7 - Feuer und Taktik
Blinzelnd hob Lily den Kopf mit dem glatten roten Haar von den kühlen Fliesen. Verwirrt sah sie sich um und stellte fest, dass sie sich wieder im Mädchenklo der Maulenden Myrte befand. Wie war sie hierhergekommen? Ihre Erinnerung riss ab dem Moment des Schmerzes in der Kammer ab. Ein wenig verstört sah sie an sich herunter. Ihre Schuluniform war noch immer dreckig und die Schuhe feucht, genauso wie das Haar, also konnte das, was unten passiert war, keine Einbildung gewesen sein. Außerdem klapperten die Giftzähne des Basilisken leise in ihrer Umhangstasche.
Was war das?, fragte sie sich, als sie mit vor Kälte steifen Gliedern aufstand. Was hat mir so wehgetan? Aber sie fand erstmal keine Antwort auf diese Fragen.
Als sie sich sauber zaubern wollte, stellte sie entsetzt fest, dass das nicht funktionierte. Obendrein hatte sie den Zauberspruch für das Reinigen vergessen und den fürs Trocknen kannte sie noch nicht. Panisch wirbelte sie um die eigene Achse und suchte mit dem Blick nach etwas, an dem sie sich versichern konnte, dass ihre Kräfte nicht weg waren. Schnell hatte sie etwas entdeckt, was sich wunderbar dafür eignete, als Testobjekt verwendet zu werden: die Klokabinen. Lily machte eine Handbewegung, die andeutete, dass das Holz splitternd beiseitegefegt werden sollte, aber es geschah nichts. Schockiert wiederholte sie die Bewegung, jedoch ebenfalls ohne Erfolg.
Ihr Hals wurde trocken und Tränen brannten in ihrer Kehle. Lily drehte sich auf dem Absatz um. Schluchzend stürzte sie auf die Flure, wo sie sich zitternd an die Wand lehnte. Als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, hob sie ihre Schultasche auf, die in sich zusammengesunken neben ihr gelegen hatte, nahm ein leeres Tintenfass, das einigermaßen sauber war und füllte die Basiliskenzähne dorthin um.
Dann versuchte sie möglichst normal wirkend zu den Schlafsälen zu gelangen, geriet jedoch auf halbem Weg in eine Schülertraube. Offensichtlich war die erste Unterrichtsstunde zu Ende. Hektisch drängelte sich Lily zwischen ein paar Viertklässlern hindurch.
Auf einmal wurde sie an der Schulter festgehalten. „Vorsicht, Potter", sagte eine oberlehrerinnenhafte Stimme, die Lily vage bekannt vorkam. Es war die Slytherin-Vertrauensschülerin, die sie bereits an ihrem ersten Tag in Hogwarts gesehen hatte.
Da das kleine Mädchen gerade aber recht nah am Wasser gebaut war, brach es in Tränen aus. „'Tschuldiung", schniefte Lily und senkte den Blick, was eigentlich gar nicht ihre Art war.
„Schon gut", sagte die Ältere nun etwas sanfter. „Mein Name ist Kate Adams. Du kannst immer zu mir kommen, wenn du Probleme hast, egal ob privat oder schulisch." Sie zog das Zopfgummi enger, das ihre langen, glatten dunkelbraunen Haare in einem ordentlichen Zopf aus dem Gesicht hielt.
„Danke", sagte Lily, nun langsam wieder gefasst. Zwar schlug sie das Angebot gedanklich doch aus, aber sie wollte nicht unhöflich sein.
„Sag mal, was hast du denn angestellt?", wollte Kate naserümpfend wissen, als sie Lilys Kleidung musterte, von der der Schmutz vermutlich nahezu abfiel.
„Hingefallen", nuschelte Lily.
„Das kriegen wir wieder hin. Tergeo!" Der Dreck verschwand, aber nass war der Stoff immer noch stellenweise. Lily verfluchte die Maulende Myrte dafür, dass sie bei Aufregung immer das Mädchenklo zu überfluten pflegte. „Tut mir leid, der Trocknungszauber gehört leider nicht zu meinem Repertoire", meinte die Vertrauensschülerin und ärgerte sich sichtlich über diese Tatsache.
Lily lächelte dankbar. „Trotzdem danke. Wir haben gleich Zauberkunst, vielleicht kann ich ja da mal fragen."
„Mach das", sagte Kate und setzte ein wenig strenger hinzu: „Und beeil dich, du hast nur noch acht Minuten." Sie hielt ihre Muggelarmbanduhr hoch.
Nickend rannte Lily los, achtete diesmal aber darauf, niemanden anzurempeln.
~*~
Professor Flitwick sorgte tatsächlich für Abhilfe, allerdings nicht so, wie Lily sich das vorgestellt hatte: Die Schüler sollten versuchen, Lilys Kleidung trocken zu zaubern. Jeder hatte einen Versuch. Um Lucas Finnigan würde sie hoffentlich herumkommen können; er hatte ein Talent dafür, Sachen in die Luft zu jagen. Allerdings schien er sich Lilys stumme Bitte nicht im Geringsten zu Herzen zu nehmen und stellte sich auch an.
Jetzt stand Helena vor ihr und lächelte sie zaghaft an. „Ich versuch's mal, ja?"
Lily nickte tapfer. Das Versuchskaninchen für andere zu spielen, machte ihr keinen Spaß. Warum war das nötig? Weshalb hatte sie nochmal den Professor für Zauberkunst gefragt? Im nächsten Moment wehte ein warmer Windstoß sie fast um.
„Hm, das war wohl nichts", murmelte Helena entschuldigend und ging zu denen, die es bereits versucht hatten, an den Rand.
Doch Lucas war unumgänglich und stand auch schon zwei Minuten später mit gezücktem Zauberstab vor ihr, was bei ihr schon alle Fluchtinstinkte weckte, aber sie unterdrückte diese. Da musste sie jetzt durch. Trotzdem umklammerte sie ihr eigenes magisches Holz unauffällig, indem sie die Arme verschränkte und es auf diesem Wege mit den Fingerspitzen erreichte und dann aus der inneren Umhangstasche zog.
„Impervius postea!", rief Lucas.
Lily kreischte ein „Aguamenti!", als eine Feuerwelle auf sie zu rauschte und daraufhin zischend erlosch. Der Gryffindor war nun tropfnass und stellte sich als neues Opfer seufzend neben seine Klassenkameradin, die ihn wütend anfunkelte: „Du hättest mich abfackeln können, Finnigan!"
„Sorry", nuschelte der Junge, ehe er von Jason einen eher dürftigen Trockenzauber entgegengeschleudert bekam.
Bei Lily war jetzt auch Alice dran, die den von Professor Flitwick erwünschten Zauber jedoch perfekt beherrschte, wie Lily verdutzt feststellte. Ihre Kleidung war nun vollkommen trocken und die Haare sogar auch.
Damit konnte sie sich jetzt bei Lucas' Warteschlange anstellen und es auch einmal versuchen. Aber ihre Magie funktionierte immer schlechter.
~*~
Auf momentan theoretische Zaubertränke bei Slughorn hatte Lily absolut keine Lust, daher schrieb sie unter der Bank schon mal ihren Aufsatz für Geschichte der Zauberei, wo sie momentan die Methoden der Todesser durchnahmen, zurzeit ihr Lieblingsgesprächsthema. Sie mochte die Erzählungen über den Krieg, die ihr Vater und die Fachlehrerin Bones immer von sich gaben.
Am Ende der Doppelstunde fehlten Lily nur noch vier Zoll bis zur geforderten Aufsatzlänge. Sie versuchte, noch irgendeinen Stuss dranzubasteln, musste aber feststellen, dass das Ergebnis wirklich nur eine Sache war, und zwar unnötig. Entnervt verstaute sie ihre Pergamentrolle wieder in der Schultasche und nahm letztere auf den Schoß, immerhin konnte es nur noch wenige Sekunden bis zum Unterrichtsschluss dauern.
Und tatsächlich: „Sie dürfen nun Ihre Sachen wegpacken, nächste Woche probieren wir den Trank aus, den wir heute besprochen haben."
Lily sprang auf und hetzte zu Verwandlung. Letzte Stunde war sie zwei Minuten zu spät gekommen und hatte riesigen Ärger einstecken müssen. Diesmal kam sie als Erste an, wie die Katze auf dem Pult mit einem Schnurren bemerkte. Lily lief rot an und versteckte sich hinter ihrem Verwandlungs-Buch.
Als auch alle anderen da waren, klatschte McGonagall in die Hände. „Ruhe! Hören Sie mir bitte einmal kurz zu!" Es wurde still. „Heute Nachmittag fällt der Unterricht aus-" Gejubel erhob sich, doch die Klasse wurde mit einem scharfen Blick zum Schweigen gebracht. „... was nicht bedeutet, dass Sie sich auf die faule Haut legen können. Die gesamte erste Stufe wird mit Professor Flitwick die Halle für das Halloweenfest morgen schmücken."
Die Schüler stöhnten auf und ließen die Köpfe auf die Tischplatten sinken.
„Und jetzt kommen wir zu den Hausaufgaben. Legen Sie diese bitte aufs Pult. Ich hoffe, Sie haben sich Mühe gegeben."
~*~
Lily betrat ohne große Motivation hinter dem Zauberkunst-Professor die Große Halle. Helena neben ihr putzte sich nahezu ununterbrochen die Nase, vermutlich war da eine Erkältung im Anmarsch, ähnlich wie bei Lucas Finnigan und Lily selbst. Aber bei den beiden anderen wusste man immerhin, woran das lag; die kleine Longbottom jedoch war vollkommen ratlos.
„Ich verstehe das nicht", sagte Helena gerade und zog die Nase hoch, nur um im nächsten Moment in ihr Taschentusch zu schnäuzen. „Du bist ja nass geworden, aber ich?"
Lily nickte und unterdrückte ein Niesen, das sich kitzelnd in ihrer Nase hatte breitmachen wollen. „Vielleicht hab ich dich angesteckt."
„Nehmen Sie sich jeder einen Kürbis hier", quiekte Flitwick durch das Gelärme, „und verwandeln Sie den dann in eine Laterne, die Sie dann hochschweben und mit einem Dauerklebefluch meiner Wenigkeit befestigen lassen, ja?"
Statt einer Antwort stürzten sich die Erstklässler ohne Rücksicht auf Verluste auf die Kürbisse, jeder wollte den größten haben. Naja – fast jeder. Lily war stehen geblieben, wartete, bis es zu einem schmerzhaften Zusammenstoß von Köpfen kam und beschlagnahmte das recht ansehnliche Streitobjekt für sich. Nicht umsonst war sie eine Slytherin geworden.
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