Der andere Omega
Brad POV
Harry war gerade wieder gegangen und ich saß ausgelaugt, müde auf meinem Bett und starrte zum Fenster.
Ich hatte es genossen, keine Frage und ich würde auch jederzeit wieder, wie er sagte, meinen Arsch für ihn hinhalten, aber ich spürte zunehmend einen Schmerz in mir, den ich langsam nicht mehr verdrängen konnte.
Eigentlich hatte ich nie an diesen Mist geglaubt, ein Omega braucht einen Alpha als Partner, es muss auch ein fester Partner sein, damit der Omega glücklich ist. Für mich war das immer Humbug, doch mehr und mehr merkte ich, dass vielleicht doch etwas dran gewesen war, an der Geschichte.
Ich wischte mir über die Augen, merkte die Nässe und erschrak. Hatte ich geweint? Geweint ohne es zu merken? Langsam erhob ich mich, spürte die Nachwirkungen der letzten Stunden an meinem ganzen Körper und schleppte mich ins Bad vor den Spiegel.
Mit leichtem Schock sah ich meine roten Augen, schüttelte langsam den Kopf. Warum verdammt weinte ich? Ich hatte es doch so gewollt. Ich wollte, dass er mich benutzt, denn ich zog doch auch den Benefit daraus. Sicher war er ein wenig egoistisch, letztlich bekam ich dann aber trotzdem auch das, was ich mir erhoffte.
Mein innerer Wolf rebellierte, ich spürte ihn aufgewühlt in meinem Inneren. Normalerweise war er still, eigentlich hatte ich oft gedacht, dass ich vielleicht gar kein richtiger Lykantroph sein könnte, weil es diese enge Verbindung, von der viele sprachen, bei mir nicht gab.
Nun aber schienen mich die Gefühle zu übermannen und ich sackte auf den Boden, auf die Fliesen.
Schwer atmend versuchte ich mir wieder Herr zu werden, versuchte die Gedanken, die Gefühle die aufbrandeten wegzuschieben. Harry, wie er mich im Arm hielt, Harry, wie er mich streichelte, mir liebevolle Worte sagte.
Verzweifelt, weil ich nicht dagegen ankam, immer mehr meine Synapsen flutete, schlug ich auf den Boden ein. Den Schmerz der mich durchzuckte, nahm ich nur am Rande wahr und erst, als ich rote Tropfen auf dem Boden sehen konnte, realisierte ich die nicht ganz so kleine Verletzung.
"Mist.", murmelte ich, rappelte mich hoch, versuchte meine Hand zu bewegen und stellte fest, dass einer der Finger ungesund abstand und ein kleines Knochenfragment scheinbar die Haut durchstochen hatte, während die restliche Hand bereits anzuschwellen begann.
XXX
Louis POV
Annes Vorschlag hatte mich sprachlos gemacht und irgendwie war ich froh, als das Krankenhaus anrief und fragte, ob ich es irgendwie möglich machen könnte, heute Nacht eine Schicht eines Kollegen in der Notaufnahme zu übernehmen, weil dieser plötzlich gegen 23 Uhr mit einem Magen-Darm-Virus ausgefallen war.
Auch wenn ich noch nicht geschlafen hatte, es sicher keine gute Idee war, sagte ich zu. Ich war niemand, der jemand anderen hängen ließ und auch wenn ich nur ein Omega war, hatte ich durch die Kräfte meines inneren Wolfes viel mehr Reserven, als es ein normaler Mensch hatte.
Meine Mutter hatte nur den Kopf geschüttelt, als ich Bescheid sagte und dann war ich ins Krankenhaus gehetzt. Notaufnahme... eine Abteilung in der ich nur in meiner Ausbildung tätig gewesen war. Mein Habitat war die Intensivstation, aber ich würde auch hier meinen Job gut machen, so gut es eben ging.
"Louis, schön das sie kommen konnten.", die Pflegedienstleitung der Notaufnahme begrüßte mich bei meinem Eintreffen mit einem Lächeln. "Zum Glück ist es heute Nacht bisher ruhig. Wenig Patienten und somit kaum Streß, aber sie wissen sicher, wie schnell das umschlagen kann. Ich würde ihnen kurz eine kleine Einweisung geben und dann schauen wir, dass wir gemeinsam die Nacht überstehen, oder?", Fiona, so wie sich die ältere Schwester vorgestellt hatte, deutete auf die Tür und so folgte ich ihr, ließ mich kurz in alles wichtige einweisen, als die Klingel am Tresen der Notaufnahme, durch den Flur schallte.
"Hier kommen sowohl Krankenwagen, als auch fussläufige Patienten. Vorn am Tresen machen wir die sogenannte Triage. Wir ordnen dem Patienten einen Dringlichkeitsgrad zu. Kommen sie bitte mit, ich zeige es ihnen."
Ich nickte, lächelte, murmelte dann ein. "Sie können mich aber ruhig duzen und mich mit Louis ansprechen."
Ihr Lockenkopf fuhr zu mir herum und sie grinste. "Prima. Das freut mich. Fiona."
XXX
Als wir am Tresen ankamen fiel mir fast die Kinnlade herunter. "Brad?", fragte ich, sah auf den notdürftig verbundenen Arm und er sah mich genauso erschrocken an, wie ich ihn.
"Louis?", kam es und Fiona sah zwischen uns hin und her.
"Ihr kennt euch?", fragte sie und ich nickte.
"Ja, wir kennen uns.", bestätigte ich.
"Gut. Was kann ich für sie tun, Brad?", fragte sie, öffnete ein Fenster an ihrem Computer und während er schilderte was ihm fehlte, tippte sie direkt mit.
"Sie haben Glück, es ist nicht viel los. Der Unfallchirurg schläft gerade, aber ich werde ihn gleich wecken. Louis, bring ihn bitte rüber in Schockraum 2. Da ist auch ein mobiles Röntgengerät.Hast du einen Röntgenschein?"
"Ja, habe ich. Röntgen wir hier ohne vorherige Anweisungen?", fragte ich und nun nickte sie.
"Ja, wir Pfleger in der Notaufnahme können das nach Ersteinschätzung entscheiden.", sie erklärte mir kurz welche Art von Aufnahmen gebraucht würden und sagte dann noch, dass sie kurz nach einem der Patienten schauen würde und ich nach dem Röntgen die Wunde bereits einmal säubern und ggf. wieder verbinden solle, bis der Chirurg da wäre.
"Dann komm, lass uns schauen, was wir machen können.", sagte ich zu Brad, der mir folgte. Anders als an dem Abend schien er sehr in sich gekehrt, sehr ruhig. Ob das jetzt an den möglichen Schmerzen lag, die diese Verletzung sicher machte, oder an etwas anderem, vermochte ich nicht zu sagen.
Allerdings schlug das in dem Moment um, als ich alles fürs Röntgen vorbereitete, den Verband abnahm und mir ein bekannter Geruch an ihm auffiel, was meinen inneren Wolf zu einem leisen Knurren veranlasste.
"Entschuldige.", sagte er, niedergeschlagen. "Ich, es... das ist... es ist falsch und muss aufhören, auch wenn ich es nicht gedacht hätte.", kam es zusammenhangslos von ihm, während ich die Hand in Position brachte, ihm noch die Bleischürze umhänge und dann das erste Bild schoss.
"Du musst dich bei mir nicht entschuldigen.", sagte ich ruhig, drehte seine Hand ein wenig und tat ihm dabei kurz weh, sodass er zusammen zuckte.
"Das war nicht mit Absicht, verzeih.", ich strich ihm über die muskulöse Schulter. Er war so anders als ich. Vermutlich der Traum von 90 Prozent der Frauen und auch Männer. So einen hübschen Mann wie ihn sah man selten auf dieser Welt. Harry war es nicht zu verübeln, dass er gern mit im Spaß hatte.
"Weiß ich. Ist in Ordnung.", ich merkte wie der Knoten in meinem Bauch größer wurde, spürte das es ihm schlecht ging und ich kämpfte innerlich mit mir, ob ich ihn fragen sollte wieso.
"Brad.", konnte ich mich dann doch nicht beherrschen. "Geht es dir, abgesehen von der Hand, nicht gut?"
Er sah auf, die braunen Augen, die so toll leuchten konnten waren eindeutig feucht.
"Ich, das...", er schüttelte den Kopf, seine gesunde Hand ging zu seinen Augen und er wischte schnell darüber.
"Du musst nicht reden, wenn du nicht willst.", beruhigte ich ihn, schob das Gerät zur Seite und richtete ein Set mit Desinfektionsmittel, Mull und einem Verband.
"Ich habe das alles falsch eingeschätzt, ich habe gedacht, ich kann es mit ihm so machen, wie mit allen anderen.", kam es hinter mir und ich schluckte hart. "Aber es geht nicht. Es tut weh, Louis. Er, er sieht in mir nur einen Körper, den er nutzen kann, nicht mehr. Und, ich habe immer gedacht ich brauche das nicht, Bindung, einen festen Partner, aber mein innerer Wolf schreit förmlich, seit er mich vorhin einfach liegen lassen hat."
Meine Hände krallten sich für einen Moment in die Arbeitsplatte. Auf der einen Seite brandete Eifersucht durch meinen Körper, während auf der anderen Seite die Wut auf einen Alpha hochkochte, der einen Omega, so wie mich, derartig verletzte ohne es vermutlich wahrzunehmen, oder es wahrnehmen zu wollen.
"Es tut mir leid, Brad.", sagte ich ehrlich. Ich meinte es so, mochte den Mann vor mir, dem ich jetzt ganz vorsichtig den Bereich um den Bruch reinigte, diesen dann wieder abdeckte. "Das hast du nicht verdient. Auch wenn du anfänglich dachtest, es ist nur Spaß."
Die braunen Augen sahen mich derartig traurig an, dass ich nicht anders konnte. Ich zog die Handschuhe aus, hockte mich neben ihn und schloss ihn in die Arme.
"Es wird alles gut. Alles wird gut. Ich verspreche es dir.", murmelte ich in sein Ohr, als plötzlich eine laute Stimme durch den Raum schallte.
"Was wird das bitte?", ich sprang zurück, merkte wie ich rot wurde.
"Entschuldigen sie. Brad ist ein Freund. Ich habe ihn nur getröstet. Die Aufnahmen sind bereits gemacht, die Wunde habe ich eben steril abgedeckt.", sprang ich sofort wieder auf meine professionelle Pflegerseite um und der Arzt nickte zufrieden.
"Gut.", er setzte sich dann den Schreibtisch, der an einer Wand stand, sah sich die Röntgenbilder an und seufzte.
"Wie haben sie denn das gemacht?", fragte er Brad und dieser schien sich auch wieder gesamter zu haben, denn die Stimme klang fest.
"Ich habe auf den Boden geschlagen, Doktor.", da der Arzt seinen Namen nicht gesagt hatte, wählte er wohl diese Ansprache und erneut war ein Seufzen zu hören.
"Sowas ist nie eine gute Idee. Sie haben sowohl den Finger offen gebrochen, als auch eine Fraktur im Mittelhandknochen. Das ist eine Indikation für eine Operation. So wird das nicht wieder zusammenheilen.", sagte der Arzt trocken, drehte sich zu uns um und zuckte mit den Schultern.
"Wir nehmen sie auf und setzten sie für früh auf den OP Plan. Ich denke wenn die OP gelingt, sollte nach etwa 6 Wochen und dann entsprechender Physiotherapie alles folgenlos ausheilen. Ihr Freund wird ihnen gleich eine Infusion anhängen,", er sah auf mein Namensschild. "Louis legt ihnen gleich einen Zugang. Gibt ihnen zuerst einen Bolus Fentanyl, sodass er ihnen möglichst schmerzlos eine Gipsschiene, die bis morgen zur OP eine Verschiebungen des Knochens vermeiden soll, anlegen kann. Danach bekommen sie Flüssigkeit und erneut mit der Infusion Dipidolor als Schmerzmittel. Das sollte sie gut über die Nacht bringen. Vor der OP morgen früh wird noch ein Kollege der Chirurgie kommen, sie aufklären, wie genau die OP verläuft und der Anästhesist. Alles Gute wünsche ich ihnen.", sagte er noch, bevor er mit rauschendem Kittel den Schockraum verließ.
"Oh nein.", Brad schüttelte den Kopf, sah auf seine Hand hinunter. "Wäre ich ein Alpha, wäre das längst verheilt.", sagte er und ich schmunzelte.
"Nein, auch bei einem Alpha, hätte so eine Verletzung eine OP nach sich gezogen. Denn es wäre sicherlich schnell verheilt, aber krumm und schief zusammengewachsen und dann wäre die Hand vermutlich unbrauchbar gewesen. Also, gräme dich nicht. Die Ärzte hier machen morgen früh ihren Job und dann bist du ruck zuck wieder fit.", machte ich ihm Mut, bevor ich das Infusionsbesteck holte und ihm dann unter leichtem Zetern seinerseits die Braunüle in den Arm legte.
Das das hier heute jedoch nur der Anfang vom ganzen Drama war, konnte ich in dem Moment ja noch nicht erahnen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro