level 29
"Guten Morgen."
Jungkook stand entgeistert in seiner Küche, als ich ihm eine Tasse Tee reichte.
"Alles okay?" Ich beugte mich vor, um ihn deutlicher mustern zu können. Zumindest schien er nicht mehr so hohes Fieber wie gestern zu haben.
"D-du bist wirklich hier? Das war kein Traum?", stammelte er sichtlich überfordert und ich konnte nicht anders als deswegen in schallendes Gelächter zu verfallen.
"Wieso überrascht dich das so?"
"Na, weil ich ... dich doch umarmt habe", er blinzelte mich schuldbewusst an, was so süß an ihm aussah, dass ich fast Diabetes bekam.
"Achso das...", ich lächelte bloß und ließ die Schultern zucken. "Ist schon okay, du warst krank."
"Bin ich immer noch", murmelte er so undeutlich, dass ich es nicht verstand.
"Was hast du gesagt?"
"Ach gar nichts."
"Na dann, iss bitte dein Frühstück. Wir haben einen Termin. Du bist rechtzeitig wach geworden", bat ich ihn, doch Jungkook legte bloß den Kopf schief.
"Termin? Wo?"
"Das wirst du schon sehen", antwortete ich knapp.
[...]
"Du hast mich ernsthaft ins Krankenhaus geschleppt?", entkam es Jungkook sprachlos.
"Dr. Yoon ist der ehemalige Arzt meines Vaters bei Wettkämpfen gewesen und ich habe ihn gebeten, dass er sich dich mal ansieht. Einfach nur, damit du dich durchchecken lässt."
"Minah, mir geht's gut", stöhnte Jungkook bloß fassungslos und mir war klar, dass es vielleicht etwas viel war.
"Ich mache mir einfach sorgen um dich. Du hast eben erfahren, dass deine Mutter noch lebt und hast so viel Arbeit am Hals... du gönnst dir keine Pause und das hat dazu geführt, dass dein Körper jetzt streikt. Es ist nur zur Sicherheit, okay?"
Jungkook kaute auf seiner Unterlippe herum und ließ seinen Blick dann zu Boden gleiten.
"Du... machst dir sorgen um mich?", hakte er nach. Die Scham in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Wieso fing mein Herz in so einem Moment an schneller zu schlagen?
"Das ist doch wohl klar."
Wie ein zufriedenes Kindergartenkind, dem man einen Berg an Schokolade geschenkt hatte, marschierte er herein, ohne noch einen einzigen Klagelaut von sich zu geben.
Während Dr. Yoon Jungkook unter die Lupe nahm, wartete ich alleine in der Lobby, wo sich einige Leute tummelten. In dieser Zeit gab ich meinem Vater bescheid, dass es Jungkook besser ging und während meines Telefonates stach mir urplötzlich ein blonder Haarschopf ins Auge.
"Appa, wir sehen uns dann später", verabschiedete ich mich, ehe ich von meinem Sitzplatz aufstand und dabei zusah, wie der junge Mann nervös in der Lobby auf und ab ging.
Was machte er hier?
"Namjoon?", sagte ich und klang dabei eindeutig schockierter, als ich es eigentlich war.
Der Größere riss die Augen weit auf, noch bevor er seinen Kopf in meine Richtung drehte.
Seiner seltsamen Reaktion nach zu urteilen schien ich ihn bei irgendwas ominösem ertappt zu haben.
Mittlerweile stand ich vielleicht fünf Schritten von ihm entfernt.
"Minah?" Es war nicht Namjoon, der meinen Namen so begeistert ausgesprochen hatte. Nein, denn dieser stand noch immer wie angewurzelt da und hatte sich keinen Zentimeter bewegt.
Stattdessen schaute ich geradewegs in das Gesicht der bildhübschen jungen Frau, die zu uns gestoßen war.
"Haesoo."
Als ich sie sah, vermutete ich es bereits.
Meine Augen bewegten sich zurück zu Namjoon, der nun stirnrunzelnd den Fußboden ins Visier nahm.
[...]
Namjoon und ich saßen nebeneinander in der Lobby, während Haesoo behandelt wurde.
Zu erst wagte ich es nicht den Mund zu öffnen, doch dann tat ich es einfach, ohne weiter darüber nachzudenken.
"Warum hast du nichts gesagt?", wollte ich wissen.
Namjoons Hände lagen völlig verkrampft in seinem Schoß, ehe er sich dazu entschloss seine Finger ineinander zu verschränken.
Diese angespannte Stimmung zwischen uns raubte mir beinahe den Atem.
"Weil ... das nichts mit euch zu tun hat", antwortete er mir sachlich und geordnet, doch in sah in seinem Gesicht, dass er komplett aufgelöst war.
"Das mag schon sein", stimmte ich ihm zum Teil zu. "Aber ihr hättest du es sagen können. " Ich musste Sojungs Namen nicht aussprechen, damit er wusste von wem ich sprach.
"Nein, auf keinen Fall darf sie es herausfinden." Panik blitzte in seinen blutunterlaufenen Augen auf.
"Denkst du nicht, dass du ihr eine Erklärung schuldig bist? Hast du echt gedacht, dass sie-"
"Haesoo ist meinetwegen so... es ist meine Schuld. Deswegen ist es meine Priorität mich um sie zu kümmern. Ich habe nicht das Recht Sojung die Wahrheit zu sagen."
"Namjoon", ich legte meine Hand auf seine, als ich sah wie angespannt er war. "Ich verstehe ja, dass du für sie da sein willst, aber .... das ist ganz sicher nicht deinetwegen so. Glaubst du wirklich das Haesoo wegen dir eine Essstörung hat?"
Er schluckte schwer und schien mit sich zu ringen, doch dann sah er mich endlich an.
"Versprich mir, dass du nichts sagst. Vor allem ihr nicht", verlangte er unmissverständlich und ich nickte stumm.
"Haesoo hat sich vor etwas länger als einem Jahr bei mir als Homosexuell geoutet", erklärte er mir und wartete scheinbar auf irgendein Anzeichen der Abneigung von mir.
Er setzte danach deutlich erleichteter fort.
"Ich habe sie natürlich unterstützt und habe mich für sie gefreut. Schließlich ist sie meine kleine Schwester."
Mir war schon vorher aufgefallen, dass Namjoon sich für die Rechte der LGBTQ+ Gemeinschaft eingesetzt hatte, doch damit hätte ich tatsächlich nicht gerechnet. So war Namjoon eben. Einfach ein guter Kerl.
"Sie hat es am Anfang nur mir anvertraut, weil sie Angst davor hatte es unseren Eltern zu sagen. Ich war derjenige, der sie dazu gedrängt hat es ihnen zu erzählen, weil ich geglaubt habe, dass sie Haesoo bedingungslos akzeptieren würden..."
Meine Sicht verschwamm urplötzlich und ein beißendes Gefühl schnürte mir die Lunge ab. Ich konnte mir denken, was als nächstes kam.
"Sie haben sie einfach rausgeschmissen, Minah. Einfach so. Ihr eigenes Kind."
Ich konnte es nicht fassen, dass es in der heutigen Zeit noch so konservative Menschen gab. Was war bitte falsch daran? Liebe sollte doch immer umjubelt werden.
"Sie wohnt seitdem bei mir, doch die Hartherzige Reaktion unserer Eltern hat sie so sehr mitgenommen, dass sie deshalb Bulimie bekommen hat. Sie hat Schuldgefühle und schämt sich dafür, obwohl sie nichts falsch gemacht hat. Mittlerweile ist es schon so schlimm, dass an Kreislaufproblemen leidet. Ich habe versucht meine Eltern umzustimmen, dabei habe ich mir geschworen nie wieder mit ihnen zu reden. Aber sie haben ihre Meinung nicht geändert." Tränen schimmerten in seinen Augenwinkeln, doch er blieb stark.
"Haesoo braucht auf jeden Fall eine Therapie, aber sie will keine. Wenn ich sie dazu zwinge, würde ich es noch schlimmer machen. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll... und dann hat mir Sojung plötzlich ihre Gefühle gestanden."
Es machte alles Sinn. Wieso er so oft zu spät war, oder weshalb er ungern über seine Eltern sprach. Die ganze Zeit über hatte er sich um seine kleine Schwester gekümmert, welche ihm so sehr am Herzen lag.
"Namjoon", krächzte ich den Tränen ebenfalls nah und widerstand dem Drang ihn zu umarmen nicht länger.
"Ich will Sojung da nicht reinziehen, Minah. Das kann ich ihr nicht zumuten. Haesoo braucht mich."
Sojung würde aufjedenfal Verständnis dafür haben, wenn er es ihr erklären würde. Da war ich mir absolut sicher. Aber ich wusste auch, dass Namjoon diese Tatsache bewusst war. Er mochte sie so sehr, dass seine eigenen Gefühle unterdrückte, damit sie nicht mit ihm leiden musste.
Es leichter darüber hinwegzukommen, als sich um eine psychisch Kranke Siebzehnjährige zu kümmern. Ich war mir sicher, dass er so dachte, aber nicht wagte es auszusprechen.
"Aber sag mal Minah... Was machst du eigentlich hier?", fragte er mich auf einmal und ich löste mich aus unserer Umarmung, um ihn anzusehen.
Ein Knoten lag in meinem Magen und ich wischte mir die Tränen aus den Augen, bevor ich es ihm sagte.
"Also-"
"Minah? Ich hab dich überall gesu- Namjoon?" Jungkook blieb wie der letzte Depp vor uns stehen. Ich blinzelte ihn überrascht an
Namjoons Stirn kräuselte sich verwirrt und sein Blick huschte immer wieder von ihm zu mir, doch irgendwann schmunzelte er bloß. Seine Mundwinkel zuckten immer wieder amüsiert.
"Ach so ist das", meinte er pfiffig, doch ich schlug ihn -mit bedacht- gegen seinen Oberarm, während mein Kopf kurz vorm explodieren schien.
"Es ist nicht so wie du denkst!", versuchte ich die Situation noch irgendwie ins Lot zu bringen und warf Jungkook einen hilfeschreienden Blick zu, damit er etwas sagte.
"Was denke ich denn?", scherzte Namjoon stattdessen, weshalb ich für einen kurzen Moment nicht mehr so viel Mitleid für ihn empfand, wie noch vor einer Sekunde.
"Wir ... ähm also... eigentlich.."
"Du kannst damit aufhören, Minah. Ich habe ihm von meinem Geständnis erzählt", seufzte Jungkook nur, nahm meine Hand und zog mich auf die Beine.
Wenigstens wusste ich jetzt endlich, was mit ihm los war und doch würde es die Lage dadurch nicht besser machen.
"Yah, was zum-"
"Wir gehen", unterbrach er mich und machte keinerlei Anstalten meine Hand loszulassen.
Wenn ich es wirklich gewollt hätte, dann hätte ich mich mit Leichtigkeit befreien können. Doch ich tat es nicht.
"Wir reden noch!", rief ich Namjoon über die Schulter zu, während ich von Jungkook verschleppt wurde.
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