Hoch und runter
Es ist sein 23. Halloween.
Süßigkeiten, lärmende Kinder und ihre sehr viel lauteren Eltern. Alles wie letztes Jahr und das Jahr zuvor und das vorherige.
Und dennoch nicht alles.
Nicht alles.
Insgeheim verflucht er seine Paranoia, hervorgerufen durch all die Horrorfilme, die er so gerne sah.
Nichtsdestotrotz lässt ihn das Gefühl nicht los, verfolgt zu werden.
Er dreht sich um.
Mehrere Male.
Doch außer die Mengen der Kinder und einer Frau auf der anderen Straßenseite ist niemand zu sehen.
Aber was schloss eine Frau schon aus, eine Massenmörderin zu sein?
Sein verflixter Kopf kann an nichts anderes mehr denken. Sie ist zwar auf der anderen Straßenseite, doch wird sie immer schneller.
Abrupt dreht er sich wieder nach vorne. Wenn er unter Menschen bleibt, geschieht ihm nichts, soviel hat er dann doch aus den Filmen gelernt. Niemals nach hinten sehen, das Licht anlassen und nicht alleine umherwandern.
Unter GAR KEINEN UMSTÄNDEN in den Keller gehen.
Kurzerhand macht er einen Schlenker nach links um der blonden Schönheit zu entwischen. Wenn man es denn so nennen kann, denn hinter ihm ist sie nicht mehr, dafür eine riesige Gruppe aus kleinen Kindern in Dalmatinerkostümen.
Provisorisch wurden manchen ein paar rote Flecken hinzugefügt oder ein Ohr abgeschnitten, dennoch unterstreicht das diesen Feiertag nicht ganz.
Sie sind einfach zu tapsig und klein. Vor so jemandem konnte man sich doch gar nicht fürchten!
Er setzt sich wieder in Bewegung, da die Frau nirgends zu entdecken ist und seine Fantasie ihm eindeutig ein paar Gehirnspinste verpassen will. Heute keinen Film mehr, denkt er, als er die Tür zu seinem Block aufschließt.
Seine Wohnung befindet sich im 7. Stock und wie immer sieht er von draußen erst einmal nach oben und flucht innerlich über den nicht existenten Fahrstuhl.
Plötzlich hört er ein klackendes Geräusch, als würde jemand das Schlüsselloch nicht finden. Ein Hochhaus weiter steht jemand vor einer sich nun langsam zu öffnen scheinenden Tür. Die Statur lässt auf eine Frau schließen und kurz redet sein Kopf ihm ein, er würde einen goldenen Schimmer auf ihrem Haupt wahrnehmen, doch das ist absurd.
Es ist stockfinster und die Straßenlaternen leuchten nicht bis hierher.
Die Gestalt reißt hastig die Tür auf und knallt sie hinter sich zu. Kurz starrt er noch auf die nun leere Schwelle, bevor er sich wieder seinen eigenen Angelegenheiten zuwenden will, doch er hält inne.
Eine weitere Gestalt löst sich aus den Schatten. In ruhigem, gleichmäßigen Schritt steuert sie auf das Haus zu und öffnet die Tür.
Als hätte er ein Geräusch gemacht dreht sich ihr Kopf zu ihm, wie zum Gruß.
Dann winkt sie.
Die Gestalt verschwindet, wo auch die Frau verschwand.
Kurz kratzt er sich verdutzt am Kopf, dann geht auch er hinein und beginnt den Anstieg.
Oben angekommen öffnet er seufzend die Tür zu seiner Wohnung; Ein weiteres Halloween allein. Er knipst das Licht an und langsam flackernd erleuchtet es den Raum.
Er legt seinen Mantel ab, seine Schuhe zieht er aus.
Dann erstarrt er.
Hatte die zweite Gestalt die Tür aufgeschlossen?
Bestimmt!
Wie sonst wäre sie hineingelangt? Ein weiteres Mal verflucht er seine verdammte Paranoia und geht hinüber zum Fenster. Etwas frische Luft musste jetzt hier rein, sonst würde er noch wahnsinnig! Die Horrorfilme sollte er echt streichen und lieber ein paar dieser Liebesschnulzen sehen.
Draußen sind gedämpft die Rufe der kleinen Monster zu vernehmen. Die Gasse zwischen seinem und dem nächsten Hochhaus ist jedoch finster und verlassen. Eigentlich nicht anders als seine verdammte Wohnung.
Da unten lauerten garantiert ein paar Mörder.
Ein Glück, dass er zumindest Licht und etwas Wärme hier oben hat, denkt er. Auch wenn die Glühbirne eigentlich nicht wirklich als Licht bezeichnet werden sollte, seiner Meinung nach.
Er wird aus seinen Gedanken gerissen.
Zisch.
Etwas saust nur wenige Zentimeter an seinem Kopf vorbei.
Mit einem dumpfen Geräusch kommt es auf dem Boden auf.
Es klingt matschig und fest zugleich.
Angeekelt sieht er sich um.
Irgendwer hat schon wieder seinen Müll von oben entsorgt und hätte ihn diesmal beinahe getroffen mit diesem etwas!
Es kam von über ihm und jetzt sieht er das Licht, welches eine Etage über ihm brennt, auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse.
Er erstarrt.
Dort steht jemand.
Eine kleine Gestalt, ähnlich gebaut wie die zweite Person von nebenan.
Die Gastalt hält etwas.
In einer Hand etwas spitzes, großes.
In der anderen?
Ein Lichtstrahl fällt auf das Gesicht und die Hände der Person.
Es ist ein Junge, vielleicht 17 Jahre alt. Mehr kann er nicht sehen, denn seine Augen wandern wieder zu seinen Händen.
Er hält nicht nur ein blutiges Küchenmesser.
Er hält einen Kopf.
Einen Kopf einer Frau.
Einer Frau mit blonden Haaren, nun getränkt in Blut.
Ihre Augen sind aufgerissen und ihr Mund zu einem Schrei verzerrt. Doch sie bleibt stumm.
Ohne Körper.
Das etwas, das an ihm vorbeigerauscht ist...
Ihm ist nach kotzen zumute.
Das-das durfte doch nicht wahr sein.
Mit zittrigen Gliedmaßen greift er sein Handy und sieht noch einmal nach oben.
Dort steht er.
Der Junge und ihm rennen eiskalte Schauer den Rücken hinunter.
Er lässt das Handy fallen.
Knackend kommt knallt es auf die Fliesen.
Der Junge starrt zurück.
Dann, ganz langsam, verzieht sich sein Mund zu einem Grinsen.
Er hebt die Hand mit dem Kopf und winkt ihm.
Sein Blut gefriert in seinen Adern. Dieser Junge ist verrückt.
Er hebt das Messer, als wolle er, dass er zusieht und legt es sorgfältig zur Seite. Den Kopf legt er auf das Fensterbrett. Das Gesicht ihm zugewandt.
Seine Augen folgen dem Jungen während sein Körper jegliche Kontrolle über Bewegungen verloren hat.
Der Junge hebt den Zeigefinger.
Sein Grinsen wird breiter.
Er bewegt den Zeigefinger hoch und runter.
Immer wieder.
Hoch.
Runter.
Hoch.
Eins
Zwei
Drei
Vier
Wenn er überhaupt noch denken kann, dann an diese Todesdrohung. Er wird kommen, um ihn zu hängen, er ist sich sicher.
Er wird auch seinen Kopf abtrennen.
Seinen Körper in die Gasse werfen.
Niemand wird ihn vermissen.
Fünf
Sechs
Sieben
Sieben Mal.
Der Junge stoppt.
Dann ist er verschwunden.
Und wenn noch nicht jegliches Blut aus seinem Gesicht gewichen und gefroren war, dann war es dies nun.
Der Junge hatte ihm nicht gedroht.
Er hatte gezählt.
Sieben Mal.
Hoch und runter.
7. Etage.
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