17. Kapitel
"Ich bin froh, dass du gekommen bist", sagte Joachim. Brenna ging langsam zu seinem Bett. Shivawn, der sie hierher gebracht hatte, stand hinter ihr in der Tür und beobachtete sie. Sie hatte das bereits einmal zugelassen und sie liess es jetzt wieder zu. Normalerweise ertrug sie es nicht, wenn sich jemand hinter ihr aufhielt. So hatte sich nämlich der Überfall abgespielt. Ethan hatte sich ihr von hinten genähert, sie dann ... Sie verdrängte die Erinnerung.
Sie waren eine Zeit lang zusammen gewesen, aber seine Launen waren immer unerträglich geworden. Als sie versucht hatte, die Beziehung zu beenden, war er ausgerastet. An diesem Tag hatte er sie so schwer verletzt, dass sie sich oft gewünscht, sie wäre stattdessen gestorben.
Heute machte es ihr jedoch keine Angst, dass jemand hinter ihr stand - dass Shivawn hinter ihr stand. Sie fing langsam an, Shivawn und seine sanfte, umgängliche Art zu mögen. Trotz ihres Traumas und obwohl sie ihn erst kurz kannte, fühlte sie sich in seiner Gegenwart sicher. Sie konnte sich mittlerweile sogar vorstellen, mit ihm ... intim zu werden. Mit ihm, versicherte sie sich selbst. Nicht mit Joachim.
Vorhin, als sie mit den anderen Frauen in einem Zimmer eingesperrt gewesen war und alle von ihren sexuellen Erlebnissen geschwärmt hatten, war sie von erotischen Fantasien regelrecht überschwemmt worden. Zwar hatte sie das Gesicht des darin auftretenden Mannes nicht erkannt, aber sie hatte gewusst, dass es Shivawn war. Und zwar deshalb, weil sie sich dabei geborgen gefühlt hatte. Und es war Shivawn, bei dem sie sich so fühlte. Nicht ... Joachim. Bei ihm wurde ihr schwindelig und sie fühlte sich schwach, als würde sie die Beherrschung über sich verlieren.
Früher einmal hatte ihr das nichts ausgemacht. Im Gegenteil. sie hatte Sex geliebt. Sie hatte Männer geliebt. Aber das war jetzt anders. Glaubte sie zumindest.
Es ist Shivawn, auf den du scharf bist. Es muss Shivawn sein. Nur dass sie den ganzen Tag sehnsüchtig auf diesen Moment gewartet hatte. Sie hatte sich danach gesehnt, Joachim wiederzusehen, seine Stimme zu hören und es beruhigte sie. Er war ganz anders als Shivawn. Er war weder sanft noch umgänglich. Er war ein wilder, temperamentvoller Krieger, der nicht davor zurückschreckte, seine Fäuste sprechen zu lassen. Sogar jetzt bekam Brenna Herzklopfen, wenn sie an ihn dachte - und nicht nur vor Angst.
Idiotisch, sagte sie sich zum hundertsten Mal. Wenn sie es jemals wagte, mit einem Mann zu schlafen, würde es jemand wie Shivawn sein.
Hör auf, ständig an Sex zu denken, Johnston. Mach dich an die Arbeit. Schweigend reinigte sie Joachims Wunden und erneuerte die Verbände. Sie freute sich zu sehen, dass seine Verletzungen gut verheilten. Keine Anzeichen einer Infektion. Joachim war immer noch zu schwach, um aufzustehen, aber er würde bald wieder auf dem Damm sein. Er würde seine Arme und das verletzte Bein gleich wieder benutzen können, sobald das Gewebe vollständig zusammengewachsen war.
Sie war fast fertig, als ein ihr unbekannter Mann hereinkam. Er hatte ein langes, gefährlich aussehendes Schwert in der Hand: Brenna sah es aus dem Augenwinkel und wollte sich sofort zu Shivawn flüchten, der ihr einziger verfügbarer Schutz schien. Doch ehe sie es tun konnte, griff Joachim nach ihrer Hand und hielt sie fest. Sie erschrak - nicht nur, weil sie nicht darauf gefasst gewesen war, sondern auch, weil die Berührung sie eine geradezu verbotene Weise elektrisierte. Sie schrie laut auf, sodass Joachim sie sofort losliess und taumelte in eine Ecke - weg von allen drei Männern.
"Du wirst im Speisesaal gebraucht", sagte der Mann zu Shivawn.
Shivawn ignorierte ihn und sah erst Brenna, dann Joachim an. "Hat er dir wehgetan?", fragte er sie.
Sie massierte sich das Handgelenk und schüttelte den Kopf.
"Valerian ruft nach dir", fügte der fremde Krieger ungeduldig hinzu.
Shivawn war ihm einen gereizten Blick zu. Dann ging er zu Brenna und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. "Ich lasse dich nur ungern allein, aber ich muss dem Ruf des Königs Folge leisten. Kommst du ohne mich zurecht?"
Brenna klopfte vor Angst das Herz bis zum Hals. Sie wollte nicht, dass Shivawn ging. Er war in diesem fremden, wilden Land zu ihrem sicheren Hafen geworden. Trotzdem zwang sie sich zu einem Nicken. So verzweifelt auf jemanden angewiesen zu sein war nicht gut.
"Möchtest du mitkommen?", erkundigte er sich.
Sie schüttelte wieder den Kopf. Sie würde bleiben. Sie würde tapfer sein. Und sie würde nicht zulassen, das Joachim ihr Angst machte oder sie sonst irgendwie aus der Fassung brachte. Leichter gesagt als getan, Johnston.
Shivawn sah Joachim kurz, aber eindringlich an, streichelte Brenna zärtlich über die Wange und folgte dann dem Boten hinaus auf den Gang. Jetzt waren Brenna und Joachim allein.
Du schaffst das. Du schaffst das. Joachim ist zu geschwächt, um dir etwas zu tun. Langsam wandte sie sich ihm zu und setzte sich wieder auf die Bettkante. Dabei vermied sie es, ihm direkt in die Augen zu sehen, diese blauen, blauen Augen, mit denen er ihr direkt in die Seele zu blicken schien. Mit zitternden Hände legte sie den letzten Verband an.
"Ich bin Joachim", sagte er schliesslich.
"Ich weiss." Ihre Stimme zitterte genauso sehr wie ihre Hände.
"Hättest den König nicht herausfordern sollen."
Sie glaubte zu sehen wie die Nasenflügel vor Wut bebten. Trotzdem fuhr sie fort. "Dumm. Stark ist, wer Mitgefühl hat. Nicht, wer kämpft."
Für einen Moment war die Atmosphäre so angespannt, dass Brenna dachte, Joachim würde sie gleich anbrüllen. Tat er aber nicht. Er wechselte das Thema. "Ich habe die ganze Nacht an dich gedacht", gestand er widerwillig und leicht vorwurfsvoll. "Und den ganzen Tag. Ich kann anscheinend an nichts anderes mehr denken."
Ehe sie es verhindern konnte, hob sie den Kopf und schaute ihn an. Sie erschrak, als sie seinen Blick sah. Er war sehnsüchtig. Geradezu feurig. Ihre Hände über seinem Oberschenkel erstarrten. Sie hatte aus Anstand ein Laken über seine Hüften gelegt - mehr zu ihrem eigenen Schutz als zu seinem. Es wölbte sich gerade verdächtig nach oben.
"Ich sehe die Angst in deinen Augen." Seine Stimme war immer noch leise und jetzt voller Leidenschaft. "Aber ich sehe auch Interesse."
Sie biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Sie würde kein wie auch immer geartetes Interesse zugeben. Das würde ihn bloss ermutigen. Allerdings...
"Rede mit mir, Brenna. Erzähl mir von dir."
Es überraschte sie, wie sanft er klang. Von einem aggressiven Krieger hätte sie so etwas nie erwartet. "W-was ... möchtest du ... denn wissen?" Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sodass sie die Worte kaum herausbrachte.
"Alles." Joachim legte den Kopf schief und sah Brenna durchdringend an. "Ich möchte alles über dich wissen." Er wusste bereits, wie sie roch - wie Veilchen und die Sonnenstrahlen, die er während seines kurzen Aufenthalts in der Oberwelt erlebt hatte. Er kannte ihre Stimme - rau und brüchig. Jedes Mal, wenn er sie hörte, musste er sofort an nackte Haut und leidenschaftlich miteinander verschlungene Körper denken.
Jetzt wollte er alles über ihre Vergangenheit erfahren, alles darüber, was sie gerne mochte und was nicht. Er wollte alles wissen, was sie zu Brenna gemacht hatte, jene Frau, die er mit jeder Sekunde faszinierender fand. Stark ist, wer Mitgefühl hat, hatte sie gesagt. Ein absurder Gedanke, bei dem er fast verächtlich geschnaubt hätte. Aber er konnte nicht. Warum, dass wusste er nicht.
"Wir fangen mit was Einfachem an", sagte er. "Was ist deine Lieblingsfarbe?"
Sie guckte verstohlen zur Tür, als würde sie überlegen, was sie tun sollte. Bleiben und reden oder weglaufen? "Blau", antwortete sie schliesslich.
Wenn sie seine Frau wäre, würde er ihr alle Saphire schenken, die er besass. "Hast du Familie?" Eine Familie, die sie vermisste? Zu der sie zurückwollte?
Sie schüttelte den Kopf. "Tot."
Er wusste dass er darüber nicht erleichtert sein sollte, aber er war es trotzdem. "Wie sind sie gestorben?"
"Autounfall."
Auto? Die Vorstellung einer Waffe namens 'Auto', die eine ganze Familie auf einmal töten konnte, faszinierte ihn. Aber Brenna besser kennenzulernen interessierte ihn mehr. "Das tut mir sehr leid, Kleines."
Sie winkte ab. Ihre Hand zitterte, wie Joachim auffiel. "Lange her."
Am liebsten hätte er sie an sich gezogen und die Traurigkeit aus ihrem Gesicht weggeküsst, aber er beherrschte sich.
"Gefällt dir diese neue Welt? Atlantis?"
Sie schaute weg und starrte auf die Wand hinter ihm. Dann schüttelte sie den Kopf.
"Warum nicht?" Er war enttäuscht. Insgeheim hatte er gehofft, dass sie Atlantis mittlerweile genauso sehr liebt wie er.
"Angst." Sie strich mit eiem Finger über das Laken.
"Du hast vor uns Angst?"
Sie gab keine Antwort. Sass völlig reglos da.
"Ich würde dir nie wehtun, Brenna", sagte er so sanft, wie es seine raue Stimmer erlaute. "Das schwöre ich dir."
Ein Zittern durchlief ihren Körper. "Vielleicht nicht mit Absicht, aber ..."
"Nie. Niemals."
"Was soll das, Joachim?" Shivawn kam energischen Schritts ins Zimmer. "Du hast keine Recht, in diesem Ton mit ihr zu reden."
Brenna sprang auf und sah erschrocken von einem zum anderen.
"Vergreif du dich nicht im Ton, Junge", fuhr Joachim ihn an.
"Du machst ihr Angst."
Shivawn riss sich sofort zusammen. "Entschuldige", sagte er zu Brenna. "Ich wurde weggerufen, um mich auf der Suche nach Orangen zu machen, aber jetzt bin ich wieder da. Ich bin nicht böse auf dich, das schwöre ich dir."
Brenna blickte wieder von einem zum anderen. Sie war irgendwie leicht ... erregt, wusste aber nicht, wer - oder was - das ausgelöst hatte. Joachim und Shivawn versuchten offensichtlich beide, sie zu beruhigen und es funktionierte. Es funktionierte! Sie stand tatsächlich zwischen zwei Männern, die sich hassten, zwei Männern, die sich jeden Moment aufeinanderstürzen und umbringen konnten und ihre Angst löste sich in Luft auf.
Wie machen die das bloss?, überlegte sie verwirrt.
Noch schockierender war, dass sie jetzt, da die Angst verschwunden war, etwas anderes spürte: Lust. Eine heisse, wilde Lust. Plötzlich waren Bilder von zwei nackten, sich windenden Körpern in ihrem Kopf. Wieder konnte sie das Gesicht des Mannes nicht erkennen., aber die Bilder waren so lebendig, dass sie in der Fantasie sogar das lustvolle stöhnen des Paares hören konnte. Ihre Nippel wurden hart; sie wurde feucht zwischen den Beinen.
Joachim fletschte die Zähne und zog zischen die Luft ein. War er zornig? "Du bist erregt. Ich kann es an dir riechen."
Ihre Wangen glühten.
"Ich rieche es auch", sagte Shivawn. "Brenna ..."
Sie hörte, wie er von hinten auf sie zukam, hörte die Schritte seiner Stiefel. Wieder verspürte sie keine Angst. Was ist los mit mir? Was passiert mit mir? Sie reagierte anders als sonst, völlig anders.
Joachim setzte sich auf und Shivawn ging weiter auf Brenna zu.
"Du brauchst einen Mann, Brenna", stellte Joachim unverblümt und ohne Rücksicht auf ihre Verlegenheit fest. "Aber du hast Angst vor deinen Gefühlen. Es muss so sein, sonst könntest du nicht widerstehen."
"Ja", antwortete Shivawn an ihrer Stelle. "Sie hat Angst vor ihren Gefühlen."
"Hast du jemals mit einem Mann geschlafen?"; fragte Joachim.
Sie nickte atemlos.
"Hat es dir gefallen?"
Erneutes Nicken. Sie hätte diesem Verhör ein Ende machen sollen, aber insgeheim war sie merkwürdig erleichtert, dass diese Sache endlich zur Sprache kam.
"Und der Mann, der dir wehgetan und deine Stimme kaputt gemacht hat ... ", hakte Joachim nach. "... ist er schuld daran, dass du jetzt Angst vor Sex hast?"
Nach langem Zögern entschloss sie sich, mit der Wahrheit herauszurücken. "Ja."
Beide Männer knurrten so animalisch, als würden sie dem Mann am liebsten auf der Stelle den Hals umdrehen. "Jetzt versteh ich", sagte Shivawn. "Wenn eine Frau einmal dazu gezwungeb wurde, ist sie nicht mehr die, die sie einmal war."
"Ja." Joachim nickte. "Ich verstehe es auch. " Seine Stimme klang leise und schwach. Wie aus weiter Ferne.
"Joachim?" Die plötzliche Sorge um ihn liess sie alles andere vergessen.
Er sank zurück in sein Bett und war auf einmal kreidebleich.
Sie eilte zu ihm. "Alles in Ordnung?"
"Schwindelig. Erschöpft", brummte er verärgert. "Hätte mich nicht aufsetzen sollen."
Sie merkte ihm an, dass er sich über den Schwächeanfall nicht nur ärgerte; er verunsicherte ihn auch. Als Krieger war er es wahrscheinlich gewohnt, immer alles unter Kontrolle zu haben. Hatte er Valerian nicht gesagt, dass er ihn zwar mochte und als König respektierte, sich aber nichts mehr befehlen lassen wollte?
Jetzt kehrte die Angst langsam doch wieder zurück. Kontrolle war etwas, was sie ebenfalls schätzte. Sie konnte ihre nicht einfach aufgeben, so erregt sie auch sein mochte. Und sich einem dieser beiden Männer hinzugeben würde bedeute, loszulassen und die kostbare Selbstbeherrschung aufgeben. Wie hatte sie das auch nur eine Sekunde vergessen können?
Stirnrunzelnd ging sie auf de Tür zu.
"Bleib", sagte Joachim unvermittelt, als er merkte, was sie vorhatte.
Es klang wie ein befehl. Klar, er erwartete völligen Gehorsam. Sie schüttelte den Kopf und entfernte sich noch einen Schritt weiter. sie merkte, dass sie ihre Auge gerade unnatürlich weit aufriss.
"Brenna." Er versuchte, sich wieder aufzusetzen, hatte aber nicht die Kraft dazu. "Ich werde nicht immer so schwach sein. "
Es klang wie eine Warnung.
Sie ging um Shivawn herum und sah erst ihn, dann Joachim an. Die beiden waren so schön, dass es fast wehtat, sie anzuschauen. Und sie wollten ihr all das geben, was sie sich früher einmal gewünscht hatte: Liebe, Leidenschaft, Freundschaft. Dieser Traum ist gestorben, schon vergessen?
Es ist viel zu ris-kant.
Dennoch spürte sie eine Welle der Sehnsucht in sich aufsteigen. Einen Moment lang wünschte sie, einer der beiden Männer würde sie aufhalten. Sie berühren ... küssen ... in sie eindringen., tief und leidenschaftlich. Nein, nicht einer der beiden, sondern Shivawn, versicherte sie sich. Aber es waren keine grünen Augen, die in ihrer Fantasie über ihr hingen und auf sie herunterschauten. Die Auge dieses Mannes waren blau. Sie fuhr sich mit der Hand über ihre eigenen Augen, als wollte sie das Bild schnell wegwischen.
Wie war es möglich, dass jemand wie Joachim sie derart erregte, wenn doch seit Jahren kein anderer Mann das geschafft hatte?
"Ich tu dir nichts", sagte Shivawn und hob die Hände, um seine Harmlosigkeit zu unterstreichen.
"Komm zu mir, Brenna2, sagte Joachim.
"Nein", sagte sie zu Shivawn und Joachim grinste. "Nein", sagte sie zu Joachim, dem das Grinsen sofort wieder verging.
Besser, sie verzichtete auf beide.
"Ich möchte dich besser kennenlernen", sagte Shivawn sanft.
"Bei mir bist du in Sicherheit. Ich lasse nicht zu, dass irgendjemand dir wehtut."
"Lass dir nicht durch deine Sicherheitsbedürnis die Freude am Leben verderben. Ich kann dir beibringen, deine Angst zu besiegen und endlich wieder zu leben", sagte Joachim.
Shivawn sah Joachim herausfordernd an. "Ich kann ihr auch zeigen, ihre Angst zu besiegen."
"Das kann schon sein. Aber du wirst sie nicht richtig glücklich machen", brauste Joachim auf.
Vielleicht konnte das keiner der beiden, dachte Brenna enttäuscht. Denn jetzt, da Joachims zorniger Charakter erneut aufflackerte, wusste sie wieder genau, warum sie niemals eine Beziehung mit ihm eingehen durfte. Wenn sich sein Zorn jemals gegen sie richten sollte, würde er sie töten. Kontrolle, ermahnte sie sich.
Einen Moment lang - diesen eine kostbaren Moment lang, als ihre Angst verschwunden war - hatte sie das Gefühl gehabt, endlich wieder lebendig zu sein. Jetzt ... da sie erkannte, dass das unmöglich war, lief sie rasch aus dem Zimmer hinaus, ehe sie etwas Dummes tun konnte. Wie in Tränen ausbrechen.
Shivawn ging ihr nicht nach, sondern blieb im Zimmer. Eine Weile schwiegen er und Joachim vor sich hi.
"Ich möchte mit ihr zusammen sein", gestand Joachim schliesslich leise.
Shivawn ballte die Fäuste. Er hatte es gewusst, aber die Worte zu hören ... "Ich will mit ihr zusammen sein und sie ist meine Auserwählte."
"Nein. Sie hat mich sehnsüchtig angeschaut, ich muss diesen Blick einfach noch einmal erleben."
"Dieser Blick hat mir geholfen, Junge. Mir. Alles, was du gesehen hast, war nur ein schwacher Abglanz dieser Sehnsucht."
Shivawn runzelte die Stirn. Ja, sie hatte Joachim tatsächlich voller Verlangen angesehen. Mit mehr Sehnsucht, als er selbst jemals bei einer Frau erlebt hatte, wie Shivawn sich wohl oder übel eingestehen musste. Aber sie hatte auch ihn begehrt. Er hätte schwören können, dass es so war. Frustriert breitete er die Arme aus. "Und was machen wir jetzt?"
"Überlass sie mir."
"Nein."
Joachim strich sich mit zwei Fingern über das Kinn. "Ich gebe nicht auf. Ich werde nicht lockerlassen."
"Ist das eine Drohung?"
"Nur eine Warnung. Ich will sie und ich werde alles, was in meiner Macht steht, tun, um sie für mich zu gewinnen."
Jetzt wurde Shivawn so zornig, dass er fast sein Schwert gezückt hätte. Er verstand sich als Brennas Beschützer, wollte, dass sie glücklich wurde und er ertrug den Gedanken nicht, dass ein so zartes Wesen in die Hände dieses brutalen Kriegers geriet. "Wenn du ihr Angst machst, bringe ich dich um. Hast du mich verstanden? Ich bringe dich um."
Joachims Miene verdüsterte sich. "Ich würde ihr nie Angst machen."
"Ha! Du hast sie gerade mit deiner aufbrausenden Art erschreckt. Deshalb ist sie weggelaufen."
"Rede dir bloss nicht ein, ihre Gründe zu kennen und tu bitte nicht so, als wüsstest du, was sie braucht. Sie hat vor dir genauso viel Angst, sonst hätte sie längst mit dir geschlafen."
"Vielleicht tut sie's ja noch. Heute Nacht", stichelte Shivawn.
Joachims Augen blitzten zornig. "Nein, sie wird sich dir nicht hingeben. Dass weiss ich, weil du sie nie so verstehen wirst wie ich."
"Du? Wie willst du sie denn verstehen können?", stiess Shivawn zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Dass du das fragen musst, beweist, dass ich recht habe."
Joachim schloss die Augen und stellte sich Brennas unschuldiges Gesicht vor. Jemand hatte ihr beim Sex wehgetan - jemand, der demnächst Joachims Schwertspitze in seiner Brust spüren würde. Wenn er in die Oberwelt reisen musste, um diesen Mistkerl zur Strecke zu bringen, würde er es tun.
Er hätte sein Leben darauf verwettet, das Brenna einmal eine leidenschaftliche, lebensfrohe Frau gewesen war. Da war ein Funkeln in ihren Augen, das sie einfach nicht verbergen konnte. Tief in ihrem Herzen musste sie sich wieder nach diesem Leben sehnen - egal, wie gross ihre Angst auch sein mochte.
Er konnte sie Shivawn ausspannen, davon war er überzeugt. Sie hatte ihn mit unverhohlener Leidenschaft angesehen und er wusste, dass sie mit keinem anderen Mann glücklich werden konnte. Als sie Shivawn angesehen hatte, hatte nichts Leidenschaftliches in ihrem Blick gelegen.
Eie gewisse Sehnsucht vielleicht, okay, aber nichts Sexuelles. Ihr Blick war ... Hilfe suchend gewesen. So, wie ein Kind manchmal seine Mutter anschaute. Wenn es Schutz brauchte.
Was bedeutete, dass Joachim ihr tatsächlich Angst machte.
Was wiederum bedeutete, dass er erst mit ihr zusammen sein konnte, wenn er ihre Ängste zerstreut hatte. Für immer.
Und das würde ihm gelingen. Egal, was er dafür tun musste. Mehr als sein eigenes Glück lag ihm das ihre am Herzen. Stark ist, wer Mitgefühl hat. Wieder gingen ihm ihre Worte durch den Kopf. Mitgefühl ... eine Eigenschaft, die sie schätzte.
Sie brauchte etwas Besonderes bei ihrem ersten Mal. Oh, er wusste schon, dass sie keine Jungfrau mehr war. Zumindest so viel hatte sie ihm anvertraut. Aber nach ihrem Martyrium - denn genau das war es gewesen - hatte sie keinen Mann mehr an sich herangelassen. das nächste Mal würde also wie ein erstes Mal für sie sein. Sie hatte ihre Leidenschaft und ihr Bedürfnis nach Intimität die ganze Zeit unterdrückt und brauchte etwas, das sie aus diesem tristen Zustand herausriss.
Einfühlungsvermögen.
Sobald er wieder gesund war, würde ihn nichts mehr abhalten. "Sie wird mir gehören, Shivawn", sagte er. "Sie wird sich immer danach sehnen, in meinen Armen zu liegen."
An Shivawns Wange zuckte ein Muskel. "Du irrst dich. Sie will sich sicher und geborgen fühlen. Für sie verkörpere ich diese Sicherheit. Nicht du. Und ich werde es beweisen."
Poseidon genoss es ungeheuer, wie die Wellen ihn umsonst und gegen ihn schlugen. Für die Erdenbürger wäre die Wucht der blauen Wogen tödlich gewesen, aber er war hier in seinem Element. Er liebte den vertrauten salzigen Geschmack und de Duft des wilden Meeres.
Keinem Atlanter war es erlaubt, die Oberwelt zu betreten. Nun ja, ganz stimmte das nicht. Als Wächter des Portals durfte man die Oberwelt, um die Geheimnisse des Reichs unter dem Meer zu beschützen. Aber keiner der ymphen war ein Wächter - und trotzdem waren sie anscheinend durch das Portal in die Oberwelt gelangt. Es war Poseidon eine grosse Freude, sie jetzt dafür zu bestrafen.
"Ihr sagt also, dass ihr gesehen habt, wie ein paar Nymphen Menschenfrauen aus der Oberwelt entführt und nach Atlantis gebracht haben?" Poseidons Stimmer donnerte über den Meeresgrund. Sand wirbelte auf und die rosa und weissen Korallen erzitterten. Bunte Fischschwärme suchte eilig das Weite und stoben in alle Richtungen davon.
Die zwei Meerjungfrauen, die vor ihm im Wasser schwebten, senkten ehrfürchtig den Kopf und ihre nachtschwarzen Haare wallten um ihre zarten Schultern.
"Ja", sagte Denae.
"Ja", bestätigte Marie.
"Durch das Portal?",fragte er nach und stiess seinen Dreizack so fest in das Marmorplateau, auf dem er stand, dass sich im Stein ein langer Riss auftat. So etwas Aufregendes hatte er seit einer Ewigkeit nicht mehr erlebt.
"Ja", antworteten beide Frauen wie aus einem Mund.
"Ausgezeichnet." Poseidons Mundwinkel zogen sich langsam zu einem Lächeln hoch, als er von dem Plateau herunterstieg. Sein weisses Gewand bauschte sich um seinen Knöchel. Von dort, wo er gerade stand, konnte er die Kristallkuppel erkennen die sich über die Stadt der Verdammten spannte. Die kuppel strahlte goldenes Licht aus und funkelte, als wäre sie mit Glitter überzogen. Mit einem einzigen mächtigen Schritt war Poseidon bei der Kuppel angelangt. Er brauchte kein Portal, um in eine Welt zu gelangen, die er gemeinsam mit den anderen Göttern selbst erschaffen hatte. Die Welt war sein Werk und er ging einfach durch die Kuppel durch, als wäre sie überhaupt nicht vorhanden.
Da die Bewohner von Atlantis noch nicht wissen sollten, dass er da war, zog er seinen Tarnumhang fester um sich. Er atmete die klare, salzige Luft tief ein, schloss die Auge und genoss den Augenblick. Ja, er hatte diesem Reich unter dem Meer und seine Bewohner viel zu lang den Rücken gekehrt. Ein Fehler. Seit seinem letzten Besuch waren Hunderte von Jahren vergangen, doch in Atlantis schien alles in ruhigen, geregelten Bahnen zu laufen. Ein paar Minotaurenkinder spielten in Schlammpfützen und eine Herde Zentauren galoppierte ausgelassen über die feuchte, sattgrüne Wiese.
Diese monströsen Kreaturen waren das Produkt eines ersten Versuchs der Götter, den Menschen zu erschaffen. Doch sie waren kraftvoller und mächtiger ausgefallen als beabsichtigt. Ein paar Götter hatten es mit der Angst zu tun bekommen und die Wesen dazu verdammt, ihr Dasein unter dem Meer zu fristen. Poseidon selbst hatte sie zwar als grässliche Ungeheuer, aber nie als Bedrohung empfunden Vielleicht hätten er uns seine unsterblichen Brüder und Schwestern die ganze Bande ja schon vor tausend Jahren vernichten sollen, aber sie hatte gedacht, dass diese Wesen vielleicht doch noch zu irgendetwas nutze sei konnten. Für Sex? Ein paar der Frauen i Atlantis waren wirklich hübsch, wie Poseidon feststellte. Wie kam es, dass er das nicht gewusst hatte? Oder für Kriege? Die atlantischen Krieger waren tatsächlich stark.
Er konnte sich nicht mehr erinnern, was die Götter seinerzeit mit den Atlanter vorgehabt hatten und es interessierte ihn jetzt auch nicht mehr sonderlich.
Hm, wie konnte er die Nymphen wohl am besten bestrafen ...?
Er schwang seinen Dreizack, mit dem er sich von einem Ort zum anderen transportieren konnte und war im Nu in dem Palast, wo Valerian, der König der Nymphen, jetzt residierte. Er fand sich in einem Raum mit drei sehr menschlich aussehenden Frauen wieder. Sie unterhielten sich gerade über die verschiedenen Positionen, in denen sie Sex gehabt hatten Beziehungsweise nächstes Mal haben wollten. Ausserdem äusserten sie ihr Bedauern, das Valerian jetzt eine Gefährtin hatte und daher kein Interesse mehr an ihnen zeigte.
Poseidon liess seinen Körper langsam Gestalt annehmen - allerdings nicht als Meeresgott, sondern als Nymphenkrieger. Dunkle Haare, leuchtend blaue Augen. Muskulös. Braun gebrannt.
Als die Frauen ihn bemerkten, lächelten sie, sprangen auf und eilten sofort zu ihm.
"Bist du gekommen, um mit uns zu schlafen?"
"Du bist der schönste Mann, den ich je gesehen habe! Sogar noch schöner als Valerian."
"schweigt", sagte er mit donnernder Stimme. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich zu vergnügen. Später allerdings ... "Setzt euch." Er deutete auf den Berg aus Kissen hinter ihnen.
Die Frauen setzten sich folgsam und ohne ein Wort zu sagen und sahen ihn an, als wäre er eine Schachtel Pralinen. Er setzte sich zu ihnen und erlaubte, dass sie ihre Beine über seine legten und ihn verzückt streichelten wie ein Schosshündchen. Mmmh, angenehm. Sehr angenehm.
Nymphen brauchten Sex, um zu überleben. Wahrscheinlich hatten sie die Frauen deshalb aus der Oberwelt entführt. Aber ihre gründe spielte keine Rolle. Es gab schliesslich Gesetzte und die Nymphen mussten sich an diese Gesetzte halten. Wenn Atlanter die Oberwelt betraten, würden sie sie zerstören - zumindest laut der Prophezeiung.
"Als Erstes werdet ihr mir genau berichten, wie ihr hierhergekommen seid", sagte er. Er wollte die Wahrheit aus erster Hand erfahren. "Dann werdet ihr mir alles erzählen, was ihr über die Nymphen wisst."
Einer der Frauen bedeckte seine Oberschenkel mit Küssen. Eine andere küsste seine Schulter. Er schloss die Augen und seufzte selig. Was interessierten ihn eigentlich die Nymphen?
Er räusperte sich. "Ich gestatte euch, es mir später zu erzählen", sagte er und fing an, die Küsse zu erwidern. Sein Ausflug nach Atlantis entpuppte sich schon jetzt als wirksamere Therapie gegen Langeweile als tausend Tropenstürme.
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