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Die Wohnungstür schlug krachend hinter Lennart ins Schloss, und das Geräusch hallte durch den stillen Flur. Er war nicht leise nach Hause gekommen – warum auch? Es war schließlich sein Zuhause, dachte er. Wieso sollte er sich anpassen oder Rücksicht nehmen? Die Uhr zeigte kurz nach eins, aber Lennart war es egal.
Helena saß noch auf dem Sofa, ihren Blick auf ihr Handy geheftet. Als die Tür aufging, sah sie auf und runzelte die Stirn. Sven war ebenfalls wach, er stand mit verschränkten Armen an der Wand und warf Lennart einen scharfen Blick zu.
„Na, endlich! Fällt dir auch mal ein, nach Hause zu kommen?“ begann Sven mit einem Ton, der Lennart sofort auf die Nerven ging.
„Was willst du, Sven?“ Lennart knallte seine Tasche auf den Boden und ließ sich demonstrativ auf einen Stuhl fallen. „Ich war unterwegs. Ist doch nicht euer Problem.“
„Nicht unser Problem?“ Sven schnaubte. „Es ist mitten in der Nacht, und du tauchst einfach auf, als wäre das hier ein Hotel! Du bist dreizehn, Lennart, und du kannst nicht einfach tun, was du willst!“
Helena hob beschwichtigend die Hände. „Sven, lass ihn doch. Er ist jetzt da. Lennart, nächstes Mal sagst du einfach Bescheid, okay?“
Lennart lachte spöttisch und lehnte sich zurück. „Klar, Mom. Weil ich ja immer so viel Zeit hab, euch beiden eine Nachricht zu schreiben, wenn ich mal was mache.“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus.
Sven trat einen Schritt nach vorne, sein Gesicht angespannt. „Du hältst dich für besonders schlau, was? Glaubst du, die Welt dreht sich nur um dich? Deine Mutter sorgt sich, während du irgendwo draußen rumstreunst, und du kommst hier rein, als wäre nichts passiert!“
„Oh, komm schon!“ Lennart sprang auf und sah Sven mit funkelnden Augen an. „Tu doch nicht so, als würde dich das interessieren! Du willst doch nur den großen Macker spielen und mir sagen, was ich tun soll, damit du dich wichtig fühlst!“
„Das reicht jetzt!“ Sven hob die Stimme, doch Lennart lachte nur spöttisch.
„Oh, der große Sven wird laut!“ höhnte er. „Was willst du machen? Mich anschreien? Mir Hausarrest geben? Glaubst du, das interessiert mich? Du bist niemand! Du bist nur der Typ, der bei meiner Mutter rumhängt und denkt, er wäre ein Vater. Aber weißt du was? Du bist es nicht!“
Helena trat zwischen die beiden. „Lennart, jetzt hör auf! Sven, beruhig dich!“
„Ich soll mich beruhigen?“ Lennart schrie fast. „Warum? Damit er weiter auf mir rumhacken kann? Ich hab’s satt, mir von ihm irgendwas sagen zu lassen!“
„Weil du dich wie ein verwöhnter Bengel aufführst, der denkt, er hätte keine Regeln!“ Sven klang jetzt genauso wütend wie Lennart. „Du brauchst Grenzen, Lennart, und ich werde dafür sorgen, dass du welche bekommst!“
„Versuch’s doch!“ Lennart griff einen Stuhl und warf ihn mit voller Wucht zu Boden. Der Knall ließ Helena erschrocken zurückweichen. „Du willst mir Grenzen setzen? Dann mal los! Zeig mir, was du drauf hast!“
Sven machte einen Schritt auf ihn zu, doch Lennart war schneller. Er schnappte sich einen Holzstock, der an der Wand lehnte – ein Relikt von Sven, das er immer aus sentimentalen Gründen behalten hatte – und hielt ihn wie eine Waffe in der Hand.
„Was jetzt, Sven? Willst du mir zeigen, wie ein echter Mann aussieht?“ Lennart grinste höhnisch, doch in seinen Augen funkelte reine Wut.
„Lennart, leg den Stock weg!“ rief Helena panisch.
„Nein!“ Lennart schlug mit dem Stock gegen den Tisch. Der dumpfe Knall hallte durch den Raum, gefolgt vom Geräusch splitternden Holzes. „Ich bin fertig mit euch beiden! Ihr seid ein Witz!“
„Lennart!“ schrie Helena, doch er hörte nicht auf. Er schlug erneut zu, dieses Mal gegen einen Stuhl, der in zwei Teile zerbrach. Seine Atmung ging schwer, sein Gesicht war rot vor Zorn.
Sven versuchte, ihm den Stock aus der Hand zu reißen, doch Lennart wich geschickt aus. „Fass mich nicht an!“ brüllte er und schlug nach Sven. Der Stock traf ihn am Arm, und Sven stieß ein schmerzerfülltes Stöhnen aus.
„Lennart, was ist los mit dir?“ Helena stand da, ihre Hände erhoben, als wollte sie ihn beschwichtigen.
„Was los ist?“ Lennart wandte sich ihr zu, sein Blick voller Verachtung. „Du lässt zu, dass dieser Idiot mir auf der Nase rumtanzt, und dann fragst du, was los ist? Ihr seid so erbärmlich!“
Er hob den Stock erneut, und Helena wich zurück. „Lennart, hör auf, bitte! Du machst alles kaputt!“
„Kaputt? Das bin ich doch schon längst, oder? Das ist doch das, was ihr immer denkt!“ Lennart schlug wieder zu, diesmal gegen eine Lampe, die klirrend zu Boden fiel.
„Hör auf!“ schrie Helena, doch Lennart lachte nur.
„Warum? Du wirst doch sowieso nichts tun, oder? Du machst doch nie was, Mom! Du lässt mich einfach machen, weil du zu schwach bist, mir irgendwas vorzuschreiben!“
Die Worte trafen Helena wie ein Schlag. Sie sah ihn an, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
Sven versuchte es erneut, ging auf Lennart zu, doch der schlug erneut zu. Dieses Mal traf der Stock Helena leicht an der Schulter. Sie schrie auf und taumelte zurück.
Für einen Moment war es, als wäre die Zeit eingefroren. Der Stock fiel aus Lennarts Hand und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden. Seine Brust hob und senkte sich heftig, und sein Blick wanderte zwischen Helena und Sven hin und her.
„Du bist verrückt“, murmelte Sven und hielt sich den Arm, wo Lennart ihn getroffen hatte.
„Ich bin nicht verrückt!“ rief Lennart, doch seine Stimme klang brüchig.
Helena schüttelte den Kopf. „Lennart, das... das kannst du nicht machen.“
„Doch, kann ich“, sagte Lennart leise, aber mit einer Mischung aus Trotz und Zorn. „Weil ihr mich nicht aufhalten könnt.“
Er griff nach seiner Jacke, stieß die Tür auf und verschwand in die kalte Nacht.
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