Um uns herum war alles grün.
Von der Decke, die aus einem Glasdach bestand, hingen Pflanzen hinab, die teilweise in voller Blüte standen. Ein Meer aus bunten Blumen.
Der Boden war aus Gras und mit einigen Steinen waren kleine Wege markiert.
»Das ist ja riesig«, bemerkte ich atemlos. Von außen hatte es viel kleiner ausgesehen.
»Mutter liebt die Natur«, erwiderte Angel lediglich, während sie einige Pflanzen zur Seite schob und mir deutete, ihr zu folgen.
Ich hatte angenommen, dass hinter den Pflanzen schon die Glaswand kam, doch da hatte ich mich geirrt. Stattdessen gab es nur noch mehr Pflanzen.
Einige davon bewegten sich sogar, was mich dazu veranlasste, näher zu Angel zu treten und nicht mehr als einen Schritt von ihr entfernt zu bleiben. Was, wenn die Pflanzen angriffen? Dass Kaca derartige Blumen hatte, traute ich ihr durchaus zu. Warum konnte ich jedoch nicht sagen, denn so richtig passte es eigentlich nicht zu ihr.
»Was genau wollen wir eigentlich hier?«, fragte ich, denn so ganz verstehen, warum wir hier waren, konnte ich nicht.
»Du hast doch gemeint, dass diese Spur an der Wand verschwunden ist«, bemerkte Angel, was mich nicken ließ. »Dann könnte es sein, dass das Wesen in Mutters Zauber geraten ist. Wenn das der Fall ist, sollten wir hier ...« Sie brach den Satz ab, als sie eine Pflanze zur Seite schob.
Angel blieb stehen, sodass ich fast in sie hineingerannt wäre. Erst, als ich an ihr vorbeiblickte, verstand ich, warum.
Vor uns war eine Steinwand, die einen dunklen Fleck aufwies. Einige Pflanzen an dieser stelle waren schwarz und wirkten abgestorben.
»Ein Dämon«, flüsterte Angel, während ich mich von dem Anblick nicht losreisen konnte. Es sah aus wie eine Spur.
Was auch immer sich hier hineingeschlichen hatte, schien noch immer da zu sein. Und es war gefährlich.
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