// Twenty-five //
Mit dem Handy in der Hand erhebe ich mich von der Couch. Ich nehme den Anruf an, bevor ich allerdings zu Olivia spreche, erkläre ich Harry kurz, dass ich ran gehen muss.
„Hey Olivia", begrüße ich sie am anderen Ende der Leitung. Ich höre sofort, dass sie zu weinen scheint. Mit schnell Schritten gehe ich durch das Wohnzimmer nach hinten, um mich in den Garten zu setzten. Ich kann es nicht gebrauchen, dass Harry dieses Gespräch mitbekommt.
Noch immer vernehme nur das Schluchzen von Olivia am anderen Ende. Sie hat noch kein Wort hervor gebracht.
„Es ist alles okay. Erzähl mir was los ist. Ich bin für dich da",versuche ich sie zu beruhigen, damit sie mir sagen kann, was passiert ist.
„Er, er war hier", mit erstickter Stimme spricht sie zu mir. Mein Puls erhöht sich sofort. Ich weiß was das bedeutet.
„Hast du wieder was genommen?", frage ich sie direkt. Ich muss wissen, woran ich bin. Wie weit sie vielleicht erneut gegangen ist.
Ich höre sie schwer ausatmen. „Nein, aber ich würde gerne", gibt sie ehrlich zu. Ich kann mir vorstellen, wie sie sich fühlt. Ihr Verstand will ihr einreden, dass ihr die Substanzen helfen würde. Zu gut kenne ich dieses Gefühl. Diesen Kampf mit sich selbst. Sucht gegen Verstand.
„Okay. Hast du etwas zu Hause?" Ich muss sie fragen. Natürlich, kann sie mich anlügen.
„Ja." Ich halte den Atem an. Verdammt. Ruhig bleiben, rede ich mir gut zu. Noch nie war ich in so einer Situation, doch trotzdem weiß ich wie sie sich fühlt.
„Es liegt hier vor mir. Ich muss mich nur vorbeugen", Olivia's Stimme ist leise. So leise, dass ich mein Handy lauter stellen muss, um sie zu verstehen.
„Olivia, wo wohnst du?"
„Das ist egal. Ich möchte nicht, dass du hier her kommst. Rede einfach mit mir". Scheiße, ich kann nichts machen. Ihre Adresse kenne ich natürlich nicht. Verdammte Scheiße, warum ist die Selbsthilfegruppe auch anonym?
„Okay Olivia, nimm das Zeug und wirf es weg. Du hast das nicht nötig." Nervös beginne ich auf der Terrasse auf und ab zugehen.
Olivia fängt wieder an zu weinen. Die Angst, dass sie erneut rückfällig wird, lässt mich fast verzweifeln. Ich überlege, was ich tun kann. Am Telefon bleiben nicht viele Optionen.
„Du bist eine starke Frau. Lass dir dein Leben nicht von diesem Arsch kaputt machen. Steh auf nimm das Zeug und wirf es in die Toilette, bitte", flehe ich sie regelrecht an.
„Er ist ein Wichser", sagt sie plötzlich.
Ich nicke, doch mir fällt ein, dass sie es nicht sehen kann.
„Ja verdammt, das ist er und deswegen mach keinen Fehler den du später bereust. Bitte Olivia tue es nicht." Ich schlucke die Tränen runter, die vor Verzweiflung fließen wollen.
„Weißt du was er hier wollte?", fragt sie mich. Noch immer ignoriert sie meine Bitte.
„Nein was, was kann er wollen?" Meine Stimme klingt hysterisch. Ich versuche leise zu reden. Das Risiko, dass Harry mich hören kann, is zu hoch.
Ich sehe über meine Schulter zur Tür. Niemand ist zu sehen. Allerdings traue ich Harry auch nicht zu, dass er mich belauschen würde.
„Er sagte, er will mich zurück. Würde mich lieben." Verachtung schwingt in ihren Worten mit. Das gibt mir Hoffnung. Hoffnung darauf, dass sie erkennt, dass er es nicht wert ist.
„Er lügt. Er kann nicht lieben. Er hat kein Herz", speie ich die Worte in den Hörer.
Ein ironisches Lachen ist von meiner Gesprächspartnerin zu hören.
„Er hat mir das Koks mitgebracht. Beste Qualität sagt er. Es sieht gut aus. Liegt direkt vor mir." Verdammt, ich kann die Sehnsucht nach dem Vergessen aus ihrer Stimme hören.
„Er will dich wieder abhängig machen von diesem Dreck. Von sich. Er liebt dich nicht. Du bist eine Kundin, oder keine Ahnung was er für eine Scheiße mit dir vor hat." Ich spreche die Wahrheit direkt aus, was soll ich um den heißen Brei reden. Damals hätte ich mir gewünscht jemand hätte mir direkt ins Gesicht gesagt was Sache ist, als es noch nicht zu spät war.
Ich höre, wie sie in ein Taschentuch schnaubt.
„Verdammt Olivia, beweg deine Arsch hoch. Nimm das Koks und spül es in der Toilette runter", schreie ich sie schon fast an. Der Eindruck, dass ich mit netten Worte nicht weiter komme, veranlasst mich dazu, laut zu werden. Scheiße, warum hab ich sie nicht damals nach ihrer Adresse gefragt. Sollte sie rückfällig werden, das könnte ich mir das nicht verzeihen. Ich will nicht versagen.
Im Hintergrund bemerke ich Geräusche. Es klingt als würde sie sich bewegen. Ein paar Sekunden später höre ich die Toilettenspülung. Luft entweicht meinen Lungen. Ich habe nicht wahrgenommen, dass ich diese angehalten habe.
„Hast du es getan?", frage ich sie.
„Ja."
Ich kann nichts anderes tun, als ihr zu glauben. Es bleibt mir nichts übrig, außer Zweifel.
„Ich biete dir noch immer an, dass ich zu dir komme. Ich kann sofort bei dir sein." Die Hoffnung, dass sie zustimmt ist gering, aber ich will nicht aufgeben.
„Nein, bleib wo du bist. Ich hab es entsorgt. Danke für deine ehrlichen Worte." Ich habe den Eindruck, sie will mich nicht bei sich zu Hause haben. Ihre Erscheinung, die fettigen haare, das etwas ungepflegte Auftrete. Was ist, wenn ihre Wohnung ganz genauso aussieht? Sie sich schämt.
„Was machst du morgen vor der Gruppensitzung?"
Sie schnieft in den Hörer. „Nichts was soll ich machen?", antwortet sie traurig. Ich sehe nach oben, denke darüber nach, dass Olivia vermutlich ziemlich einsam ist.
„Besuch mich doch auf Arbeit, dann können wir vorher reden und gehen danach gemeinsam zur Sitzung." Es ist mir im Moment egal, dass jemand aus der Gruppe mein privates Umfeld kennt. Sie ist alleine. Ich möchte ihr zeigen, dass es Menschen gibt, die sich um sie sorgen. Ausserdem möchte ich sehen, dass sie wirklich nichts genommen hat.
„Wo arbeitest du?" Ich bin froh, dass sie meinen Vorschlag nicht ablehnt. Wir vereinbaren eine Uhrzeit für morgen Nachmittag und ich gebe ihr eine genau Wegbeschreibung zum Café. Da sie weiß, wo sich die Uni befindet, sollte es nicht so schwer für sie sein, meine Arbeitsstelle zu finden. Bevor wir das Gespräch beenden, wiederhole ich nochmal mein Angebot, dass ich sie besuchen würde, damit sie nicht alleine ist. Sie lehnt erneut ab. Also belasse ich es dabei und füge noch hinzu, dass sie mich jederzeit anrufen kann, Tag und Nacht.
Bevor ich wieder zu Harry gehe, setzte ich mich noch einmal auf die Stufen. Versuche mich zu beruhigen, noch immer spüre ich die Anspannung in mir. Sie verursacht Magenschmerzen bei mir.
Harry wird sicherlich Fragen stellen, aber ich bin ihm unendlich dankbar, dass er mir nicht hinterher gekommen ist. Nicht versucht hat mich zu belauschen. Er gibt mir den Freiraue den ich brauche. Genauso gibt er mir Zeit. Irgendwann werde ich bereit sein auch das Letzte zu offenbaren. Aber gerade jetzt, halte ich es nicht für den richtigen Zeitpunkt.
Er liebt mich, hat er gesagt und verdammt, wie sehr ich ihn liebe. Ich will das jetzt einfach nicht zerstören. Ich möchte einfach nur glücklich sein. Diesen Augenblick mit Harry genießen, so lange er eben anhält. Seine Arbeit hängt auch schon jetzt, wie eine Wolke über uns. Das ist mir durchaus bewusst.
Gefühlte Stunden später erhebe ich mich. Gehe zurück in das Apartment. Aus dem Wohnzimmer kann ich noch immer den Fernseher hören. Ich biege ins Badezimmer ab. Stelle den Wasserhahn auf kalt und lasse ihn laufen. Meine Hände entspannen sich unter dem kühlen Nass. Ich wasche mir mein Gesicht, trocken mich ab und sehe in den Spiegel. Immer wieder bin ich froh darüber, dass ich nicht in so einer Situation wie Olivia stecke. Ein letztes Mal hole ich tief Luft, bevor ich das Badezimmer verlasse und zurück zu Harry gehe.
Der junge Mann liegt auf der Couch, in seinem Arm hält er ein Kissen. Im ersten Moment denke ich, er ist eingeschlafen. Aber als ich in sein Blickfeld gehe, sehe ich wie die grünen Augen mir folgen, während ich mich auf die Couch setzte.
„Hey Süße, ist alles in Ordnung? Das Gespräch hat ja lange gedauert", fragt er mich, während er sich langsam aufsetzt und den Arm um meine Schulter legt. Entspannt lasse ich mich in seine Arme sinken.
„Eine Freundin hat Liebeskummer." Mein Gesicht verstecke ich in seinem Shirt. Atme den herben Duft seines Parfüms ein. Es beruhigt mich ungemein, seine Nähe zu spüren. Zu wissen, dass er für mich da ist. Das mir dieses Glück vergönnt ist, während Olivia alleine ist und in ihrer Verzweiflung fast einen dummen Fehler begangen hätte. Ich hoffe nur, sie hat das Teufelszeug wirklich in der Toilette runter gespült.
Seine Arme umschließen mich noch fester. „Das ist schade. Ich hoffe ihr geht es besser?"
Zögerlich nicke ich. „Das hoffe ich auch. Wir treffen uns morgen nach der Arbeit."
„Dann werde ich dich morgen wohl nicht abholen. Ihr macht bestimmt so ein Sex-and-the-City-Frauending", witzelt der Dunkelhaarige.
Schön wärs, denke ich, muss allerdings selber schmunzeln.
„Du kennst die Serie?", verwundert sehe ich ihn an.
Lässig zieht er die Augenbrauen nach oben. „Natürlich, woher sonst wüsste ich, wie man euch Frauen beeindrucken kann?"
Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Da ich aufgrund des Gespräches mit Olivia, fast den ganzen Film verpasst habe, beschließen wir wenig später ins Bett zu gehen.
Heute Nacht schlafe ich bei Harry. Ich kann mir nur schwer vorstellen, noch einmal ohne seine Wärme einzuschlafen.
Seit einer Stunde liege ich still in Harry's Armen. Ich kann nicht einschlafen. Seinen warmen Atem spüre ich regelmäßig gegen meine Haut strömen. Kurz nachdem wir uns hingelegt haben, ist er eingeschlafen.
Meine Gedanken wollen mal wieder nicht still sein. Ich mache mir Sorgen um Olivia. Mein Handy habe ich unter dem Kopfkissen liegen. Ich möchte auf keinen Fall einen Anruf von ihr verpassen.
Der Gedanke, dass sie mich angelogen hat drängt sich mir immer wieder auf. Lügen werden von einem Abhängigen viel zu häufig erzählt. Aus mehren Gründen, um sich die Sucht nicht einzugestehen zum Beispiel, oder aber man will sich selbst schützen, damit niemand die Wahrheit kennt. Auch Scham ist häufig ein Grund. Manchmal, da möchte man einfach nur die Menschen, die sich um einen sorgen beruhigen. So viele Möglichkeiten, warum sie mich anlügen könnte.
Mein Smartphone welches ich unter dem Kissen hervor gezogen habe, zeigt keine neuen Nachrichten an. Beruhigen tut mich das allerdings nicht. Nervös tippe ich auf dem kleinen Gerät rum.
Ich kann nicht mehr still liegen. Vorsichtig versuche ich mich aus der Umarmung meines Freundes zu lösen. Es ist schwierig ihn nicht zu wecken. Ich habe mich schon fast gelöst, da verstärkt er seinen Griff erneut. Murmelt unverständlich Worte, während er sein Gesicht in meinem Nacken versteckt. Trotzdem ich diesen Moment nicht unterbrechen möchte, muss ich es tun. Ich werde immer nervöser. Wieder probiere ich mein Glück. Als ich schon an der Bettkante sitze und aufstehen möchte, greift Harry nach meiner Hand.
„Süße, was ist los? Bleib bei mir." Verschlafen, mit rauer Stimme spricht er. Vorsichtig hebt er seinen Kopf, um mich ansehen zu können.
Ich streiche ihm über die Haare, schlapp lässt er seinen Kopf zurück ins Kissen fallen.
„Ich habe Durst. Schlaf weiter", beruhige ich ihn und stehe auf.
„Komm schnell wieder. Ohne dich kann ich nicht so gut schlafen." Ich sehe nochmal zu ihm runter, aber er hat die Augen schon wieder geschloßen. Mein Glück mit diesem Mann ist unbegreiflich für mich.
Mit dem Handy in der Hand gehe ich ins Wohnzimmer. In den Kontakten suche ich die Nummer von Olivia. Als ich sie gefunden habe, drücke ich auf wählen. Es ist mitten in der Nacht und doch glaube ich nicht, dass sie schläft. Man kann nur schwer schlafen, wenn sich die Gedanken nur um den verbotenen Kick drehen.
Fünf mal höre ich das Freizeichen, gerade als ich wieder auflegen möchte, höre ich ihre Stimme.
„Ja."
„Olivia ich bin es nochmal Abby. Ich kann nicht schlafen", gebe ich ehrlich zu.
„Ich auch nicht. Was ist es bei dir?", fragt sie mich monoton. Die Antwort wird sie eigentlich nicht interessieren. Ihre Gedanken sind woanders. Trotzdem antworte ich ihr, einfach nur, um das Gespräch weiter in Gang zu halten.
„Ich mache mir Sorgen um dich. Hast du mich angelogen?" Ohne Umschweife stelle ich diese Frage. Ich muss ihr nicht näher erläutern, was ich meine. Es ist offensichtlich.
„Nein." Direkt auch ihre Antwort. Kann ich ihr glauben? Ich weiß es nicht. Wir sind nicht befreundet, stehen uns nicht nahe. Ich kenne sie zu wenig, um es einschätzen zu können.
„Okay."
Minutenlang schweigen wir uns nur an. Immer wieder höre ich, wie sie angestrengt Luft holt.
„Es bleibt bei unserem Treffen ja?", erinnere ich sie noch einmal an Morgen. Sie bestätigt und wir legen auf.
Bevor ich zurück ins Bett gehe, trinke ich noch ein Glas Wasser. Sehe aus dem Fenster. Meine Vergangenheit will mich nicht los lassen. Nun in Form von Olivia, wird mir mehr als bewusst, wie es mir auch mal ging. Ich würde gerne alles streichen, vergessen und ungeschehen machen. Aber wer würde nicht gerne unschöne Erfahrungen streichen? Aus Fehlern lernt man, man geht gestärkt hervor. Alles richtig und doch würde ich die Zeit sofort zurück drehen, wenn ich könnte.
Der letzte Schluck aus dem Glas läuft meine Kehle hinunter. Das Glas stelle ich in die Spüle.
Auf Zehenspitzen gehe ich zurück ins Schlafzimmer. Ich erschrecke mich kurz, als ich sehen, dass Harry aufrecht in seinem Bett sitzt und mich ansieht.
„Mit wem hast du telefoniert Abigail?"
Ich gehe um das Bett herum. „Mit meiner Freundin. Du weißt ja, sie hat Liebeskummer", lüge ich ihn an.
„Ich weiß, dass du mir nicht die ganze Wahrheit sagst. Du siehst mir nicht in die Augen, weichst meinem Blick aus."
Ich lege mich wieder zu ihm unter die Bettdecke, schlinge meine Arme um seinen nackten Bauch und lege den Kopf auf seinen Schwalben ab.
„Ich bin der Letzte, der dir deswegen Vorwürfe machen kann. Doch du weißt, ich bin immer für dich da." Mehr sagt er nicht, stattdessen rückt er weiter die Matratze runter und hält mich in seinem Arm.
Mit Harry's Herzschlag an meinem Ohr, kann auch ich endlich einschlafen.
Aus gegebenen Anlass (liebe Grüße an daddyisfuckingreal) Wie stellt ihr euch Abigail vor? Das interessiert mich wirklich. :)
Und an alle Niallgirls, oder an die, die eine Idee haben. In "UtH" hat ja Niall bald Geburtstag. Was könnte Abby ihm denn nur schenken? Ein Duftbaum mit Zitronengeruch, vielleicht? xD
Sonst möchte ich mich ganz herzlich bei euch allen für fast 15K Reads und 2K Votes bedanken. Scheiße verdammt, ihr seit so geil.
Das Bild ist wieder von juleemi2301 und es passt perfekt zum Ende dieses Kapitels.
Anni
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