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Auf der Suche nach sich selbst und den wahrhaftigen Dingen im Leben
Eine Geschichte über die Liebe
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Die Welt wird sich nie verändern.
Die Reichen werden reicher und die Armen ärmer. So war es, so ist es und so wird es immer sein.
Einzig und allein das Glück entschied darüber, ob ich zu den Armen oder Reichen gehörte. Glück.
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13. März
Frühlingsball
Sanft wog ich meinen Kopf zum Klang der Ballmusik hin und her, während ich die volle Aufmerksamkeit der anwesenden Herren genoß.
Mit einer eleganten Bewegung strich ich mein purpurrotes Kleid mit den goldenen Sprenkeln darauf glatt. Der Stoff war weich und schmiegte sich perfekt an meine Haut.
"Wie können sie es wagen?", flüsterte meine Mutter plötzlich entsetzt. Kurz war ein wütender Blick auf ihrem Gesicht zu sehen, welcher jedoch sofort in ein aufgesetztes Lächeln wechselte, sobald sie sich wieder der tanzenden Masse zudrehte.
"Wen meinst du, Mutter?", gab ich genauso leise von mir, während ich die uns musternden Menschen beobachtete und mir dann vom Servierteller des Kellners ein Glas Sekt nahm.
Meine Mutter strich eine ihrer blonden Strähnen hinters Ohr und drehte ihren Kopf in meine Richtung. Ihre grünen Augen warfen mir einen warnenden Blick zu, ehe sie unauffällig in die rechte Ecke des riesigen Ballsaals nickte.
Kurz darauf umschloss mein Vater ihre Hüfte und zog sie mitsamt ihrem dunkelgrünen Kleid näher an sich. Vater war schon immer der ruhigere Part meiner Eltern gewesen. Meine Mutter wuschelte ihm durch die blonden Haare und zeigte ein kleines, beruhigtes Lächeln.
Währenddessen fiel mein Blick in die rechte Ecke des Saals. Um die tanzenden Paare hatte sich eine Menge gebildet, wobei sich auch abseits vom Tanzbereich eine beachtliche Traube zusammengefunden hatte.
Keine zwei Sekunden brauchte ich, um zu erkennen, von wem meine Mutter vorher gesprochen hatte.
Es war eine der Familien, die mit unserer auf Kriegsfuß standen. Nicht nur, weil die Garcías auch Banker waren, sondern einflussreich, genau wie wir.
Ihnen gehörten unzällige Banken, Schulen, Kunstmuseen und Hotels auf der ganzen Welt verstreut. Die Garcías genossen zudem eine allumfassende Bildung. Einige waren Bänker, Physiker, Ingenieure, Ärzte oder Juristen.
Sie verbrachten jedes Wochenende an einem anderen Ort. Fuhren die größten Wägen, besaßen die schönsten Yachten und lebten in den atemberaubendsten Schlössern.
Kurz gesagt, sie waren die Elite.
Und keine sieben Meter entfernt von mir stand eines ihrer berühmtesten Familienmitglieder: Mercedes Viñetto. Eine Fashionikone. Und mein heimliches Idol.
Sie war in ein umwerfendes glitzerndes Kleid geschält und setzte sich herausragend in Pose, während sie sich mit einem jungen Mann unterhielt. Dieser trug einen teuren schwarzen Anzug und stahl ihr mit seinem schlichten Dasein fast die Show. Mercedes war zwar groß, der Mann jedoch, übertrumpfte sie mindestens eineinhalb Köpfe. Von der Seite sah er ihr unglaublich ähnlich.
Wer war er nur?
Als er sich zur Seite drehte und mir sein Gesicht offenbarte, war es sofort um mich geschehen.
Er war Mercedes Sohn: Vicente García. Ebenfalls Model, wie seine Mutter. Jetzt verstand ich auch, warum. Seine pechschwarzen Haare rahmten das wie aus Stein gemeißelte Gesicht ein. Er sah ohne jeden Zweifel atemberaubend aus. Diese Augenbrauen, diese wohlgeformte Nase und dieser geschwungene Mund. Ich hatte ihn schon in einigen Model-Magazinen bewundert, jedoch sah er in echt nochmal besser aus.
Es war, als hätte dieser gutaussehende Mann meine schwärmerischen Gedanken lesen können, denn urplötzlich drehte er seinen Kopf genau in meine Richtung. Sein Blick fiel dabei direkt auf mich. Ein gribbelndes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus, als er mich ansah. So sinnlich, so hinreißend.
Doch auch wenn er wie der junge Leonardo DiCaprio aussehen würde, im Kopf würde er nichts als Frauen, Geld und Sex haben. So war es immer gewesen. Auf solche Typen würde ich mich nie einlassen. Sie könnten alle Frauen haben und legten sich deshalb auf keine fest. Idioten.
Doch trotzdem hoffte ein Fünkchen meines Herzens, dass dieser Mann möglicherweise keiner dieser Idioten war...
Seine hübschen Augen lagen immer noch auf mir, jedoch brach ich den Blickkontakt ab und trank einen Schluck aus meinem Glas.
"Darf ich um diesen Tanz bitten, Fräulein Moreau?"
Höflich ergriff ich die Hand des viel älteren Mannes und ließ mich von ihm auf die Tanzfläche ziehen. Vorher jedoch schenkte ich dem mich immernoch beobachtenden Mann in der anderen Ecke des Ballsaals noch einen letzten Blick.
Die drei Tänze verliefen unspektakulär. Ein wenig Smalltalk, mehr nicht. Dieser beinhaltete schwammige Komplimente und die Schönheit seiner Autos, was mich beides nicht beeindruckte.
"Also ich bin zufrieden, wenn mein Schlitten Gasgeben und bremsen kann. Danke für den Tanz."
Ich löste mich von dem Mann, verbeugte mich mit einem aufgesetzten Lächeln und war gerade am Gehen, als mich jemand zurückhielt.
"Darf ich um diesen Tanz bitten?"
Schwarze Augen musterten mich eindringlich. Unter dem rechten lag ein kleines Muttermal. Links daneben eine Stupsnase, darunter der schön geschwungene Mund mit rosa Lippen. Vicente. Er war es.
Wieder spürte ich einen ungewohnten Freudentanz von Schmetterlingen im Bauch, welche jedoch mit Mistkäfern einherflogen. Dieses Unwohlsein stand dafür, dass ich nicht wollte, wie mein Körper in seiner Gegenwart auf ihn reagierte. Ich wollte nicht so fühlen und meine Kontrolle ihm übergeben. Jedoch wollte ich diesem neuen Gefühl auch auf die Schliche kommen. Um es zu bekämpfen, redete ich mir ein.
Ich ließ noch etwas Zeit verstreichen, um ihn zappeln zu lassen. Dann nickte ich sanft und ergriff seine Hand. Er führte mich stumm zur Tanzfläche und zog mich schließlich an sich. Von diesem Tanz erhoffte ich mir eindeutig mehr, jedoch kann er nach dem Tanz zuvor eh nur noch besser werden.
"Rumba ist ein leidenschaftlicher Tanz", erklärte mir mein Gegenüber mit tiefer Stimme und zog mich mit einem festen Handgriff näher an sich heran, sodass unsere Körper sich berührten. Ich zog scharf die Luft ein und sah in sein Gesicht, welches keine Miene verzog. Er lächelte nicht.
Als die Musik einsetzte, ließ ich meine Hüfte rhythmisch kreisen und setzte mich perfekt in Szene. Edel aussehen war eine meiner leichtesten Aufgaben.
"Ich glaube, die Vorstellung können wir gleich beiseite lassen, weil wir uns bereits kennen", begann mein Gegenüber das Gespräch und sah mir gebannt in die Augen. Sein Blick war immernoch neutral, jedoch wendete Vicente seine Augen keine Sekunde von mir ab.
Er hatte Recht. Natürlich kannten wir uns schon, die Garcías und die Moreaus waren überall bekannt. Sie meiden die Gegenwart der jeweils anderen Familie zwar, aber wissen trotzdem alles über sie.
Ich nickte.
"Du bist Vicente García."
Ich lächelte leicht, was ihm gefiel, denn sein Blick wurde etwas weicher. Seine Mundwinkel zogen sich leicht nach oben, jedoch konnte er sich nicht zu einem Lächeln durchringen. Eine kleine Strähne seiner schwarzen Haare fiel ihm ins Gesicht und zog meine komplette Aufmerksamkeit auf sich.
"Freut mich dich kennenzulernen, Lilou Moreau."
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