35. Die Gerichtsanhörung
KAPITEL 35
Die Gerichtsanhörung
Mittwoch, 4. Mai 1977
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Ein Werwolf.
Remus Lupin war tatsächlich ein Werwolf.
Wenn sie darüber genauer nachdachte, ergab diese Tatsache sogar Sinn und je mehr Remus, James und Sirius ihr ihre Fragen beantworteten, desto mehr verstand sie die Zusammenhänge. Hätte sie nicht den Großteil ihrer Zeit mit Maggie verbracht, wäre sie vielleicht sogar früher darauf gekommen... Doch der Gedanke, wie ehrgeizig James, Sirius und Peter es gelernt hatten, Animagi zu werden, nur um Remus zu unterstützen, ließ ihr warm ums Herz werden. Remus konnte sich glücklich schätzen, Freunde wie die drei zu haben.
Als er erfahren hatte, dass sie es herausbekommen hatte, war es Vanessa beinahe so vorgekommen, als fürchtete er, sie würde ihn verurteilen. Doch wie könnte sie?
Vanessa nahm an, dass Professor McGonagall ein wenig genervt davon war, wie viele Sondererlaubnisse sie ihr in diesem Schuljahr bereits eingeräumt hatte, aber ihre Besuche bei Maggie waren am Wochenende oder nach der Schulzeit gewesen, deswegen konnte sich ihre Hauslehrerin nicht beschweren, dass sie den Wunsch hatte, sich für die letzten zwei Stunden befreien zu lassen, um der Anhörung ihrer Mutter beizuwohnen.
Sie hatte sogar erlaubt, dass James mitkam und Vanessa war froh, dass sie wenigstens ihn dabei hatte, wenn Sirius schon nicht dabei sein durfte. Maggie würde auch kommen, zwar mit einer Heilerin an ihrer Seite, aber da sie sich sowieso zuhause aufhalten durfte, gab es kein Problem dabei, dass sie dabei war.
Als sie durch McGonagalls Kamin zum Ministerium mithilfe des Flohnetzwerks gereist waren und in den Hallen des riesigen Gebäudes standen, atmete Vanessa hibbelig ein und aus. Eigentlich hatte sie gedacht, es gäbe keinen Grund für ihre Anspannung, aber je näher die Verhandlung rückte, desto unruhiger wurde sie.
Etwas verloren versuchte Vanessa sich in dem Getümmel zu orientieren, bis sie endlich Fleamont sah, der anscheinend auf sie gewartet hatte und ihnen zuwinkte. „Nicht so schnell!" hörte sie eine ziemlich vertraute Stimme hinter sich und sie fuhr überrascht herum, als Sirius mit einem Grinsen auf sie zugeschlendert kam.
„McGonagall hat mir doch erlaubt mitzukommen." meinte er zu Fleamont, während Vanessa und James einen kurzen Blick austauschten.
McGonagall hatte ihm definitiv nichts erlaubt. Doch da sie sich denken konnte, dass dahinter etwas steckte, dass ihm noch Ärger bringen könnte, spielten sie hastig mit und pflichteten Sirius mit einem zustimmenden Nicken bei.
Während Fleamont, der ebenfalls angespannt und nervös wirkte, sie durch die Gänge dirigierte, warf Vanessa Sirius einen eindringlichen Blick zu. „Wie bist du hierher gekommen?"
„Ich habe mich leider in Hogsmeade verlaufen und der armen Rosmerta blieb gar keine andere Wahl als mir zu helfen, meiner Freundin beizustehen." erklärte Sirius mit dramatischer Stimme und Vanessa sah ihn skeptisch an.
„Hat sie die Neuigkeit verkraftet, dass du eine Freundin hast?" fragte sie spitz, als sie hörte, dass er sie nicht einmal mehr Madam Rosmerta nannte.
„Eifersüchtig?" fragte er neckend und wahrscheinlich sprang sie aufgrund ihrer Anspannung viel zu sehr auf seine Sticheleien an.
„Sie ist Mitte 30." erwiderte sie, als würde es sie nicht interessieren, doch Sirius ließ nicht locker.
„Um genau zu sein, ist sie das nicht, Vany. Sie ist 1948 geboren."
„Immer noch zwölf Jahre älter."
„Elf."
„Wie auch immer."
„So was von eifersüchtig."
„Leute!" unterbrach James die beiden, als sie vor dem Gerichtssaal stehen blieben und Fleamont sich zu ihnen umdrehte. Es zeichneten sich deutliche Sorgenfalten auf seiner Stirn ab, als er zu sprechen begann und Vanessa wusste nicht, wie sie sich fühlen würde, wenn James einmal etwas wie ihrer Mutter widerfahren würde.
„Bevor wir jetzt-" setzte Fleamont an, doch er kam nicht weit, da eine laute Stimme ihn unterbrach.
„Vanessa!"
In dem Moment, in dem sie Maggies Stimme hörte, begann Vanessa erleichtert zu strahlen und kaum, dass sie sich umdrehte, fiel sie ihr auch schon in die Arme. Mit ihrer besten Freundin an ihrer Seite schien alles um sie herum gleich viel leichter zu werden und sie klammerte sich an ihr fest, als wollte sie sie nie wieder loslassen. „Oh Merlin, bin ich froh, dich zu sehen." sagte sie leise, während Fleamont neben ihr seufzte.
„Bei diesen Kindern kommt man auch nie zum Ausreden." murmelte er und Vanessa grinste leicht, als sie sich von Maggie löste. „Wie geht es dir?" fragte sie und Maggie zuckte resigniert mit den Schultern, während für kurze Zeit ein Ausdruck in ihren Augen lag, den Vanessa nicht deuten konnte.
„Genauso wie vorher. Manchmal spüre ich es stärker, manchmal kaum, aber die Symptome durch den Fluch sind immer noch da." antwortete sie so sachlich wie möglich und Vanessa versuchte erneut den Gedanken daran zu verdrängen, wie mächtig dieser Zauber sein musste, wenn er nicht so leicht von ihr zu nehmen war. Was, wenn derjenige, der sie verflucht hatte, irgendwann entschied, es schlimmer zu machen?
„Hey Maggie." Sirius hatte sich neben sie geschoben und gerade, als Maggie etwas erwidern wollte, blieb eine ältere Hexe mit großem Hut und spitzer Nase neben ihr stehen. Sie warf ihr einen strengen Blick zu und Vanessa vermutete, dass das die schlimme Heilerin war, von der sie ihr berichtet hatte.
„Du bist also der Grund, warum wir hier sind..." Sie musterte Vanessa, die sich unter ihrem Blick zunehmend unwohl fühlte. „Wenigstens werde ich hierfür bezahlt."
Als sie sich umdrehte und an Fleamont wandte, rollte Maggie übertrieben mit den Augen und wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht, um ihnen zu symbolisieren für wie verrückt sie sie hielt.
„Wenigstens hat Dad die jetzt an der Backe." kommentiere James den verzweifelten Gesichtsausdruck seines Vaters, als die Hexe auf ihn einsprach und stark gestikulierte. Die Spitze ihres Hutes wippte dabei auf und ab und Vanessa schnaubte leicht, bevor sie ihre Handflächen an ihrer Hose abrieb. Sie konnte das lange Warten nicht mehr ertragen.
Keine fünf Minuten später befanden sie in dem großen Saal des Zaubergamonts und zwischen ihrem Vater und Maggie zu sitzen, war das einzige, was sie ein wenig ablenkte. „Sirius, hat dein Vater nicht auch Stimmrecht hier?" fragte sie ihn über ihre beste Freundin hinweg, die neben ihm saß.
„Würde mich nicht wundern, wenn er der erste ist, der dafür stimmt, sie zu verurteilen." erwiderte er bitter und Vanessa fühlte sich für einen kurzen Moment schlecht. Sie hatte nicht beabsichtigt, ihn an seine Eltern zu erinnern.
„Das ist übrigens Bartemius Crouch, er wird die Verhandlungen führen." wandte Fleamont sich über ihren Vater hinweg plötzlich an sie und zeigte ihr den Mann, der auf dem Platz des Richters saß, eine rote Feder in der Hand und in die schwarzen Gewänder gehüllt, wie es auch die anderen Mitarbeiter des Zaubergamonts waren.
„Wie ist er so?" fragte sie und Fleamont verzog das Gesicht.
„Meiner Meinung nach ist er ein ziemlicher Wichser." erwiderte er schlicht und während James neben ihm zu lachen begann, warf ihm Thomas einen kurzen Blick zu.
„Fleamont!" ermahnte er ihn und Vanessa musste bei dem empörten Gesichtsausdruck ihres Vaters belustigt grinsen.
„Nimm's nicht persönlich, Dad. Nicht alle Richter sind Idioten."
Vanessa genoss diesen kurzen Moment mehr, als sie es zugeben wollte. Sie konnte es nicht erklären, aber auch, wenn dieser Tag keineswegs etwas Gewöhnliches war, schien ihr diese Situation so normal, dass sie sie vollständig in sich aufnehmen wollte. Ihr war bewusst, dass sich durch diese Verhandlung alles ändern würde - ob zum Guten oder zum Schlechten (doch an letzteres wollte sie nicht denken).
Nach und nach wurde es immer ruhiger im Saal und Vanessa atmete unruhig ein und aus, was Sirius dazu veranlasste, ihr hinter Maggies Kopf hinweg mit den Fingern kleine Kreise auf ihren Oberarm zu malen.
„Wir können auch Plätze tauschen." meinte Maggie trocken, als sie Sirius' Arm hinter sich spürte und brachte ihn geheimnisvoll zum Grinsen.
„Sie ist schlimmer als Remus." versuchte Sirius Vanessa mit einem kleinen Scherz aufzumuntern und tatsächlich brachte er Vanessa dazu, leicht zu lächeln, was aber gleich wieder einer nervösen Anspannung wich, als die Türen zum Gerichtssaal geöffnet wurden.
Herein kam ihre Mutter, flankiert von Dementoren und mit gefesselten Händen, und Vanessa blieb einen Moment die Luft weg, als sie sah, wie gezeichnet sie von ihrer Zeit in Askaban war. In der dunklen Zelle war es ihr nicht so stark aufgefallen, aber nun, wo das helle Licht des Saals auf sie fiel, bemerkte sie die abgemagerte Statur, die strähnigen Haare und die dunklen Ringe unter den Augen ihrer Mutter.
Ihr Herz zog sich zusammen, sie so sehen zu müssen und auch ihr Vater senkte betroffen den Blick neben ihr. Automatisch streckte sie die Hand nach ihm aus und er ergriff sie sofort mit einem leichten Zittern.
Eine Gänsehaut bildete sich auf Vanessas Armen und hätte sie nicht gewusst, dass Schutzzauber die Anwesenden von der Macht der Dementoren abschirmte, hätte sie geglaubt, es läge an ihnen.
„Elia Allerton?" fragte Crouch, als ihre Mutter an dem Tisch in der Mitte des Saals abnahm und die Dementoren um sie herum Stellung bezogen. „Sie bestehen darauf, mit Veritaserum auszusagen, ist das richtig?"
„Ja, das ist richtig." hörte sie Elia leise antworten und sie konnte ihre Mutter in dieser Frau kaum wiedererkennen. Ihre Stimme war nicht selbstbewusst, gewitzt oder sicher wie sonst, sondern zaghaft und vorsichtig. Beinahe wirkte sie so, als hätte sie... aufgegeben.
Mit einem Wink von Crouchs Zauberstabs erschien eine Phiole auf dem Tisch vor ihr und sie griff danach, warf einen kurzen Blick zu den übrigen Abgeordneten, bevor sie die Flüssigkeit zu sich nahm.
Aber wenn sie die Wahrheit sagen musste und sie unschuldig war, musste sie doch freigesprochen werden, oder nicht? Warum wirkte ihre Mutter dann so, als würde sie nicht daran glauben?
„Durch das Veritaserum werden Sie gezwungen sein, die Fragen des Zaubergamonts zu beantworten, jedoch ist es Ihr Recht, Aussagen zu verweigern." belehrte Crouch sie über ihre Rechte und seine Worte wirkten so routiniert und kühl, dass Vanessa verstehen konnte, warum Fleamont ihn nicht mochte. „Elia Allerton, geboren..."
„Rowle." begann Elia seine Worte zu vervollständigen.
„Tochter von..."
„Brandon und Coraline Rowle."
„Geboren am..."
„14. Januar 1939."
Crouch nickte und schien nun zu den wirklichen Fragen zu kommen. „Was wussten Sie über den Einsatz der Auroren am 26. Dezember?"
„Alles. Ich war in den kompletten Plan von Anfang an eingeweiht." antwortete ihre Mutter sachlich und mit solch einer Ruhe, dass Vanessa ein komisches Gefühl im Magen bekam.
„Waren Sie es, die die Informationen über den Fall an die Todesser weitergegeben haben?" fragte Crouch weiter und nun beugten sich sowohl sie, als auch ihr Vater, aufmerksam vor.
Elia schwieg und für einen Moment glaubte Vanessa zu sehen, dass sie den Blick über die Geschworenen gleiten ließ, bis er an jemandem hängen blieb. Als sie wieder nach unten sah und zu einer Antwort ansetzte, waren ihre Augen fest auf den Richter gerichtet. „Ja, ich habe die Informationen in vollem Bewusstsein weitergegeben."
Ein Satz.
Es war ein Satz, der Vanessa so kalt erwischte, dass sie wie paralysiert den Blick von ihrer Mutter nicht mehr abwenden konnte. „Was?" murmelte sie verwirrt und wandte ihren Kopf nach links, wo sie in die Augen von Fleamont und ihrem Vater sah. Sie sah dieselbe Fassungslosigkeit bei ihnen, die sie sie gerade selbst empfand.
Ihre Mutter hatte es wirklich getan.
Vanessa wurde schlecht und es wurde immer schwerer für sie, Luft zu bekommen, weshalb sie tief und hastig einatmete. Das... konnte nicht stimmen.
Das konnte nicht wahr sein.
„An wen haben Sie sie weitergegeben?" fragte Crouch weiter und als Elia schwieg, beugte er sich vor. „Eine Antwort könnte eine mildernde Strafe mit sich bringen."
Vanessa begann zu zittern, als ihre Mutter den Blick senkte. „Darauf kann ich nicht antworten."
Schweigen breitete sich im Saal aus und sie verzog hilflos das Gesicht. „Nein nein nein..." flüsterte sie leise und bevor sie darüber nachdachte, erhob sie ihre Stimme. „Mum! Sag, dass das nicht wahr ist!" rief sie verzweifelt, während sie sich vorbeugte und die Tränen in ihren Augen weg blinzelte, bis sie plötzlich spürte, wie ihr Vater sie zurück auf ihren Platz zog.
Nun warf ihre Mutter ihr einen Blick zu - endlich - und Vanessa konnte es kaum ertragen, in das traurige dunkle Blau ihrer Augen zu sehen. Sie waren voller Reue, aber gleichzeitig konnte sie all die Zuneigung in ihnen erkennen, die Vanessa dazu brachten, den Kopf zu schütteln. Doch als Crouch laut um Ruhe bat, wandte sie ihren Blick wieder nach vorne... erneut zu jemanden bei den Geschworenen.
Vanessa versuchte zu erahnen, wohin sie sah und verschaffte sich einen kurzen Überblick über die Anwesenden, bis sie plötzlich bei einem Mann hängen blieb, der ihr direkt in die Augen sah. Es dauerte ein wenig, bis sie ihn auf die Entfernung erkannte, doch als es klar wurde, wer es war, blieb ihr kurz die Luft weg.
Es war Raphael.
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