Vor dem Sturm ist nach dem Sturm
Da stand ich also auf der Veranda und blickte hinab auf das tosende Meer. Welches unruhiger denn je war. Meter hohe Wellen, rollten auf unseren Strand zu. Doch was mir die Angst in die Knochen trieb, war diese riesige Trichterförmige Wolke. Welche dabei war, direkt vor unserer Insel das Meer zu berühren. Immer weiter wirbelte sich der Trichter hinab. Tumult brach aus. Wie wild gewordene Hühner liefen alle umher und brachten alles was nicht Niet und nagelfest war in Sicherheit. Angsterfüllt und doch irgendwie fasziniert sah ich der Wolke zu. Als sie das Wasser berührte, riss sie es wirbelnd mit hinauf in die Luft. Wie ein Kreisel bewegte sie sich stetig hin und her. Änderte ihre Richtung. Der Wind nahm zu und es begann zu Donnern. Dann brach der Himmel auf. Wie aus Eimern begann es zu regnen. Eier großer Hagel mischte sich hinzu. Plötzlich berührte die Wolke unseren Strand.
Dann ging alles ganz schnell. Mein Dad riss mich aus meiner Starre und schleifte mich in unsere Scheune. Mum und Granny lagen sich zitternd in den Armen. Während Dad und Ben weitere Leute in die Scheune brachten, ehe sie schnell die Türen schlossen. Dad drängte uns alle zum Heu und wies uns an, uns flach auf den Boden zu legen.
Mein Herz hämmerte wie verrückt. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben richtige Angst. Der Wind pfiff über die Scheune hinweg und ließ das Holz laut Knarren. Plötzlich knallte es und ich spürte wie mir etwas nasses kühles über mein Gesicht lief. Ich blickte hinauf und konnte den Rand der Wolke sehen. Der Wind hatte das Dach der Scheune mit sich gerissen. Dann wurde es beängstigend ruhig. Windstill und kein einziger Tropfen Regen fiel mehr. Dennoch konnte ich die Wolke wirbeln sehen. Nur waren wir nun mitten drin. Also im Inneren des Trichters. Das wirbeln schien langsamer zu werden. Zumindest sah es so aus. Tatsächlich war der Spuk in Sekundenbruchteilen vorbei. Der Trichter hatte sich aufgelöst. Einzig der Regen gepaart mit einem deftigen Gewitter blieb noch eine ganze Weile. Dad erkundigte sich, ob jemand verletzt wurde. Doch bis auf ein paar Kratzer waren alle unversehrt.
Als er die Scheune öffnete, sahen wir erst das ganze Ausmaß der Zerstörung. Etliche Hütten waren dem Erdboden gleich. Eine riesige Schneise durchzog zwei unserer Felder.
Auch eine der Vorratshütten war völlig zerstört. Eine bedrückende Stille lag über uns. Ben half jenen, die ihre Hütte verloren hatten und richtete ein Übernachtungslager ein. Mum zerrte mich von alldem weg und sprach ununterbrochen auf mich ein. Jedoch konnte ich sie nicht hören. Zu tief saß der Schock. Sie brachte mich in mein Zimmer und ließ mich dort alleine zurück. Irgendwann schlief ich ein, doch es war kein sehr erholsamer Schlaf.
Als ich am Morgen erwachte, spürte ich noch die Nachwirkungen des letzten Abends. Sämtliche Muskeln waren angespannt und verspannt. Gerädert stand ich auf und wankte zur Tür hinaus bis auf unsere Veranda. Ich war sofort wieder hellwach. Im Tageslicht sah alles noch viel viel schlimmer aus. Einige standen vor den Trümmern ihres Lebens. Coco lag in den Armen ihres Mannes und weinte bitterlich. Sie war eine der Näherinnen unserer Gemeinschaft. Ihre Hütte war völlig zerstört. Ich erspähte meinen Dad, der bereits mit Ben dabei war das Chaos zu beseitigen. Alle packten kräftig mit an. Mum bat mich darum, nach den Feldern zu sehen. Leider war von zweien nicht mehr viel übrig. Das Maisfeld und das Gurkenfeld war so gut wie weg. Natürlich konnte man einiges noch nutzen. Aber diese Ernte würde geringer ausfallen als üblich. Ich schnappte mir die Körbe und begann damit, aufzusammeln was den Sturm überlebt hatte. Die Sonne brannte auf meiner Haut. Hatte ich doch glatt meinen Hut vergessen. Beth stand plötzlich hinter mir, sodass ich erschrak.
„Kann ich dir helfen? Ich könnte zum Beispiel die gefüllten Körbe in die Vorratshütten bringen.", sagte sie bedrückt.
„Danke Beth, das wäre nett. Viel wird es dieses Mal nicht sein, aber besser als überhaupt nichts.", gab ich traurig zurück und wies in Richtung der gefüllten Körbe.
Nickend machte sie kehrt und begann die Ernte weg zubringen. Immer mehrere Frauen kamen mir zur Hilfe. Einige Sammelten, andere halfen Beth. Dies war das schlimmste was uns hier widerfahren war. Zumindest konnte ich mich nicht, an schlimmeres erinnern.
Ben, Dad und die andern Männer hatten sich an den Bau neuer Hütten gemacht. Bäume gab es hier zu genügend. Doch der Aufbau war mühselig. Wir besaßen zwar einen Vorrat an getrocknetem Holz, doch ob er nun ausreichend war, blieb ungewiss. Außerdem war so eine Wohnhütte etwas aufwendiger, als eine einfache Vorratshütte. Immerhin mussten dort mehrere Räume geschaffen werden. Hinzu kam, dass sämtlicher Besitz der Leute unter den Trümmern lag. Das hieß viel Arbeit in den nächsten Wochen. Granny stellte mehrere Brote her und versorgte die Arbeitenden mit Essen, Kaffee und Tee. Jeder packte fleißig mit an. Das war das gute an unserer Gemeinschaft. Wir hielten alle zusammen. Keiner war eigennützig. Als ich den letzten Korb gefüllt hatte, kam Oscar schon mit seinem Pferd. Er begann das Feld zu pflügen.
Da niemand im Moment auf mich achtete, beschloss ich einen kurzen Ausflug zu machen. Schnell Schlich ich mich davon, in Richtung Südseite der Insel. Mein Herz klopfte aufgeregt vor sich hin. Ob dort noch alles war wie zuvor?
Als ich die Dünen hinter mir hatte, stütze ich mich auf meinen Beinen ab.
Wenn es so heiß war wie momentan, war der Weg sehr anstrengend.
Erneut stockte mir der Atem, als ich meinen Blick über die Bucht schweifen ließ.
Mein Herzschlag erhöhte augenblicklich seien Takt. Schnell ließ ich mich auf die Knie in den erhitzten Sand nieder. Aufmerksam sah ich mich um und kroch weiter zu dem Felsen, einige Meter vor mir. Ich lugte vorsichtig über ihn hinweg.
Vor mir lag ein kleines schiffswrack. In seiner Seite prangte ein riesiges Loch. Die Umgebung jedoch war sicher. Niemand war zu sehen. Auch schien hier die Trichter Wolke nicht gewütet zu haben.
Tausende Fragen schossen in Sekundenbruchteilen durch meine Gedanken.
Gab es überlebende?
Waren es Menschen?
Oder gar diese Blutsauger?
Was war geschehen?
Ich war hin und hergerissen. Sollte ich ins Dorf zurückkehren und Hilfe holen?
Was wenn es tatsächlich Überlebende gab? Jetzt vor Ort könnte ich augenblicklich Hilfe leisten. Aber wenn ich nun ins Dorf laufe, könnte die Hilfe eventuell zu spät kommen.
Nervös knabberte ich auf meiner Unterlippe. Ich fasste all meinen Mut zusammen und stand auf.
Die Umgebung im Blick, ging ich vorsichtig hinab. Es war kein besonders großes Schiff. Höchstens für zehn bis fünfzehn Mann geeignet. Es sah für mich so aus, als wären sie gegen einen Felsen geprallt. Einen Moment lang haderte ich mit mir selbst, ehe ich vorsichtig ins inner spähte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro