
Kapitel 30
HARRY
„Und woher weiß ich, dass du das Gleiche nicht bei mir auch machen willst?" Rauchend vor Wut stürmte Louis an mir vorbei ins Wohnzimmer, wo er sich mit verschränkten Armen aufs Sofa fallen ließ.
„Mann, Louis!" Verzweifelt raufte ich mir die Haare. „Wie oft soll ich es dir noch sagen? Das war, bevor ich dich kennengelernt habe! Ich würde dir sowas nie antun!"
Er sah mich zweifelnd an. „Du hast schon so viele Menschen auf dem Gewissen, wieso solltest du also vor mir Halt machen?"
„Vielleicht, weil ich dich liebe?!"
Nachdem diese Worte meinen Mund verlassen hatten, herrschte erstmal für ein paar Momente überraschte Stille im Raum, bevor Louis zu sprechen begann: „D-du liebst ... mich?"
Ich seufzte und schlug die Hände vors Gesicht. „Ja, das tue ich. Ich würde niemals zulassen, dass dir etwas passiert, und schon gar nicht würde ich dir selbst Leid zufügen. Vertraust du mir denn nicht wenigstens ein bisschen?"
Louis biss sich auf die Lippe. „Tut mir leid, Harry. Diese ganze Geschichte hat mich einfach so mitgenommen ... ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du irgendwie ..." Er verstummte und schüttelte den Kopf. „Ich hoffe, du hast diese Zeit wirklich hinter dir gelassen."
„Bombensicher", antwortete ich mit fester Stimme und konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken, als er eine schuldbewusste Miene zog und unsicher zurücklächelte. „Ich hasse es so sehr, mit dir zu streiten."
Ich breitete die Arme aus und hätte vor Freude heulen können, als er sich ohne zu zögern hineinwarf und den Kopf an meiner Schulter vergrub. „Ich liebe dich auch, Harry."
Ein Gefühl der Glückseligkeit kribbelte in meinem Magen und wollte gar nicht mehr aufhören, als er mich zu küssen begann. Leider konnten wir den Moment nicht mehr auskosten, denn nun fiel mir siedend heiß ein, dass Zayn und Niall eigentlich schon längst zurückgekehrt sein mussten, immerhin war nun schon Sonnenaufgang eingetreten.
„Lou?" Sanft löste ich mich von ihm, hielt aber seine Hände in meinen fest. „Weißt du, ob Niall gestern Nacht noch heimgekommen ist?"
Die Freude in seinen Augen begann zu schwinden und wich einem besorgten Ausdruck. „Ich weiß es nicht. Ich habe keine Nachricht mehr von ihm erhalten. Was ist mit Zayn?"
Ich schüttelte ratlos den Kopf. „Kein Lebenszeichen."
Besorgnis und Schuldbewusstsein drohten mich zu überwältigen. Wäre es nicht unsere Aufgabe gewesen, ein Auge auf die beiden zu haben, ob alles gut lief? In Louis' Augen konnte ich exakt die selben Empfindungen ablesen, bevor er ohne den Blick von mir zu wenden sein Handy aus der Tasche zog, um aus seiner Kurzwahl Nialls Nummer anzurufen.
Gebannt lauschten wir auf das Freizeichen und hofften innerlich betend darauf, dass er endlich abhob, aber nichts geschah, bis das langsame Tuten in ein schnelleres überging. Nachdem wir die selbe Erfahrung mit Zayns Handy gemacht hatten, begannen wir wie auf Kommando gleichzeitig, unsere Jacken überzuwerfen.
Fluchend riss ich die Haustür auf und stürmte auf die Straße hinaus. „Und ich habe mein verdammtes Auto zu Hause stehen."
Louis lief an mir vorbei, wobei er wild nach rechts gestikulierte und rief: „Bis zu Niall ist es nicht weit! Wenn wir laufen, brauchen wir keine zehn Minuten."
Zehn Minuten brauchten wir wirklich nicht – genau genommen dauerte es ungefähr fünf, da ich ihn packte und ihn einfach hinter mir herzog. Ich war als Vampir einfach schneller als er, wodurch er auch ein paar Mal fast Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hätte, aber letztendlich war unsere Aktion auf diese Weise etwas effektiver.
An der Einfahrt angekommen, musste ich Louis festhalten, damit er nicht vor Erschöpfung umkippte. Schimpfend torkelte er ein paar Schritte herum, bevor er schwer atmend die Arme auf die Knie stützte.„Ich laufe nie wieder mit dir. Hast du gehört? Nie wieder."
Grinsend klopfte ich ihm auf den Rücken. „Schon klar." Ich zögerte. „Vielleicht solltest du klingeln und fragen. Mir sehen sie an der Nasenspitze an, dass sie mich eigentlich umbringen müssen."
Er knuffte mich in die Seite. „Lass mich erst mal zu Atem kommen." Trotzdem dauerte es keine fünf Sekunden, bis er losmarschierte.
Etwas ungeschickt vergrub ich die Hände in den Hosentaschen und lehnte mich an den Gartenzaun des Nachbargrundstücks, während ich Louis dabei beobachtete, wie er die gepflasterte Auffahrt überquerte und sich wie ein Superdetektiv ein paar Mal umschaute, bevor er die Klingel betätigte. Angespannt huschte mein Blick zwischen meinem Freund und der Straße hin und her, als könnte sich gleich eine Truppe Verbrecher auf ihn stürzen, doch nichts dergleichen passierte– wortwörtlich, denn auch die Haustür blieb verschlossen und hinter den Fenstern regte sich rein gar nichts. Stirnrunzelnd drehte er sich zu mir um und wollte offenbar gerade etwas sagen, da erklang eine Stimme direkt hinter mir: „Sucht ihr beide die Horans?"
Ich machte einen Sprung und konnte meine Faust gerade noch vom Zugschlagen abhalten, als ich eine ältere Frau erblickte, die in Hausschuhen und einer Kaffeetasse in der Hand etwas versetzt hinter mir am Gartenzaun lehnte.
„Hallo", stotterte ich, noch immer überrumpelt. „Eigentlich schon, ja."
„Da werdet ihr kein Glück haben." Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, in der sie einen großen Schluck aus der Tasse nahm und ein wenig mit den Schuhen scharrte. „Da war vergangene Nacht ganz schön was los. Ich weiß ja nicht, was passiert ist, aber auf dem Feld draußen sind Autos herumgefahren. Nicht lange danach sind die Horans zu dritt weggefahren und seitdem nicht wiedergekommen."
Ich musterte sie abschätzend. Sie war ein typisches Exemplar einer Dame, die den ganzen Tag (und offenbar auch die ganze Nacht) nichts Besseres zu tun hatte, als ihre Nachbarn auszuspionieren – ein Wunder, dass die Horans in ihrer Tätigkeit als Vampirjäger noch nicht aufgeflogen waren.
„Wissen Sie, wohin sie gefahren sind?" Louis trat neben mich, wobei er nervös sein Handy in den Händen drehte.
Die Frau hob abwehrend die Arme. „Fragt mich nicht. Die kutschieren fast jede Nacht irgendwo in der Weltschicht herum und keiner weiß, was sie tun." Sie holte tief Luft, offenbar um eine weitere hyperspannende Erzählung herunterzurattern, aber ich fiel ihr ins Wort, bevor sie selbst ein einziges herausbringen konnte: „Danke! Wir müssen dann auch wieder los!"
Wir ließen sie verdattert mit ihrer Kaffeetasse am Zaun stehen und liefen die Straße hinauf. „Gehen wir zu unserem Clanhaus", beschloss ich. „Dann frag ich mal nach, was im Moment genau abgeht, denn ich habe wirklich keine Ahnung. Und wir können gleich mein Auto nehmen."
Nachdem mir einer der Wächter Auskunft gegeben hatte, waren wir schnurstraks zum besagten Gefängnisgebäude der Vampirjäger gerast– genauer gesagt stellten wir den Wagen zwei Straßen weiter ab, um nicht in unnötiges Chaos verwickelt zu werden, und liefen den restlichen Weg. Obwohl uns eine hohe Halle den vollständigen Blick versperrte, stachen uns sofort die Rauchwolken ins Auge, die von irgendetwas dahinter in die Luft stiegen und das Tageslicht trübten. Louis schnappte nach Luft, kaum dass wir um die Ecke gekommen und wie angewurzelt stehengeblieben waren. „Was zum ...!?"
Ich merkte, wie meine Kinnlade nach unten klappte. „Ich fass es nicht! Sie haben ... alles in die Luft gejagt? Aber ... Zayn ..."
Louis hörte mich gar nicht, denn er war schon zu einem Wagen gestürzt, der in beträchtlicher Entfernung zum Schauplatz geparkt war und dessen Fahrertür sperrangelweit offen stand; der Schlüssel lag am Boden. „Das ist das Auto von Nialls Vater." Er blickte sich um, als ob er Niall irgendwo erblicken könnte. „Das heißt, sie sind alle da drin!" Mit einem louishaften, ziemlich unschönen Fluch stürmte er los, doch jetzt kam mir wieder einmal zugute, dass ich ein wenig schneller war, denn so konnte ich ihn problemlos einholen und zum Auto zurückzerren.
„Bist du des Wahnsinns? Wenn Mr. Malik dich sieht, bis du Steak!"
„Ich mag Steak."
„Vampire haben einen etwas anderen Steakgeschmack. Du bleibst jetzthier und ich versuche, Zayns Vater abzufangen. Du bleibst WIRKLICH hier!", fügte er drohend hinzu, als er das trotzige Blitzen in meinen Augen bemerkte. „Ich habe keine Lust, dich hinterher als Louissteak aufsammeln zu müssen. Oder soll ich dich in das Auto einsperren und die Türen so verbiegen, dass man sie nur noch mit einem Brecheisen aufbekommt?"
„Immerhin ist es nicht mein Auto."
Ich verdrehte die Augen und seufzte. „Bleib einfach hier, okay? Für mich."
Der trotzige Gesichtsausdruck blieb, aber ich bemerkte, wie sein Blick sanfter wurde. „Okay."
Ich drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich."
Dann zog ich los, um irgendwo in dem heillosen Chaos Zayns Vater zufinden.
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Nach einer gefühlten Unendlichkeit: Wer ist denn überhaupt noch alles von den Lesern übriggeblieben? xD Ich sollte mich wirklich mies fühlen....
Ich hoffe, ihr hattet einen schönen Sommer! :))
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