// Forty //
>> The Subways - With You
https://youtu.be/dJDYI6jo98o
Ich traue meinen Ohren nicht. Bitte lass das jetzt nicht wahr sein. Ich muss nach Hause. Besser, ich will hier einfach nur weg. Im Moment kann ich nicht länger mit Karen unter einem Dach leben.
Das falsche Lächeln, welches ich gerade zum Abschied präsentieren wollte, fällt mir schon unglaublich schwer. Wie soll ich es noch länger schaffen die Fassade, meinem Vater zu liebe, aufrecht zuhalten?
Ausserdem möchte ich endlich wieder zu Harry. Schon in der letzten Nacht habe ich unruhig geschlafen, weil meine Gedanken sich unaufhörlich um ihn drehten. Ich hab über alles nachgedacht und ich weiß jetzt, egal was er mir erzählen wird, ich kann ihm nur verzeihen. Ich liebe ihn, nie könnte ich ihn endgültig gehen lassen. Die Sehnsucht staut sich immer mehr in mir auf und nun sitze ich hier fest und kann nicht zu ihm.
„Oliver, hast du zufällig die Nummer einer Werkstatt parat?"
Niall kommt mit energischen Schritten auf uns zu. Mit jedem Schritt, knirschen die Kieselsteine laut unter seinen Turnschuhe. Die Augenbrauen hat er wütend zusammen gezogen. Auch er wollte unbedingt nach Hause, aber vor allem macht er sich vermutlich sorgen um sein Auto. Ich glaube nicht, dass Louis etwas an der rollenden Zitrone manipuliert hat. Meine Vermutung ist eher, dass Niall's Auto langsam, aber sicher, den Geist aufzugeben scheint.
Verzweifelt stelle ich Blickkontakt zu meinem besten Freund her. Der Blonde bemerkt dies, legt seine große Hand auf meine Schulter und drückt leicht zu.
„Abby, es tut mir leid, ich glaube nicht, dass du deinen Prinz Charming heute wieder in die Arme schließen kannst."
„Naja, dann bleibt ihr eben noch eine Nacht länger", spricht mein Dad enthusiastisch.
Ich lasse meinen Kopf betrübt hängen. Halbherzig lächelt Niall mich an. Er weiß, im Gegensatz zu meinem Vater, wie wichtig es mir ist, heute nach Hause zu fahren.
Wir lassen uns von meinem Dad zurück ins Wohnzimmer führen. Ich taste nach meinem Handy in der Hosentaschen, während Niall schon die Nummer der nächsten Werkstatt wählt. Als ich das kleine Gerät nicht finden kann, fällt mir ein, dass es in meiner Tasche liegt und der Akku tot ist.
„Verdammt", fluche ich.
Mir wird bewusst, dass ich keine Möglichkeit habe mich bei Harry zu melden, da ich seine Nummer nicht auswendig kann. Wer kann heutzutage noch irgendwelche Kontaktdaten auswendig? Mir fällt es schon schwer die Ziffern meiner Telefonnummer zu behalten.
Gefrustet lasse ich mich auf die Couch im Wohnzimmer fallen.
„Abigail ist alles in Ordnung?"
Vorsichtig tritt Karen zu mir an die Couch. Ich sehe zu ihr auf, um dann wieder meinen Blick abzuwenden. Unsicher steht sie vor mir, weiß nicht wie sie mit mir umgehen soll.
„Alles okay. Mein Akku ist leer und ich kann meinen Freund nicht erreichen, um ihm zu sagen, dass ich heute doch nicht nach Hause kommen werde", brumme ich.
Genervt, dass ich hier noch länger festsitze, lasse ich den Kopf in meine Nacken fallen und schließe die Augen.
Karen bietet mir ihr Ladekabel an, doch sowohl ihres, als das meines Vaters passen nicht. Barsch erkläre ich ihr, dass das keine Sinn macht. Vielleicht war mein Ton etwas zu scharf, denn daraufhin verlässt die zierliche Frau wortlos das Wohnzimmer. Sicherlich war ich unhöflich, doch es ist mir egal, ich möchte einfach nur nach Hause, kann es aber nicht.
„Okay, was willst du zu erst hören, die gute, oder die schlechte Nachricht?", fragt Niall mich.
Schwerfällig lässt er sich zu mir auf das Sofa plumpsen. Ich zucke mit den Schultern.
„Die Schlechte", antworte ich ihm gleichgültig. Es kann doch kaum noch schlechter werden, als es ist, denke ich.
„Die Schlechte", bestätigt Niall meine Antwort, „heute haben sie keinen Zeit mehr sich den Wagen anzusehen."
„Und die Gute?", frage ich immer noch völlig desinteressiert.
„Sie sehen ihn sich morgen an. Also, wenn wir Glück haben, dann können wir morgen nachmittag los fahren. Hast du Harry schon Bescheid gegeben, dass du heute doch nicht nach Hause kommst?"
Seine blauen Augen ruhen auf mir. Ich sage ihm, dass ich keine Möglichkeit habe mich bei Harry zu melden.
„Na, wenn sich Prinz Charming jetzt nicht Sorgen macht", wirft Niall seine Überlegung in den Raum.
Er hat Recht. Harry könnte denken, dass ich es mir anders überlegt habe und nun vielleicht gar keinen Kontakt mehr zu ihm möchte. Dieser Urlaub, der meiner Entspannung dienen sollte, entwickelt sich mehr und mehr zu einem Horrortrip.
Der Tag zieht sich träge hin. Am Nachmittag entscheide ich mich gemeinsam mit Niall, wenigstens die Zeit zu nutzen, um zusammen ein Mal ans Meer zu fahren. Hierfür leihen wir uns den Wagen meine Vaters aus. Leider können wir mit diesem nicht zurück nach Hause fahren, da er ihn ab morgen schon für eine Fahrt zu einem Kunden benötigt.
Mit dem Blonden laufe ich den endlosen Strand entlang. Die Sonne wird immer wieder von Wolken verdeckt, dieser Umstand scheint dafür verantwortlich zu sein, dass es heute relativ leer am Strand ist. Der Wind pfeift uns um die Ohren. Meine Haare fliegen mir immer wieder ins Gesicht.
Ich erzähle Niall etwas aus meiner Kindheit. Wie ich oft mit meinen Eltern am Strand war. Wir zum Beispiel Drachen steigen gelassen haben, oder mein Vater mir das Schnorcheln beigebracht hat.
Mein bester Freund bricht in lautstarkes Gelächter aus, als ich ihm erzähle, dass mein Vater bei einem unser Schnorchelausflüge damals, einen gefährlichen Angriff, durch einen kleinen Krebs überlebt hat. Unter Wasser wollte er mir diesen zeigen und deutet mit seinem Finger darauf, sofort nutze das Seeungeheuer die Chance und schloss seine Scheren um den Zeigefingers meines Dad's.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie er aus dem Wasser gesprungen ist und direkt zu meine Mutter gelaufen ist, welche ihm helfen musste das hartnäckige Kerlchen zu entfernen.
Als der Übeltäter beseitigt war, versorgte meine Mum die Schnittstelle fachmännisch. Das hielt meinen Vater aber nicht davon in den nächsten Tagen den sterbenden Schwan zu mimen, um sich zum Beispiel vor dem Abwasch zu drücken.
Männer eben. Zu seiner Verteidigung muss ich allerdings sagen, dass die kleine Narbe, welche durch den verursachten Schnitt entstanden ist, noch heute an seinem rechten Zeigefinger zu erkennen ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Raum mit professionellem Licht ausgeleuchtet wird, dann kann man die Narbe ganz schwach erahnen.
Wieder zu Hause essen wir gemeinsam mit Karen und meinem Dad zu Abend. Ich wechsle so wenig Worte wie möglich mit den beiden. Genau so viel, dass es nicht auffällt, dass ich die beiden eigentlich im Moment nicht ertragen kann.
Ich verabschiede mich frühzeitig und verschwinde auf mein Zimmer, um ins Bett zu gehen. In der Hoffnung, dass wenn ich schlafen würde, die Stunden bis zu meinem Wiedersehen mit Harry schneller vergehen. Niall bleibt noch auf und schaut sich mit meinem Dad irgendein Footballspiel im Fernsehen an.
Ich lege mich in mein Bett. Mit den Gedanken an Harry schlafe ich irgendwann ein.
Wieder träume ich nur von ihm. Spüre wie er neben mir liegt, kann seine Wärme an meinem Rücken fühlen. Seinen Brustkorb, der mit jedem seiner Atemzüge dicht an mich gedrückt wird. Rieche den unverwechselbaren Duft nach After Shave und Waschmittel. Kann die warmen schlanken Finger fühlen, wie sie mir zärtlich über meine Wangen streichen.
Bilde mir sogar ein, dass ich die markante Stimme hören, welche mir leise ins Ohr flüstert.
„Abigail, ich bin da."
Langsam öffne ich meine Augen, als das Streicheln an meiner Wange intensiver wird und die Wärme fühlbar steigt.
„Hey Süße, es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe."
Erschrocken drehe ich meinen Kopf zur Seite. Das Mondlicht welches durch das Fenster hinein fällt, sorgt dafür, dass ich Harry's grüne Augen erkenne, die mich liebevoll ansehen. Dunkle Augenringe kann ich ebenfalls erkennen. Er hat schlecht geschlafen in den letzten Tagen, denke ich betrübt.
„Harry?", frage ich verwundert, glaube noch immer, dass ich träume.
Die pinken Lippen verziehen sich zu einem Schmunzeln. Diese wunderschönen Lippen, welche ich so schmerzlich vermisst habe.
Ich drehe mich zu ihm um. Meine Finger lege ich an seine Wange, möchte wirklich sichergehen, dass ich nicht träume. Kurze Bartstoppeln picken mich. Es ist nicht unangenehm. Harry drückt sein Gesicht zärtlich in meine Handfläche, schließt seine Augen, als würde er die Berührung genießen. Der junge Mann legt seine Hand auf meine und führt meine Fingerspitzen sanft zu seinem Mund, drückt behutsam seine Lippen dagegen.
„Wie sehr mir deine Wärme gefehlt hat", flüstert er gegen meine Finger, die er noch immer an seinem Mund platziert hat.
„Wie sehr ich deine Nähe brauche. Ich dich brauche."
Ich beuge mich noch ein Stück zu ihm, zieh meine Hand aus seiner und verbinde unsere Lippen miteinander.
Augenblicklich ist es wieder da. Sobald sich unsere Münder berühren. Ich meine Lippen gegen seine bewegen, er synchron dazu das gleich tut. Ist es wieder da, dieses Gefühl, richtig zu sein.
Ich öffne meinen Mund. Lecke mit meiner Zunge über seine Unterlippe, sie ist etwas rau. Er hat diese wohl in den letzten Tage zu häufig mit seinen Zähnen malträtiert, denke ich traurig.
Noch einmal streife ich zärtlich über diese Stelle. Möchte es gut machen. Ich weiß, dass die Sorge um uns ihn gequält hat.
Unsere Zungen treffen sich, gehen respektvoll miteinander um. Mein Herz hämmert laut in meiner Brust, als sei es unser erster Kuss. Sicherlich kann Harry das deutlich spüren, wie es nur für ihn schlägt, in diesem Augenblick.
Ich bin aufgeregt. Die Hand des jungen Mannes fährt zaghaft durch meine Haare, streicht mir einige verirrte Strähnen hinter die Ohren. Alles ohne, dass wir uns voneinander trennen. Ich genieße diesen Moment, in dem ich ihn einfach bei mir habe. Harry endlich wieder so nahe bei mir spüren, lässt mich meine Sorgen kurzzeitig vergessen.
Eine kleine Ewigkeit später trennen wir uns voneinander. Doch nur so weit, dass sich noch immer unsere Nasenspitzen berühren.
„Ich liebe dich. Es tut mir alles so leid", gestehe ich ihm, sehe ihm dabei mutig in die grünen Augen.
„Shhht", versucht er meine Sorgen bei Seite zu wischen, legt seine Stirn an meine. „Baby es ist alles gut. Ich liebe dich auch"
Glücklich darüber, dass er mich noch immer möchte, mich nicht ablehnt. Er nicht die Schnauze von mir voll hat, weil ich ihn abgewiesen habe, lächle ich ihn an.
„Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe-", beginne ich mich zu entschuldigen, werde aber durch einen Zeigefinger auf meinen Lippen unterbrochen.
Ein kurzes Kopfschütteln seinerseits.
„Niall hat mir alles erklärt, als ich hier angekommen bin. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass euch etwas passiert ist, oder du es dir anders überlegt hast."
Nun bewege ich den Kopf hin und her, um zu verneinen.
„Ich weiß. Ist schon gut, aber ich konnte nicht zu Hause rumsitzen und auf eine Nachricht von dir warten, also bin ich in mein Auto gestiegen, um hier her zu kommen. Entweder um dich anzubetteln, dass du mich doch zurück nehmen sollst, oder um dich nach Hause zu holen, je nachdem welche Vermutung sich als richtig rausgestellt hätte."
Seine melodischen Lachen gelangt an meine Ohren. Zaubert auch mir ein Lächeln ins Gesicht. Ein Echtes, keins von den Falschen, die ich in den letzten Tagen fast perfektioniert habe.
„Wie spät ist es?", frage ich ihn.
„Drei Uhr nachts. Zum Glück waren dein Vater und Niall noch munter, als hier angekommen bin, aber ich glaube jetzt sind sie auch schon ins Bett gegangen."
Ohne etwas zu entgegnen sehe ich ihn einfach nur an. Sauge seinen Anblick auf wie ein Schwamm. Die letzten Tage haben mir erst bewusste gemacht, was er mir wirklich bedeutet.
„Oliver hatte keine Ahnung, dass wir uns gestritten haben. Niall allerdings schon, oder?"
Ich bestätige seine Vermutung, bleibe aber weiterhin stumm. Es beeindruckt mich, dass er sich auf den langen Weg gemacht hat, fast den ganzen Nachmittag und die halbe Nacht durch gefahren ist, nur um bei mir zu sein.
Der Dunkelhaarige zieht sich von mir zurück, sieht mich mit einem leichten Schmunzeln an.
„Das ist also dein altes Kinderzimmer?", fragt er mich und sieht sich in dem fast dunklen Raum um. Kurz verweilt sein Blick auf dem Poster von Kurt Cobain, welches direkt über uns hängt.
„Ich wusste nicht, dass du Grunge magst", lächelt er mich weiterhin an.
Seine Grübchen sind als leichte Einkerbung in den Wangen auszumachen.
„Früher mehr als heute", erkläre ich ihm.
„Bevor es mit meiner Familie den Bach runterging, hatte ich Gitarrenunterricht."
Die grünen Augen bleiben an der Gitarre auf dem Poster, welcher der Frontsänger der Band Nirvana in der Hand hält, hängen. Verträumt starrt er diese an, scheint sich für einen kleinen Augenblick an die glücklichen Zeiten seiner Kindheit zu erinnern.
Meine Finger lasse ich sachte über seinen Handrücken streichen, um ihn aus seinen Erinnerungen zurück zu holen. Die grünen Augen fokussieren sich augenblicklich auf mich. Der verträumte Blick weicht einem funkeln. Diese grünen Augen, die selbst im Halbdunkeln leuchtend hervorstechen. An manchen Tagen erscheinen sie wie ein offenes Buch für mich und an anderen Tage wirken sie so verschloßen. Er versucht viel zu häufig sein Inneres vor der breiten Öffentlichkeit zu verstecken. Der Dunkelhaarige möchte sich nicht angreifbar machen.
„Lässt du mich heute Nacht in deinem Bett schlafen?"
Zur Bestätigung hebe ich die Bettdecke an, fordere ihn somit auf sich zu mir zulegen.
Doch zu erst erhebt sich Harry, steigt aus seiner Jeans, zieht die Socken aus. Bevor er sich sein T-Shirt über den Kopf zieht, sieht er mich unsicher an. Ich nicke lediglich. Natürlich möchte ich, dass er es auszieht. Nur in seiner Boxershorts kommt er zu mir unter die Bettdecke.
Er zieht mich in eine Umarmung, meinen Kopf dicht an seine Brust. Ich sehe auf den Schmetterling, zeichne ihn wie schon so oft mit meinen Finger nach. Lasse sie etwas tiefer wandern. Spiele mit den Härchen rund um seinen Bauchnabel. Fahre die Konturen seiner Bauchmuskeln nach. Bemerke, wie die Frequenz seine Atmung steigt, auch mir wird deutlich wärmer.
„Willst du reden?", fragt Harry mich völlig unvorbereitet.
Einen kurzen Augenblick überlege ich, entscheide mich dann aber, dass mir der Sinn nach etwas anderem steht. Jetzt, wo er endlich wieder bei mir ist.
Ich lasse meine Hand tiefer wandern.
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