Hurricane
Sakura war nach dem aufwühlenden Gespräch beinah fluchtartig aufgesprungen, um mit schnellen Schritten in ihrem Zelt zu verschwinden. Nun saß Sasuke alleine vor dem Feuer, das er mit leerem Blick anstarrte. Wie lange er einfach nur die tanzenden Flammen in der tiefen Dunkelheit der Nacht betrachtet hatte, wusste er nicht. Die angenehme Wärme, die er durch das Feuer auf der Haut spürte, tröstete ihn ein wenig. Aus welchen Gründen es ihn auch immer nach Trost verlangte, schließlich war all das seine Schuld. Wäre er nur nie in ihr Leben zurückgekehrt. Ein Knacken hinter ihm ließ ihn erschrocken herumfahren. Sein gesamter Körper spannte sich an, um bereit für einen Kampf zu sein. Aber, als er die Gestalt erkannte, die auf ihn zukam, entspannte er sich augenblicklich.
,,Schleich dich nie wieder so an mich heran."
Leise lachte Naruto, während er sich neben ihn auf den Baumstamm fallen ließ. Er streckte seine Beine dem Feuer entgegen. Eine Weile blickten sie schweigend in die rot orangen Flammen, die ihre Gesichter in der Dunkelheit erhellten.
,,Ist irgendwas?", fragte Naruto irgendwann in die Stille.
Sasuke zuckte mit den Schultern. ,,Wie kommst du darauf?"
,,Ich kenne dich besser als jeder andere, abgesehen von Sakura. Und für so was hab ich einen sechsten Sinn."
Was immer er hatte sagen wollen, es blieb ihm im Hals stecken. Viele Freunde hatte er nie gehabt. Was sicher auch an ihm lag. Daher wusste Sasuke es nun umso mehr zu schätzen, jemanden wie Naruto in seinem Leben und an seiner Seite zu wissen. Zu gerne hätte er mit ihm darüber gesprochen, was alles passiert war. Zwischen Sarada und ihm. Zwischen Sakura und ihm ... Doch Sasuke tat es nicht. Viel wichtiger war es, die Dinge persönlich zu klären. Eine ganze Weile blieb es still zwischen ihnen, ab und an hörte man das Kinstern der Flammen. Dann fing Sasukes Mund wie von alleine an zu sprechen.
,,Das ist wohl wegen Sarada."
,,Sie fehlt dir, oder?"
Unwillkürlich nickte Sasuke. Das war nicht mal gelogen, doch das Gespräch mit Sakura erwähnte er mit keinem Wort. Aber Fehler sind bekanntlich dafür da, gemacht zu werden. Wie auch immer ...
,,Komm, lass dich drücken."
Was!
Der Impuls vor Naruto zurückzuweichen überkam ihn. Solche Gesten hasste er und das wusste Naruto. Es war ihm einfach zu wider. Rasch rückte Sasuke ein Stück von ihm ab, dabei beobachtete Naruto ihn mit hochgezogenen Brauen.
,,Komm schon, Sasuke."
,,Nein!", sagte er und schüttelte heftig mit dem Kopf.
,,Spielverderber", schmollte Naruto.
,,Nenn es, wie du willst."
,,Ach, komm schon", bettelte er. ,,Wir sind doch Freunde."
Mittlerweile ging er ihm gehörig auf die Nerven, also ignorierte er ihn einfach. Ein tiefer Seufzer entwich Naruto als er aufgab, dabei sackten seine Schultern ein wenig nach unten. Fast tat er ihm ein bisschen leid.
,,Geh schlafen. Ich bin nun mit Wache halten dran."
Erst jetzt bemerkte Sasuke, dass die Sonne bereits aufging und den Himmel in rötliche Töne tauchte. Der Anblick gefiel ihm. Langsam erhob er sich, um erst einmal seine schmerzenden Gelenke zu strecken. Danach bewegte er sich in Richtung seines Zeltes, bis ... Einen Moment blieb Sasuke wie angewurzelt stehen. Jeder Muskel in seinem Körper war zum Zerreißen gespannt. Er presste die Faust gegen den Mund, um den Schrei zu unterdrücken, der in seinem Inneren tobte. Er musste hier raus. Sofort. Wohin war ihm egal. Hauptsache weg. Es war ein Gefühl. Eine Ahnung, die ihm Angst machte. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Sein Herz schlug wie verrückt. Vergeblich versuchte er, die Angst in den Griff zu bekommen.
Der Wald begann sich vor seinen Augen zu drehen. Die Bäume verschwammen zu einer grünen Einheitskulisse. Endlich schaffte er es, gleichmäßig zu atmen. Seine Handfläche stemmte er gegen einen Baum. Seine Sinne, eben noch beherrscht von diesem Gefühl, kehrten nach und nach zurück. Und wenig später war er wieder in der Lage, klar zu denken. Sasuke keuchte vor Erschöpfung. Ausgelaugt von was auch immer. Die verkrampften Muskeln entspannten sich und er versuchte, zu sich selbst zu finden. Es war vorbei, so schnell wie es gekommen war. Die Erkenntnis hüllte ihn ein wie ein Schleier. Und so schnell, wie das Gefühl verflogen war, kam der Kummer. Drückend beklemmende Trauer. Beinahe fühlte es sich an, als wäre jemand gestorben. Als müsste er für immer Abschied nehmen. Verdammt! Was war das? Ein vertrautes Gefühl pulsierte noch immer unangenehm in seinem Kopf. Es war eindeutig sie gewesen. Irgendetwas war passiert. Wie von selbst bewegten sich seine Füße Richtung Wald.
,,Sasuke, warte!", rief Sakura ihm hinterher.
Mist! Er blieb stehen, drehte sich aber nicht um. Eine Sekunde später war sie bei ihm.
,,Das mit gestern", sie senkte den Blick, um ihn nicht ansehen zu müssen. ,,Also, ich möchte nicht, dass du dich zu irgendwas gedrängt fühlst oder so. Es war nur ...
Barsch unterbrach er sie. ,,Du sahst so traurig aus und hilflos und ... Da hab ich mich ein bisschen hinreißen lassen. Ich wollte dich einfach nur trösten. Sorry. Ich - ich hätte das nicht tun sollen. Es tut mir leid."
Nun hoffte er, dass die Entschuldigung genügte und sie zurückgehen würde, doch das tat Sakura nicht.
,,Ich bin nur so durcheinander", seufzte sie.
Durcheinander? Ganz plötzlich und ohne jede Vorwarnung packte ihn die Wut. Sasuke spürte das heiße Pochen an seinen Schläfen, und dann brach es aus ihm heraus, ohne dass er es hätte aufhalten können.
,,Ach, du warst durcheinander? Was glaubst du, was ich war? Lässt mich einfach stehen wie einen Vollidioten und haust dann ab, ohne was zu sagen."
Einen Moment schwieg Sakura betreten. ,,Ich weiß", war alles, was sie darauf erwiderte. Der traurige Klang ihrer Stimme nahm ihn für den Moment den Wind aus den Segeln. ,,Ich hab mir Sorgen gemacht", sagte sie schließlich.
,,Es tut mir leid."
,,Was tut dir leid?"
Sakura machte es einem aber auch nicht besonders einfach. ,,Dass du dir Sorgen gemacht hast."
Sakura schnaubte. ,,Ist das das Einzige, das dir leidtut?" Ihre Augen funkelten ihn wütend an.
Warum eskalierte es immer so schnell zwischen ihnen?
,,Natürlich nicht! Glaubst du, ich wollte, dass es so läuft?"
Sasuke wusste nicht, ob er es so geradeheraus sagte, weil er es endlich loswerden wollte oder weil er wollte, dass Sakura ebenso litt wie er. Wahrscheinlich beides. Sie sagte kein Wort. Nur ihre tiefen, schweren Atemzüge waren zu hören. Panik machte sich in ihm breit. Er spürte förmlich, wie sie ihm entglitt.
,,Willst du denn gar nichts dazu sagen?"
,,Keine Ahnung, was du willst. Du redest ja nicht mit mir." Ihre Stimme klang nun noch sehr viel schärfer. Als hätte eine unbändige, hilflose Wut sie fest im Griff.
,,Hör auf damit, Sakura."
,,Womit?", giftete sie ihn an.
,,So eingeschnappt zu sein.", gab er wütend zurück.
,,Ach, jetzt bin ich eingeschnappt? Du bist doch abgehauen! Hast mich mit einem Baby alleine gelassen." Nun sammelten sich Tränen in ihren Augen. ,,Du hast es kaputt gemacht."
Etwas durchzuckte seine Seele. Was zuvor kalt gewesen war begann zu pulsieren. Es war ein vertrautes Gefühl. Innerlich erstarrte Sasuke. Er wusste, was das war. Die Verbindung war also nie fortgewesen. Eigentlich hatte er es angenommen, nach all den Jahren. Doch dieser Moment bewies ihm das Gegenteil. Es war ihm so als könnte er wieder in Sakuras Seele blicken. Aber er wusste nicht, ob sie es auch konnte.
,,Du hast alles kaputt gemacht", wiederholte sie.
Ihre Worte versetzten ihm einen Stich in die Brust. Ihm blieb der Mund offen stehen. Der Schmerz kam heftig und unerwartet. Wie eine eiserne Klammer schloss er sich um sein Herz. ,,Ich ... ich brauche jetzt einfach ein bisschen Zeit für mich", sagte er hilflos.
,,Was?", brüllte sie ihn an, wobei sie nun ihren Zeigefinger hart gegen seine Brust presste. ,,Du hast lange genug Zeit für dich gehabt. Du ... Du egoistisches Arschloch." Ihre Nasenflügel bebten verdächtig. ,,Such dir jemand anderen, den du aussaugen kannst."
,,Was?", fragte nun er. Seine Augen brannten, als stünden sie in Flammen.
,,Es tut weh, wenn man mit der Wahrheit konfrontiert wird", kommentierte sie seine Tränen. ,,Aber um sich weiterzuentwickeln, muss man zuerst der Realität ins Auge sehen." Ihre Worte klangen hohl. Wie ein eingeübtes Mantra. Es war nicht authentisch, nicht ehrlich. Es war einfach nur tief verletzend.
Fuck!
Wie betäubt sackte Sasuke zusammen und ging neben der uralten Weide mit den tief hängenden Ästen in die Knie. Zerfloss in Trauer und Selbstmitleid und dachte darüber nach, welche Richtung er im Leben nun einschlagen sollte. Alles hatte sich geändert. Selbst Sakura.
Was wollte er noch hier?
Dieser Ort hielt nichts als Schmerz für ihn bereit. Er hatte das Gefühl, in tausend Stücke zu zerbrechen und niemanden zu haben, der die Scherben auflesen und ihn wieder zusammensetzen konnte.
,,Ich glaube, es war keine gute Idee, euch zu begleiten."
Kaum hatte er den unbedachten Gedanken ausgesprochen, schon traf Sakuras Handfläche auf seine Wange. Das Echo des Geräusches hallte im Wald wieder, doch er verzog keine Miene. Er befand sogar, dass er es verdient hätte.
,,Nein, Sasuke Uchiha. Dieses eine Mal wirst du keinen Rückzieher machen. Hier geht es nämlich nicht um dich oder mich, sondern um Sarada. Unsere Tochter falls dir diese Tatsache entfallen sein sollte."
Wie hätte er das je vergessen können.
Ein einziger Gedanke war alles, wozu sein Gehirn fähig war: Er hatte versagt. Immer wieder hallten diese drei Worte durch seinen Kopf: Er hatte versagt.
Unerwartet kam die Erinnerung an das Gefühl zurück, welches während des Gespräches mit Sakura in den Hintergrund gerückt war. Sarada.
Plötzlich packte Sakura ihn am Handgelenk und riss die Augen auf.
Etwas war passiert ...
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