3. Kapitel - Teil 2
Meine Tränen versiegen und ich beuge mich vor, um Livys Augen für immer zu schließen. Als ich mich aufrichte, bemerke ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung.
Erschrocken zucke ich zusammen, schiebe Livy von mir und stehe auf. Hastig blicke ich mich nach einem Fluchtweg um, doch es ist bereits zu spät, denn ein dunkelhäutiger Mann biegt um die Ecke, in den Händen eine Pistole, die auf mich gerichtet ist.
Es ist vorbei. Sie haben mich gefunden. Obwohl ich schon dachte keine Angst mehr fühlen zu können, ergreift sie mich nun doch und bringt mich zum Zittern. Ich hebe die Hände und senke den Blick, als der Mann näher kommt.
»Bitte«, flehe ich, »ich will noch nicht sterben.«
Es ist die Wahrheit, erkenne ich. Noch will ich Livy nicht nachfolgen. In meinem Herzen spüre ich tatsächlich so etwas wie Hoffnung, obwohl die Situation, die Rebellion der Assets, so ausweglos erscheint. Mein Überlebenswille ist stärker als mein Verstand.
»Ich bin keiner von denen«, sagt der Mann mit schroffer Stimme und ich blicke überrascht auf, in das Gesicht eines Menschen. Tatsächlich trägt er keine Uniform und hat keine Klauen. In seinen Augen erkenne ich die gleiche Angst und Sorge, die auch ich fühle. Die dunkle Haut des Mannes bringt mich zu dem Schluss, dass er der Schwarze sein muss, von dem der Asset gestern Nacht geredet hat.
Erleichtert seufze ich auf und senke die Hände wieder, während auch der Mann seine Pistole herunternimmt. Er steckt sie nicht weg, was mich eher beruhigt als besorgt, denn mit einer Pistole hätten wir gegen einen Asset wenigstens eine Chance. In diesem Kampf steht jeder Mensch auf meiner Seite.
»Wer bist du?«, will ich wissen. Der Mann wirft mir einen irritierten Blick zu und mustert stirnrunzelnd mein blutverschmiertes Gesicht.
»Cade, Qatar Airways, zweiundsechzigster Stock«, stellt er sich vor, »aber das ist irrelevant. Lass uns zusehen, dass wir hier rauskommen, dann können wir uns dem Small Talk widmen.«
Er ist überraschend ruhig und selbstsicher, was auch mich beruhigt. Dennoch – eine Sache lässt mich nicht los.
»Ich befürchte, dass es draußen nicht besser ist«, gestehe ich die Angst, die mich schon seit einiger Zeit beschäftigt. Ich meine, was ist der Sinn dahinter zu fliehen, wenn wir nirgendwohin können? Die Assets könnten bereits ganz New York lahmgelegt und alle Menschen getötet haben.
Cade schüttelt den Kopf.
»Du hast recht, das ist es nicht«, erwidert er, »aber das Militär hat die United Nations Headquarters vor den Assets abgeriegelt und hält das Gebäude bisher. Wer hätte gedacht, dass Europas Misstrauen gegenüber den Assets uns einmal zugutekommen würde?«
Seine Ruhe färbt auf mich ab und endlich fühle ich Hoffnung in mir aufflammen. Die UN-Headquarters sind nur eine halbe Stunde von hier entfernt und ich weiß, dass es von menschlichen Soldaten bewacht wird – was die Menschen dort scheinbar vor den Assets gerettet hat. Wenn wir es dorthin schaffen, dürfte es vorerst sicher sein.
»Woher weißt du das?«, frage ich dennoch etwas misstrauisch. Schmunzelnd hebt Cade seine linke Hand, in der ein Mobiltelefon im Licht der Sonne glänzt. Der vertraute Anblick erleichtert so sehr, dass ich fast erwäge mich in unser Büro zu schleichen und mein eigenes Mobiltelefon zu holen. Aber nur fast. Wenn wir das hier überleben wollen, haben wir keine Zeit zu verlieren.
»Dann los«, verkünde ich und mache eine Geste mit der Hand, um Cade zu bedeuten vorauszugehen.
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