// Fifty-two //
>> Placebo - Meds
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Wir leben in den Tag, wenn man es denn so nennen kann. Harry und ich sind nur damit beschäftigt uns abzulenken. Es zählt nichts mehr, ausser der nächste Rausch, den wir gemeinsam verbringen werden. Ich kann nicht einschätzen wie viel Zeit vergangen ist. Es könnten Stunden, Tage, oder gar Wochen sein. Alles ist mir egal.
Niall versucht mich häufig zu erreichen. Auf meinem Handy habe ich unzählige Nachrichten des Blonden. Ich ignoriere jede Einzelne, was ihn nicht davon abhält mich trotzdem anzurufen, oder vor unserer Tür zu stehen. Am Ende blockiere ich ihn, um endlich meine Ruhe zu haben. Niall entwickelte sich zu dieser nervigen kleinen Stimme, die ich so rigoros versuche auszublenden, denn er führte mir immer wieder vor Augen, was aus mir geworden ist.
Auch John, mein Chef aus dem Café, versucht mich zu erreichen. Bei seinem letzten Vorstoß habe ich, ohne es zu wollen, abgehoben. Er fragte mich, was mit mir los sei, aber die Substanzen, welche meinen gesunden Menschenverstand ausschalten, führten dazu, dass ich nicht in der Lage war ihm vernünftig zu antworten. Das Gespräch endet damit, dass er mir mitteilte, dass ich auf der Arbeit nicht mehr erscheinen müsste. Es juckt mich nicht. Ich bin so und so nicht mehr in Stande einen klaren Gedanken zufassen, geschweige denn eine Schicht in dem Lokal durchzustehen.
Mein Alltag wird wieder durch die Substanzen bestimmt. Ich wache auf und mein erste Gedanke gilt der nächsten Dröhnung. Harry geht es nicht anders. Der Dunkelhaarige und ich lassen uns gehen, kümmern uns um nichts mehr. Wir haben aufgehört uns einzureden, dass es nur noch ein Mal sein wird. Beide wissen wir, dass wir uns nur selbst belügen.
Wenn der Rausch abebbt und wir nicht schnell genug nachlegen, streiten wir häufig, oder verfallen in trübe Gedanken. Einen Ausweg kennen wir beide nicht. Es fehlt uns der Wille und der Elan an unser Situation etwas zu ändern.
All das Schlechte, was uns widerfahren ist, lastet schwer auf uns. Immer wieder kommt es vor, dass einer von uns, aus seinen Alpträumen hochschreckt. Harry ereilt dieses Schicksal häufiger, als mich. Uns beiden hilft dann am besten die nächste Dosis des künstlichen Vergessens. Anschließend geben wir uns einander hin. Wir schirmen uns von der Aussenwelt ab. Sind nur für uns.
Ich weiß, dass es nicht ewig so weiter gehen kann. Über kurz, oder lang wird James sich sicherlich wieder bei Harry melden und ihn dazu auffordern seiner Arbeit nach zukommen. Er scheint ihm im Augenblick eine Art Galgenfrist zu gewähren. Ich hoffe, dass es wirklich so ist und er nicht Schlimmeres plant. Die aufkommende Ängste, wenn ich an James denke, blende ich so gut es geht aus. Am besten unter dem Einfluss der Chemikalien.
Ich sehe mich selbst nicht mehr im Spiegel an. Ich kann der Wahrheit nicht in die Augen sehen. Es reicht, wenn ich Harry vor mir sehe. Er hat abgenommen, dunkle Augenringe, eingefallene Wangen, spröde Lippen. Ich sehe sicherlich nicht besser aus. Doch anstatt etwas zu ändern, akzeptiere ich diesen Zustand schlichtweg.
Wir liegen gemeinsam auf seinem Bett. Die Rollos im Zimmer sind runtergezogen. Das sind sie, seit dem Moment, als ich das Licht, nach meinem Rückfall, ausgesperrt habe habe. Ständig ist es düster im Zimmer, schützt somit unsere beanspruchten Augen, vor dem viel zu hellen Tageslicht.
Ich versuche mich daran zu erinnern, wie lange es her ist, dass ich an der frischen Luft war. Selbst der Blick auf den Wecker, welche auf dem Nachtschrank steht und mir das Datum, so wie den Wochentag anzeigt, hilft mir nicht. Ich habe jegliches Gefühl für die Zeit verloren.
Der Brünette liegt neben mir, einen Arm hat er um meine Taille geschlungen, während er mit seinem Kopf auf meinen Bauch seinen Rausch ausschläft. Unser neuer Lebenswandel hat den jungen Mann verändert. Trotzdem ist er noch immer der schönste Mensch auf dieser Welt für mich, überlege ich, während ich ihm immer wieder durch die dunklen Haare streiche.
Ich fühle mich weiterhin tiefen entspannt und genieße die Stille in dem Apartment, welche allerdings in diesem Moment durch ein lautes Klopfen an der Eingangstür unterbrochen wird.
Ich mißachte das Klopfen, da ich davon ausgehen, dass es wieder Niall ist, der mich überreden möchte, dass ich mit ihm zusammen zur Selbsthilfegruppe gehe. Harry reagiert ebenfalls nicht. Stattdessen drückt er seine Fingerspitzen in meine Haut, als er sich noch etwas enger an mich heran zieht. Nur in seiner Boxershorts bekleidet betrachte ich die dunklen Zeichnungen auf seiner Haut, welche mich immer wieder aufs neue faszinieren. Ich überlege, warum ich mich nie habe tätowieren lassen und welches Motiv denn zu mir passen würde.
Das Klopfen hat aufgehört. Der Blonde gibt heute anscheinend schneller auf, als die letzten Male. Ich kann nicht sagen, ob er mehrmals an einem Tag vorbei kommt, oder ob er es mehrere Tage hintereinander probiert hat. Ich schließe meine Augen, möchte diese Ruhe und den Zustand des Schwebend nutzen, um ebenfalls noch etwas zu schlafen, als es plötzlichen an der Hintertür klopft, welche vom Schlafzimmer in den Garten führt.
Das ist neu. Hier hat der hartnäckige Sportstudent es noch nicht probiert. Ich entscheide weiterhin es einfach auszublenden.
„Abigail Jones öffne diese verdammte Tür, oder ich trete sie ein", dröhnt es von draußen nach drinnen.
Mein Herz hämmert augenblicklich wild in meiner Brust, als ich erkenne wer dort vor der Tür steht. Es ist mein Vater. Ich rüttle an Harry's Schulter, um ihn zu wecken. Nur wiederwillig öffnet er seine Augen, wendet den Kopf so, dass er mich ansehen kann.
„Mein Vater", flüstere ich ihm verschwörerische zu, versuch so leise wie möglich zu sein, damit er uns nicht hören kann.
Wieder donnert es an der Tür, so dass ich Angst habe, dass das Glas aus dem Rahmen springt. Stocksteif liegen wir beide in Harry's Bett. Trauen uns nicht, uns zu regen. Mein Versuch mich so tief wie möglich in die Matratze zudrücken und somit vielleicht zu verschwinden, hat nur wenig Erfolg.
Innerlich verfluche ich Niall, da er anscheinend dem Mann, welchen ich mit am wenigsten, im Moment, begegnen möchte, alles erzählt hat. Obwohl ich zugeben muss, dass ich erwartet habe, dass er demnächst hier auftauchen wird. Doch wie so oft, in den letzten Tagen, habe ich jegliche negativen Gedanken verdrängt. Nun steht mein Dad an der Hintertür, klopft dagegen und ruft meinen Namen. Ich fange an zu weinen. Ganz sicher werde ich ihm nicht öffnen. Ich kann ihm so nicht unter die Augen treten. Das geht einfach nicht.
Harry bemerkt meine Tränen, wischt sie sanft mit seinen Daumen fort. Die grünen Augen sehen mich mitfühlend an. Noch immer gibt er sich die alleinige Schuld an unserem Wandel, aber wenn dann, tragen wir beide gleich viel Schuld.
„Glaubst du wirklich, dass sie da sind?", höre ich meinen Vater fragen.
„Natürlich. Sein Auto steht da. Die sind nicht unterwegs. Seit vier Tagen versuche ich zu Abby durchzudringen. Aber sie ignoriert mich", antwortet Niall meinen Vater, mit einer Traurigkeit in seiner Stimme, die mich schlucken lässt.
Vier Tage ist es also her, dass ich ihn rausgeworfen habe. Ich weiß genau, wenn ich jetzt die Tür öffne und den beiden Männern gegenüber treten würde, ich ihre entsetzen und vor allem enttäuschende Blicke, nicht aushalten könnte. Mir ist bewusst, dass ich ein Wrack bin, aber ich kann es nicht ändern. Mein Gehirn, sowie mein Körper, arbeiten gegen mich. Erinnern mich jede Sekunde daran, wonach sie sich verzehren.
„Warte mal, ich habe den Schlüssel mitgebracht, den ich noch von meiner Mutter habe. Hoffen wir, dass Abby, oder dieser Idiot nicht die Schlösser haben auswechseln lassen."
Im nächsten Moment höre ich schon, wie ein Schlüsselbund klimpert und anschließend, wie ein Schlüssel ins Schloß gesteckt wird. Natürlich haben wir diese nicht austauschen lasse.
Ich schirme mit meiner Hand das hereinbrechende Sonnenlicht von meinem müden Augen ab, bevor mein Vater mit seiner breiten Statur dieses wieder aussperrt.
Fassungslos betritt er das Schlafzimmer. Mir wird bewusst, das auch ich nur in Unterwäsche neben Harry liege. Hektisch greife ich nach dem dünnen Laken und versuche mich zu verdecken, bevor auch Niall mich halbnackt sieht.
„Abigail wie konntest du nur?", fährt mein Vater mich an. Die Enttäuschung in seiner Stimme, sowie den entsetzten Blick, kann er nicht verbergen. Will es vielleicht auch gar nicht.
Beschämt lasse ich den Kopf hängen, gebe ihm allerdings keine Antwort. Ich wüsste nicht, was ich erwidern sollte.
Harry streicht beruhigend über meine Wange. Dies scheint zu viel in den Augen meines Dad's zu sein. Mit schnell Schritten tritt er an die Bettseite, auf der der Dunkelhaarige liegt und zieht in an seinem Unterarm von mir weg.
Erschrocken, über diese Tätigkeit, ziehe ich die Luft ein.
„Du mieses Arschloch, ich habe dich gewarnt. Ich habe dir gesagt, dass du meine Tochter anständig behandeln sollst. Wage es nicht noch einmal deine schmutzigen Finger an sie zu legen."
Angespannt beobachte ich das Szenario. Der Blonde tut es mir nach. Etwas unsicher und schockiert über den Zustand der Wohnung und vielleicht auch über meine Verfassung, hält er sich im Hintergrund. Als er meinen Blick bemerkt, schluckt er, mustert mich prüfend, mitleidig. Ich breche den Blickkontakt. Konzentriere mich stattdessen wieder auf die beiden Männer. Der Ältere sieht den Jüngeren noch immer mit unbändiger Wut an.
„Würden sie mich bitte los lassen Sir und augenblicklich meine Wohnung verlassen, in der sie, ohne eine Aufforderung meinerseits, eingebrochen sind?" Harry's Stimme ist völlig ruhig, was mich angesichts der Tatsache, dass mein Vater sich bedrohlich vor ihm aufgebaut hat, erstaunt. Dennoch erkennt man, wie ernst der Brünette es scheinbar meint.
„Was willst du tun? Das Haus gehörte meiner Mutter. Du hast hier nichts zu melden", blafft mein Vater unbeeindruckt zurück.
Bevor Harry etwas erwidern kann, mische ich mich ein.
„Richtig Vater, es gehörte Grandma und nun gehört es mir und ich will dich und ihn", ich rucke mit dem Kopf in Niall's Richtung, welcher traurig die Schulter hängen lässt, „Hier nicht haben. Also verlasst jetzt dieses Apartment, sowie mein Grundstück. Wenn nicht, dann rufe ich die Polizei."
Mit so viel Würde, wie mir noch geblieben ist, versuche ich aufzustehen, ohne, dass das Laken verrutscht. Ich stelle mich neben Harry. Dieser nutzt die Verblüffung meines Vaters aus, um sich aus dessen Griff zu befreien und stattdessen mir einen Arm, um die Taille zu legen.
„Abigail mach dich nicht lächerlich. Du wirst diesen Kerl jetzt sofort vergessen und mit mir mitkommen. Wir bekommen sicherlich wieder einen Platz für dich in der Klinik.", erklärt mein Vater mir durch zusammengepressten Lippen.
Ich kann deutlich sehen, wie er seine Wut mir gegenüber zügeln muss. Ich lasse mich nicht einschüchtern.
„Wer ist wir? Du und Karen?", fahre ich ihn wütend an.
Mein Vater will Luft holen, um etwas zu erwidern, aber ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. In mir brodelt es, die Chemikalien lassen mich meinen Anstand und meine Zurückhaltung, was die neue Frau meines Dad's betrifft vergessen und es sprudelt nur so aus mir heraus.
„Die Frau, die du schon gefickt hast, als Mum noch bei uns gewohnt hat? Es hat mich damals schon fertig gemacht, dass du nicht warten konntest, bis Mum von uns gegangen ist. Sie hat quasi im Zimmer nebenan gelegen, während du deinen Spaß mit ihrer Pflegerin hattest. Ich habe es gehasst. Ich konnte es zu Hause nicht ertragen. Ich musste mich ablenken. Ich habe eine gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Ich war und ich bin nie einverstanden gewesen mit ihr. Ich will nichts damit zu tun haben. Ich hasse Karen und ich verachte dich dafür, dass du das Mum angetan hast."
Wütend sehe ich meinen Vater an. Dieser schüttelt nur den Kopf, als könne er nicht glauben, was er eben gehört hat. Ich weiß, dass ich ungerecht bin und ihm gerade unheimlich weh tue, aber es ist mir egal. Die letzten Tage haben mich abstumpfen lassen, ich kann nichts empfinden, wenn ich nicht mit einer der künstlichen Stoffe nachhelfe.
„Abby, ich habe nicht gewusst, dass du so empfindest", gibt er kleinlaut zu.
„Weil du es nicht wissen wolltest. Du warst ja anderweitig beschäftigt, mit dieser kleinen-"
In diesem Moment wird mir die warme Hand mit den Ringen vor den Mund gehalten. Harry hält mich im Arm, erst jetzt bemerke ich, dass ich am ganz Körper zittere.
„Es ist wohl besser, wenn sie jetzt gehen", wendet sich der Brünette mit fester Stimme an meinen Dad.
„Ich werde nirgendwo hingehen, ohne meine Tochter, wenn sie bei dir bleibt, wird sie sterben", brüllt der Ältere, den Jüngeren an.
Bei diesen Worten drückt der Dunkelhaarige mich noch enger an sich. Ich spüre, wie er unruhig wird. Auch er ist dabei sich zurück zuhalten.
Ich greife nach seiner Hand und führe sie von meinem Mund fort.
„Geht. Alle beide. Oder ich rufe die Polizei."
Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, greife ich nach dem Handy von Harry, welches neben dem Bett liegt.
Die Augen meines Vaters weiten sich, als er sieht, wie ich die drei Ziffern eintippe. Ich drücke noch nicht auf den grünen Hörer, um den beiden die Möglichkeit zu geben, von sich aus, zu gehen, aber ich werde es tun, sollte es nötig sein. Mit einer auffordernden Geste in Richtung der beiden Männer, mache ich ihnen klar, dass es Zeit ist die Wohnung zu verlassen. Doch beide rühren sich nicht vom Fleck. Ich sehe wie Niall ungläubig über das, was hier passiert den Kopf schüttelt.
Mein Vater verschränkt provokant die Arme vor der Brust. Kratzt das letzte bisschen Autorität zusammen und baut sich vor mir auf. Ich lasse mich davon nicht beeindrucken. Ich bin schon lange nicht mehr seine kleine Tochter. Ich werde nicht nach seine Pfeife tanzen.
„Was willst du denen denn erzählen? Die sehen doch was hier los ist und wollen sich dann sicherlich die Wohnung mal genauer ansehen."
Ich lache freudlos auf und winke ab.
„Ich glaube in erste Linie werden sie sich dafür interessieren, was zwei Männer, die nicht erwünscht sind in meinem Haus zu suchen haben und selbst wenn sie sehen, was hier los ist. Sie können nicht ungefragt meine Sache durchwühlen und sie werden nichts finden. Harry", als ich den Namen des Dunkelhaarigen erwähne, schnaubt mein Vater auf. Ich übergehe das und fahre unbeirrt mit meiner Erklärung fort, „und ich wir gefährden niemanden, also könne sie uns auch nicht festnehmen. Lass es Vater und geh jetzt", beende ich meine Erläuterung der aktuellen Situation.
Ich sehe, wie mein Dad fieberhaft zu überlegen scheint, was ihm für Optionen bleiben. Mir dauert dieses Theater hier zu lange und ich drücke auf den grünen Hörer, hebe das Handy an mein Ohr und höre das Freizeichen.
„Es klingelt", werfe ich lediglich in den Raum.
Mein Vater sieht mich noch immer unschlüssig an, aber Niall meldet sich zu Wort.
„Oliver lass uns gehen, es hat wohl keinen Sinn heute. Sie ist nicht bei Verstand, das siehst du doch in ihrem Blick."
Der Blonde fasst meinem Dad an die Schulter und möchte ihn zum gehen bewegen. Mir reicht diese Geste, um den Anruf zu beenden.
„Niall sieh sie dir an, sie läuft geradewegs in ihr Verderben, wenn wir nichts unternehmen."
Mein Vater wischt sich mit der flachen Hand über die mittlerweile feuchten Augen. Ich kann diesen Anblick nicht ertragen und wende mich ab.
„Ich sehe es. Sie ist schon längst in der Hölle angekommen. Komm Oliver für heute ist es gut, lass es uns morgen wieder versuchen."
Ich höre meinen Vater schwer ausatmen.
„Prinzessin denk nochmal über dein Verhalten und die Folgen nach. Ich liebe dich."
Stumm laufen mir die Tränen über die Wangen, als ich höre wie sich die Schritte entfernen und die Tür geschloßen wird.
Harry führt mich sanft zurück zu seinem Bett, auf das ich mich bereitwillig fallen lassen, da ich merke wie meine Knie weich werden.
Ich weine in das Laken, welches ich noch immer um meinen Körper gewickelt habe.
„Warum hast du mir den Mund zugehalten?", frage ich ihn, als meine Tränen weniger werden.
„Ich wollte nicht, dass du noch mehr Dinge sagst, die du nur bereuen würdest", antwortet Harry mir mit gesenktem Kopf.
„Danke", gebe ich ehrlich zurück, denn er hat recht. Ich bereue schon jetzt, was ich eben getan habe. Doch über meinen Schatten springen und mich entschuldigen, kann ich nicht.
„Die beiden haben recht, Abigail. Wir sind in der Hölle. Es kann nicht so weiter gehen. Wir dürfen das Zeug nicht mehr anrühren."
Ich nicke. Natürlich hat der Dunkelhaarige recht. Alle haben recht. Doch ich weiß, was ein Entzug bedeutet. Dieses unbändigen Verlangen, es ist immer da. Die körperlichen Symptome lassen vielleicht irgendwann nach, aber das Gehirn wird immer danach verlangen, denn es vergisst die Wirkung nicht.
„Lass uns aufhören. Wir nehmen heute nichts mehr. Wir können es noch schaffen. Zusammen Baby schaffen wir das. Ich liebe dich und ich will diese Liebe wieder spüren, ohne dass meine Gedanken benebelt sind."
Er sieht mir direkt in die Augen. Ich will auch diese Liebe wieder richtig spüren. Das Kribbeln, was er immer in mir ausgelöst hat, ist weniger geworden. Meine Empfindungen sind gestört. Mit jeder Dosis, die ich mir zufüge, stirbt ein Teil meiner alten Persönlichkeit.
„Ja ich will das Gleiche."
Ich lehne mich zu dem jungen Mann. Küsse vorsichtig seine Lippen. Zärtlich erwidert er. Wir lassen uns nach hinten auf die Matratze sinken. Ich befreie mich aus dem Laken breite es über uns beide aus. Eng aneinander liegen wir zusammen unter der Decke. Halten uns im Arm und geben uns die Kraft, um heute nicht mehr nach dem Stoff zu greifen.
Mitten in der Nacht werde ich wach. Es ist dunkel. Harry liegt mit leicht geöffnetem Mund neben mir. Leise höre ich ihn schnarchen.
Da ich Durst habe, stehe ich auf, gehe in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Ich schalte das Licht ein. Meine Hände zittern, als ich das Glas unter den Hahn halte.
Mit der freien Hand wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Die ersten Anzeichen, dass mein Körper mehr verlangt. Ich versuche nicht daran zu denken.
Langsam, in kleinen Schlucken, trinke das Glas leer. Dabei lasse ich meine Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Plötzlich halte ich inne, als ich glaube, eine dunkle Gestallt wahr zunehmen, welche scheinbar durch das Wohnzimmerfenster von außen hinein sieht. Ich traue meine Augen nicht, vielleicht halluziniere ich auch. Es wäre nicht neu für mich. Das Gehirn spielt gerne verrückt, wenn man ihm die synthetischen Muntermacher nimmt. Trotzdem stelle ich das Glas in die Spüle, um näher ran zugehen. Doch schon jetzt erkenne ich niemanden mehr. Zweifelnd kratze ich mich am Kopf.
„Ron", höre ich es aus dem Schlafzimmer rufen.
Verdammt, Harry hat wieder einen seiner Alpträume. Ich vergesse die dunkle Gestallt, die ich mir vermutlich nur eingebildet habe und laufe so schnell ich kann zu meinem Freund zurück ins Schlafzimmer, um bei ihm zu sein.
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