Rettung
Da stand ich nun also vor verschlossener Tür. Natürlich durfte ich mich hier nicht frei bewegen. Ich hatte Liam wohl unterschätzt. Dies ärgerte mich. Irgendwie musste es doch möglich sein, von hier zu verschwinden. Vielleicht würde er die Zügel lockern, wenn ich tat, was er von mir verlangte. Also beschloss ich ab morgen Gehorsam zu sein. Was mir nicht leicht fallen würde. Aber die Chancen standen gut, dass ich mich dann frei bewegen durfte. Zumindest so wie Eva, ich musste nur sein Vertrauen gewinnen. Neue Hoffnung keimte in mir auf. Es war bereits Nacht und schreie drangen durch das Fenster zu mir herein. Schreie der Angst. Unbehagen sah ich aus dem Fenster. Auf der Straße direkt unter meinem Gemach, sah ich einen Blutsauger. Er war grade dabei ein Mädchen zu beißen. Was ihren Schrei plötzlich verstummen ließ. Mein Herz raste vor Angst. Als wenn er es hören konnte, blickte er zu mir auf. Seine blutverschmierte Fratze verzog sich zu einem grinsen. Er ließ von dem Mädchen ab, welches leblos zu Boden fiel und kletterte blitzschnell an der Mauer hinauf. Geschockt sprang ich vom Bett und begann um Hilfe zu schreien. Immer wieder betätigte ich die verschlossene Türklinke und zerrte daran. In der Hoffnung, sie würde auf gehen.
Vergebens.
Mein Angreifer kletterte zu mir ins Gemach. Es war ein älterer Mann, jedoch ohne eine einzige Falte im Gesicht. Seine blutunterlaufenden Augen sahen Furcht erregend aus. Noch schlimmer waren seine spitzen Zähne, an denen noch das Blut des Mädchens klebte.
Wie ein Raubtier kam er näher auf mich zu.
Ich wandte meinen Kopf weg und schloss meine Augen. Pure Angst überkam mich.
Plötzlich kippte ich nach hinten weg und wurde herum gewirbelt.
Dann vernahm ich seine raue Stimme, gepaart mit seinem betörenden Duft.
„Was fällt dir ein, meinen Palast zu betreten?!
Sie gehört mir!", knurrte Liam und ging auf den Angreifer los.
Solch einen Kampf haben ich noch nie gesehen. Alles ging so schnell. Meine Augen konnten ihren Bewegungen kaum folgen. Liam schleuderte ihn gegen die Mauer, aus der bei seinem Aufprall riesige Brocken heraus brachen. Er riss ohne großen Kraftaufwand ein Stück Holz aus dem Bett und pfählte meinen Angreifer. Er schrie noch einmal auf, dann zerfiel er zu Staub. Zitternd stand ich in der Tür und sah ungläubig zu Boden. Er war einfach fort. In Luft aufgelöst. Liam kam langsam auf mich zu.
„Bist du verletzt? Hat er dich gebissen?", flüsterte er und begann meinen Körper zu untersuchen. Unter seinen Berührungen erschauderte ich.
Die Angst schnürte mir noch immer die Kehle zu, sodass ich nicht antworten konnte. Also schüttelte ich nur leicht meinen Kopf. Er hob mich in seine Arme und brachte mich in einen anderes Gemach. Besser gesagt in sein Gemach. Es bestand aus mehreren Räumen. In einem stand ein Bett, auf welches er mich nieder ließ.
„Du bleibst vorerst hier bei mir. Nun schlaf. Niemand wird dir leid zufügen.", sagte er abgewandt und ging mir geballten Fäusten hinaus.
An Schlaf war jedoch nicht zu denken. Zu viel Adrenalin floss durch mich hindurch. Was Liam wohl bemerkte. Er kam zurück und sah mir in die Augen. Er sah angestrengt aus.
„Schlaf Raja.", flüsterte er mir zu und ich glitt in die Dunkelheit.
Als ich aus meinem Traumlosen schlaf erwachte, fühlte ich mich erholt. Ich setzte ich aufrecht und sah mich um. Ein prunkvoller Raum, er sah wie neu aus.
Unbenutzt.
Durch die Tür erspähte ich Liam. Der auf einem Sofa saß und ein Buch laß. Ohne von ihm aufzusehen sprach er zu mir.
„Guten morgen Raja. Dein Frühstück steht bereit."
Unbehagen betrat ich seinen Wohnraum und sah ihn verwundert an.
Hatte er tatsächlich eine Tasse Kaffee in der Hand? Mir fiel auf, dass ich überhaupt nichts über die Gepflogenheiten von Vampiren wusste. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein makelloses Gesicht. Als ich mich suchend abwandte, war ich wie gefesselt. Das musste ein sogenannter Balkon sein. Granny hatte mir davon erzählt. Er war ähnlich einer Veranda, nur dass er auch hoch oben in Gebäuden angebracht werden konnte. Auf ihm stand ein kleiner gedeckter Tisch. Pflanzen verschiedenster Art säumten sein Geländer und die Aussicht war einfach atemberaubend. Ich konnte mein heiß geliebtes Meer sehen. Vorsichtig setze ich einen Fuß auf den Balkon. Er schien sicher zu sein. Also setzte ich meinen Weg fort und ließ meinen Blick über die Stadt schweifen. Links von mir auf einem Berg, befand sich ein prunkvoller Bau. Er schien uralt zu sein. Ich suchte in meinen Erinnerungen nach seinem Namen und fand ihn auch. Dies musste der Parthenon Tempel sein. Ein Teil der Akropolis. Erbaut für die Göttin Athena. Er war wunderschön. Ich kannte ihn nur aus einem alten Geschichtsbuch meiner Granny. Ihn nun endlich zu sehen, erfüllte mich mit Freude. Durch meine Faszination bemerkte ich Liam nicht, der mittlerweile direkt hinter mir stand.
„Dir gefällt was du siehst. Athen ist wunderschön, nicht wahr.",flüsterte er mir ins Ohr. Wobei ich erschrak.
Ich hatte nicht mit seiner Nähe gerechnet. Überhaupt war er sehr sonderbar. Erst verschleppte er mich und schloss mich ein. Nun war ich in seinen Gemächern und er spielte den netten jungen Mann von nebenan.
„Ja die Aussicht ist sehr schön. Danke, Liam. Dass du mich gestern gerettet hast.", entgegnete ich ihm aufrichtig und meinte es auch so.
Er nickte mir zu und wies zu dem kleinen Tisch. Automatisch knurrte mein Bauch. Ich hatte Hunger. Erstaunt sah ich mir die vielen Speisen an. Frisches Brot und Brötchen, Marmeladen aller Art, Wurst Käse und Honig.
Wie zuhause, nur eben mehr.
Liam nahm mir gegenüber Platz und Schank sich noch ein Kaffee ein. Als er meinen Blick bemerkte, hielt er inne.
„Was? Dachtest du Vampire trinken nur Blut?", fragte er mich neugierig.
„Nun ja, ich weiß leider überhaupt nichts von euren Gepflogenheiten. Nur das, was meine Granny mir erzählt hatte.", gab ich höflich zurück und biss in mein Marmeladenbrot. Was übrigens hervorragend schmeckte.
Erneut huschte ein Lächeln über seine Lippen und das Grübchen erschien. Er stellte seine Tasse ab und sah mich forschend an.
„Und deine Granny, was auch immer das ist, erzählte dir nur von blutrünstigen Monstern. Hab ich recht?", drang seine raue Stimme zu mir rüber.
„Das ist meine Großmutter. Aber ja, so in etwa. Sie war noch sehr jung, als sie aus den Städten flohen. Granny bekam nur den Anfang eurer Übernahme mit.", gab ich kauend von mir und trank einen Schluck Kaffee.
„Raja, unsere Rasse ist nunmal die stärkere. Uns gab es schon immer, nur blieben wir eben im verborgenen. Hin und wieder war jemand unachtsam. Das was 1940 geschah, war so nie geplant. Uns blieb keine andere Wahl.", sagte er mit ernster Miene.
Lauthals lachte ich los und Liam sah mich verständnislos an. Wahrscheinlich dachte er nun, ich wäre völlig verrückt.
„Willst du mir etwa weis machen, ihr gehört zu den guten? Das es die Schuld der Menschen war? Das wir als eure Nahrungsquelle dienen? Von was habt ihr euch zuvor ernährt, hm? Eichhörnchen?", gluckste ich vor mich hin.
Liam's Lächeln wirkte zum ersten Mal echt. Er lehnte sich zurück.
„Könnten wir, wollen wir aber nicht. Euer Blut ist viel gehaltvoller und schmeckt um einiges besser. Es gibt uns mehr Kraft.
Aber ja, niemand sagte, dass wir die Bösen sind. Es gab früher wenige von uns. Du musst wissen, wir wählen weise wer sich uns anschließen darf. Leider wurde damals ein Fehler begannen und einen dieser Fehler hast du letzte Nacht kennengelernt. Natürlich haben wir zuvor auch von euch getrunken, nur wurden wir nie entdeckt.", gab er aufrichtig zurück und trank einen weiteren Schluck Kaffee.
Ich könnte ihn fast mögen, wenn er mich nicht gegen meinen Willen hier festhalten würde. Alles klang so surreal in meinen Ohren.
„Bedeutet das, dass nicht jeder zum Vampir wird, der von euch gebissen wird? Außerdem hat vor 1940 niemand ein Sterbenswörtchen von euresgleichen erwähnt. Wie erklärst du das, hm.", fragte ich und nahm den letzten Bissen von meinem Brot.
„Um Himmelswillen nein. Nur wenn wir dies möchten, findet die Verwandlung statt. Mehr musst du dazu auch nicht wissen.
Sagen wir mal so, wir besitzen gewisse Fähigkeiten. Wir können sehr überzeugend sein.", sprach er weiter und sah mir direkt in die Augen.
„In Ordnung. Ihr besitzt Magie?", aufgeregt rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her.
„Natürlich nicht. Wir sind ja keine Hexen oder Zauberer. Ich werde es dir bei Gelegenheit zeigen. Mich wundert nur, dass du nicht fragst, warum wir in der Sonne wandeln können.", gab er lachend zurück.
Jetzt da er es erwähnte, erinnerte ich mich. Granny erzähle mir von Dämonen der Nacht, unfähig das Sonnenlicht zu betreten. Fragend sah ich ihn an.
„Alles Humbug. Wir verbrennen nicht in der Sonne und Knoblauch hilft auch nicht gegen uns. Auch euer heiß geliebtes Weihwasser kann uns nichts anhaben. Einzig der Holzpflock ist unsere schwäche.", seine Antwort kam schnell.
Ehe er sich selbst unterbrach. Es klopfte an der Tür.
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